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Ep. #11 | Feminismus, Intersektionalismus, Antiimperialismus und Reformen

March 20, 2022 linke theorie
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Ep. #11 | Feminismus, Intersektionalismus, Antiimperialismus und Reformen
Show Notes Transcript

In dieser Folge sprechen wir nochmal über den Feminismus. Wir nutzen die Gelegenheit, um euch noch ein paar Infos zur intersektionalen Methode bzw. zum Intersektionalismus zu bringen, kritisieren den Feminismus ein wenig aus antiimperialistischer Perspektive und geben am Ende noch unseren Senf zu der Frage, ob wir trotz der langfristigen Perspektive (Frauenbefreiung im Sozialismus) um Reformen kämpfen sollten.

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Hier findet ihr unsere Transkripte zu den einzelnen Folgen.

Anmerkung: im Podcast unterhalten sich zwei Personen. Diese werden nachfolgend als (L) und (Y) bezeichnet.

 

- Musik wird eingespielt – 

(L) Herlich willkommen zur 11. Folge von linketheorie, dem Podcast in dem wir über den Kapitalismus sprechen, was an ihm schlecht ist und wie wir ihn überwinden können. Heute reden wir nochmal über das Thema Feminismus, wie auch schon im letzten Podcast. Wir haben dieses Mal keine Fragen von euch bekommen und deswegen haben wir uns gedacht, dass wir diesen Gesprächspodcast nutzen, um über die Themen Intersektionalismus und antiimperialistische Kritik am Feminismus zu sprechen. Danach reden wir dann noch kurz über die Frage, ob wir für Reformen im Kapitalismus überhaupt nicht mehr kämpfen brauchen, wenn wir sagen das System ist das Problem, oder ob sie trotzdem noch Sinn machen. Bleibt also unbedingt dran, wenn ihr eure Grundlagen zum Thema Feminismus noch ein bisschen ausbauen wollt.

(Y) Ja, du hast ja gerade schon gesagt, wir wollen erstmal noch ein bisschen über den Intersektionalismus, beziehungsweise über die intersektionale Methode sprechen und das bedeutet für euch erstmal, dass wir hier nicht so viel diskutieren, sondern erstmal nochmal ein bisschen ins Sprechen kommen. Und zwar gehe ich erstmal darauf ein, was überhaupt der Intersektionalismus, oder was die intersektionale Methode ist. Die intersektionale Methode beschäftigt sich vor allem damit, wie verschiedene Formen von Unterdrückungen zusammenwirken und wie dadurch unterschiedliche Situationen und Erfahrungen für einzelne Gruppen hervorgebracht werden. Wenn wir uns noch mal den Feminismus anschauen, dann wird da ja häufig davon ausgegangen, als wären die Frauen irgendwie eine relativ einheitliche Gruppe, mit einem gleichen Interesse und vielleicht sogar einer gleichen Unterdrückung. Aber genauso ein Bild würden Leute, die intersektional arbeiten hinterfragen. Die Menschen mit einer intersektionalen Methode würden wahrscheinlich eher sagen, dass verschiedene Frauen auch unterschiedliche Erfahrungen vom Sexismus machen. Im Mittelpunkt stehen dann zum Beispiel seit Jahrzehnten in der intersektionalen Methode Schwarze Frauen. Die haben nämlich ganz andere Erfahrungen von ihrem Frausein gemacht, als die die wir in der letzten Folge skizziert haben. Die intersektionale Methode geht dann davon aus, dass verschiedene Unterdrückungsformen wie an so einer Kreuzung zusammenkommen und dass durch diese Kreuzung von verschiedenen Unterdrückungsformen erst die Situation von Menschen sich bildet. Deswegen heißt es ja auch Intersektionalismus, weil Intersektion kommt von intersection – englisch – und das bedeutet eben Kreuzung. Eine Schwarze Frau steht also irgendwie mitten auf der Kreuzung zwischen ihrer Diskriminierung als Schwarze und ihrer Diskriminierung als Frau und genau diese Verbindung, die die Schwarze Frau erlebt, macht dann, dass sie den Sexismus eben anders erlebt, als es zum Beispiel eine weiße Frau tun würde. Aber sie erlebt auch den Rassismus anders, als es ein Schwarzer Mann erleben würde. Es wurde zwar schon vorher von Leuten darauf hingewiesen, dass verschiedene Unterdrückungsformen zusammen wirken können und marxistische, beziehungsweise sozialistische Feminist*innen waren da ganz vorne mit dabei, aber der Intersektionalismus hat das zum ersten Mal eher auf die Erfahrung von Menschen dann übertragen.

