PflegeKraft HD

Mit Herz und Fachwissen – Sophie pflegt Kinder mit Krebs

Universitätsklinikum Heidelberg Season 2 Episode 2

Kinder mit Krebs pflegen – wie geht das eigentlich? Und warum entscheiden sich junge Pflegekräfte für diesen emotional herausfordernden, aber so wichtigen Beruf?


Sophie Däubler erzählt in der Auftaktfolge von PflegeKraft HD von ihrem Weg ans Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ), von kleinen Gesten mit großer Wirkung und davon, was es bedeutet, wenn ein Kind am Ende der Therapie die Glocke läutet.

Jana Wagner: Hallo und herzlich willkommen zur ersten Folge von Pflegekraft HD – dem Pflege-Podcast des Universitätsklinikums Heidelberg. Wir starten diesen Podcast mit einer kleinen KiTZ Reihe. Das KiTZ ist das Hopp Kinder Tumorzentrum am Universitätsklinikum Heidelberg. Es ist ein Therapie- und Forschungszentrum für onkologische und hämatologische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Hier erhalten die Patienten und Patientinnen eine umfassende Versorgung von der Diagnose über die Behandlung bis hin zur Nachsorge. Wenn man hört, dass es hier um Kinder mit Krebs geht, ist die erste Reaktion oft „das könnte ich nicht“. Ja, die Arbeit ist emotional, aber sie ist auch zutiefst sinnstiftend, die Kinder sind oft über Wochen oder Monate in der Klinik und das führt zu einer engen persönlichen Verbindung zwischen Pflegekräften, Kindern und ihren Familien. Und: die meisten von ihnen können heute erfolgreich behandelt werden. 

Ich heiße Jana Wagner, arbeite in der Unternehmenskommunikation am UKHD und habe heute in der ersten Folge Sophie Däubler als meine erste Interviewpartnerin zu Gast. Sie kommt ursprünglich aus Freiburg und ist derzeit Kinderkrankenschwester am KiTZ und beginnt jetzt mit ihrer Weiterbildung als Praxisanleiterin, woraufhin sie neue Kolleginnen und Kollegen einarbeitet und Auszubildende in der Praxis begleitet. Hallo Sophie, schön, dass du heute bei uns bist. 

 

Sophie Däubler: Hallo Jana, ich freu mich auch heute hier zu sein. 

 

Jana Wagner: Zu Beginn interessiert uns natürlich brennend, wie du eigentlich zur Kinderkrankenpflege gekommen bist. Warum auch ausgerechnet die Kinderonkologie?

 

Sophie Däubler: Das ist so, dass ich eigentlich schon immer sehr gerne mit Kindern gearbeitet habe, früher ehrenamtlich im Basketballverein, als Trainerin oder in der katholischen Gemeinde, als Gruppenleiterin oder auch zur Hausaufgabenbetreuung im Hort. Außerdem war der medizinische Bereich für mich schon immer interessant, ich hab Bio in der Schule sehr gern gemocht, meine Mama arbeitet als Altenpflegerin. Deswegen hatte ich schon immer einen Kontakt in diesem Bereich. Irgendwann später habe ich dann ein Praktikum gemacht als MTFA beim Kinderarzt und im Rettungsdienst. Da hat mir aber einfach der Patientenkontakt gefehlt; ich wollte Patienten länger betreuen. Und das hat mich eigentlich dazu geführt, warum ich dann in der Kinderonkologie gelandet bin: Weil mir die Komplexität der Diagnosen besonders gut gefällt, ich die lange und enge Beziehung, die man aufbauen kann einfach als sehr besonders schätze. Und meine Ausbildung, die ich in Freiburg absolviert hatte: Dort habe ich einen Einsatz gehabt von drei Monaten auf einer zum Teil kinderonkologischen Station und dort auch meine Zwischenprüfung abgelegt. Und das hat mir an der Ausbildung eigentlich mit Abstand am besten gefallen und so bin ich dann ans KiTZ gekommen. 

 

Jana Wagner: Na sehr schön, sehr eindrücklich. Und Apropos Eindruck: was war denn dein erster Eindruck, als du hier angefangen hast?

 

Sophie Däubler: Also ich kann mich noch sehr gut an meinen ersten Tag erinnern. Es war neues Haus, neues Team. Ich bin frisch nach dem Examen ans KiTZ gekommen. Hatte meinen allerersten Frühdienst in der Einarbeitung und ich kann mich gut daran erinnern, dass ich in der Transplantationseinheit stand und diese zwei Säulen an Infusomaten vor mir gesehen habe und ich sollte da eine Kurzinfusion anhängen. Also ich konnte es überhaupt nicht durchblicken, wo was überhaupt hingehört. Da habe ich mir schon gedacht: Oh Gott, wie soll ich das eigentlich jemals alles lernen? 

