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Ep. #10 | Feminismus und Marxismus (Theorie)

March 06, 2022 linke theorie
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Ep. #10 | Feminismus und Marxismus (Theorie)
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Der feministische Kampftag steht vor der Tür! Deswegen lassen wir es uns natürlich nicht nehmen, einmal über die Verbindungen von Feminismus und Marxismus zu sprechen.
Nachdem wir ein bisschen über der Patriarchat im Allgemeinen sprechen, erklären wir, warum ein (neo-)liberaler Feminismus nicht ausreichen kann.  Dann geht es ums Ganze: Um die Frage zu beantworten, warum die Frauenunterdrückung eng mit dem kapitalistischen System verbunden ist, schauen wir uns vier große Themen an: die Hausarbeit, die ›social reproduction‹, das Gebären und die Lohnarbeit. Am Ende gehen wir dann noch auf die Situation von Frauen im Sozialismus und den real existierenden sozialistischen Staaten ein.

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Hier findet ihr unsere Transkripte zu den einzelnen Folgen.

Weiterlesen:
bell hooks: Männer als Genossen im Kampf.
Bennholdt-Thomsen: Auch in der “Dritten Welt” wird die Hausfrau geschaffen - warum?
Bennholdt-Thomsen: Die stumme Auflehnung der Bauersfrauen. In: Mies/Werlhof/Bennholdt-Thomsen: Frauen, die letzte Kolonie. Zur Hausfrauisierung der Arbeit.
Bhattacharya: Introduction: Mapping Social Reproduction Theory. In: Dies.: Social Reproduction Theory. Remapping Class, Recentering Oppression.
Brenner/Laslett: Gender, Social Reproduction, and Women’s Self-Organization: Considering the US Welfare State.
Crenshaw: Kartierung der Ränder.
Dalla Costa/James: Die Frauen und der Umsturz der Gesellschaft.
D’Atri: Brot und Rosen. Geschlecht und Klasse im Kapitalismus. 
Davis: Das nahe Ableben der Hausarbeit, aus Sicht der Arbeiterklasse
Davis: Women, Race & Class.
Engels: Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats.
Federici: Wages against Housework. In: Dies.: Revolution at Point Zero. Housework, Reproduction and Feminist Struggle.
Federici: Vorwort zu ›Patriarchy and Accumulation on a World Scale‹. In: Mies: Patriarchy and Accumulation on a World Scale. Women in the International Division of Labour.
Federici: Aufstand aus der Küche. Reproduktionsarbeit im globalen Kapitalismus und die unvollendete feministische Revolution.
Federici: Jenseits unserer Haut. Körper als umkämpfter Ort im Kapitalismus.
Federici: Patriarchy of the Wage. Notes on Marx, Gender, and Feminism.
Ferguson/McNally: Capital, Labour-Power, and Gender-Relations: Introduction to the Historical Materialism Edition of Marxism and the Oppression of Women. In: Historical Materialism.
Fraser: Feminismus, Kapitalismus und die List der Geschichte.
Fraser: Neoliberalismus und Feminismus: Eine gefährliche Liaison.
Fraser: Crisis of Care? On the Social-Reproductive Contradictions of Contemporary Capitalism. In: Bhattacharya (Hrsg.): Social Reproduction Theory. Remapping Class, Recentering Oppression.
Ghandy: Philosophical Trends in the Feminist Movement.
Lenin: Der Internationale Frauentag.
MacKinnon: Feminism, Marxism, Method, and the State: An Agenda for Theory.
Quick: The Class Nature of Women’s Oppression. In: Review of Radical Political Economics.
Schiff: Sexismus.
Smith: Imperialism in the Twenty-First Century. Globalization, Super-Exploitation, and Capitalism’s Final Crisis.
Vogel: Marxismus und Frauenunterdrückung. Auf dem Weg zu einer umfassenden Theori

(L) Herzlich Willkommen zur neuen Folge von linketheorie, dem Podcast, in dem wir über den Kapitalismus reden, was an ihm schlecht ist und wie wir ihn überwinden können.

(Y) Ja, willkommen auch von meiner Seite. Schön, dass ihr wieder dabei seid, während wir uns über den Kapitalismus aufregen. Heute liefern wir euch gleich den passenden Sound, während ihr die Bilderrahmen von Alexandra Kollontai und Simone de Beauvoir poliert. Wir reden nämlich über die Unterdrückung von Frauen, warum auch das wieder, wie alles in unserem Podcast, eng mit dem Kapitalismus zusammenhängt und auf was wir eigentlich zielen müssen, wenn wir das Patriarchat zerstören wollen.

(L) Und wer uns schon öfter gehört hat, kennt uns und weiß, dass wir ein linker Podcast sind, der materialistisch und vor allem marxistisch auf die Welt um uns schaut. Das bedeutet für euch, dass ihr einen Ausschnitt zum Thema Frauenunterdrückung und Feminismus bekommt. Wir können hier nicht auf alles was irgendwie mit dem Feminismus zu tun hat eingehen und deswegen empfehlen wir euch wärmstens, dass ihr euch darüber hinaus mal mit dem Patriarchat auseinandersetzt. Also nur für den Fall, dass ihr es noch nicht habt.

(Y) Ja, wir versprechen euch, dass wir heute auf jeden Fall noch in die marxistische Analyse reinspringen. Zuerst wollen wir aber ein bisschen allgemeiner bleiben und so ein klein wenig die Oberfläche vom Patriarchat anschauen. Auch im 21. Jahrhundert gibt es ja genug Menschen die leugnen, dass es sowas wie Frauenunterdrückung überhaupt gibt und die sagen, dass es ja heute in Deutschland nicht mehr so schlimm wäre. Also wollen wir mal kurz eine gemeinsame Grundlage schaffen, von der wir dann ausgehen können, sozusagen um den Feind ein bisschen kennen zu lernen. Also Lea, was genau sehen wir denn in unserer Gesellschaft?

(L) In unserer Kultur gibt es auch heute noch ein ganz bestimmtes Bild davon, was eine Frau angeblich ist. Zum Beispiel haben manche die Vorstellung, dass Frauen emotionaler und schwächer wären, oder dass sie die liebevolle und empathische Seite der Gesellschaft bilden. Ja, sozusagen die gute Mutter.

(Y) Ja, wenn uns jemand als Marxist*innen erzählt, dass Menschen oder Menschengruppen irgendeine bestimmte Natur haben, sind wir natürlich erst einmal skeptisch. Wir gehen ja als dialektische und historische Materialist*innen vor allem davon aus, dass wir gesellschaftliche Wesen sind und dass wir uns als gesellschaftliche Wesen gemeinsam mit der Gesellschaft im Lauf der Zeit verändern. 

(L) Genau und was wir heute für ganz selbstverständlich an Menschen, oder auch an Frauen halten, das kann in einem sozialistischen System vielleicht schon ganz anders sein. Und diese Idee hat die französische Philosophin Simone de Beauvoir bezogen auf Frauen in einen ganz schönen Satz gepackt, den vielleicht manche auch schon mal hier und da gehört haben. Beauvoir sagt nämlich, dass man nicht als Frau geboren wird, sondern dass man erst im Miteinander mit anderen Menschen dazu gemacht wird. Vielleicht kannst du mal kurz erklären Yannic, was sie damit meint. 

(Y) Ja, die Gesellschaft steckt da ja schon mittendrin. Wenn wir sagen, dass man nicht als Frau geboren wird, dann meint das vor allem, dass die Art, wie wir unser Geschlecht ausleben, nicht in den Babys drinsteckt, wenn sie aus ihrer Mutter kommen. Mädchen kommen nicht auf die Welt und wollen Tierärztin werden und Jungs kommen nicht auf die Welt und greifen nach dem Bagger. Vielmehr werden Mädchen erst durch das Aufwachsen, durch die Erziehung und durch ihre Begegnung mit der Gesellschaft zu einer Frau. Weil zum Beispiel die kleine Christina sieht und hört, dass Frauen gerne Kleider tragen und sich hübsch machen und weil sie dann auch noch erfährt, dass sie selber zu diesen Frauen gehört, wird sie wahrscheinlicher diese Identität auch aufnehmen.

(L) Das heißt natürlich nicht, dass es keine biologischen Unterschiede gäbe, mit denen Menschen geboren sind. Aber eine Vagina führt zum Beispiel nicht automatisch dazu, dass Frauen sich schminken und ein Penis führt nicht dazu, dass Männer sich nicht schminken. Es gibt so eine Art Graben zwischen unserem biologischen Geschlecht und unserer Geschlechtsidentität. Und von dem einen führt kein gerader Weg zu dem anderen.

(Y) Ja, aber bemerkenswert ist ja gerade, dass wir eigentlich keinen einzigen Moment auf dieser Welt leben können, ohne dass die Fragen, wie wir uns zu verhalten und was wir zu mögen haben, auf uns und über uns geschüttet werden. Die Geschlechtsbestimmung passiert ja in der Regel schon vor der Geburt und mit diesen kleinen Wörtern – männlich und weiblich – ist dann eigentlich schon ein ganzes Universum an Verhaltensweisen, Emotionen, Vorlieben und ja auch Sexualitäten und so weiter für uns vorgezeichnet. 

(L) Jetzt stehen die beiden großen Geschlechter sich aber nicht auf Augenhöhe gegenüber, sondern es existiert zwischen ihnen ein strukturelles Machtverhältnis.

(Y) Und das Wort „strukturell“ ist dabei ganz wichtig. Es geht nämlich zum Beispiel nicht darum, ob Peter tatsächlich Frauen vergewaltigt, sexualisiert oder diskriminiert, sondern es geht bei dem, wo wir hier gerade drüber reden, um das Verhältnis zwischen der Gruppe der Frauen und der Gruppe der Männer. Und es geht uns um den Blick auf das Ganze.