(L) Vorläufer von so einer Methode waren zum Beispiel die Mitglieder vom Comebahee River Collektive und den Begriff Intersectionality hat dann später die Juristin Kimberlé Crenshaw geprägt. Diesen Begriff hat sie deswegen eingebracht, weil sie eben als Juristin von einem ganz bestimmten Fall ausgegangen ist, bei dem Schwarze Frauen nicht einfach als Schwarze und auch nicht einfach als Frauen, sondern als Schwarze Frauen eben diskriminiert wurden. Es war nämlich so, dass Schwarze Frauen in diesem Fall von einer Kündigung betroffen waren, aber sie konnten nicht wegen Sexismus klagen, weil weiße Frauen wurden nicht gekündigt. Sie konnten aber auch nicht wegen Rassismus klagen, weil Schwarze Männer wurden dort auch nicht gekündigt. Und es war eben ganz genau diese Position, dass sie Schwarz waren und Frau waren und sich das verbunden hat und dann eben der Grund war, dass sie diejenigen waren die ausgewählt wurden, um gekündigt zu werden. Und zentral im Intersektionalismus ist deswegen, dass Unterdrückungsformen nicht getrennt betrachtet werden dürfen, dass kein einzelnes Unterdrückungsverhältnis jetzt wichtiger ist als ein anderes, oder schlimmer und dass die besonderen Identitäten von unterdrückten Menschen das Wichtige sind.

(Y) Ja, wir hatten eigentlich schon geplant den Intersektionalismus in unserer Hauptfolge zum Feminismus aufzunehmen, aber aus Platzgründen ist das dann später rausgefallen. Wir fanden es aber extrem wichtig das hier noch mal aufzunehmen, einfach weil es auch erstens super zentral ist und zweitens super aktuell, weil ziemlich viele Feminist*innen sich heute intersektional nennen und das ist ja auch extrem wichtig zu sehen wie diese verschiedenen Unterdrückungsverhältnisse zusammenspielen und wie sie zusammenkommen. An der Stelle wollen wir aber nochmal ganz gern ein bisschen marxistisch rumkritisieren weil wir Marxist*innen das ganz gerne machen. Und zwar würden wir sagen, dass es aus marxistischer Sicht drei zentrale Kritikpunkte gibt, es gibt auch noch mehr, aber die drei finden relativ wichtig nochmal aufzunehmen. Und zwar beschreibt der Ansatz vom Intersektionalismus zwar die Herrschaft und wie sie an der Oberfläche erscheint, aber der Intersektionalismus oder die intersektionale Methode schafft es nicht wirklich zu erklären, warum und wie solche Verhältnisse überhaupt entstehen, wie sie sich entwickeln und wie sie auch zusammenhängen. Da ist der Marxismus natürlich viel weiter ausgeprägt in der Analyse von den Grundlagen. Wir hatten das ja in der Feminismus-Folge gezeigt, welche materiellen Gründe es für die Frauenunterdrückung gibt. Der Intersektionalismus bleibt einfach hinter dieser Analyse vom Marxismus hinterher. Ein zweiter Punkt hängt damit zusammen, dass der Intersektionalismus die Verhältnisse, die er betrachtet und die er zu kritisieren versucht, aus dem gesellschaftlichen Zusammenhang löst und zwar vor allem aus ihrer Verbindung zu den Produktions- und zu den Klassenverhältnissen. Da haben wir wieder eine Stärke von der marxistischen Analyse, die eben diese gesamte Oberfläche, die im Intersektionalismus betrachtet wird, zurück bindet an die Produktions- und an die Klassenverhältnisse. Wenn euch der Hintergrund interessiert, dann hört gern mal in unsere Kapitalismus-Folgen rein. Und ein dritter Kritikpunkt, den wir von marxistischer Sicht noch gerne reinbringen würden ist, dass in der intersektionalen Methode nicht wirklich gesehen wird wie zentral die Klassenfrage ist. Das Klassenverhältnis ist nämlich ein besonderes Verhältnis deswegen, weil es eigentlich immer und unbedingt antagonistisch ist und weil im Klassenverhältnis immer Herrschaft eingeschlossen ist. Also wenn wir zum Beispiel die kapitalistische Klasse anschauen, dann kann die nicht ohne proletarische Klasse existieren, einfach weil beide Teile von einem Verhältnis aufeinander bezogen sind. Sie haben zwangsläufig unterschiedliche Interessen und die eine Klasse wird die andere Klasse beherrschen und dieses antagonistische, oder gegensätzliche, oder auch feindliche Verhältnis lässt sich eigentlich nur aufheben, indem beide Klassen aufgehoben werden. Sowas sieht man bei anderen Verhältnissen nicht so sehr.

