Studio-Lookout-Salon: Der Podcast für Architektur, Design, Kunst und Soziokultur

Lebensfreude trotz Krise – Stephan Freude über Resilienz und Transformation

Roger Furrer & Maximilian Grieger

Stephan Freude ist Speaker, Dozent und Unternehmensberater – und er weiss aus eigener Erfahrung, was es bedeutet, eine Krise in neue Stärke zu verwandeln. Nach einem schweren Motorradunfall im Alter von 22 Jahren musste er sein Leben völlig neu gestalten. Heute begleitet er Menschen und Organisationen bei Transformation, Resilienz und Diversity.

Im Gespräch mit Roger Furrer und Maximilian Grieger erzählt Stephan,

  • warum Resilienz mehr ist als ein Schlagwort
  • wie Diversity zur Haltung wird statt zur Checkliste
  • was heilende Architektur in der Praxis bedeutet – mit einem besonderen Blick auf die Healing Architecture von Herzog & de Meuron für das REHAB Basel
  • über seine Arbeit als Speaker und Peer Support bei der Schweizer Paraplegiker Gruppe in Nottwil
  • und weshalb die Frage Warum? zum Schlüssel für echte Veränderung wird.

Ein inspirierender Austausch über Lebensfreude, Wandel und die Kraft, unbequeme Dinge anzusprechen – für alle, die Transformation nicht als Pflicht, sondern als Chance begreifen.

👉 Mehr zu Stephan Freude: www.stephanfreude.com

Maximilian Grieger:

Willkommen zum Studio Lookout Salon Podcast. Mein Name ist Maximilian Grieger.

Roger Furrer:

Und mein Name ist Roger Furrer, und wir begrüssen gemeinsam im Studio Lookout House unseren Gast Stephan Freude. Salü Stephan.

Maximilian Grieger:

Willkommen, Stephan.

Stephan Freude:

Ja, herzlichen Dank und willkommen in der schönen Runde hier.

Maximilian Grieger:

Stephan Freude bringt eine spannende Mischung mit. Er ist in Führungsetagen genauso unterwegs wie in Veränderungsprozessen und setzt sich mit viel persönlichen Engagement für eine inklusive Gesellschaft ein.

Roger Furrer:

Und genau darüber wollen wir mit ihm reden Über das, was oft lieber unter den Teppich gekehrt wird, über Resilienz, also Widerstandsfähigkeit, die mehr bedeutet als ein Buzzwort, über Diversität, die Haltung braucht statt Hochglanz, und über die Frage, die Stephan immer wieder stellt warum eigentlich?

Maximilian Grieger:

Wir freuen uns auf ein offenes Gespräch über Sichtbarkeit, Verantwortung und darüber, was passiert, wenn man die unbequemen Dinge endlich ausspricht. Stephan, wenn du heute auf dein Leben blickst, was sind Stationen oder Wendepunkte, die dich besonders geprägt haben?

Stephan Freude:

Ja, ich glaube, der spannendste Punkt ist wirklich so der Unfall, den ich hatte. Ich hatte mit 22 einen schweren Verkehrsunfall mit dem Motorrad, und seitdem bin ich querschnittgelähmt, das heisst, ich sitze im Rollstuhl. und das hat natürlich mein Leben, gerade als 22-jähriger junger Mann, extrem auf den Kopf gestellt. weil eigentlich ist das das Alter, wo man in die Welt raus will, wo man vor Kraft so strotzt und den Eindruck hat, die ganze Welt gehört einem. und ja, ich war zurückgeworfen in ein Krankenhausbett, konnte nichts machen, war fünfeinhalb Monate in der Rehabilitation und musste mein Leben wieder neu finden, und alles eigentlich war für mich in dem Moment verloren gegangen. Ob das der Beruf war ich war Schreiner ob das die vielen sportiven Hobbys waren, ob das auch beziehungstechnisch war, alles war für mich anfangs verloren. Es musste dann, wie auch neu gelernt werden, neu entdeckt werden, und ich glaube, das war so das Intensivste, was ich in meinem Leben erlebt habe.

Maximilian Grieger:

Das war 1997?

Stephan Freude:

Exakt.

Roger Furrer:

Du hast nach diesem Einschnitt deinen Weg neu finden müssen, mit neuer Perspektive, vielleicht auch neuer Bestimmung. Was nimmst du aus dieser Erfahrung mit in deine Arbeit, Gerade wenn es darum geht, andere Menschen in Organisationen zu begleiten, ihre eigene

Stephan Freude:

Ich glaube, wenn wir rausschauen in unserer heutigen Zeit, dann stellen wir fest, dass wir Krisen haben, die intensiver geworden sind und häufiger auftreten als früher und als wir es auch gewohnt sind. Auftreten als früher und als wir es auch gewohnt sind. Wir sprechen heutzutage da ja auch von Stapelkrisen. Und zum einen haben wir das persönlich, also das heisst jeder in seinem Leben, oder die meisten Menschen haben das in ihrem Leben, wenn ich mich mit den Menschen unterhalte, und wir haben dies aber genauso in Unternehmen, und das ist etwas, wo wir wie nicht darauf vorbereitet sind oder waren, und wo wir oft in Stocken kommen und eigentlich in dem Moment nicht mehr wissen wie kommen wir da weiter? Und das ist etwas, was ich natürlich lernen durfte, wenn einem von heute auf morgen das Leben auf den Kopf gestellt wird und eigentlich man gar nicht mehr weiss, wie die Zukunft aussieht.

Stephan Freude:

Also auch eine Lebenskrise, eine fette Lebenskrise. Und ich hab damals einen guten Weg, wenn ich das mal so rückblickend sagen darf, Mensch ist das, was ich heute anwende, wenn ich in Unternehmen bin, wenn ich mich mit Menschen unterhalte, und die einzige Frage ist wie gehen wir da damit um? Und das ist der Punkt, wo ich Unternehmen beziehungsweise letzten Endes bestehen Unternehmen ja auch aus Menschen aber wo ich einfach da inspiriere, wo ich begleite, wo ich ermutige, wo ich begeistere, und das Leben oder die Geschäftswelt ist nicht fertig, bloss weil wir in einer Krise stecken, sondern dann wird es eigentlich immer erst spannend, sage ich, weil da kann alles neu gewürfelt werden, und da können wir einen guten Weg finden, wenn wir eben eine gute Anleitung haben oder ein gutes Mindset haben und da einfach auch positiv mit diesen Sachen umgehen, auch wenn sie im ersten Moment vielleicht sich nicht so positiv anfühlen, oder wir erstmal gefühlt Kopf stehen man das sagen?