(L) Genau, und seit Jahrhunderten schon haben die Frauen den Männern gegenüber eine untergeordnete Rolle eingenommen und sie tun es heute noch. Was die Weiblichkeit und die Männlichkeit verbindet, ist also ein bestimmtes Machtverhältnis und genau das wollen wir uns jetzt genauer anschauen. 

(Y) Eine Folge und Gleichzeitig ein Ausdruck von dem Machtverhältnis ist, dass in unserer Welt extrem vieles männlich geprägt ist. Also, dass extrem vieles auf Männer eigentlich ausgelegt ist und das ist auch kein Wunder, denn Männer sind ja seit Jahrhunderten die, die Welt prägen und definieren, die Geschichte geschrieben und die Gesellschaft größtenteils nach ihren Vorstellungen gemacht haben. Und das können wir uns bei der Gelegenheit auch gleich mal mit Zahlen angucken, weil in der aktuellen Legislaturperiode sind 65% der Abgeordneten im Bundestag Männer. 74%  der Professuren an deutschen Unis sind mit Männern besetzt, 2013 waren 95% der Chefredaktionen von Regionalzeitungen in Deutschland in der Hand von Männern. Und 2017 waren 79% der Expert*innen im deutschen Fernsehen Männer. Das heißt, vier von fünf der Menschen, die in diesen Expertenrunden saßen, waren männlich. Und im gleichen Jahr – also 2017 – gab es mehr Vorstandsmitglieder die den Namen Thomas, oder Michael hatten, als es insgesamt Frauen gab. 

(L) Und deswegen sind die gesellschaftliche Arbeitsteilung und die Arbeitswelt auf durchschnittliche Männer und nicht einfach auf durchschnittliche Menschen ausgelegt. Zum Beispiel ist die Medizin auf den männlichen Körper ausgelegt, Durchschnittstemperaturen orientieren sich am männlichen Ideal, Städteplanung passiert meistens nach männlichen Bedürfnissen und so weiter. Wenn wir Filme sehen, dann ist es bei einer männlichen Hauptrolle ein ganz normaler Film, mit einer weiblichen Hauptrolle wird er aber oft gleich als Frauenfilm abgestempelt und das gleiche Muster gibt es auch bei Büchern und genauso bei Kindergeschichten.

(Y) Und wenn wir das Ganze mal auf eine allgemeinere Ebene bringen, dann können wir in ziemlich vielen Bereichen sehen, dass Männer meistens den Status Quo darstellen, während Frauen traditionell als das Abweichende definiert werden. Das ist genau das, was Beauvoir zum Beispiel auch – von der wir ja vorhin schon gesprochen haben – meint, wenn sie die Frau in ihrem berühmten Buchtitel als „das andere“ oder als „das zweite Geschlecht“ beschreibt. 

(L) Das beste Beispiel ist dafür die Sprache, die immer auch ein Spiegel der materiellen Realität ist. In unserer Sprache wird die männliche Form als normal angesehen, Frauen und andere Geschlechter werden einfach mitgemeint. Wenn Frauen aufwachsen, tun sie das deswegen in einer männlichen Welt und sie werden in genau diese männliche Welt hineinsozialisiert.

(Y) Damit hängt auch der sogenannte „male gaze“ zusammen, von dem ihr vielleicht schon mal gehört habt. Wer vom „male gaze“ spricht, meint damit, dass zum Beispiel die Bewertung von Frauen und von den Körpern der Frauen nach männlichen Maßstäben stattfindet. Das heißt nicht mal unbedingt, dass tatsächlich alle, oder die meisten Männer das gut finden müssen. Aber als positiv gilt bei Frauen das, was die Gesellschaft glaubt, was Männer gut finden. Weil sich dieser „male gaze“ überall wieder findet – schließlich bringt das hohe Verkaufszahlen für die Magazine und für die Fernsehsendungen – lernen Frauen dann von klein auf überall, wie sie zu sein haben.

(L) Wenn man das Ganze jetzt ein bisschen akademisch, philosophisch betreiben will, dann kann man sagen, dass der weibliche Körper immer ein Körper für andere ist. An den Körper einer Frau gibt es ganz bestimmte gesellschaftliche Erwartungen, die von einer konstruierten Männlichkeit, einem Männlichkeitsideal ausgehen und daran werden die Frauen dann gemessen. Damit hängt übrigens auch die Objektifizierung von Frauen und ihren Körpern zusammen. Eine Frau darf niemals einfach für sich existieren, sondern taucht im gesellschaftlichen Bewusstsein nur durch die Augen von Männern auf. Praktisch als Sexobjekt, aber auch als Careobjekt, als Heimatobjekt und so weiter. 

(Y) Natürlich werden auch an Männer diese ganzen Erwartungen von Männlichkeit herangetragen, darauf gehen wir auch gleich noch ein. Aber Männer werden in der gesellschaftlichen Wahrnehmung eher als selbstständige Wesen, als Menschen wahrgenommen. Sie sind also nicht für andere – wie Frauen – sondern vor allem für sich selbst. Sie sind dann die Entdecker, oder diejenigen, die in der Welt handeln und diejenigen, die die Welt eben entdecken. Und sie werden auch als die wahrgenommen, die eher die Rationalen sind und diejenigen, die die Ideen und Theorien über alles hervorbringen können.

(L) Und das immer noch nicht zerstörte Ideal ist dabei, dass die hübsche junge Frau sich einen gutverdienen, etwas größeren und sozial gut gestellten Mann sucht. So ein Macht- und Ungleichheitsverhältnis wird dann nicht nur normalisiert, sondern auch noch erotisch aufgeladen. Das trägt sich dann bis in den Sex rein, wo teilweise für Frauen erniedrigende Sexpraktiken fetischisiert und auch als normal angesehen werden. Aus marxistischer Sicht sind solche Wünsche, die es ja teilweise auch in den Köpfen von Frauen selber gibt, immer kritisch darauf zu hinterfragen, wie und vor welchem gesellschaftlichen Hintergrund sie entstanden sind.

(Y) Ja, wenn man über das Patriarchat spricht, dann kann man sich eigentlich immer sicher sein, dass irgendwo ein Mann gerade seine Stimme ölt, um gleich rumzuschreien, dass Männer doch genauso unterdrückt werden. Und da gehen wir jetzt auch noch kurz ein. Man sieht natürlich gleichzeitig, dass es auf der anderen Seite auch ein großer Druck für Männer sein kann, in die Ideale von Männlichkeit hineinzupassen. Und genau dieser Druck für Männer in Männlichkeitsideale reinzupassen, der ist natürlich real und kann auch starke psychische Folgen haben. Deshalb sagen Feminist*innen ja auch zu Recht, dass auch Männer durch den Feminismus von Zwängen befreit werden können. Aber vielleicht magst du eben den Unterschied erklären, wie Frauen und Männer vom Patriarchat betroffen werden. 

(L) Ja, wie du gerade schon gesagt hast: Männer können auch unter dem Patriarchat leiden. Aber – und das ist der wichtige Punkt – sie sind trotzdem nicht diejenigen, die davon unterdrückt werden. Also genauso können auch einzelne Frauen vom Patriarchat profitieren, aber strukturell – das Wort hatten wir ja vorhin schon – das heißt, insgesamt und unabhängig von Einzelfällen, ist das Patriarchat ein System, das die Herrschaft von Männern bedeutet. Und deshalb ist das, was mit Männlichkeit verbunden wird, vor allem etwas, was ein Dominanzverhältnis widerspiegelt. Und zwar gegenüber Frauen. Weiblichkeit dagegen wird mit Eigenschaften von Unterwürfigkeit verbunden.

(Y) Ja und damit kommen wir eigentlich schon zu einem anderen extrem wichtigen und extrem gefährlichen Teil des Patriarchats. Denn genau das, was du gerade beschrieben hast, ist ein Grund, warum Männer auch häufiger zu Gewalt neigen. Vor allem wenn es um geschlechtsspezifische Gewalt, oder um sexualisierte Gewalt geht. Wir haben ja auch vorhin schon angesprochen, dass sich auch in den sexuellen Vorlieben das Machtverhältnis der Gesellschaft, in der die Menschen sozialisiert wurden, wiederfindet. Und das Ganze, also dieses Gewaltverhältnis, findet man auch ziemlich erschreckend in den Zahlen wieder. Wir haben uns da mal die Kriminalstatistik zum Beispiel angeschaut. Da sind 94% aller Vergewaltigungsopfer weiblich und auch die Vergewaltiger von männlichen Opfern sind überwiegend Männer. Insgesamt sind da also 99% der Tatverdächtigen Männer. Und nach einer EU-weiten Erhebung ist eine von 20 Frauen seit ihrem 15 Lebensjahr vergewaltigt worden. Die meisten von den Frauen haben den Vorfall aber nie der Polizei gemeldet. 

(L) Wir haben aber auch noch mehr Zahlen zum Thema Frauenunterdrückung. Heute sind nämlich auch 70% der ärmsten Menschen weltweit Frauen und Mädchen. Und ein ähnlich großer Anteil der Opfer von moderner Sklaverei sind auch Frauen und Mädchen. Die Unterdrückung von Frauen sieht man auch ganz gut beim Thema Schwangerschaft. Wenn wir mal überlegen, wie weit Wissenschaft und Technik heute sind, ist es zum Beispiel widerlich zu erfahren, dass jedes Jahr immer noch 500.000 Frauen durch Komplikationen während der Schwangerschaft oder der Entbindung sterben müssen. Dazu kommen dann täglich nochmal 500 Frauen, die nach illegalisierten Abtreibungen sterben. 