(L) Gut, soweit zum Thema Intersektionalismus. Es gibt noch eine weitere Ebene, die wir in den Feminismus hier aufnehmen wollen und das ist der Antiimperialismus.

(Y) Ja, ich stürz mich erstmal nochmal rein und vielleicht sollten wir kurz klären, was der Imperialismus ist. Und keine Angst, ihr werdet jetzt nicht alles von uns von Lenin über Armeen bis heute hören, sondern wir halten uns relativ kurz, aber natürlich auch ein bisschen verkürzt. Der Imperialismus ist wahrscheinlich vielen von euch ein Begriff schon und knapp gesagt meinen wir, wenn wir von Imperialismus sprechen, ein Stadium im heutigen globalen Kapitalismus, in dem die reichen und mächtigen kapitalistischen Staaten andere ärmere Staaten dominieren und wirtschaftlich ausbeuten. So eine kurze Definition sollte erstmal ausreichen, damit wir zumindest alle verstehen, was wir mit Antiimperialismus meinen. Mit Antiimperialismus meinen wir nämlich eine Haltung, die sich genau gegen dieses System stellt, in dem dann ein paar reiche Staaten alle ärmeren Staaten ausbeuten. Das ist ja erstmal ein politisches und wirtschaftliches Thema, das hört man schon aus der Definition raus, aber vielleicht magst du mal kurz erklären was das jetzt mit Feminismus zu tun hat.

(L) Der Punkt ist, dass die feministische Bewegung, also wie wir sie heute kennen, vor allem im imperialistischen Zentrum entstanden ist. Klar, es gab Kämpfe um Gleichberechtigung natürlich schon immer und die waren auch im Kolonialismus zum Beispiel sehr wichtig, als viele Gesellschaften zum ersten Mal ein patriarchales Herrschaftssystem von außen übergestülpt bekommen haben. Aber die feministische Bewegung, die sich auch selber Feminismus nennt und die ihre theoretischen feministischen Denker*innen hat, das ist vor allem eine Bewegung, die im Westen also vor allem in Europa und auch in den USA entstanden ist. Und vor diesem Hintergrund kann man sich jetzt vielleicht auch ganz gut vorstellen, dass der Feminismus eben mit dem Imperialismus dieser Länder, in denen er entstanden ist, auch verstrickt war und teilweise es immer noch ist. Das heißt, auch die feministische Bewegung hat zum Beispiel Argumente geliefert für den Kolonialismus und den Imperialismus und bevor wir diese Argumente jetzt wiederholen, wollen wir einfach mal ein aktuelles Beispiel nennen.

(Y) Ja, ich wollt grad schon nachfragen, weil viele antiimperialistische Feminist*innen würden ja gerade sagen, dass auch heute der Feminismus noch eng mit dem Imperialismus verstrickt ist. Wo liefern denn Feminist*innen, oder zumindest ein paar Feminist*innen heute noch Argumente für so eine westliche Herrschaft?

(L) Ein ganz großes Beispiel, das allen von uns wahrscheinlich ein Begriff ist, das ist der Streit um das Kopftuch. Das ja einige muslimische Frauen tragen und von einigen, zum Glück nicht allen Feminist*innen, wird das Kopftuch enorm dämonisiert. Also es kann natürlich auch Kontexte geben, in denen eine Frau ein Kopftuch nicht völlig freiwillig trägt, aber das ist zum Beispiel auch nicht anders bei einem Rollkragenpulli, den ich jetzt zum Beispiel auch tragen kann, weil mein Partner nicht möchte, dass ich einen Ausschnitt trage. Wie auch immer… Also dieses Stück Stoff, das viele Frauen auf ihren Haaren tragen, das ist ein enorm umkämpftes Objekt geworden und wird häufig als DAS exemplarische Symbol von Frauenunterdrückung gesehen.