Maximilian Grieger:

Ich habe dich jetzt schon einige Male auf der Bühne erlebt, Stephan, und du versprühst im wahrsten Sinne des Wortes Lebensfreude. Wann hattest du das Bewusstsein entwickelt, dass das Leben für dich ein Geschenk ist?

Stephan Freude:

Ah, das ist eine schöne Frage. Ich glaube, das war ich mag es mal so sagen mir in die Wiege gelegt worden. Ich war als Kind schon ein Sonnenschein, das heisst, ich war mehr auf der positiven Seite des Lebens, und für mich war dieser Unfall natürlich ein extrem schwerer Einschnitt, Und natürlich habe ich mich am Anfang auch gefragt, warum ich und warum passiert mir das. Aber auf der anderen Seite war für mich immer klar, auch schon vor meinem Unfall, alles, was passiert, seine Richtigkeit. Also ich habe nie mit meinem Leben gehadert oder nie mit meinem Unfall gehadert, sondern habe versucht, es zu akzeptieren und da meinen Weg mit zu finden und zu suchen.

Stephan Freude:

Und natürlich gehört in einem solchen Prozess viele psychologische Phasen dazu, wie Trauer, wie Wut, wie einfach dieses Annehmen auch, um dann, wenn man dieses ich nenne es jetzt mal Tal der Tränen auch durchgangen ist, durchlebt hat, um dann auch wieder mit einer neuen Kraft nach vorne zu gehen. Weil für mich ist es immer so das Leben ist nicht fertig, bloss weil ich im Rollstuhl sitze, sondern es geht weiter. Es geht anders weiter, aber es geht weiter. Das Leben ist immer noch da, und die einzige Frage ist mit dir oder ohne dich, und das ist eine Entscheidung, die es zu treffen gilt, und das war für mich damals extrem klar, dass es nur eine Richtung geht, auch wenn ich nicht unbedingt wusste, wie. Aber ich wusste, das Leben geht weiter, und ich bin dabei.

Roger Furrer:

Also, das heisst, die Frage ist steckst du den Kopf in den Sand oder machst du was draus? In unserer Arbeit mit Architektur und Design erleben wir oft, dass das Thema Barrierefreiheit eher schamhaft oder halbherzig mitgedacht wird, So als würde man es lieber verstecken als sichtbar machen. Umso spannender finden wir Initiativen wie das Swiss Center for Design and Health in Nidau bei Biel, das neue Konzepte für Hindernisse mit Pflegeeinrichtungen und Wohnräumen entwickelt. Gibt es auch bei dir Momente, in denen du denkst, mit ein bisschen mehr Bewusstsein hätte man das ganz anders gestalten können?

Stephan Freude:

Ja, da muss ich jetzt gerade schmunzeln. Natürlich gibt es das. Ich glaube, da darf man verschiedene Perspektiven anschauen. Ich glaube, ein Grundpunkt ist natürlich, dass Architekten während ihrem Studium nicht unbedingt auf das Thema Rollstuhlfreundlichkeit, dass sie da eintauchen, Also zum Beispiel mal einen Tag im Rollstuhl unterwegs zu sein, um zu erspüren, was heisst es, wenn sie zum Beispiel mal einen Tag im Rollstuhl unterwegs zu sein, um zu erspüren, was heißt es, wenn Sie zum Beispiel eine Toilettentür von mir aus auch noch in die IV-Toilette, wenn Sie die so und so gestalten, was bedeutet das? Und wenn man dann mal selber im Rollstuhl sass und merkt, okay, wenn ich die Tür so konstruiere, dann bekomme ich die nicht auf, wenn ich im Rollstuhl sitze, dass natürlich die physische Erfahrung die dann einen Unterschied macht. Es ist natürlich nicht vergleichbar, wenn jetzt ein gesunder Mensch mit einer vollen Körperfunktion im Rollstuhl ist, aber man bekommt eine Idee davon. Und das würde, glaube ich, zum Beispiel extrem helfen, wenn Architekturstudenten oder technische Zeichner oder wie auch immer. Wir machen das übrigens im Rehab mit einer Schule, die technische Zeichner ausbildet, dass die einen Tag bei uns sind, um diesem Thema mal auf die Spur zu kommen, dass sie merken, was heißt es und was hat es für eine Auswirkung, Und wie wichtig ist ihre Arbeit, wenn das ein Ziel ist in einer Ausschreibung oder in einem Projekt, dass sie das beachten dürfen. Und ja, ich weiss, es gibt oft im Leben Situationen, wo ich denke - Ja, ich weiß, es gibt oft im Leben Situationen, wo ich denke, da hat jemand was vergessen, oder da sind die Sachen nicht so optimal, wie sie sind.

Stephan Freude:

Und ich finde auf der anderen Seite, aber auch wir sind Menschen und manchmal machen wir Fehler, und manchmal haben Fehler aber doofe Auswirkungen. Das ist so definitiv. Aber jetzt liegt es doch an mir. Was mache ich mit dieser Situation? Weil die Situation, sie ist so, wie sie ist in dem Moment. Und jetzt kann ich natürlich total negativ da reingehen und mich ärgern, Und wer ist der Schuldige und warum und wie blöd und sonst irgendwas, Aber es verändert ja nichts. Also, das heisst, eigentlich ist es doch viel spannender. Okay, wie kann ich jetzt eine Lösung finden für mich? Darüber hinaus, was kann ich denn tun, damit es für die Zukunft besser wird? Weil manchmal sind es ja einfach nur ganz kleine Handgriffe, die aber die Leute gar nicht sehen oder kein Gespür dafür haben. Und mit dem Moment, wo man sich darauf aufmerksam macht, und zwar nicht in der Negativität und darüber schimpft, sondern einfach darf ich Ihnen Feedback geben, oder darf ich Ihnen was zeigen? war meine Erfahrung, dass das dann eigentlich auch leider nicht immer umgesetzt wird, aber dass das einen sehr hohen Prozentsatz hat, wo man was verbessern kann.

Maximilian Grieger:

Du bist Botschafter für die Rehab einer Klinik für Neurorehabilitation und Paraplegiologie in Basel und Referent für die Schweizer Paraplegikerstiftung in Nottwil im Kanton Luzern. Wie reagieren Patienten in akuten Situationen vor Ort auf dich, die mit einem ähnlich schweren Schicksalsschlag wie deinem konfrontiert sind?