(Y) Weil wir – wie wir am Anfang schon angekündigt haben – vor allem die marxistische Perspektive auf das Patriarchat und auf die Frauenunterdrückung darstellen wollen, gehen wir jetzt nicht weiter auf das Patriarchat an sich ein. Und das sollte jetzt auch nicht wirklich eine systematische Darstellung sein, aber mit den ganzen Zahlen sind wir jetzt alle vielleicht ein bisschen deprimiert und verstehen den Hintergrund, vor dem der marxistische Feminismus sich mit dem Patriarchat auseinandersetzt. Und ich glaube bis hierhin würden wahrscheinlich auch die meisten Feminist*innen mitgehen, wir sinduns also zumindest soweit einig, dass in der Art, wie wir gesellschaftlich zusammen leben, etwas ziemlich schief läuft. Weil Frauen diskriminiert, erniedrigt, benachteiligt, belästigt und vergewaltigt werden.

(L) Und wo wir gerade beim Themenschnitt sind, steige ich mal direkt mit einer Frage ein. Bist du liberal, Yannic?

(Y) Ne, der Marxismus und Liberalismus vertragen sich ja nicht ganz so gut, aber worauf die Frage natürlich vor allem hinaus will ist – nein, das ist Mansplaining – was sie eigentlich meint… Aber es gibt natürlich in unserer Gesellschaft wirklich viele, die sich als liberal bezeichnen würden. Und deswegen wollen wir jetzt kurz auf den Liberalismus und den liberalen Feminismus eingehen. Der Liberalismus ist ja aktuell die vorherrschende Ideologie in unserer Gesellschaft und legt großen Wert auf die bürgerliche Gesellschaft und die Freiheit von Einzelpersonen. Ja, zumindest behauptet das der Liberalismus das von sich selber, aber weil der Liberalismus die herrschende Ideologie ist, hat er natürlich auch eine bestimmte Idee davon, was hier schief läuft und wie man das verändern kann. Also wollen wir uns das jetzt kurz angucken.

(L) Der liberale Feminismus setzte und setzt sich vor allem für die Rechte von Frauen im bürgerlichen System ein. Also da haben sie zum Beispiel dafür gekämpft, dass Frauen wählen dürfen und dass sie auch als Menschen, unabhängig von ihren Männern, anerkannt werden. In letzter Zeit, hier im westlich deutschen Raum, ist der liberale Feminismus vor allem dadurch aufgefallen, dass er sich für Frauen in Vorständen und Chefpositionen einsetzt und letztens haben wir auch ein Video gesehen, wo Olaf Scholz sich heldenhaft selber als Feminist bezeichnet und dann sofort auf das riesige Problem zu sprechen gekommen ist, dass einfach viel zu wenige Frauen in Führungspositionen sind. 

(Y) Ja, die Inhalte wollen wir hier gar nicht so weit aufrollen. Wir glauben aber, dass es wichtig ist, zumindest kurz die Schwächen vom liberalen – also vom vorherrschenden – Feminismus zu kritisieren. Weil erst wenn wir das gemacht haben, können wir eigentlich darüber reden, was der Marxismus meint, wo die gesellschaftlichen Ursprünge von der Frauenunterdrückung eigentlich liegen. Und um die Kritik zu machen, haben wir mal drei Thesen für euch vorbereitet, auf die wir jeweils kurz eingehen. Und zwar würden wir sagen, der Feminismus ist dann ungenügend, wenn er sich auf die Befreiung von einzelnen Menschen beschränkt. Wir haben ja gerade schon gesagt, dass eines der größten Anliegen des liberalen Feminismus aktuell ist, dass mehr Frauen in Führungspositionen kommen sollen.

(L) Als Marxist*innen sehen wir relativ schnell, was dabei verschwiegen wird. Wenn Frauen in Vorstände und Führungspositionen kommen, bedeutet das nämlich nicht nur, dass die aktuellen Verhältnisse akzeptiert werden, sondern vor allem, dass das Verhältnis zwischen Ausbeutenden und Ausgebeuteten so wie es ist, eigentlich bestehen bleibt. Nur ist es jetzt halt so, dass wir die Kapitalist*innen gendern, weil auch ein paar Frauen zu der Gruppe gehören. 

(Y) Und weil wir Marxist*innen als Nervensägen bekannt sind, stellt sich für uns sofort die Frage, ob man wirklich von Frauenbefreiung sprechen kann, wenn ein paar Frauen sich auf die Kosten der arbeitenden Bevölkerung teuren Schmuck leisten können und wenn alles gut läuft, dann von den Männern  irgendwann als Mensch auf Augenhöhe akzeptiert werden. Weil natürlich für ein paar Frauen die Lage ein bisschen besser wird, aber für unglaublich viele Frauen bleibt die schreckliche Lage in der sie sind genau so, oder wird vielleicht sogar noch verschärft. Um ein bisschen polemisch zu werden, können wir zum Beispiel Beyoncé anschauen, die als Ikone gefeiert wird und sich durch die Einnahmen ihrer Verkäufe alle feministischen Träume erfüllen kann. Aber gleichzeitig arbeiten ausgebeutete Frauen in der dritten Welt unter echt schrecklichen Bedingungen um ihre Mode herzustellen.

(L) Und auch eine Arbeiterin von  VW wird es ziemlich wenig interessieren, ob an der Spitze des Unternehmens jetzt ein Mann, oder eine Frau sitzt, oder vielleicht sogar eine geteilte Doppelspitze. Die Arbeiterin muss so oder so nach einer anstrengenden Schicht nach Hause gehen, die anstrengende Hausarbeit erledigen und jeden Euro zweimal umdrehen, um zu überleben.

(Y) Wir sehen daran einen wichtigen Punkt im Verhältnis zwischen Ausgebeuteten. Denn nur weil Frauen in einer Hinsicht – nämlich als Frauen – unterdrückt werden, bedeutet das nicht, dass sie nicht selber auch wieder zu Unterdrückenden gegenüber anderen Gruppen werden können. Und vielleicht sogar die eigene Freiheit auf der größeren Unterdrückung von anderen Frauen aufbauen kann. 

(L) Teilweise wird es für diese Frauen sogar noch schlimmer. Wenn die Arbeiterin bei VW, die wir jetzt gerade als Beispiel hatten, wenn sie jetzt auf den Sexismus hinweist, der ihr täglich entgegenschlägt, dann bekommt sie von vielen Menschen die Antwort, dass wir doch eine Frau als Bundeskanzlerin hatten. Dann kann ihre schlechte Lage ja wohl nicht am Frausein liegen, sondern einfach daran, dass sie sich selber zu wenig angestrengt hat. Und damit wird die Unterdrückung als Frau auf sie selbst geschoben und zu ihrer eigenen Verantwortung. Kommen wir zur zweiten These. Der Feminismus ist ungenügend, wenn er die Unterschiede im Frausein ignoriert. Und das ist einer der zentralen Kritikpunkte, die es gegen den liberalen Feminismus gibt. Es gibt zum Beispiel auch eine Kritik von Schwarzen, die kritisiert haben, dass ihre besondere Position ignoriert wird – und das zu Recht – aber für heute beschränken wir uns erst mal auf die Klassenfrage, weil das Thema sonst viel, viel zu groß wird.

(Y) Ja und da gehen wir erst mal noch einen Schritt zurück. Vielleicht fangen wir nämlich erst mal mit einer kurzen Einordnung an, für diejenigen, die von euch noch nicht so vertraut mit dem Marxismus sind. Als Marxist*innen wissen wir nämlich, dass unsere Gesellschaft sich in Klassen teilt und die wichtigste Teilung ist die zwischen Kapitalist*innen – denen zum Beispiel Maschinen, Fabriken, Schiffe und so weiter gehören – und der proletarischen Klasse. Und die proletarische Klasse besitzt praktisch nichts, um selbstständig zu überleben und muss deswegen meistens ihre Arbeitskraft für Lohn verkaufen. Aber natürlich gibt es auch in der proletarischen Klasse nochmal Unterschiede, im Einkommen, wenn sie arbeiten und dadurch auch bei den Möglichkeiten, die sie haben. Wichtig für uns ist hier vor allem, dass es Unterschiede zwischen den Menschen im Hinblick auf ihre Klassenzugehörigkeit gibt und dass diese Klassenzugehörigkeit andere Möglichkeiten und Grenzen für die Menschen bedeuten. 

(L) Genau so ist es auch innerhalb der riesigen Gruppe an Frauen. Es gibt einfach Unterschiede zwischen einer Nato-Offizierin und einer Frau in dem Dorf, das von den Nato-Streitkräften niedergebombt wird. Und die Situation für Frau Merkel ist eine andere als für die Arbeiterin bei VW. Und nur weil sie alle irgendwie Frauen sind, bedeutet das nicht gleich, dass die Unterdrückung sie gleich, oder auf die gleiche Weise trifft. In welcher Klasse du bist, bestimmt eben auch, wie deine Unterdrückung als Frau genau aussieht. Und sie bestimmt auch, welche Möglichkeiten du hast, mit dieser Unterdrückung umzugehen. Zum Beispiel wird die Frau im Vorstand eines großen Konzerns deutlich bessere Möglichkeiten haben eine illegale Abtreibung gut und sicher durchführen zu lassen, als eine besitzlose Frau.

(Y) Die dritte These, die wir einbringen würden ist, dass der Feminismus dann ungenügend ist, wenn er bei der Kultur stehen bleibt und nicht das Fundament der Gesellschaft angreift. Und ich glaube auf den Punkt gehen wir jetzt relativ kurz ein und benutzen ihn dann eher als Sprungbrett, um zum marxistischen Feminismus zu kommen. 

(L) Das dritte Problem ist nämlich, dass ein Großteil der feministischen Forderungen und Erfolge bis jetzt eher auf der Oberfläche bleibt. Zum Beispiel kämpft man dafür, dass irgendwelche Gesetze vom bürgerlichen Recht verändert werden, dass Frauen mehr Möglichkeiten haben sich zu bilden, oder zu arbeiten und so weiter. Wenn wir das als unsere Strategie nehmen, dann bleiben nicht nur viele dringende Probleme unbekämpft, sondern wir verlieren uns auch in der Bekämpfung von Symptomen, bei der dann kleine Erfolge gewonnen werden, aber diese Erfolge oft nur von privilegierten Gruppen genutzt werden können und die Erfolge dann auch wieder jederzeit zurück genommen werden können.