 

Jana Wagner: Mhm, und was hat dir geholfen bei diesem Einstieg, den du dann hattest, den du jetzt als gemischt beschrieben hast? 

 

Sophie Däubler: Ich muss sagen, ich hatte doch einen guten Einstieg in der Kinderonkologie. Wir haben nämlich bei uns auf der K3 Onko ein Phasensystem wie neue Mitarbeiter eingearbeitet werden. Also es gliedert sich in Phase eins, zwei und drei. Und in der ersten Phase bekommt man sozusagen die grundlegende Einarbeitung in die „Standard-Onkologie“ nenne ich sie jetzt mal und in die hämatologischen Erkrankungen. Dann nimmt man… wird man dann vier Wochen jemandem an die Hand gegeben und hat vier Wochen gekoppelte Einarbeitung. Später arbeitet man dann in dem Bereich vier Wochen alleine mindestens. Je nachdem wie weit man dann ist, geht man in Phase zwei über. Phase zwei sind dann alle Chemotherapien und Antikörpertherapien, wo man eingearbeitet wird. In dem Bereich arbeitet man dann auch vier Wochen ungefähr alleine. Und die letzte Phase findet erst nach einem Jahr ungefähr statt, sodass man schon ein bisschen Erfahrung gesammelt hat. Das ist dann die Transplantations-Einweisung; die dauert dann nur zwei Tage. Und ich muss natürlich sagen, ich hatte einfach einen super tollen Mentor. Der Ebi, heißt er bei uns auf Station, der Eberhard Artelt. Er ist auch Praxisanleiter, der mich sehr viel an die Hand genommen hat. Und was ich auch als sehr besonders darstellen würde, bei uns auf Station ist, dass man eigentlich jeden jederzeit alles fragen kann, also man muss keine Angst haben. Und außerdem ist eigentlich in jeder Schicht immer ein erfahrener Kollege oder eine erfahrene Kollegin da, die man auch alles fragen kann. Oder wenn mal ein Dienst ziemlich stressig war, dann unterstützt man sich am Ende trotzdem noch gegenseitig. Wenn mal einer länger da sitzt, dann fragt man, hey, kann ich dir noch irgendwas tun? 

 

Jana Wagner: Gibt es Momente, die dir dabei besonders nahe gegangen sind oder kannst du uns vielleicht sogar ein nennen? 

 

Sophie Däubler: Ich würde sagen, es gibt einige Momente, die einem nahe gehen können bei uns auf Station. Also zum einen würde ich sagen, ist das Läuten der Glocke immer was sehr, sehr besonderes. Wenn Kind bei uns die Therapie beendet hat, darf es dreimal die Glocke läuten. Dafür ist die Familie des Kindes anwesend und auch die behandelnden Ärzte, die Pflege. Alle versammeln sich und stellen sich im Flur auf und dann klingelt das Kind dreimal… oder läutet das Kind dreimal die Glocke. Und dann gratulieren alle und das ist natürlich immer ein sehr emotionaler Moment, besonders wenn man das Kind oder die Familie einfach eng betreut hat und eine enge Beziehung aufgebaut hat, weil man in dem Moment einfach unheimlich viel Freude und Dankbarkeit auch sehen kann. Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch viele traurige Momente, weil es schaffen natürlich nicht alle Kinder. Und wenn im Nachhinein zum Beispiel Familien zu Besuch kommen, deren Kinder es nicht geschafft haben und man mit denen dann ins Gespräch kommt, wie das Leben einfach ohne Kind ist. Außerdem haben wir natürlich auch palliative Situation bei uns auf Station. Das ist tatsächlich eher selten, aber da erfährt man natürlich auch eine ganz andere Art von Pflege.

 

Jana Wagner: Also das ist mit der Glocke, finde ich, ganz, ganz toll. Schön, dass du uns das so nahbar schildern kannst. Würdest du auch sagen, das sind Situationen, wo du besonders stolz bist oder die dir Kraft geben, wenn zum Beispiel die Glocke geläutet wird?