Stephan Freude:

Man muss natürlich unterscheiden, in welchen Phasen die Patienten sind oder wie sie selber mit ihrem Handicap umgehen oder was für Charaktereigenschaften wir haben. Es gibt natürlich die, die irgendwie noch so ich kann mich da gut noch erinnern an mich wenn man am Anfang in diesem Loch steckt, dann ist eigentlich irgendwie so, da muss man erst mal selber sich irgendwie was ist denn heute, was ist morgen, was ist Tag, was ist Nacht, um sich ein bisschen selber zu finden, um da einfach auch wieder zu sehen okay, wo stehe ich denn überhaupt, was ist denn überhaupt? Und dann ist es aber natürlich unheimlich hilfreich, jemanden zu sehen, der diesen Weg schon gegangen ist, und festzustellen okay, mein Leben ist nicht fertig, ich kann, auch wenn ich im Rollstuhl sitze, kann ich trotzdem ein gutes Leben haben. Dafür braucht es natürlich ein bisschen was, da darf man ein bisschen was dafür tun. Da spreche ich natürlich auch drüber. Aber es wäre für mich damals, damals gab es das leider nicht.

Stephan Freude:

Wir nennen das Peer-Counseling, wo wir einfach erfahrene, betroffene, frische Betroffene, praktisch sportiv hast du hier Möglichkeiten, die einem einfach aufzeigen so, das Leben geht weiter, es gibt noch ganz viele Möglichkeiten. Und das ist eigentlich so der grosse Mehrwert, wenn ich von meiner Erfahrung den Menschen erzählen kann, auf der einen Seite und auf der anderen Seite brauchen die aber oft einfach nur ein Ohr, jemand, der zuhört, und jemand, der für sie da ist und ohne sagt, ja, die Diagnose sagt das, und Fachpersonal, ob das Ärzte oder Therapeuten sind, sondern wirklich so von Mensch zu Mensch. Also es ist wirklich manchmal eine ganz einfache Komponente, einfach zuhören diesen Menschen, wie geht es ihnen heute, was brauchen sie denn heute? Und auf der anderen Seite dann je nachdem, wo nicht mehr passt, auch so von meinem Leben erzählen, was mein Weg war, um sie da einfach auch zu bestärken für den Weg, der vor ihnen liegt.

Maximilian Grieger:

Ich habe dich ja jetzt schon einige Male erlebt. Du strahlst diese Lebensfreude aus. Es ist nicht aufgesetzt, sondern es ist wirklich Freude, die man bei dir merkt. Und wenn du an die Leute herantrittst, ist es ihnen dann nicht so viel Freude erstmal, wenn die in so einem schwierigen Umstand sind und jetzt sich neu ausrichten müssen. Und dann kommt einer im Rollstuhl und ist total glücklich und schaut nach vorne, ist zuversichtlich, sind die nicht total überfordert?

Stephan Freude:

Das ist ein extrem guter Punkt, den du sagst, und das durfte ich selber auch lernen, dass ich da sehr vorsichtig mit umgehen kann, dass es für die Leute nicht überheblich klingt. Von mir aus ist es echt, weil das ist mein Leben definitiv, Was aber auch übrigens nicht heisst. Das ist vielleicht auch ein guter Punkt, um das zu erwähnen. Ich bin genauso wie jeder andere Mensch und habe Tage, wo ich unmotiviert bin oder wo mir was nicht gelingt oder wo ich den Eindruck habe, ich will einfach nur die Bettdecke über den Kopf ziehen und morgen schauen wir wieder nach einem neuen Tag. Also das ist ja etwas, was wir alle haben.

Stephan Freude:

Das habe ich genauso wie jeder andere auch. Also das ist, glaube ich, ja auch was super Wichtiges in unserem Leben. Ich durfte lernen, dosiert damit umzugehen, weil genauso wie du gesagt hast, es ist wichtig für die Menschen, dass sie eine Machbarkeit sehen. Also, wenn ich ihnen erzähle, wie mein Leben heute ist oder sowas, dann ist es für viele so weit weg, dass sie damit gar nichts anfangen können. Und das darf ich rausfinden, Und das ist oft auch sehr unterschiedlich, Und darum habe ich gerade auch gesagt das Wichtige ist wo stehen die heute? Und das kann ich natürlich mit einer Einzelperson kann ich da sehr spezifisch drauf eingehen und zu gucken, Und sobald ich eine Gruppe habe, muss ich einfach schauen, was jetzt in der Gruppe da ist, und darf natürlich gucken, kann ich für alle irgendwie sowas anbieten? Das ist natürlich immer so ein bisschen die Herausforderung da dabei. Aber ja, ich darf schauen. Wie viel Dosis von meiner Lebensfreude darf ich da in den Austausch mit reinbringen, dass es nicht zu viel ist für das Gegenüber?

Maximilian Grieger:

Nochmal kurz zurückzukommen auf die Rehab in Basel. Die wurde ja gebaut von den Architekten Herzog und de Meuron, ist 2002 in Betrieb genommen worden. Inwiefern konnten Herzog und de Meuron bereits 2002 Prinzipien hindernisfreier Architektur erfolgreich umsetzen? Es gab ja erst 2009 dann die Schweizer SEA-Norm 500 für hindernisfreie Bauten. Das kam erst danach. Haben die das damals schon gut umsetzen können, anfang der 2000er?

Stephan Freude:

Also, ich glaube, der grosse Clou an dieser Geschichte war, dass das Rehab von sich aus ein 30-seitiges Dokument Herzog de Meuron übergeben hat, wo Bedürfnisse, wo Wünsche drin standen, die aus den Menschen, vom Rehab, also vorwiegend auch von den Therapeuten, von den Patienten mit eingeflossen sind. Was sind unsere Bedürfnisse, was wir brauchen? Weil die Architekten wissen ja oft gar nicht, was braucht denn so ein Haus? Die können wunderbar ein Krankenhaus, eine Rehaklinik bauen, aber wenn wir das Bedürfnis der Menschen mitnehmen und das in die Architektur reinfliessen und da ist damals ein neuer Begriff entstanden, die heilende Architektur, also Healing Architecture, wo dadurch oder wenn ich Rehabführungen mache, ich immer sage, das, was Sie heute sehen, ist das Ergebnis, was man damals mit reingebracht hat, aus der Sicht des Rehabs, aus der Sicht von Patienten. Was brauchen Patienten? Und da muss man vielleicht kurz dazu sagen diese Patienten im Rehab, die sind teilweise bis zu einem Jahr in dem Haus.