(Y) Die Ökosozialistin Maria Mies hat dafür ein Wort, das ich ganz schön finde und zwar spricht sie von „Schönwetterrechten“. Das heißt, solange das Wetter gut ist, alles gut läuft, es dem Kapital gut geht und die Unterdrückung von Frauen nicht so dringend gebraucht wird, solange bleiben die Schönwetterrechte bestehen. Sobald dann aber das Wetter wieder schlechter wird, war es das mit der Emanzipation von Frauen. Während der Corona-Pandemie haben wir davon ja auch einen kleinen Eindruck bekommen, wie schnell die Frauenemanzipation am Wackeln ist, wenn mal ein paar Wolken aufziehen. 

(L) Der Ausgangspunkt vom marxistischen Feminismus ist ein anderer und zwar folgender: die Frauenunterdrückung im Kapitalismus ist nicht einfach ein kulturelles Phänomen, oder etwas, gegen das wir nur genug kämpfen müssen, damit es verschwindet. Sondern es gibt ganz klare Bedürfnisse, von dem gesellschaftlichen und kapitalistischen System, in dem wir leben, die durch die Unterdrückung von Frauen befriedigt werden. Frauen werden also unterdrückt, weil es der Klassengesellschaft hilft zu überleben. Sie arbeiten im Haushalt und in der Gesellschaft kostenlos, sie produzieren neue Menschen, indem sie Kinder gebären und die kann man dann wieder ausbeuten und man kann auch ihre schlechte Stellung benutzen, um den Lohn von allen zu senken. Solange es der kapitalistischen Klasse hilft, wird sie deswegen die Stereotype, Diskriminierung, Unterdrückung und die Gesetze gegen Frauen aufrecht erhalten. Solange werden sie auch in ihren Zeitungen und Fernsehsendern die Klischees wiederholen und solange wird auch die wirkliche Befreiung aller Frauen gar nicht möglich werden. 

(Y) Ja, in dem Sinne muss der Feminismus eigentlich radikal sein, denn wenn man von „radikal“ spricht, dann bedeutet das ja, dass wir die Wurzel von einem Problem finden und zerstören. Wir bekämpfen also nicht nur die Symptome, sondern greifen das an, was die Symptome tatsächlich auch produziert. Deswegen setzen wir uns hier nicht nur mit der sichtbaren Frauenunterdrückung auseinander, sondern reden darüber, warum das alles passiert und was abgeschafft werden muss, um die Frauenunterdrückung zu zerstören.

(L) Und mit diesen großen Worten steigen wir jetzt endlich ein in den marxistischen Feminismus und wir haben uns dafür ein paar Blöcke zusammengebastelt. Zuerst gehen wir auf vier Bereiche ein, in denen der Kapitalismus von der Unterdrückung der Frau und von den Geschlechterklischees profitiert. Das ist einmal die Hausarbeit, die gesellschaftliche Reproduktion, dann das Gebären von Kindern und am Ende auch die Lohnarbeit. Nachdem wir uns diese vier Punkte angeschaut haben, erzählen wir dann kurz etwas über das Verhältnis von Sozialismus und Feminismus, aber jetzt starten wir erst mal mit der Hausarbeit.

(Y) Wenn ihr schon andere Folgen von uns gehört habt, dann wisst ihr vielleicht, dass im Zentrum der marxistischen Theorie die Arbeit steht. Das liegt daran, dass durch Arbeit der gesamte Reichtum der Gesellschaften hergestellt wird. Denn dank der Arbeit haben wir ein Dach über dem Kopf und Essen auf dem Teller und durch Arbeit haben wir sogar die Maschinen, die die Arbeit von lebendigen Menschen irgendwann wieder ersetzt. Es liegt also nahe, dass auch der marxistische Feminismus den Fokus vor allem auf die Arbeit legt, die Frauen leisten.

(L) Am Anfang vom 20. Jahrhundert hat der russische Revolutionär Wladimir Lenin zum Beispiel gesagt, dass die Hauptsache der Unterdrückung der Frau im Kapitalismus die „häusliche Sklaverei“ wäre. Also wie er das genannt hat. Frauen, so meinte Lenin, erledigen die „gröbste, schwerste, den Menschen am meisten abstumpfende Arbeit und die Kleinarbeit in der Küche.“ Zitat ende.

(Y) Ja, also der gute alte Lenin hat schon relativ früh einen Riecher gehabt, aber so richtig wurde die Arbeit von Frauen im Haushalt erst Ende der Sechziger von Margaret Benston in einem Artikel kritisch analysiert. Die Hauptaussage von ihr war damals, dass nicht nur die Lohnarbeit, sondern auch die Hausarbeit produktive Arbeit wäre, ohne die eine Gesellschaft nicht länger weiter existieren könnte.

(L) Aber damit sind wir schon mitten im Thema. Am besten fangen wir nochmal ein bisschen weiter vorne an. Wenn wir uns mit der Hausarbeit beschäftigen wollen, dann kommen wir leider nicht drum herum, kurz über die marxistische Kritik der politischen Ökonomie zu sprechen. Was müssen wir also darüber wissen, bevor wir weiter mache können?

(Y) Ja, mein Herz brennt für die Kritik der politischen Ökonomie, deswegen darf ich das jetzt übernehmen. Wir haben ja gerade schon gesagt, dass Arbeit und Arbeitskraft zentral für die Gesellschaften sind. Besonders wichtig werden beide im Kapitalismus, weil sie die Grundlage vom Profit sind. Um genauer zu verstehen, was wir damit meinen, müssen wir am besten anfangen, von der Tatsache, dass alle Menschen eine bestimmte Anzahl von Stunden am Tag arbeiten müssen, um zu überleben. Wir brauchen ja schließlich Essen, Kleidung, Nahrung und so weiter. Die Zeit, die nötig ist, um herzustellen, was man zum Leben und Überleben braucht, nennen wir Marxist*innen die notwendige Arbeit. Heutzutage haben wir natürlich eine gesellschaftliche Arbeitsteilung, wo nicht mehr alle alles machen, sondern wo die notwendige Arbeit gesellschaftlich geleistet und verteilt wird. Das heißt, alle machen irgendwie einen Teil und die notwendige Arbeit ergibt sich dann über die gesamte Gesellschaft verteilt. Gleichzeitig wird es an einem bestimmten Punkt in der Entwicklung der Gesellschaften aber möglich, dass Menschen an einem Tag auch mehr produzieren können, als sie selber zum Überleben brauchen. Das nennen wir Marxist*innen dann wieder das Mehrprodukt. Wenn die Kapitalist*innen jetzt die Arbeiter*innen in ihren Fabriken oder sonst wo arbeiten lassen, dann produzieren die Arbeiter*innen nicht nur das notwendige Produkt, sondern auch das Mehrprodukt. Der oder die Kapitalist*in zahlt den Arbeiter*innen einen Teil vom Tagesprodukt aus, das eben einerseits durch die notwendige Arbeit und andererseits durch die Mehrarbeit produziert wurde, behält aber gleichzeitig einen Teil vom produzierten Mehrprodukt für sich, verkauft es und kann dadurch den eigenen Profit sichern. Ja, das war jetzt etwas knapp, aber ich glaube das sollte reichen, um wieder zur Hausarbeit zurück zu gehen.

(L) Ja, Lise Vogel und andere Feminist*innen haben ausgehend von diesen Grundideen vom Marxismus, die du ja gerade nochmal schön zusammen gefasst hast, auf was wichtiges hingewiesen. Wenn die Arbeitskraft so zentral ist und das Kapital ein Interesse daran hat, dass die Menschen ihre Arbeitskraft auch jeden Tag anwenden, um Mehrarbeit zu leisten und Profit zu bringen, was muss dann passieren, damit die Arbeitskraft, die am Montag gearbeitet hat, auch am Dienstag wieder fit und gesund bereit steht?

(Y) Wenn ein paar von euch schon einmal in den ersten Band von Marxens Kapital reingeschaut haben, dann wissen sie, dass Marx auch ein paar Überlegungen zum  Lohn aufgeschrieben hat. Also wie ergibt sich der Lohn und wie ergibt sich die Höhe vom Lohn. Und für ihn war ein großer Faktor für die Höhe vom Lohn, dass die Arbeiter*innen sich all das dafür kaufen können müssen, was sie zum Überleben brauchen. Also was ich vorhin schon meinte, Essen, Anziehsachen und andere Waren, die wir im Alltag eben konsumieren. Die Feminist*innen, die sich jetzt im 20. Jahrhundert mit Marx auseinander gesetzt haben, haben dann aber darauf hingewiesen, dass es eben nicht nur reicht einfach Waren zu kaufen, damit die Arbeitenden überleben und auch am nächsten Tag fit in die Arbeit kommen. Das Essen, das wir kaufen, muss ja nicht nur gekauft werden, sondern es muss auch gekocht werden, danach muss jemand das Geschirr spülen, die Wohnung muss geputzt werden und so weiter. Es müssen also bei den Arbeitenden zu Hause Arbeiten durchgeführt werden, die wichtig sind, damit die Arbeitskraft auch am nächsten Tag wieder funktioniert. Aber die ganzen Arbeiten werden vom Lohn nicht direkt bezahlt, sie werden meistens nicht mal beachtet, oder als wirkliche Arbeit betrachtet.

(L) Das sind also alles irgendwie aus gesellschaftlicher Sicht notwendige Arbeiten, aber das Kapital muss damit nicht rechnen, weil es kostenlos erledigt wird und zwar meistens von Frauen. Für jeden Menschen, der oder die ein Auto zusammenschraubt, oder Schuhe näht, muss also gesichert sein, dass es regelmäßig Essen gibt, dass der eigene Haushalt zumindest grundlegend in Ordnung bleibt und dass andere Bedürfnisse gedeckt werden.