 

Sophie Däubler: Würde ich auf jeden Fall sagen, dass solche Situationen besonders sind. Ich denke, solche Situationen muss man sich auch immer ganz klar wieder vor Augen führen. Es gibt aber auch Momente mit Kindern, wo man einfach unheimlich viel zurück bekommt: Also man kriegt zum Beispiel mal einen Luftkuss zugeworfen oder ein mit Bild gemalt, einen Brief geschrieben und man singt gemeinsam ein Lied oder auch, wenn man Kinder im Spielzimmer miteinander basteln und spielen sieht. Aber eben auch traurige Momente, wo Eltern einfach mal Trost brauchen und eine tröstende Umarmung. Das zeigt unheimlich viel Dankbarkeit und dementsprechend bekommen, wir einfach super viel zurück und das zeigt mir auch immer wieder, dass ich richtig bin in dem Job. Und was mich stolz macht, würde ich sagen, sind… ich bekomm schon ziemlich viel positives Feedback auch einfach von Kollegen, von Patienten oder auch von der Leitung, wo ich auch selbst merke, dass ich in der Zeit, wo ich jetzt da bin, schon gewachsen bin, viel gelernt habe und auch gelernt habe, wie man vielleicht in anderen Situationen besser handelt.

 

Jana Wagner: Mhm, du hast jetzt auch über die Familien gesprochen, die ja oft dabei sind und die du in deiner Arbeit ja ebenfalls betreuen musst und viel kommunizierst. Wie baut man denn Vertrauen zu diesen Familien auf? 

 

Sophie Däubler: Ich denke, das Allerwichtigste, um Vertrauen aufzubauen, ist, dass man ehrlich ist, dass man immer erklärt, was man eigentlich gerade macht. Also dass man bei Pflegemaßnahmen zum Beispiel bei einem Verbandswechsel wirklich konkret sagt, was der nächste Schritt ist. Oder wenn man eine Infusion anhängt, dass man sagt, was ist das für eine Infusion: also was ist das für ein Medikament oder grob erklären, für was das überhaupt ist. Das schafft unheimlich viel Vertrauen. Oder dass man auch einfach Gesprächsbereitschaft signalisiert, dass man immer wieder Gesprächsbereitschaft anbietet, dass man Interesse auch zeigt. Und vielleicht auch selbst kleine Dinge von sich selbst preisgibt. Aber natürlich kann es auch helfen, dass man auch einfach mal nur zuhört oder sagt. Ja, ich verstehe, dass die Situation gerade sehr schwer ist, weil das bewegt oft auch Eltern, dass sie von sich aus sich öffnen. 

 

Jana Wagner: Das heißt, Kommunikation ist ja in deinem Job sehr wichtig. Würdest du auch sagen, weil die Themen dich auch mitnehmen, die du vielleicht in deinem Arbeitsalltag erlebst, dass du selbst irgendwo deine Kommunikation schärfen musst in deinem Alltag?

 

Sophie Däubler: Auf jeden Fall. Also ich würde sagen, Kommunikation ist eigentlich das A und O. Ist super wichtig, weil eigentlich beruht auf Kommunikation mein ganzer Job. Bei den Kindern finde ich super wichtig, dass man einfach altersgerecht kommuniziert. Bei mir bedeutet das zum Beispiel bei den kleinen Kindern, dass man das Blutdruck messen, als Muckis messen bezeichnet oder dass man, wenn man den Hickman Katheter, den eigentlich alle unsere Kinder haben, als Tankstelle bezeichnet, die man jetzt wieder anstöpseln muss, oder nach einem Verbandswechsel vielleicht zusammen noch den Teddy verarztet. Das schafft auch vertrauen, wenn man so an die Kinder heran tritt.

 

Minute 9.46 Jana Wagner: Das klingt ganz toll. 

 

Sophie Däubler: Bei den Jugendlichen geht es dann in die andere Richtung. Da kann man dann zum Beispiel über Zukunftspläne sprechen oder Sorgen und Ängste oder vielleicht auch über ganz banale Dinge, wie ein tolles Buch oder eine tolle Serie, die man empfiehlt, weil es natürlich auch immer mal langweilig sein kann im Krankenhaus. Bei der Kommunikation mit den Eltern finde ich super wichtig, dass man professionell bleibt, aber auch verständlich, weil die Pflege einfach ganz oft auch die Schnittstelle ist zwischen Ärzten und Pflege. Manchmal ist aber auch weniger mehr, also nonverbale Kommunikation. Man kann nicht nicht kommunizieren: eine tröstende Umarmung oder die Eltern rausschicken, dass sie vielleicht mal Zeit für sich haben, einen Kaffee trinken zu gehen und man kurz auf das Kind aufpasst oder einfach nur einen Joghurt reinbringt, sowas kann unheimlich viel bedeuten.

 

Jana Wagner: Du hast es auch ganz viele schöne Momente mit Kindern beschrieben. Würdest du auch sagen, dass du von den Kindern oder mit der Arbeit mit den Kindern auch etwas mitnehmen konntest? Konntest du von Kindern schon was lernen?