Stephan Freude:

Das heisst, in einem solchen Moment alleine, wenn man nur drei oder vier Monate da ist, in einem solchen Moment wird für den Patienten dieses Gebäude zu einem zweiten Zuhause, weil sie im Normalfall 24-7 dort sind. Und je schöner, je angenehmer eine solche Umgebung, ein solches Haus gestaltet ist, die Zimmer gestaltet sind, desto mehr wirkt es auf den Mensch und auf seinen Genesungsprozess. Also darum eben diese Besonderheit, die damals eigentlich entstanden ist und warum das Rehab heute noch, also nach diesen vielen Jahren, immer noch von Architekten besucht wird. Und die Schönheit auf der einen Seite von diesem besonderen Bau. aber natürlich auch so, warum haben die was gemacht? Warum haben die so viel Licht im Haus? Warum haben sie mit so vielen Naturmaterialien gearbeitet? Und was sind so die kleinen Lifehacks, die da drin sind, die es einfach anders machen zu vielen etablierten Häusern ja, die halt wirklich irgendwie anders sind, und ich glaube, das war so der Kunstgriff, der damals gemacht worden ist, wo man heute immer noch zurückschaut und sagt okay, diese Sachen werden in anderen Krankenhäusern, in anderen Rehabilitationseinrichtungen, von Herzog und de Meuron auch mit übernommen und mit reingeplant.

Maximilian Grieger:

Du stehst immer wieder die Frage warum in deinen Beratungen? Was bringt dich dazu, Dinge zu hinterfragen, wo andere wegschauen?

Stephan Freude:

Weil es da ja spannend wird. Also die Frage des Warums - ich liebe sie einfach, und nicht nur im Business-Kontext, sondern auch im privaten Kontext, weil die Frage klärt, einfach Die Frage klärt warum machen wir was so, Warum ist etwas so? Und sie heisst nicht, dass ich dagegen bin oder dass ich das nicht richtig finde, sondern sie klärt einfach warum entscheiden wir uns da dafür, warum machen wir etwas so? Und wenn ich diese Frage beantworten kann, dann merke ich, warum ich diese Entscheidung so treffe, ob das jetzt im Unternehmen ist oder privat. Und dadurch, dass ich bewusst bin, warum treffe ich die Entscheidung so merke ich auf einmal, da muss ich nochmal drüber nachdenken. Oder oh, da habe ich eben nicht drüber nachgedacht, und jetzt, wo ich merke, stelle ich fest, ich würde es anders machen. Also sie klärt einfach alles, was man mit dieser Frage stellt.

Roger Furrer:

In deiner Arbeit als Berater begleitest du Menschen und Organisationen in Veränderungsprozessen, auch wenn diese Prozesse unbequem sind. Was würdest du dir von Unternehmen wünschen, wenn es um echte Transformation geht, jenseits von Imagepflege und schnellen Lösungen?

Stephan Freude:

Dass wir offen miteinander kommunizieren und einen guten Weg finden, der für das Unternehmen, für Mitarbeitende, für Teams, für Führungskräfte gangbar ist, der verständlich ist. Und Kommunikation ist der Schlüssel. Das heißt, in einem Unternehmen, wenn ich einen Veränderungsprozess habe, dann darf ich einfach verschiedene Aspekte damit angucken, und manchmal muss ich ja, ich mag das Wort muss nicht, aber da ist es elementar muss ich mir erstmal anschauen was haben wir denn in dem Unternehmen für ein Ziel. Also wissen wir alle in dem Unternehmen, also auch die Mitarbeitenden, was haben wir für ein Ziel. Das klingt im ersten Moment vielleicht lustig, aber ich stelle es oft fest, dass, wenn ich die Frage stelle, dass dann erstmal ein langes Schweigen da ist. Oder zum Beispiel auch was haben wir für Werte?

Stephan Freude:

Also was haben wir für ein Wertebewusstsein im Unternehmen, und wie leben wir diese? Also, das heisst, wenn wir in Veränderungsprozessen unterwegs sind, dann wünsche ich mir oder wenn ich bei mir bleibe, dann habe ich den Wert der Menschlichkeit, und die darf sich in einem Veränderungsprozess auch aufzeigen. Und dann aber natürlich die spannende Frage wie leben wir diesen Wert? Das sind so Grundlagen aus meinen Gesprächen, wo ich schaue wie ist da ein Unternehmen schon unterwegs? weil das letzten Endes elementare Sachen sind.

Stephan Freude:

Ich muss wissen, in welche Richtung gehen wir. Also, wo ist unser Ziel? Und dann muss ich wissen wie gehen wir dahin? Und dieses Wie klären Werte, wo ich mit Mitarbeitenden, mit Investitionen etc. Wie gehe ich da damit um? wie plausibel erkläre ich das? Und das ist für mich, wo wir in der Führung, im Management ein Agreement müssen haben okay, wir machen das aufgrund des, und so sieht das aus. Das sind dann die Parameter etc, die alle da dazugehören, und dann muss ich die Mitarbeitenden ins Boot nehmen. Also, das heisst nochmal die Kommunikation ist für mich das Wichtigste, und es geht nicht darum, dass ich jeden Punkt den Mitarbeitern erkläre. Manchmal ist es einfach auch so, dass es Entscheidungen gibt, und die sind unangenehm, aber letzten Endes muss der Mensch sie verstehen. Und wenn der Mensch sie versteht, dann kann man sie vielleicht für doof empfinden, aber man weiss, warum man etwas macht, und das ist für mich das Entscheidende in diesen Prozessen.

Roger Furrer:

In diesen Prozessen sprichst du auch immer wieder davon, dass bestimmte Themen unter den Teppich gekehrt werden. Was gehört für dich dazu- ?

Stephan Freude:

Was gehört für mich dazu? Ich habe es schon angesprochen das Wichtigste für mich in einem Unternehmen ist der Mensch. Und weil Unternehmen bestehen aus Stahl und Stein, aber lebendig und erfolgreich macht es der Mensch. Und ich meine, wir müssen schon uns anschauen, wie sind wir denn in einem Unternehmen unterwegs? Also was haben wir für Hierarchien, was haben wir für Positionen, wie gehen wir mit Mitarbeitenden um?