(Y) Genau deswegen sagen marxistische Feminist*innen dann auch, dass die Arbeit, die von Frauen eben im Haushalt geleistet wird, die Grundlage dafür ist, dass so etwas wie Lohnarbeit überhaupt stattfinden kann. Die Hausarbeit ist also die Vorbedingung dafür, dass Peter und Olaf in der Fabrik und in den Büros arbeiten können. Wenn die Ehefrauen von Peter und Olaf sich nicht um die Hausarbeit kümmern würden, dann könnten auch ihre Chefs uns Cheffinnen keinen Profit aus ihrer Arbeit schlagen, oder das zumindest schwerer tun.

(L) Und das ist auch ganz genau der Grund, warum es sich für die kapitalistische Klasse lohnt, sexistische Geschlechterbilder aufrecht zu erhalten und die in ihren Medien auch immer wieder aufzubringen. Solange die Frau als Hausfrau gesehen wird, erledigt sie quasi kostenlose Arbeit, auf der die kapitalistische Klasse ihre Ausbeutung dann aufbauen kann. Und sobald die Hausarbeit nicht mehr kostenlos passiert und bezahlt werden muss, werden die Löhne steigen, um das wieder auszugleichen.

(Y) Ja, rund um die Hausfrau schwebt ja ein riesiger Mythos, der besonders fiese Folgen für die Frauen auch hat. Und das ist die Idee, oder die Vorstellung, dass die Arbeit, die die Frauen im Haushalt leisten, selten von anderen Menschen und von der Gesellschaft überhaupt als Arbeit anerkannt wird. Stattdessen wird die Hausarbeit dann eher unter so Mythen begraben, wie dass die Frauen alles aus Liebe machen, oder aus Sorge, oder aus Emotionalität, oder dass sie einfach in ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter aufgehen. Das heißt natürlich nicht, dass es den Frauen nicht auch gefallen kann, die Rolle auszufüllen. Wichtig ist aber, wie wir vorhin schon gesagt haben, Gefühle, Gedanken und Wünsche von Menschen niemals als was natürliches ansehen, sondern dass wir immer verstehen, dass sie durch die Gesellschaft und die Wirtschaftsweise geschaffen werden. Wir tun ja immer so selbstbewusst, als hätten wir alles selbst geschaffen und wäre jeder unserer Gedanken unser eigener und als wäre unser Denken frei. Aber unser Geist wird – übrigens genau wie unser Körper – von unserer Umwelt und  von der Gesellschaft erzeugt, zwischen denen wir aufwachsen. Dass Frauen dann in der Rolle aufgehen, liegt daran, dass ihnen diese Rolle von der Geburt auf allen Kanälen vorgelebt und gezeigt wird und dass sie sie als soziale Wesen, die sie sind, aufnehmen.

(L) Die italienische, sozialistische Feministin Federici hat sich in einem schönen Zitat auch gegen diese Vorstellung gewendet, dass Frauen irgendwie natürlich dazu bestimmt wären, Hausfrauen zu werden. Und zwar sagt sie – Zitat „Wie natürlich es ist eine Hausfrau zu sein, zeigt sich daran, dass es mindestens 20 Jahre Sozialisation braucht, ein tagtägliches von einer unbezahlten Mutter durchgeführtes Training, um eine Frau für diese Rolle vorzubereiten und sie davon zu überzeugen, dass Kinder und ein Ehemann das Beste sind, was sie von ihrem Leben erwarten kann. Dennoch gelingt es kaum, egal wie gut wir trainiert wurden, nur wenige Frauen fühlen sich nicht betrogen, wenn der Hochzeitstag vorbei ist und sie sich vor einer schmutzigen Spüle wiederfinden.“ Zitat ende.

(Y) Ja, also das ist die ganze beschissene Situation von Hausfrauen und als ob das nicht schon reicht, kommt dann auch noch was dazu und zwar, dass die Frauen in ihrer Rolle als Hausfrauen besonders isoliert sind. Während die Männer, die in der Lohnarbeit sind, also in den Fabriken zusammen kommen, sich organisieren konnten, waren viele Frauen in ihrer Rolle als Hausfrau einfach von allen anderen Menschen isoliert und hatten damit eigentlich noch weniger die Möglichkeit, die eigene Lage zu verbessern, weil um die eigene Lage zu verbessern, muss man sich organisieren und um sich zu organisieren braucht man erst mal Kontakt mit der Gesellschaft.

(L) Die Hausfrauenrolle von Frauen ist übrigens nicht nur im Alltag, sondern auch in der Geschichte sehr eng mit dem Kapitalismus verbunden. Während die Frauen im Feudalismus unter den Bauern und Bäuerinnen noch viel mehr in die Lebensbereiche eingebunden waren, sind sie dann mit dem Aufkommen des Kapitalismus und der Lohnarbeit immer mehr in die Hausarbeit gedrängt worden. Am Anfang war das Ideal von der Kleinfamilie mit einer Hausfrau zuhause vor allem im Bürgertum verbreitet. Die arbeitende Bevölkerung konnte sich nämlich eine Frau, die zuhause bleibt und den Haushalt schmeißt erst einmal überhaupt nicht leisten. Es mussten einfach auch die proletarischen Frauen arbeiten, damit die Familie überleben konnte. Außerdem war damals auch die Möglichkeit zur Ehe für Menschen ohne Besitz stark eingeschränkt.

(Y) Erst so in der zweiten Hälfte vom 19. Jahrhundert wurde dann das Familienmodell auch stärker auf die proletarische Familie ausgeweitet. Zu der Zeit hat sich nämlich der Kapitalismus in den großen Industriestaaten gewandelt, von der Leichtindustrie, wo es eher um Leinen und so weiter ging, zur Schwerindustrie. Dabei wurde es immer wichtiger, dass die Arbeiter fit sind und deswegen hat das Kapital zu der Zeit auch mehr investiert in die Reproduktion der Arbeitskraft und hat die Schaffung von der Hausfrau vorangetrieben, damit die Arbeite zuhause jemanden haben, der sich um sie kümmert und der dafür sorgt, dass sie eben auch am Dienstag wieder fit zur Arbeit kommen. Das Ganze wurde dann vorangetrieben durch verschiedene Gesetze und besonders wichtig war dabei zum Beispiel ein Gesetzt vom norddeutschen Bund im Jahr 1868, das die Eheverbote für Besitzlose aufgehoben hat, übrigens auch mit der Unterstützung der Arbeiter, die sich dafür eingesetzt haben, dass die Frauen auch durch die Gefahr, die sie für die Löhne und die Arbeit der Arbeitenden dargestellt haben, in den Haushalt gedrängt wurden. Dann noch ein Gesetz, dass den Sex außerhalb der Ehe verboten hat und ein drittes Gesetz, das die Abtreibung zur Straftat gemacht hat.

(L) Als die Hausarbeit immer wichtiger in der Analyse von marxistischen und sozialistischen Feminist*innen geworden ist, ist natürlich auch die Frage aufgekommen, wie man sich jetzt konkret politisch engagieren kann. Einige Feministinnen haben dann in dieser Zeit eine Kampagne gestartet, in der sie einen Lohn für die Hausarbeit, die die Frauen leisten, gefordert haben.

(Y) Dabei ging es natürlich vor allem darum, Anerkennung und den gerechten Lohn für die Arbeit zu bekommen, die sonst unsichtbar gemacht wird. Aber die Kampagne hat auch einiges an Kritik abbekommen, zum Beispiel von Angela Davis, die ja in den USA gegen Rassismus und Sexismus gekämpft hat. Und Angela Davis kritisiert, dass die Feminist*innen glauben, dass der soziale Status der Frauen durch diesen Lohn für Hausarbeit gehoben werden würde und argumentiert, dass – wie es jetzt ja schon viel bezahlte Hausarbeiterinnen gibt – aber dass deren Lage ähnlich miserabel ist und dass es deswegen auch durch den Lohn keine Besserung gibt. Davis hat damals deswegen gefordert, dass die Hausarbeit eher professionalisiert werden sollte, also dass ein Großteil von den Hausarbeiten in die Wirtschaft integriert werden sollte und dann von Teams von ausgebildeten und gut bezahlten Arbeiter*innen ausgeführt werden sollen. Dadurch – so meint Davis zumindest – könnte man auch die Isolation in der Hausarbeit beenden.

(L) Aber weil Kritik ja selten ohne Gegenkritik bleibt, wollen wir auch noch den Vorschlag von Davis ganz kurz kritisieren. Ersten können wir nämlich schon ganz gut sehen, was bei einer Industrialisierung von Hausarbeit passiert. Dann wird die Arbeit nämlich auf bestimmte Mitglieder der Gesellschaft abgeladen, die zum Beispiel als migrantisierte Menschen besonders ausbeutbar sind. Zweitens hat das natürlich auch einen Einfluss auf das Bewusstsein der Menschen, wenn andere für sie die Drecksarbeit machen. Also wenn wir uns in unseren Städten umsehen, dann sieht man, wie ignorant Menschen mit ihrer Umwelt und der Sauberkeit umgehen, wenn sie selber nicht verantwortlich sind und dadurch wird dann vielleicht sogar mehr Dreck produziert. Drittens lassen sich offensichtlich auch einige Teile von Hausarbeit nicht gut mechanisieren, also zum Beispiel wenn es um die Pflege von Angehörigen geht.