(Y) Ja, die Debatte flammt ja in Deutschland und in Frankreich in den letzten Jahren schon wieder stärker auf, aber was genau ist daran jetzt imperialistisch?

(L) Ja, diese Debatte um das Kopftuch steht nämlich in einem größeren Zusammenhang. Hier im sogenannten Westen wird der Islam sehr sehr oft als der Endgegner der Frauenbefreiung gesehen und muslimische Männer als die Frauenfeinde schlechthin und das bildet genau ein Stereotyp von den „feindlichen Muslimen“, die einfach anders seien als wir und die die Unterdrücker der Frauen schlechthin quasi sind. Und genau das ist so ein Bild, das ist vielleicht von den Feminist*innen, die das kritisieren gar nicht so gemeint, aber dieses Bild wird einfach mehr als gerne hergenommen zur Rechtfertigung von tatsächlichen militärischen Eingriffen. Und die konservativsten US-Präsidenten, die überhaupt nichts mit Frauenbefreiung und Feminismus zu tun haben, haben diese Rechtfertigung die ihnen die Feminist*innen geliefert haben benutzt, um ihren Einmarsch in muslimische Länder unter dem Stichwort auch „Kampf gegen den Terror“ zu rechtfertigen. Und das eben dann groß auch mit der Befreiung der armen traurigen Frauen gerechtfertigt, aber nachdem sie die Länder zerstört haben, war von der Frauenbefreiung nicht mehr wirklich irgendwas übrig. Deswegen sollten wir als Feminist*innen vorsichtig sein, wenn wir „die Anderen“ kritisieren und dabei ein Feindbild stützen, das auch grundsätzlich ein imperialistisches Feindbild ist. Und ganz nebenbei lenkt dieses Bild von „den Anderen“, die die Frauen unterdrücken auch von den tatsächlichen Feinden des Feminismus ab. Das sind nämlich sexistische gewalttätige Männer, die es überall gibt, wo es ein Patriarchat gibt, also auch hier. Und AfD-Anhänger*innen, die regen sich ja nur zu gerne auf, über den bösen Feminismus und heulen aber gleichzeitig über die schreckliche Frauenunterdrückung in muslimischen Ländern und genau das ist das Ergebnis eines Feminismus, der den eigenen Feind aus den Augen verloren hat und das ist das Patriarchat allgemein.

(Y) Ja, wir haben ja auf unserer Instagram-Seite schon mal noch ein anderes Argument gebracht, das auch eine antiimperialistischer Kritik am Feminismus war. Und zwar sehen wir noch ein anderes Problem mit dem Feminismus, wenn er nicht antiimperialistisch denkt. Wir haben den Punkt auch in der letzten Folge zum Feminismus am Beispiel von Beyoncé schon angesprochen, deswegen gehen wir hier nur nochmal kurz darauf ein. Und zwar gibt es die Gefahr, dass feministische Erfolge auf Kosten von anderen Frauen erreicht werden. Wenn ihr euch erinnert, haben wir in der Folge ja erzählt, dass es für die Unterdrückung von Frauen verschiedene Grundlagen im kapitalistischen System gibt. Da gibt es zum Beispiel die Hausarbeit, die Kindererziehung, usw. Die Frage, die wir uns jetzt stellen müssen ist, was passiert eigentlich mit den ganzen Arbeiten, wenn immer mehr Frauen in Deutschland jetzt selber zur Lohnarbeit gehen? Und wie ist es eigentlich möglich, dass Frauen wieder mehr Kontrolle über ihre Gebärfähigkeit bekommen? Wir haben ja eigentlich gesagt, dass die Gebärfähigkeit ein Grund für die Unterdrückung der Frau ist und dass ihr die Kontrolle über diese Gebärfähigkeit entzogen wird, damit neue Arbeitskräfte hergestellt werden.