Stephan Freude:

Also zum Beispiel du hast es konkret nachgefragt- wie sind unsere Führungskräfte empowered, dass sie einen guten Job machen können? Das ist zum Beispiel etwas, was ich in ganz vielen Unternehmen inzwischen sehe. Also da habe ich noch den Vergleich, wenn ich zurück überlege, wie es vor 20 Jahren war und was wir heute für einen riesen Unterschied haben, wie Führungskräfte unterwegs sind. Ich unterscheide da übrigens zwischen Führungskräften und Vorgesetzten. Die Interpretation übergebe ich jetzt dem Zuhörer oder der Zuhörerin, aber Die Interpretation übergebe ich jetzt dem Zuhörer oder der Zuhörerin, aber alleine da ist schon ein Unterschied. Also wie empowern wir Führungskräfte, dass sie einen guten Job machen, zum Beispiel wieder mehr Freude im Arbeiten hätten, und wenn Führungskräfte Freude in ihrer Führung haben? Und das ist etwas, wo wir leider nicht darüber sprechen.

Roger Furrer:

Gibt es in deiner Arbeit Momente, in denen du merkst jetzt wird nicht nur geredet, sondern wirklich zugehört.

Stephan Freude:

Ja, die gibt es zum Glück. Aber das zeigt für mich natürlich auch auf, okay, wie wirklich interessiert ist. Dann das Gegenüber Ist jetzt egal. Im Normalfall bewege ich mich im C-Level Wie wollen Sie denn wirklich jetzt eine Veränderung haben? Oder es ist einfach nur so, wir machen das jetzt, damit wir es abhaken können, oder sowas.

Stephan Freude:

Oft ist es natürlich auch eine Gratwanderung, weil man in einem Unternehmen das kenne ich aus meiner Praxis ja natürlich auch noch, weil man nicht alles von heute auf morgen umsetzen kann, da gibt es natürlich gewisse Richtlinien oder Schwierigkeiten oder Budgets oder sonst irgendwas, was nicht immer gleich alles so von heute auf morgen ermöglicht, wo ich natürlich schon auch merke okay, wie geht der mit mir um? weil ich dann weiß okay, ich vermute mal, dass er mit seinen Mitarbeitern vielleicht ähnlich umgeht, und da spüre ich dann natürlich schon irgendwie so aus okay, ja, den Punkt können wir vielleicht mal genauer anschauen, wenn die Person natürlich auch dafür offen ist. Und das ist dann für mich immer so die Frage, wie viel Offenheit für Veränderung an sich selbst ist denn auch ein Mensch? Also, da braucht man ja schon ein Jahr, um diesen Weg zu gehen. Aber das macht es letzten Endes auch spannend.

Maximilian Grieger:

Du hast deinen Familiennamen angepasst und heisst heute Freude. Das heißt, Freude ist kein Künstlername, das ist dein richtiger Familienname heute. Was hat dich bewogen, diese Namensänderung vorzunehmen?

Stephan Freude:

Naja, sie hat. letzten Endes basiert sie auf sehr viel Humor und Blödsinn, den wir in unserer Beziehung haben, meine heutige Frau und ich, weil wir eigentlich immer uns geneckt haben, da damit um das Thema heiraten. und es war für uns eigentlich immer klar, wir müssen nicht heiraten, dass wir glücklich werden im Leben, also wenn wir am Lebensende auf unser Leben zurückblicken, wenn wir am Lebensende auf unser Leben zurückblicken. Und auf der anderen Seite war immer klar, wir können ja gar nicht heiraten, weil wir den Namen des anderen gar nicht annehmen können oder wollten, weil er uns nicht so gefallen hat. Und dann kam irgendwann auch aus einer Blödelei heraus naja, es bräuchte einen schönen Namen, und das war für mich dann so die Challenge okay, jetzt schauen wir doch mal, wie wir einen neuen Namen generieren könnten. Und da habe ich mich dann einfach damit beschäftigt was braucht es für eine Nachnamensänderung, bin dem nachgegangen, und damit verbunden war natürlich auch welcher Name darf es denn werden? Und das war sehr spannend, weil das war extrem schnell klar ja, freude ist doch das, was zu dir passt.

Roger Furrer:

Was bedeutet für dich Sichtbarkeit im eigenen Leben, und wann hast du gemerkt, dass du selbst auch Bühne brauchst, um Wirkung zu entfalten?

Stephan Freude:

Das, was ich heute mache, ist wirklich auf die Bühne geschubst worden, weil ich es kenne, dass mich die Menschen fragen okay, Stephan, erzähl doch mal, wie ist das?

Stephan Freude:

Warum hast du so eine positive Art, obwohl du so ein schweres Handicap hast? Und das ist, glaube ich, wirklich die meistgestellte Frage. Und es gab mal eine Situation in einer Ausbildung, wo ich gedacht habe okay, bevor mich jetzt noch mehr Menschen das fragen, stelle ich mich einmal vorne hin, erzähle meine Geschichte. Und damit ist es getan. Und das war der Anfang von meiner ich nenne es mal von meiner Berufung, die ich heute leben darf, weil danach so viele Menschen zu mir gekommen sind, wie berührt sie gewesen sind. Und ich habe das natürlich überhaupt nicht verstanden und habe dann aber, als ich dem nachgegangen bin und das reflektiert habe, habe ich einfach gemerkt okay, mit meiner Geschichte scheine ich Menschen inspirieren zu können und sie berühren zu können. Und dem bin ich nachgegangen. Und mit diesem Moment habe ich einfach gemerkt okay, es scheint meine Geschichte zu sein.

Stephan Freude:

Es scheint, wie ich mit einer wirklich schweren Lebenskrise, mit einem Schicksalsschlag, der so intensiv war, umgegangen bin, um die Menschen da zu berühren, wo ich oft das Feedback bekomme wenn der das geschafft hat, obwohl er am Rollstuhl sitzt, dann schaffe ich das auch, oder wenn ich mir seine Probleme anschaue, dann sind meine Probleme extrem klein. Ich mag das nicht unbedingt, weil es natürlich irgendwie so einen Vergleich macht, und ich finde den Vergleich nicht richtig, weil jeder Mensch seine eigenen Herausforderungen hat. aber ich verstehe die Argumentation der Menschen. Also, ich habe eigentlich gemerkt, dass ich mit meinem Wirken andere Menschen berühren kann, sie begeistern kann, sie inspirieren kann, und dem bin ich nachgegangen und habe irgendwann festgestellt, wie viel Freude es mir selber bereitet. Und vor allem habe ich gemerkt, wie einfach es mir fällt im Vergleich zu meinem damaligen Angestelltenjob als Manager, als Wirtschaftsingenieur, als Führungskraft. Und als ich diesen Unterschied wahrgenommen habe und damals auch so einen Game-Changer-Moment da hatte, war für mich klar okay, nur das kann mein Weg sein, damit zu gehen, damit zu arbeiten, damit Menschen auch irgendwie, ja, sie zu unterstützen und begleiten.