(Y) Wir gehen mal von der Hausarbeit weg und nehmen eine größere Perspektive ein, würde ich sagen, mit der sogenannten Social Reproduction Theory. In den letzten Jahren sind viel marxistische Feminist*innen nämlich von der Theorie zur Hausarbeit ausgegangen und haben eben den Blick noch ein bisschen ausgeweitet. Wir hatten ja vorhin schon von Lise Vogel gesprochen und die hat in ihrem berühmten Buch „Marxismus und Frauenunterdrückung“ gezeigt, dass die Hausarbeit eben die unsichtbare Grundlage ist, außerhalb des Arbeitsplatzes, damit so etwas wie Ausbeutung und Lohnarbeit überhaupt erst möglich wird. Die Hausarbeit ist also in gewisser Weise gesellschaftlich notwendige Arbeit. Marxistische Feminist*innen haben dann ausgehend von dem, was Vogel in ihrem Buch geschrieben hat, versucht zu zeigen, dass noch viel mehr Aktivitäten notwendig sind, damit die Gesellschaft läuft und damit das kapitalistische System weiter arbeiten kann. Und diese Theorie, die dann daraus entstanden ist, nennt sich social-reproduction-theorie und ins Deutsche können wir sie vielleicht übersetzen als Theorie von der gesellschaftlichen Reproduktion und auf einer ganz abstrakten Ebene, wenn wir dort mal anfangen wollen, geht es bei der social-reproduction-theorie darum zu schauen und zu überlegen, was alles notwendig ist, damit morgen, in einer Woche, in einem Jahr und auch in fünfzig Jahren noch Arbeitskraft bereit steht, die man ausbeuten kann. Und im Rahmen von dieser Theorie haben Feminist*innen eben zeigen können, dass ganz unterschiedliche Aktivitäten, Einstellungen, Verhaltensweisen, Emotionen, Verantwortlichkeiten und auch Beziehungen nötig sind, um unser menschliches und gesellschaftliches Leben aufrecht zu erhalten.

(L) Vielleicht versteht man das am besten, wenn wir uns einfach mal den Weg einer Arbeiterin über ihren Tag hinweg anschauen. Um das Ganze nicht so Anonym zu machen nennen wir sie einfach mal Alexandra. Die Alex steht morgens auf und packt ihre Sachen und während sie das macht, bereitet ihre Frau Nadeshda das Frühstück für Alex und ihre Tochter vor. Alex und ihre Tochter steigen in den Bus, die Tochter geht dann in die Schule und Alex steigt zwei Stationen später bei ihrer Arbeit aus. Nachdem sie dann neun Stunden da gearbeitet hat, geht Alex dann auf dem Heimweg noch in die Bibliothek um ein paar Bücher auszuleihen. Danach fährt sie noch für eine Stunde zu ihrer neunzig jährigen Mutter, der sie ein bisschen was zu essen aufwärmt und für die sie auch das Geschirr spült. Danach fährt sie dann wieder zurück zu Nadeshda, der sie von ihrem nervigen Boss erzählt, vielleicht haben sie anschließend noch kurz Sex und pünktlich um 23:00 Uhr liegen beide dann zusammen im Bett, damit man morgen wieder fit ist. 

(Y) In dem ganzen aufregenden Tagesablauf von Alex gibt es unglaublich viele Aktivitäten, die fast nicht auffallen, die aber trotzdem extrem wichtig sind, damit die Gesellschaft weiter besteht. Da ist ja nicht nur Nadeshda, die kostenlos das Essen zubereitet, oder das Bildungssystem das Alex‘ Tochter bildet und sozialisiert, damit sie später mal gut arbeiten kann, sondern da sind ja auch noch die ehrenamtlichen Bibliothekarinnen zum Beispiel und die Arbeit, die Alex kostenlos für ihre alte Mutter erledigt und abends dann noch die emotionale Umsorgung von Nadeshda für die genervte Alex. Das alles ist praktisch die Basis unserer Gesellschaft und nur weil zum Beispiel Nadeshda für Alex da ist, wenn sie sich aufregen möchte, kann Alex am nächsten Tag wieder erholt in die Arbeit.

(L) Würde all das plötzlich weg fallen, oder müsste das Kapital sich darum kümmern, dann wäre das gesamte kapitalistische System sehr viel weniger profitabel oder stabil, als es heute ist. Solche verschiedenen Arbeiten in der Gesellschaft, die meistens unbezahlt, oder zumindest schlecht bezahlt sind, die werden überdurchschnittlich von Frauen übernommen. Genau weil ihnen eben zugeschrieben wird, dass sie besonders fürsorglich, oder emotional wären. Weil den Frauen in der gesellschaftlichen Arbeitsteilung die Sorge um und für andere Menschen zugeteilt wird. Und deshalb landen die Frauen dort und tragen dazu bei, dass die Gesellschaft stabil bleibt, wo der Kapitalismus durchwütet. Sie sind einfach da, um das aufzufangen, egal ob in der Familie, oder eben weil das Pflegesystem mal eben überlastet ist. 

(Y) Und wo wir schon mal beim Pflegesystem sind, gehen wir direkt im Krankenhaus mal in den Kreissaal und zwar zu der Gebärfähigkeit von meistens Frauen. Das Thema, dass ein Großteil der Frauen Kinder gebären können, ist für viele materialistische Feminist*innen natürlich auch ein wichtiger Faktor, oder bei manchen sogar DER Faktor für die Unterdrückung von Frauen. Und Feminist*innen, wie Lise Vogel oder Paddy Quick haben darauf hingewiesen, dass besonders bei der Unterdrückung von proletarischen Frauen die Gebärfähigkeit extrem wichtig ist, weil diese proletarischen Frauen dann neue Arbeitende produzieren. Wir haben ja vorhin schon gesagt, dass die Arbeitskraft täglich reproduziert werden muss, zum Beispiel durch Hausarbeit oder durch gesellschaftliche Reproduktion, aber weil die Menschen, die heute oder aktuell die Arbeit erledigen, spätestens in sagen wir 80-90 Jahren tot sein werden, braucht es dann auch immer wieder Nachschub von neuen Arbeiter*innen.

(L) Der extrem wichtige Punkt, den marxistische Feminist*innen machen ist, dass die Gebärfähigkeit nicht automatisch zur Frauenunterdrückung führt, sondern das erst in einer Klassengesellschaft macht. Das Patriarchat ist also nicht zwangsläufig, oder natürlich, sondern in die Entwicklung der Gesellschaften eingebunden. 

(Y) Am besten schauen wir uns das jetzt mal an, wie genau das jetzt gemeint ist. Wir haben ja schon gesagt, dass es in einer Klassengesellschaft Menschengruppen gibt, die von der Ausbeutung der Arbeitskraft anderer Menschen leben. Und wir haben auch schon gesagt, dass es für die Zukunft wichtig ist, dass neue Arbeitskräfte produziert werden. Wir wissen natürlich, dass ein bisschen komisch klingt zu sagen, zukünftige Arbeitskräfte, anstatt Kinder, aber wir geben hier nur die Perspektive vom Kapital wieder. Und für das Kapital sind Menschen vor allem erst mal Arbeitskräfte. Menschen selber und wir natürlich auch, sehen in anderen Menschen natürlich mehr Eigenschaften, als die Arbeitskraft. 

(L) Wie auch immer. Indem die ausgebeutete Klasse auch in 80 Jahren immer noch Menschen als Arbeitskräfte braucht, gibt es jetzt einen Widerspruch. Denn einerseits hätte sie gerne, dass Menschen heute Arbeiten und möglichst wenig von dem Mehrprodukt konsumieren. Andererseits fallen schwangere vor und dann auch nach der Geburt nicht nur einige Zeit aus der gesellschaftlichen Arbeit raus, sondern sie müssen auch noch in der Zeit Sachen konsumieren, um sich am Leben zu erhalten und am besten für das Kind vorzusorgen.

(Y) Ja, es gibt also für das Kapital die Notwendigkeit, dass die ausbeutende Klasse irgendwie, man nennt es die generationelle Reproduktion, der Arbeitenden regelt. Und das klappt eben am besten durch eine gewisse Kontrolle der Menschen, die Kinder gebären, also vor allem ein Großteil der Frauen. Und da kommt dann die Beziehung zwischen Mann und Frau ganz gut gelegen. Indem nämlich das heterosexuelle Familienmodel gefestigt wird, kann die Verantwortung für die Versorgung der Frau während der Schwangerschaft dem Mann ganz einfach zugeteilt werden, sodass er sich um die Konsumgüter kümmert, die währenddessen gebraucht werden. Und weil das eben so ist, bekommt der Mann dann auch die ökonomische Rolle im Haushalt und seine Machtposition. 

(L) Und das ist auch genau der Punkt, warum die Gebärfähigkeit zur Frauenunterdrückung beiträgt. Weil die Frauen die Arbeitenden produzieren, weil sie dadurch als Arbeiterin ausfallen und weil die Verantwortung vom Mann die beste Möglichkeit vom Kapital ist, damit umzugehen und weil der Mann dadurch Kontrolle und Macht bekommt.

(Y) Um unser Argument nochmal ein bisschen zu stärken, dass die Kontrolle der Gebärfähigkeit extrem verbunden ist mit der Geschichte des Kapitalismus, wollen wir uns jetzt nochmal diese Geschichte anschauen. Wenn wir nämlich die Zeit des Feudalismus anschauen, also die Zeit vor dem Kapitalismus, dann finden sich in Zeitdokumenten viele Hinweise darauf, dass Frauen eigentlich ein großes Wissen darüber hatten, wie sie verhüten oder abtreiben konnten.

(L) Ab dem 16. Jahrhundert dann, haben die europäischen Regierungen aus verschiedenen Gründen angefangen Verhütung, Abtreibung und auch Kindertötung hart zu bestrafen. Dazu wurden dann auch neue Überwachungsmethoden eingeführt, um solche Schwangerschaftsabbrüche zu verhindern. In Frankreich, England und Schottland mussten Schwangerschaften gemeldet werden und wenn herausgefunden wurde, dass Frauen eben ihre Schwangerschaft geheim gehalten haben, dann wurden sie teilweise sogar mit dem Tod bestraft. Zu ungefähr der gleichen Zeit ist auch die weibliche Hebamme stark zurück gedrängt wurden und vielmehr wurden dann männliche Ärzte etabliert, die die Geburt begleitet haben. So konnte das Leben vom Kind auch leichter über das der Frau gestellt werden. In Frankreich und Deutschland mussten Hebammen sogar die Stillfähigkeit von Frauen untersuchen, falls irgendwo ein Kind ausgesetzt wurde. In Deutschland konnten Frauen sogar bestraft werden, wenn sie sich bei der Geburt zu wenig angestrengt haben.