(L) Naja, unser Ziel ist ja ganz grundsätzlich, Frauen von genau diesem Joch zu befreien. Wenn man jetzt als einzelne Frau zum Beispiel sagt, ich möchte mich nicht so gern mit Hausarbeit beschäftigen ich hab schon gar keine Lust zuhause zu bleiben um Kinder zu erziehen und einem Mann das Essen zu kochen, ich will mich auf meinen Beruf konzentrieren und das ist mein Platz im Leben, dann muss irgendwas mit den Hausarbeiten passieren. Das heißt, entweder man findet irgendwie einen Kompromiss, zwischen allen im Haushalt lebenden Erwachsenen, oder was dann eben häufig passiert, wenn das Geld auch da ist, dass man dir Arbeiten zum Beispiel auslagert. Man holt sich dann eine Putzkraft und vielleicht noch eine Haushaltshilfe. Und wer macht das dann? Das sind in den allermeisten Fällen wieder Frauen, oft migrantisch, die enorm prekär angestellt sind, in einem privaten Haushalt. Man lagert die Hausarbeit also einfach an eine noch weniger privilegierte Personen, beziehungsweise Frau aus. Und auch das Gebären kann man inzwischen an eine Leihmutter auslagern und das sind dann auch meistens Frauen in ärmeren Ländern, die außerdem nach rassistischen Stereotypen bewertet werden und für diese Leihmutterschaft enorme körperliche und auch psychische Risiken auf sich nehmen, für verhältnismäßig sehr wenig Geld. Und genau sowas ist unserer Meinung nach kein Feminismus, wenn man die eigene Befreiung auf Kosten der Ausbeutung anderer Frauen leistet. Das ist vielleicht Empowerment, oder Girlboss, aber mit einem Feminismus, der alle Frauen befreien soll, hat das nicht viel zu tun. Stattdessen müssen wir nämlich vielmehr für eine Welt kämpfen, in der alle Frauen befreit werden und nicht einfach die am allerwenigsten privilegierten die Drecksarbeit für uns erledigen.

(Y) Und da kommt der Sozialismus auch wieder ins Spiel. Das heißt nämlich, dass wir, wenn es möglich ist, einen Großteil der häuslichen Arbeit vergesellschaften sollten. Und dass sie dann eben nicht mehr im Haus stattfinden sollte, sondern in Kantinen, in Kindertagesstätten, usw. Und die Sachen, die nicht aus dem Haus ausgelagert werden können, müssen dann mit dem normalen Berufsleben vereinbar sein. Und statt, dass bestimmte Frauen diese Arbeiten auf andere Frauen auslagern, müssen sie dann eben auch von Männern erledigt werden und nur dadurch kann tatsächlich eine Befreiung vom Patriarchat für alle Frauen möglich werden. Aber kommen wir noch zum letzten Thema. Nach der letzten Folge sind noch ein paar Gespräche mit Menschen aufgekommen und zwar zur Frage, ob denn unsere Argumentation vom letzten Mal, die ja war, dass im Endeffekt der Kapitalismus abgeschafft werden muss, um Frauenbefreiung endgültig möglich zu machen. Ob diese Argumentation dann heißt, dass wir im Kapitalismus gar nichts mehr machen können, oder dass wir gar nichts mehr machen müssen. Die Frage ist also: können und sollten wir eigentlich im Kapitalismus trotzdem für Reformen kämpfen, oder sollten wir alle Hoffnungen auf den Sozialismus verschieben? Vielleicht magst du da mal anfangen und wenn mir noch etwas einfällt, dann kann ich ja noch ergänzen.

(L) Ja, ich denke der wichtige Punkt, den uns der marxistische materialistischen Feminismus zeigt ist, dass eine vollständige Frauenbefreiung nicht möglich ist in einem kapitalistischen System, in einem System das Ausbeutung zum Prinzip seiner Existenz macht. Und natürlich müssen wir alles was wir uns als Feministin erkämpfen, auch vor diesem Hintergrund nochmal reflektieren. Das heißt, wir müssen reflektieren, ist das was hier errungen wird wirklich ein Gewinn, oder geht er auf Kosten anderer? Ist damit so in der Gesamtheit betrachtet eigentlich kein wirklicher Gewinn für die Menschheit. Oder ist das, was wir erreicht haben vielleicht tatsächlich nicht mehr als Symbolpolitik, die ein paar Frauen ein bisschen besser fühlen lässt, aber an der Realität nichts ändert? Trotzdem sind meiner Meinung nach Reformen natürlich auch und nichts, was wir irgendwie behindern sollten und auch was wofür wir kämpfen sollten. Weil natürlich ist ein Kapitalismus, in dem Abtreibung für alle Frauen legal und zugänglich ist, ein besserer Kapitalismus als einer in dem das nicht so ist. Aber der wichtige Punkt ist, dass wir das Ziel nicht aus den Augen verlieren, dass wir eben darauf zielen, dass es eine tatsächliche Frauenbefreiung gibt, die für alle Frauen gilt und eben nicht zum Beispiel nur die Möglichkeit für Abtreibung, die so enorm teuer sein könnte, dass es sich vielleicht sowieso nur die obersten 1%, oder 10% der Frauen leisten könnten. Ja und ganz einfach: wenn wir den Feind kennen, den tatsächlichen Feind, dann können wir ihn auch bekämpfen und das ist in dem Sinne ein Patriarchat, das mit dem Kapitalismus verschränkt ist und nicht nur eine oberflächliche Diskriminierung.