Roger Furrer:

Wenn du mit Menschen in Veränderungsprozessen unterwegs bist, wo siehst du da immer wieder dieses persönliche, biografiebasierte - Ist das wichtig in deiner Arbeit?

Stephan Freude:

Doch meine Person ist elementar, beziehungsweise meine Geschichte ist elementar, weil dadurch aufgezeigt werden kann, wie können wir damit umgehen? Dadurch aufgezeigt werden kann, wie können wir damit umgehen. Und letzten Endes ist es für mich natürlich auch ein Spüren was braucht die Menschengruppe oder der Mensch oder was für ein Team das auch immer ist, was brauchen sie genau? Aber meine Geschichte ist immer Part von meiner Arbeit, weil es natürlich das durfte ich selber auch lernen ich habe immer gedacht ja, das ist doch egal, warum ich im Rollstuhl sitze, meine Geschichte ist doch egal. Und nein, sie ist eben nicht egal. Es ist wichtig für die Menschen zu verstehen, warum ich im Rollstuhl sitze. Wie bin ich damals damit umgegangen? Es ist für viele Menschen unvorstellbar ein junger Mann mit 22, der im Saft seines Lebens steht es gibt diese Formulierung ans Bett gefesselt. Ich finde das fast schon schlimm, aber um sich das vorzustellen, und wie ist er damals damit umgegangen?

Stephan Freude:

Und diese Szene nutze ich, um Menschen aufzuzeigen, dass wir - wir haben immer Veränderungsprozesse. Wir wären heute nicht hier, so wie wir hier sind, wenn wir keine Veränderungsprozesse gehabt hätten, also in der Erdevolution, so wie wir hier sind, wenn wir keine Veränderungsprozesse gehabt hätten, also in der Erdevolution, in der Menschenrevolution. Wir haben diese Veränderungsprozesse immer, und heute sind sie einfach schneller geworden, sie sind intensiver geworden, aber wir haben sie immer, und wir haben letzten Endes zwei Möglichkeiten Entweder wir gehen mit oder wir sträuben uns dagegen. Aber das Problem ist, wenn wir uns dagegen sträuben, dann verpassen wir wie den Zug, der eigentlich fährt. Und somit ist es eigentlich nur die Frage wie können wir bei diesem Veränderungsprozess mit dabei sein? Und das ist das, was ich in Firmen sehe dass viele Mitarbeitende ich sage jetzt mal bewusst Angst haben vor Veränderungsprozessen. Und dadurch, dass ich sie viele auch begleitet habe, weiß ich, wie wichtig es ist und das ist der Schlüssel bei Veränderungsprozessen dass wir miteinander kommunizieren.

Stephan Freude:

Kommunikation ist der Schlüssel. Wir müssen die Menschen mitnehmen, wenn wir Veränderungen betreiben, wenn sie von aussen kommen, wenn sie von innen kommen. Wir müssen miteinander uns austauschen, dass die Mitarbeitenden zum Beispiel, wenn wir das jetzt konkret machen in einem Unternehmen wir dürfen sie mitnehmen. Warum machen wir das? welche Schritte gehen wir? warum gehen wir welche Schritte? und wenn die Menschen verstehen, warum wir etwas wie tun, aus der Führungsetage jetzt zum Beispiel, dann können sie das viel mehr greifen und verlieren ihre Angst, weil sie nicht wissen, was passiert mit ihnen, haben sie einen sicheren Arbeitsplatz. Was heißt das finanziell für sie? Also, das heisst, das Mitnehmen des Gegenübers, des Mitarbeiter ist so wichtig, und das ist aus meiner Perspektive der Schlüssel in Veränderungsprozessen den Mensch mitzunehmen.

Maximilian Grieger:

Du bist Speaker, Berater und Dozent für Themen wie Resilienz, Change und Diversity. Verliert das Thema Diversity aktuell nicht an Bedeutung, auch aufgrund der politischen Gegebenheiten weltweit?

Stephan Freude:

Jein, ich möchte antworten, mit jetzt erst recht. Also, es ist eine absolute Herausforderung in den heutigen Zeiten. Wie gehen wir mit dem Thema um? Also, es ist eine absolute Herausforderung in den heutigen Zeiten. Wie gehen wir mit dem Thema um? Wie lange machen wir an diesem Thema rum, dass wir für eine Gleichstellung gehen, dass wir für das Thema Diversity gehen? Und ich glaube, das darf sich jeder selber für sich überlegen. Verändern wir jetzt unsere Direktive, verändern wir jetzt unser Denken über das Thema Diversity und vielleicht nochmal dieses Thema Diversity von einer ganz anderen Seite zu beleuchten. Und zwar, wenn ich sage, wir sind doch alle diverse, weil wir haben den Eindruck, ja, diversity ist nur jemand, der eine andere Hautfarbe hat, oder der irgendwie im Rollstuhl sitzt, oder der eine andere sexuelle Geschlechtsorientierung hat oder was auch immer. Wenn wir das runterbrechen, stellen wir fest, wir Menschen sind alle diverse. In welchem Land wohne ich, etc.

Stephan Freude:

Und ich glaube, wenn wir das anfangen zu begreifen, merken wir, wir sind alle Menschen, wir gehören zu einer Menschheitsfamilie, und in unserem tiefen Inneren haben wir alle, alle die gleichen Bedürfnisse. Das ist Liebe, das ist Frieden. Wir wollen eigentlich wollen wir alle in Frieden leben. 99,9 Prozent der Menschen wollen alle Frieden haben. Es gibt dann so ein paar komische Sachen, die da dann irgendwie leider ausschauen. Das, was wir brauchen, ist, den Weg zu finden. Wie gehen wir da damit um, und wie können wir miteinander leben, wenn wir auch andere Lebensgrundsätze haben oder andere Gedanken haben? Das einzige Thema ist für mich irgendwie, dass, wenn wir mit Respekt miteinander umgehen, dann ist es völlig egal, wie jemand anders unterwegs ist, aber wir finden zusammen einen Weg und wir können in Frieden, in Liebe miteinander leben, egal wie unterschiedlich wir sind.

Maximilian Grieger:

Das heißt, Diversity ist nicht tot.

Stephan Freude:

Diversity ist nicht tot. Es ist ja in der Evolution. In der Entwicklung ist es oft so, dass wir zwei Schritte vorgehen und dann mal einen Schritt zurückgehen müssen, um dann wieder durchzustarten. Ich versuche das gerade so zu sehen, dass jetzt einfach mal ein Fragezeichen gesetzt worden ist, wir einen Schritt zurückgehen, und dann schauen wir doch mal, wie wir da wieder neu und cool mit neuer Energy durchstarten können.