(Y) Um das Ganze nochmal in einem Satz zusammen zu fassen und noch einmal zusammen zu binden: die Gebärfähigkeit ist also deswegen zentral in Klassengesellschaften, weil die ausbeutende Klasse dafür sorgen muss, dass genug Arbeitskräfte da sind, die man ausbeuten kann. Wichtig für die Situation der Frauen im Kapitalismus ist aber eben auch die Lohnarbeit, die sie selber ausführen und das wird immer wichtiger, weil wir heute ja immer mehr erleben, dass immer mehr Frauen aus dem isolierten Haushalt heraus kommen und selber zu arbeiten anfangen und dadurch können viele Frauen sich nicht nur ökonomisch unabhängiger machen, sondern bekommen auch mehr Selbstbewusstsein und sind besser in die Gesellschaft eingebunden.

(L) Auch für marxistische Feminist*innen ist die Arbeit außerhalb von Haushalt und gesellschaftlicher Reproduktion natürlich wichtig. So berühmte Marxist*innen wie die deutsche USPD Politikerin Clara Zetkin und die russische Revolutionärin Alexandra Kollontai, die haben die Position vertreten, dass die Integration in die Lohnarbeit zentral dafür ist, wenn die Frauenbefreiung klappen soll.

(Y) Es hat aber vor allem in den 1970er Jahren auch andere marxistische Feminist*innen, wie Mariarosa Della Costa gegeben, die das in Frage gestellt haben. Della Costa zum Beispiel hat die Position vertreten, dass die Lohnarbeit nur eine andere Form von Unterdrückung und Ausbeutung ist. Deswegen wollen wir bei der Gelegenheit auch noch mal einen kurzen Blick darauf werfen, wie Frauen im Kapitalismus in die Lohnarbeit integriert werden.

(L) Als erster können wir sagen, dass Frauen in der Wirtschaft meistens als Teilzeitarbeitende wahrgenommen werden. Also einerseits weil ihnen die Aufgabe zugeschrieben wird, zuhause die Kinder zu versorgen und den Haushalt zu regeln und andererseits werden sie auch auf dem Arbeitsmarkt sehr oft einfach als Zusatzverdienerinnen abgestempelt. Das liegt auch daran natürlich, dass in den Köpfen der Menschen ein Ehemann immer noch der Hauptverdiener ist. 

(Y) Zweitens fällt auf, dass Frauen zu großen Teilen im Dienstleistungssektor angestellt werden. Dabei übernehmen sie dann häufig Arbeiten, oder Dienstleistungen, die vergesellschaftete Reproduktionsarbeiten sind. Was heißt das? Frauen tauschen also die Reproduktionsarbeit im Haus gegen die Reproduktionsarbeit in Restaurants, wo sie wieder kochen, in Krankenhäusern, wo sie sich wieder um die Alten und die Kranken kümmern, oder gegen die Arbeit in Kindertagesstätten, wo sie sich wieder um die Kinder kümmern.

(L) Drittens findet weltweit auch ein Großteil der Integration von Frauen in die Lohnarbeit im informellen Sektor statt. Das sind dann Arbeiten, die nicht arbeitsrechtlich reguliert sind und bei denen die Bezahlung oft auch unterhalb des Existenzminimums liegt.

(Y) Viertens und letztens werden Frauen von der kapitalistischen Klasse oft benutzt, um den Lohn für alle zu drücken und die Arbeitsbedingungen zu verschlechtern. Die Unternehmen ersetzen dabei männliche Arbeiter erst durch billige weibliche Arbeitskräfte, bis der Lohn und die Arbeitsbedingungen nach unten gebracht wurden und dann tauschen sie die weiblichen Arbeitskräfte wieder durch Männer aus, die jetzt den schlechteren Lohn, die schlechteren Arbeitsbedingungen akzeptieren, aber die von den Unternehmen als wertvollere Arbeitskraft betrachtet werden. Das sind natürlich nur ein paar Punkte, aber wenn wir das Ganze mal zusammen fassen wollen, dann kann man sagen, dass die Integration von Frauen im Kapitalismus unter ganz bestimmten Bedingungen passiert. Nämlich nach den Bedürfnissen vom Kapital. Frauen werden zwar integriert, aber vor allem als billige, flexible Arbeitskräfte, die man mal integrieren und dann wieder ausspucken kann. Theoretisch ist es zwar extrem wichtig für die Emanzipation der Frauen, dass sie ökonomisch unabhängig sind, aber im Kapitalismus zahlen sie dafür einen ziemlich hohen Preis. Unter anderem deswegen hängen der Kampf für den Sozialismus und der Kampf für die Frauenbefreiung zusammen. Weil eigentlich nur der Sozialismus die Bedingungen für eine vollständige Befreiung schaffen kann.

(L) Damit sind wir auch schon beim nächsten und für heute letzten Thema. Wenn wir nämlich behaupten, wie wir das hier öfter gemacht haben, dass der Sozialismus die Bedingungen für die Frauenbefreiung schafft, dann sollten wir uns natürlich auf jeden Fall mal anschauen, wie die Situation von Frauen im Realsozialismus denn genau war. Kleiner Spoiler vorneweg: viele Bedingungen für die Emanzipation von Frauen waren tatsächlich besser, aber es war auch nicht alles so rosig, wie sich Kommunist*innen das „davor“ vorgestellt haben. Aber ja, schauen wir es uns mal genauer an.

(Y) Wir fangen erst mal mit der theoretischen Ebene an und da können wir zumindest sagen, dass eine sozialistische Organisation von Gesellschaft und Wirtschaft in vielen Hinsichten bessere Voraussetzungen für die Gleichstellung der Geschlechter hat. Zum einen haben wir ja vorhin ein bisschen zu zeigen versucht, dass der freie Markt aus seiner eigenen Logik heraus dazu tendiert, Frauen zu diskriminieren. Es liegt nicht nur am Sexismus, dass Frauen schlechtere Berufschancen haben, sondern es ist aus einer Profitorientierten Logik heraus einfach sinnvoller, eine Person einzustellen, die nicht wegen Schwangerschaft ausfallen kann. In kapitalistischen Staaten kann man dem entgegen wirken und das wird natürlich auch teilweise gemacht, aber im Sozialismus, wo die Gesellschaft über dem Profit steht, fällt das Problem ganz einfach weg. Man braucht im Sozialismus auch keinen Partner um versorgt zu sein, weil Arbeit gleichwertig bezahlt wird und weil es Jobgarantien gibt. Gerade Menschen, die Kinder bekommen können, sind dadurch von keinem Partner abhängig und auch zum Beispiel eine Scheidung ist kein Armutsrisiko. Der Sozialismus nimmt also die ökonomischen Grundlagen der Abhängigkeit von Frauen von ihren Männern und auch generell der Abhängigkeiten von Familienbeziehungen weg.

(L) Ja, jetzt waren wir ja schon wieder kurz auf der abstrakten Ebene, aber jetzt wie versprochen zum Realsozialismus. In der letzten Theorie-Folge zum Sozialismus und Kommunismus haben wir ja als Beispiel die DDR aufgerollt, aber damit euch heute nicht so langweilig wird, schauen wir uns heute die UDSSR und Russland im Speziellen an. Schon am Anfang war da nämlich die Frau sehr stark in den Sozialismus eingebunden. Also die russische Revolution wurde ganz zentral von Frauen mitgetragen und deshalb haben Frauen auch schon von Anfang an ihre Forderungen auch in die Bewegung mit reingetragen. Also große Namen, die manchen von euch vielleicht was sagen sind zum Beispiel Alexandra Kollontai und Nadeshda Krupskaja.

(Y) Hey, die kenne ich aus dem Beispiel vorhin! *lacht* Im jungen sozialistischen Russland wurde dann auch sehr schnell ein neues Familienrecht eingeführt, weil die Unterdrückung von Frauen unter ihren Männern im zaristischen Russland wirklich enorm war. Deshalb wurde die Scheidung jetzt zum Beispiel gesetzlich eingeführt, es wurde versucht die Kirche aus der Ehe herauszuhalten und auch der Staat sollte so wenig wie möglich mit ehelichen Beziehungen zu tun haben. Männer und Frauen wurden gesetzlich gleichgestellt und hatten in der Ehe gleiche Rechte, auch uneheliche Kinder wurden den ehelichen gleichgestellt und nicht eheliche Beziehungen sind als gleichwertig anerkannt worden und es wurden Unterhaltszahlungen für Expartner*innen eingeführt, wenn es den Bedarf dazu gab.

(L) Ja, außerdem wurde die Homosexualität 1922 legalisiert, das ist jetzt vielleicht nicht direkt die Frauenbefreiung, aber das ist vielleicht trotzdem wichtig zu nennen, weil das damals in westlichen Ländern wirklich unvorstellbar gewesen wäre. Das sozialistische Russland ist im Jahr 1920 auch das allererste Land in Europa, das Abtreibung legalisiert hat. Und zwar in den ersten zwölf Wochen einer Schwangerschaft konnte eine Frau ohne eine Rechtfertigung kostenlos abtreiben lassen. Und wenn sich eine Frau für die Mutterschaft entschieden hat, dann gab es Mutterschaftsurlaub vor und nach der Geburt und auch das Recht auf leichter Arbeiten während ihrer Schwangerschaft.

(Y) Generell kann man sagen – und wahrscheinlich ist das sogar einer der zentralsten Verdienste der UDSSR, weil es global unglaublich viele Wellen geschlagen hat – sind Frauen dort gleichwertig wie Männer in das Arbeitsleben integriert worden. Das ist gerade deswegen so wichtig, weil es eine ökonomische Gleichstellung ermöglicht und die wirtschaftliche Abhängigkeit von dem Partner, oder auch von der Verwandtschaft auflöst.