 

Sophie Däubler: Ich hab schon unheimlich viel von den Kindern gelernt. Was ich als größten Punkt sehe ist, dass sie sehr tough sind. Also die können so viel wegstecken: flitzen teilweise mit 39 Grad Fieber immer noch durch die Gegend oder sind auf dem Bobbycar unterwegs. Sie sind 100 Prozent ehrlich, die sagen einem einfach, was sie denken gerade heraus. Sie sind einfach unheimlich lebensfroh und spenden glaube ich auch den Eltern ziemlich viel Hoffnung. Und was mir auch aufgefallen ist, dass viele Kinder sehr, sehr schlau sind für ihr Alter. Also machen viel durch das, was sie vielleicht körperlich gerade nicht können, durch ihr helles Köpfchen wieder wett; sind teilweise kognitiv viel fitter. Ich erinnere mich zum Beispiel an eine Dreijährige, die einem das ABC von vorne bis hinten hoch und runter rattert oder bis 30 zählt. Und das finde ich schon bemerkenswert mit drei Jahren.

 

Jana Wagner: Jetzt haben wir ganz viele tolle Eindrücke bekommen aus deinem Arbeitsalltag. Jetzt würde uns trotzdem noch interessieren, warum du dich für die Weiterbildung zur Praxisanleiterin entschieden hast?

 

Sophie Däubler: Ich nehme einfach unheimlich gern jemanden mit an die Hand. Und wenn jemand interessiert ist, dann erkläre ich auch sehr gerne. Ich sehe das aber auch als Chance für mich selbst. Einfach nochmal bestimmte Dinge zu vertiefen oder neu zu lernen. Ich finde es schön, wenn man bei jemand anderem wie Auszubildenden oder neuen Kollegen oder Kolleginnen Fortschritte beobachten kann. Und was dazukommt, dass ich mich einfach noch selbst gut in die Rolle der Auszubildenden versetzen kann oder nachempfinden kann, wie man sich vielleicht in so einer Situation fühlt, weil es bei mir einfach auch noch nicht so lange her ist, dass ich noch Auszubildende war. 

 

Jana Wagner: Ich glaube, das ist für die Leute auch ganz toll, wenn du aus deiner eigenen Erfahrung was mitgeben kannst. Wenn du jetzt an deine berufliche Zukunft denkst: was ist dir denn dabei wichtig?

 

Sophie Däubler: Mir ist wichtig, dass ich eigentlich nie aufhören möchte zu lernen, dass ich weiterwachse und weiterhin auch viele Erfahrungen sammeln kann. Dass ich auch eine gute Praxisanleiterin werde und damit hoffentlich eine Vorbildfunktion werden kann. Aber auch, dass ich vom KiTZ unterstützt werde bei gegebenenfalls Fortbildungen in der Zukunft. Und was sich natürlich so allgemein wichtig finde, ist, dass einfach die Bezahlung und die Wertschätzung in unserem Beruf noch mehr werden und dass sich trotzdem noch junge Menschen für den Job interessieren… oder ja… das werden wollen, was ich bin!

 

Jana Wagner:  Ganz toll. Das ist eine tolle Antwort. Wir kommen leider schon zum Abschluss der ersten Folge unseres Podcasts. Deswegen gibt es eine finale Frage an dich: wenn jemand zu dir sagen würde, ich würde gerne in die Pflege gehen, aber ich habe Angst vor diesen emotionalen Herausforderungen, die diese Arbeit mit sich bringt, was würdest du denn dann antworten?

 

Sophie Däubler: Ich würde schon sagen, das ist ein Job, der einfach nicht für jeden etwas ist. Und es ist super wichtig, dass man sich damit auseinandersetzt, weil ein Ausgleich sehr wichtig ist. Man kann sich bei uns natürlich viel mit Kollegen austauschen. Aber ich sag immer, wenn mich jemand fragt: man muss sich selbst in gewisser Weise pflegen können, oder einfach mit sich selbst im Reinen sein, bevor man sich um Andere kümmert oder andere pflegt. Und was ich auch ganz wichtig finde zu sagen ist, dass die Kinderonkologie für viele Jahre so ein schwarzer Fleck ist, dass viele denken, dass wir eigentlich nur todkranke Kinder betreuen, aber viele gar nicht wissen, dass eigentlich ein Großteil der Kinder den Krebs besiegt.

 

Jana Wagner: Vielen Dank Sophie, für das anregende Gespräch und die tiefen Einblicke auch in deinen Arbeitsalltag. Ja, vielen Dank, dass wir die erste Folge mit dir starten durften. 

 

Sophie Däubler: Ja, sehr gerne.