Roger Furrer:

In vielen Organisationen wird Diversität gerne als Programm oder Checkliste verstanden. Aus deiner Sicht der Dinge, welche Haltung braucht es aktuell, um Diversität nicht als Pflicht, sondern als Chance zu begreifen?

Stephan Freude:

Ich würde das Haltung nennen. Und zwar möchte ich wegkommen von, was die politische Lage sagt, wie viel prozentualen Anteil man zum Beispiel von Menschen mit einer körperlichen Beeinträchtigung oder geistigen Beeinträchtigung im Unternehmen beschäftigen soll, hin zu aus Unternehmenssicht und ich durfte ja viele Jahre auch als Führungskraftmenschen einstellen, und ich meine, aus Unternehmenssicht ist es wichtig, dass ich gute Mitarbeitende habe in meinem Unternehmen, Und dann ist es aus meiner Perspektive egal, ob das Mann ist, ob das Frau ist, welche Hautfarbe das ist oder was diese Menschen mitbringen. Ich brauche die richtigen Personen an der richtigen Stelle. Das ist meine Verantwortung als Unternehmen, als Führungskraft für die Menschen, die ich einstelle. Ich habe oft gesagt, ich will nicht, dass die mich einstellen, weil ich Rollstuhlfarbe bin, sondern weil ich gut bin. Und das ist für mich eine Art Haltung, dass ich nicht nach außen sagen kann, wir sind so toll, weil wir haben die Quote erfüllt, sondern dass wir die richtigen Menschen einstellen, die wir brauchen, und dass wir realisieren, dass auch Menschen, die anders sind, so wichtig sind, weil sie bringen.

Stephan Freude:

Mit ihrer Andersartigkeit bringen sie ein neues Gedankengut, eine neue Handlungsweise in ein Unternehmen, wo wir vor allem heutzutage, wo wir so viele Krisen zu bewältigen haben, einen riesen Mehrwert sind. Weil wenn wir immer nur die gleichen Menschen in unseren Abteilungen haben, dann ist es schwierig, auf neue Gedanken zu kommen. Aber wenn wir so unterschiedlich unterwegs sind in unserem Unternehmen mit unterschiedlichen Menschen, kommen wir viel schneller auf neue Ideen, auf neue Lösungen, Und darum ist für mich Diversity einfach nur eine Haltung neue Lösungen, Und darum ist für mich Diversity einfach nur eine Haltung.

Maximilian Grieger:

Wir hatten es eingangs schon erwähnt du bist Dozent, unter anderem für Bildungseinrichtungen und das Gesundheitswesen. Was sind die größten Aha-Erlebnisse für dein Publikum, wenn es darum geht, den Alltag von Menschen mit Handicap wirklich zu verstehen?

Stephan Freude:

Vor allem ist es für die Studierenden, die ja oft sehr aus der Theorie kommen und Theorie doziert bekommen, elementar, mal zu sehen okay, wie geht denn ein Mensch, der betroffen ist, mit seinem Leben um? Weil das können wir uns ja oft nicht vorstellen, was völlig normal ist, das ist ja eine grosse Herausforderung. aber dann zu sehen okay, dass eigentlich das Entscheidende ist will ich oder will ich nicht? und da komme ich dann ganz oft völlig weg von dem Leben im Rollstuhl als Querschnittgelähmter, weil diese Entscheidung will ich oder will ich nicht, die treffen wir alle im Leben in ganz vielen Situationen. Und ja, natürlich ist es aus meiner Perspektive als Rollstuhlfahrer vielleicht ein bisschen intensiver in meinem Leben, weil ich ein paar mehr Herausforderungen habe aufgrund dessen, dass ich im Rollstuhl sitze. Aber letzten Endes ist es wirklich so dieses wie gehe ich denn in meinem Leben um?

Stephan Freude:

Ich habe in meinem Rollstuhlleben natürlich gewisse Herausforderungen, die ein Fussgänger nicht hat oder auch nicht sieht, und die gilt es natürlich schon auch aufzuzeigen oder den Umgang damit zu lehren, oder wie kann man damit umgehen. Aber das Grösste ist eigentlich letzten Endes das Mindset. Also, wie gehe ich mit einer Situation um? Und ich mache dann oft bei den Studierenden Beispiele, dass es ja letzten Endes egal ist, ob ich eine Nahrungsunverträglichkeit habe oder ob ich im Rollstuhl sitze, wenn ich das Ziel habe, ich möchte heute Abend in das Restaurant gehen, und was macht der mit seiner Nahrungsunverträglichkeit? Er muss mit der Bedienung, mit dem Koch sprechen, dass er was feines auf dem Teller hat - was ihm bekommt, was ihm schmeckt und mit der Kommunikation funktioniert es dann im Normalfall, im Endergebnis. Also für mich ist ganz viel was ich in meinen Vorlesungen habe, das Mindest - wie gehe ich mit Situationen um und dafür muss ich nicht im Rollstuhl sitzen, sondern einfach ein gewisses Mindset haben. und das ist ein großer Punkt, den ich selber entdecken durfte in meiner Zeit als Dozent, mich selbst auch zu reflektieren, um dann zum Beispiel zu solchen Erkenntnissen zu kommen, was ich letzten Endes dann natürlich den Studenten mitgebe und ihnen aufzeige, wie ein Leben mit Rollstuhl auch aussehen kann.

Maximilian Grieger:

Ich habe in Gesprächen mit dir herausgefunden, dass du bedingt durch deine Berufung, die du neu finden musstest, nach diesem Unfall dass du relativ zügig und unternehmen siehst, welcher Mitarbeiter passt auf den Job und welcher nicht. Ich habe persönlich in einigen Unternehmen gearbeitet, in denen 20 Jahre zum Beispiel eine Person auf dem richtigen Job sass, aber nicht mehr das Unternehmen eine neue Zeit transportieren konnte. Wie gehst du in deiner Arbeit als Berater mit diesen Change-Blockern so sage ich das jetzt mal um?