(L) Die internationale Arbeitsorganisation hat in der Sowjetunion zwischen 1950 und 1975 erhoben, dass ca. die Hälfte aller Arbeiter*innen weiblich war und das ist ja auch nur logisch, weil es dem Anteil der Bevölkerung entspricht. Aber mehraussagend ist vielleicht der Vergleich zu Westeuropa, da waren damals nämlich 30% der Arbeitenden weiblich. Und die internationale Arbeitsorganisation hat damals dann auch festgestellt, dass Frauen in den sozialistischen Ländern auf ökonomische, politischer und gesellschaftlicher Ebene die gleichen Rechte und auch Möglichkeiten haben. Also sie hatten die gleichen Zugangschancen zu Bildung, Ausbildung und Arbeit. Und das ist ja wirklich schon eine ziemliche Errungenschaft, an der sich viele kapitalistische Länder auch heute noch abarbeiten müssen.

(Y) Aber auch die Kindererziehung war möglich, ohne dass man zu Hause bleiben musste, oder dass eine Person den Haushalt machen musste und das ohne, dass jemand fremdes in der eigenen Wohnung prekär putzen musste. Die Länder der Sowjetunion haben versucht, wo es geht, bei der Kindererziehung und der Hausarbeit Arbeiten abzunehmen und dafür viele öffentliche Einrichtungen geschaffen. Also darunter kann man sich zum Beispiel öffentliche Wäschereien, Kantinen und Cafeterien vorstellen und natürlich ein flächendeckendes Angebot an Krippen und Kitas. Es wurde also geschaut, wo es möglich ist, dass man Hausarbeit und Fürsorgetätigkeiten abnimmt. Und auch hier stehen wir der Sowjetunion im kapitalistischen Westen heute immer noch extrem nach. Wer zum Beispiel nicht selber kochen will, muss dafür teuer bezahlen, Kitas kosten und trotz Ausbau gibt es teilweise lange Wartezeiten.

(L) Während in der Sowjetunion also Grundlagen für die Unabhängigkeit von der Ehe umgesetzt wurden, ist Deutschland heute immer noch dabei das traditionelle Familienmodel ja sogar zu fördern und genau in so einer Weise, dass die weniger verdienende Person, was durchschnittlich gesehen die Frau ist, benachteiligt wird und in ihre Rolle als Hausfrau, oder zumindest Teilzeithausfrau gedrängt wird. Stichworte dafür sind Ehegattensplitting, Betreuungsgeld bei privater Kinderbetreuung und in manchen Bundesländern gibt es sogar noch ein Landeserziehungsgeld als Bonus für diejenigen Eltern, die nur ein ganz kleines bisschen Betreuung für das Kind beanspruchen. 

(Y) Wir haben ja vorhin schon gespoilert, dass in der Sowjetunion natürlich trotzdem nicht alles so rosig war, wie das bei manchen Zahlen, zum Beispiel beim Arbeitsmarkt erscheint. Und da sind wir dann auch schon bei der Kritik, die wir bei all den Fortschritten nicht auslassen können und nicht auslassen wollen.

(L) Zum einen – und das mussten viele feministische Sozialist*innen bald einsehen – sind die ökonomische Gleichberechtigung und die politische und soziale Gleichstellung nicht die einzigen Voraussetzungen für die Frauenbefreiung. Was nämlich viel mehr Zeit braucht, das ist ein feministisches Bewusstsein. Also die kulturelle Abwertung von Frauen, die jahrhundertelang gewachsen ist und von Generation zu Generation weiter gegeben wurde, die kann jetzt nicht einfach über Nacht abgeschafft werden und so haben sich auch die traditionelle Rollenverteilung, Sexismus und Feindlichkeit auch gegenüber homosexuellen Männern weiter stark gehalten. Viele Sozialist*innen dachten damals, mit der Befreiung vom Kapitalismus würde sich auch die Frauenbefreiung ganz automatisch einstellen, weil ja die Grundlagen für die Frauenunterdrückung nicht mehr gegeben sind. Und deshalb haben sie dann auch oft, abgesehen von der ökonomischen Gleichstellung – keine wirklich feministische Politik, oder feministische Bildung gemacht. Und das Ergebnis kam dann in der Kriegszeit. Vielleicht kannst du das mal erklären.

(Y) Ja, mit der Rechtfertigung damals, dass wegen dem zweiten Weltkrieg die Geburtenzahlen steigen müssen, wurde relativ schnell wieder das alte Frauen- und Familienbild hochgehalten und auch einige von den Rechten, die dem entgegenstehen, wurden dann wieder zurück genommen. Zum Beispiel wurde die Abtreibung wieder verboten, es gab höhere Scheidungsgebühren und eine Sondersteuer für Ledige. Uneheliche Lebensgemeinschaften wurden nicht weiter anerkannt und auch die Homosexualität unter Männern wurde wieder strafbar.

(L) Man kann hier also ganz gut sehen, dass man sobald es nötig geworden ist, wieder ziemlich schnell auf die Frauen als Gebärmaschinen zurück gegriffen hat und dass Menschen durch Maßnahmen und Propaganda versucht wurden, zur Familiengründung zu bewegen. Trotzdem waren Frauen aber weiter im Berufsleben gleichberechtigt integriert, also die ökonomische Unabhängigkeit und die öffentliche care-Infrastruktur, die sind auch weiter erhalten geblieben und die haben Frauen das Leben und ihre Unabhängigkeit wirklich enorm erleichtert. Im Vergleich mit anderen Ländern war die Emanzipation von Frauen in der Sowjetunion einmalig. Und was auch enorm wichtig ist, ist dass sie feministische Bewegungen überall auf der Welt inspiriert hat und denen auch Rückenwind gegeben hat, für neue härtere Forderungen, die eben an Politiken in der Sowjetunion orientiert waren.

(Y) Ja, an der Stelle müssen wir natürlich nochmal einfügen, dass die Sowjetunion natürlich ein riesiges Gebiet mit unterschiedlichsten Ländern und Kulturen waren und dass man das natürlich nicht einheitlich bewerten kann. Aber trotzdem gibt es eine eindeutige Richtung, die man erkennen kann. Ich finde es aber eigentlich ziemlich gut, dass wir das Beispiel von der Sowjetunion genommen haben, weil das ganz gut zeigt, was im Sozialismus relativ einfach möglich ist. Also wie die ökonomische Grundlage für die Emanzipation geschaffen werden kann, aber dass eben auch weiter Widersprüche existieren. Und ein Punkt, der glaube ich dabei auch extrem wichtig ist, ist dass es auch bestimmte gesellschaftliche Zwänge gibt, die gefährlich für die Emanzipation von Frauen sind. Wenn  zum Beispiel die Bevölkerung zurück geht, wie in Russland oder der UDSSR nach dem zweiten Weltkrieg, gibt es dann in sozialistischen Ländern, wie in kapitalistischen Länder auch die Tendenz Frauen wieder in die Rolle von Müttern zu bringen. Auch deswegen ist es dann so wichtig, dass es – wie du sagst – ein feministisches Bewusstsein gibt, das eng mit der sozialistischen Arbeit verbunden ist, weil nur dann eine wirkliche Frauenbefreiung im Sozialismus möglich wird.

(L) Ich denke mit diesem Punkt können wir auch ganz gut aufhören für heute. Also nochmal zusammengefasst: grundlegend ist nicht nur, dass unser Feminismus materialistisch, oder sozialistisch ist, sondern auch, dass wir den Feminismus zu einem grundlegenden Aspekt im sozialistischen Kampf machen. 

(Y) Ja, damit beenden wir – wie du es sagst – die Folge und hoffen, dass ihr noch genug Zeit habt, um euch auf den Weg zur Demo zu machen. Wir hoffen außerdem, dass wir euch ein paar neue Ideen und Perspektiven bringen konnten und wünschen euch natürlich einen kämpferischen feministischen Kampftag.

(L) Wie immer wollen wir uns bedanken, dass ihr uns bis hier hin zugehört habt. Wir freuen uns, wenn ihr uns eine Rückmeldung über unser Insta-Profil oder unsere Mail in den Shownotes schreibt. Ihr seid ja am Schluss diejenigen, die sich hier alles anhören müssen und weil Theorie eh manchmal zäh genug ist, soll euch unser Podcast natürlich auch gefallen.

(Y) Wir freuen uns auch immer, wenn ihr uns weiter empfehlt, oder wenn ihr uns fünf Sterne bei Apple-Podcasts und Spotify da lasst. Wenn ihr uns darüber hinaus auch noch finanziell unterstützen möchtet, bei den regelmäßigen Ausgaben, die so anfallen, dann findet ihr wie immer in den Shownotes einen Link zu unserem kofi. 

(L) Als nächstes kommt dann wieder die übliche Gesprächsfolge. Letztes Mal haben wir ja angefangen euch zu bitten, eure Fragen zu schicken und das machen wir auch dieses Mal wieder. Also schreibt uns gerne, was ihr wissen wollt, oder worüber wir diskutieren sollen. Und wenn wir eure Frage rechtzeitig bekommen, dann nehmen wir sie sehr gerne in unsere Gesprächsfolge auf.

(Y) Wir grüßen heute Jenni Marx. Frau Marx, was die sozialistische Bewegung ihnen, ihren Händen und ihren Augen schuldet, lässt sich wahrscheinlich durch nichts aufwiegen und wir hoffen, dass der Nachname Marx irgendwann ähnlich eng mit dem Namen Jenni, wie mit dem Namen Karl verbunden ist.

- Musik wird abgespielt - 

Allgemeines zur Frauenunterdrückung
Kritik am liberalen Feminismus
Hausarbeit
Social Reproduction Theory
Gebärfähigkeit
Lohnarbeit
Sozialismus und Feminismus
Schluss