(Y) Ja, ich kann da glaube ich gar nicht so viel ergänzen. Ich glaube das ist aber ein generelles Spannungsfeld, in dem man sich wahrscheinlich bewegt, wenn man links/sozialistisch/marxistisch ist. Weil man natürlich einerseits sieht, dass das Endziel erst erreicht werden kann im Sozialismus, aber trotzdem haben wir es ja heute und hier mit lebenden Menschen zu tun, die unter teilweise schrecklichen Bedingungen leiden und unter härtester Diskriminierung und für genau die lebenden Menschen, die jetzt aktuell auf dieser Welt rumlaufen, für die wollen wir ja auch die Welt besser machen. Und ich glaube man hat sich ziemlich weit von seinem Ideal entfernt, wenn man Menschen, die gerade am Leiden sind sagt „ja, ich glaub da musst du auf den Sozialismus warten, bis es besser wird“. Weil wie Marx sagt, jede wirkliche Bewegung tausendmal mehr wert ist, als jedes Programm. Und ich glaube, jede wirkliche Bewegung, die wir im Feminismus, aber auch im Kampf für Arbeitende, für ausgebeutete Massen erreichen können, ist so viel mehr als jede Rede, die wir über den Sozialismus sprechen können.

(L) Das heißt, wir können zum Schluss sagen: kämpft auf jeden Fall weiter, macht eure Kämpfe, organisiert Leute, aber vergesst dabei nicht das große Ziel. nämlich eine gerechte Welt.

(Y) Ja, und mit dieser Erlaubnis für eure reformerischen Kämpfe, sind wir auch schon wieder mit unserer Gesprächs-Folge zum Thema Feminismus und Marxismus am Ende.

(L) An der Stelle kommt von uns nochmal der Aufruf, dass ihr uns sehr sehr gerne zurückmelden könnt, wie ihr unseren Podcast findet, also was ihr mögt, was gut ist und wo wir noch ein bisschen schrauben können, was wir noch besser machen können.

(Y) Aa und das ist wirklich ein Aufruf an euch alle. Einen Podcast zu machen ist ja eine ziemlich einseitige Sache, wir nehmen das ja auf und schicken es dann raus in die Welt, aber wie ihr darauf reagiert, das bekommen wir gar nicht so sehr mit. Und so ein Stimmungsbild wäre echt hilfreich, damit wir unsere Arbeit hier einschätzen können. Das Ganze hilft dann auch nochmal vor dem Hintergrund, dass wir bald unsere 1. Staffel zu Ende bringen und damit wir dann wissen, ob sich das hier lohnt, ob es euch was bringt und ob wir weitermachen sollen. Schickt uns also einfach vielleicht eine kurze Mail mit ein paar Wörtern, oder schreibt uns gerne über Instagram, wir freuen uns über alle, die da antworten.

(L) Ja, wenn ihr uns gut findet und sogar unterstützen wollt, dann könnt ihr das gerne tun, indem ihr uns einfach irgendjemandem weiterempfehlt, oder uns fünf Sterne auf Spotify, oder Apple Podcast gebt, sowas hilft uns einfach gefunden zu werden und mehr Leute zu erreichen. Ihr könnt uns natürlich auch ein paar Euros über ko-fi spenden, den Link findet ihr wie alles andere was ihr braucht in den Show Notes, aber das ist natürlich kein Muss, der Podcast ist und bleibt kostenlos.

(Y) Zumindest so lange, bis wir einen Werbeangebot von der Commerzbank bekommen. Also Commerzbank, melde dich gerne bei uns. Als nächstes kommt dann aber wieder ein Podcast zum Thema Menschenrechte und der marxistischen Kritik daran und wir freuen uns sehr, wenn ihr dann wieder dabei seid.

(L) Wir grüßen dieses Mal Angela Davis und gratulieren ihr, dass sie als dritte Frau jemals vom FBI auf die Liste der meistgesuchten Personen gesetzt wurde.

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