Stephan Freude:

Frage, die einem sehr oft begegnet, und ich mag den Spiess gerne rumdrehen, und zwar mag ich gerne, wenn ich in Unternehmen das erlebe. ich konzentriere mich auf die Menschen, die wollen, und nicht auf die, die nicht wollen, weil die, die nicht wollen, sind die gibt es definitiv, klar aber das ist meistens ein verschwindend geringer Anteil, und ich brauche sehr viel Energie, um mit diesen Menschen zu arbeiten oder da auch zu gucken. okay, was ist denn die Ursache dahinter? Meistens sind es menschliche Themen oder was bringen die überhaupt mit? Aber mich zu fokussieren auf die Leute, die wollen, bringt den viel grösseren Effekt mit. Und oft ist es dann so, dass durch die positive Masse dann auch Menschen mitgezogen werden, die vorher irgendwie so nicht so unbedingt da dafür waren. Und so, wie ich das vorher auch schon gesagt habe, was ganz entscheidend ist, dass ich mit den Menschen kommuniziere.

Stephan Freude:

Also gerade wenn wir jetzt in einem Change sind, wenn wir in Massnahmen sind, dass wir wir müssen die Mitarbeitenden abholen und sie und mit ihnen sprechen, und je mehr wir mit ihnen sprechen und Situationen mit ihnen analysieren, und warum treffen wir welche Entscheidungen, desto mehr sind die Leute auf meiner Seite, weil sie verstehen, warum wir was machen. Und nur wenn ein Mensch etwas nicht versteht, wird er vielleicht bockig oder zieht sich zurück oder ist dagegen oder sowas. Also, den Mensch als Mensch behandeln, ist der größte Punkt da dabei. Und ich meine letzten Endes ganz ehrlich, es ist doch das, was wir alle wollen. Wir wollen gesehen werden, wir wollen gewertschätzt werden, und wenn wir solche Sachen anfangen zu berücksichtigen, dann bekommen wir eine neue Dynamik. Also für mich ist es natürlich immer von dem her einfach, weil ich von außen komme.

Stephan Freude:

Ich bin nicht der Vorgesetzte, den Sie jeden Tag sehen und der Ihnen auch die doofen Aufgaben gibt oder der vielleicht mal Kritik äussert oder so. Das heisst, da ist es für mich natürlich ein bisschen einfacher. und dann auch so ein bisschen mit der Story, die ich natürlich mitbringe, die ich in meinem Leben habe, habe ich eine besondere Rolle oder habe ich oft eine besondere Rolle bei den Menschen. aber für mich ist es, auf der einen Seite diesen Mensch abzuholen und mich dann auch zu fokussieren auf den positiven Drive, den ich in einer Gruppe, in einem Team auch spüre, und damit zu gehen.

Stephan Freude:

Und ja, vielleicht ist es dann mal notwendig, dass ich mit Leuten, die irgendwie nicht ganz so dafür sind oder mit dabei laufen, auch mal eine Tasse Kaffee trinke und gucke, so okay, wo druckt denn der Schuh wirklich? Und oft sind es dann manchmal Sachen, die man irgendwie anstoßen kann, und manchmal sind es natürlich auch Sachen, wo ich merke okay, das ist nicht mein Part, da bin ich nicht für zuständig, aber das gilt es dann letzten Endes für mich natürlich schon auch rauszufiltern. Aber für mich ist immer der Fokus auf die Menschen, die mit dabei sind, die mitziehen, die positive Energie tragen, weil das ist das, wo der grösste Mehrwert eigentlich letzten Endes drinsteckt, denkst du, du hast einen anderen Zugang zu Menschen, weil du im Rollstuhl sitzt, kommst du schneller an den Kern von jemandem.

Stephan Freude:

Ich profitiere es manchmal. Also ich mag gerne ein Beispiel machen, das ist, glaube ich, so sehr einleuchtend Ich war mal bei einem Unternehmen, und die hatten ihr Sitzungszimmer im ersten Stock und hatten keinen Lift. Für mich ist das immer ich bin da sehr pragmatisch mein Rollstuhl hat vier Ecken, also vier Männer an, und dann müssen wir mich hochtragen. Gerade in dem Fall war das dann so, dass wir als Beispiel dadurch, dass mich vier Menschen hochtragen mussten, hatten wir eine. Das hört sich jetzt vielleicht ein bisschen speziell an, aber wir hatten eine körperliche Nähe, und durch diese körperliche Nähe hatten wir wie eine Verbundenheit.

Maximilian Grieger:

Und dadurch hast du die geknackt.

Stephan Freude:

Exakt, und diese Verbundenheit wäre nie entstanden, wenn die zum Beispiel einen Aufzug hätten oder wenn ich Fussgänger gewesen wäre. Das heisst, da entsteht etwas, wo eine Menschlichkeit stattfindet, die vorher nie passiert wäre, und dann ist es natürlich mal ein Naturell, dass ich immer noch gerne ein bisschen den Humor reinbringe, und wenn wir dann alle darüber lachen können, dann ist das auch gerade noch mal die nächste Stufe.

Maximilian Grieger:

Der nächste ...

Stephan Freude:

... so einen Eisbrecher da zu nehmen, um dann praktisch dann aus diesem Handicap, was ich habe, aber das praktisch zu nutzen. Und wo die Leute merken, der tickt, glaube ich, ganz normal, und er kann auch lachen, und er kann Humor haben, und das ist, glaube ich, eine Stärke von mir, die mir da sicherlich auch hilft.

Maximilian Grieger:

Lieber, Stephan, wir bedanken uns für das Gespräch.

Stephan Freude:

Ja, ich danke euch vor allem für die spannenden Fragen. Also habt ihr mich auch schön herausgefordert und rausgekitzelt. Aber genau darum geht es ja, dass wir schauen okay, wo können wir einen Mehrwert bieten, Wo können wir das Gute verbessern, wo können wir Menschen unterstützen, wo können wir Unternehmen Wege und Möglichkeiten und Lösungen aufzeigen, dass wir auch wieder mehr Freude im Arbeiten haben, aber dass die Menschen wieder gerne zur Arbeit kommen, dass sie ein Warum haben, dass sie wissen, warum haben wir jetzt einen Veränderungsprozess? warum machen wir das? dass Menschen resilienter werden, dass Führungskräfte bestärkt werden. Und da liebe ich einfach meine Arbeit, und von dem her danke für eure tollen Fragen, da dafür.

Maximilian Grieger:

Sehr gern, Wenn ihr mehr über Stephan Freude und seine Arbeit als Unternehmensberater, Dozent und Speaker erfahren möchtet. Schaut gerne auf seiner Homepage vorbei, wwwstephanfreude. com. Stephan mit ph oder folgt ihm auf Social Media wie LinkedIn, Instagram oder Facebook. Vielen Dank.

Roger Furrer:

Tschüss Stephan.

Maximilian Grieger:

Merci vielmol.