Studio-Lookout-Salon: Der Podcast für Architektur, Design, Kunst und Soziokultur
Der Studio-Lookout-Salon ist ein interdisziplinärer Podcast aus der Schweiz, der inspirierende Gespräche mit Persönlichkeiten aus Architektur, Design, Kunst und soziokulturellem Wandel in den Mittelpunkt stellt. Jede Episode beleuchtet, wie kreative Köpfe ihre Haltung, Arbeitsweise und Wirkung in einer dynamischen Welt sichtbar machen.
Die Gespräche finden überwiegend im Studio Lookout Haus im Baselbieter Tafeljura statt – einem Ort, der durch seine offene Atmosphäre und den Blick in die Weite, Raum für respektvollen Austausch schafft. Die Hosts Maximilian Grieger und Roger Furrer empfangen hier Vordenker:innen, Künstler:innen, Architekt:innen und Unternehmer:innen, um Themen zu beleuchten, die unsere Gesellschaft nachhaltig prägen.
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Studio Lookout Salon: A Podcast Exploring Architecture, Design, Art & Sociocultural Perspectives
The Studio Lookout Salon is an interdisciplinary podcast from Switzerland featuring inspiring conversations with leading voices from the fields of architecture, design, art, and social transformation. Each episode explores how creative minds shape and communicate their values, practices, and impact in an ever-evolving world.
The conversations mostly take place at the Studio Lookout House, located in the Baselbieter Tafeljura – a space known for its open atmosphere and far-reaching views that invite meaningful dialogue. Hosted by Maximilian Grieger and Roger Furrer, the podcast brings together thought leaders, artists, architects, and entrepreneurs to explore topics that are shaping society in profound and lasting ways.
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Studio-Lookout-Salon: Der Podcast für Architektur, Design, Kunst und Soziokultur
Die Welt ist nicht genug – Anne-Rachel Schiffmann von Snøhetta Architekten über spürbare Räume
In dieser Episode des Studio Lookout Salon sprechen Maximilian Grieger und Roger Furrer mit Anne-Rachel Schiffmann, Director of Architecture bei Snøhetta New York. Anne-Rachel, in der Schweiz geboren und seit über 20 Jahren in New York tätig, arbeitet an Projekten, die weltweit Standards setzen – von nachhaltiger Retail-Architektur bis hin zu immersiven Landmarken wie Summit One Vanderbilt.
Wir sprechen darüber:
• wie Architektur Räume schafft, die man spürt
• warum Intuition, Licht, Rhythmus und Materialwahl über Funktion hinausgehen
• wie Snøhetta Kultur, Natur und Gemeinschaft in einem ganzheitlichen Designansatz verbindet
• weshalb verantwortungsvolle Gestaltung immer mit Kollaboration beginnt
• wie nachhaltiger Retail gelingt – modular, kreislauffähig, ohne Klebstoff, präzise demontierbar
• wie Anne-Rachel kulturelle Diversität in Teams stärkt und führt
• was der Erfolg von Summit One Vanderbilt über immersive Erlebnisse in einer post-COVID-Welt erzählt
• warum junge Architektinnen heute neue Rollen definieren können
• und welche Inspirationen Anne-Rachel ausserhalb der Architektur sucht – Kunst, Galerien, Literatur, Landschaften.
Diese Episode führt von Paris über New York bis zurück in die Schweiz – ein Gespräch über Haltung, Verantwortung, Intuition und Räume, die Menschen miteinander verbinden.
Mehr zu Snøhetta: snohetta.com
Mehr zu Studio Lookout: studiolookout.com
Grüezi mitenand und willkommen zum Studio Lookout Salon Podcast. Mein Name ist Roger Furrer.
Maximilian Grieger:Und mein Name ist Maximilian Grieger. Wir sind heute in Paris, im Hotel Grand Amour, einem Ort voller Geschichten, Begegnungen und Kontraste. Heute sprechen wir mit Anne-Rachel Schiffmann, Direktorin Innnenarchitektur von Snøhetta New York, über Räume die spürbar bleiben, über Verantwortung, Intuition and die Frage wie Architektur Beziehung stiften kann. Hallo Anne.
Anne-Rachel Schiffmann:Hallo Maximilian.
Roger Furrer:Salü Anne.
Anne-Rachel Schiffmann:Hallo Roger.
Maximilian Grieger:Willkommen zu unserer Folge: Die Welt ist nicht genug - Anne-Rachel Schiffmann von Snøhetta Architekten über spürbare Räume.
Roger Furrer:Anne, als gebürtige Schweizerin lebst du seit über 20 Jahren in New York. Hast du in der Schweiz und in Toronto studiert und bis seit 2011 bei Snøhetta heute als Director. Wie hat dein Weg dich zu Snøhetta geführt und was hält deine Faszination für Architektur bis heute lebendig?
Anne-Rachel Schiffmann:Ich habe vorher bei verschiedenen New Yorker Firmen gearbeitet, Diller Scofidio oder die Firma die das Dia Beacon gemacht hat, immer sehr designorientiert. Firmen mit einem tiefen konzeptuellen Background und das fasziniert mich schon, wie man Räume gestalten kann, um Begegnungen, eine Designphilosophie aufzubauen, die auf kollektiver Identität, Respekt und Natur und die transformative Kraft von Landschaften führt. Es war immer sehr spannend und Snøhetta ist eine transdiszipline Firma. Wir haben Architekten, wir haben Landschaftsarchitekten, wir haben Innenarchitekten, Produkte Designer, Graphic Designer, Branding Designer und zusammenzuarbeiten ist faszinierend. Also mehr als nur Designobjekte zu schaffen ist es spannend, Gefühle auszulösen.
Maximilian Grieger:Wenn du an die Anfänge zurückblickst deiner Arbeit, gab es ein Projekt das deine Haltung zur Architektur verändert hat oder dir gezeigt hat, worum es dir im Kern geht?
Anne-Rachel Schiffmann:Ich war, als ich klein war mit meinen Eltern im Elsass und wir haben die Kirche von Le Corbusier in Ronchamp besucht und ich fand es nicht... ich hatte noch keine Faszination für Architektur. Ich fand es auch nicht ein speziell spannendes Gebäude von aussen, das hat mich ein bisschen an ein Schlumpfhaus erinnert. Aber wenn du reingehst oder als ich reinging, als kleines Kind, der Boden ist leicht nach unten geneigt, die Stains, wenn die Sonne reinkommt und das Licht sich verändert, genau. Es war mehr als die Ästhetik, es war genau wieder das Gefühl, was es auslöst. Mehr als nur ästhetisch hat es mit Gefühlen zu tun.
Maximilian Grieger:Und diese Kirche von Le Corbusier hatte dich von Kindesbeinen an geprägt?
Anne-Rachel Schiffmann:Es ist etwas, dass, wenn wir alle im Studio ein bisschen zu sehr bloss technische Detail oder ästhetische Detail den Sinn suchen, dann denke ich immer "Hold on, es muss einen tieferen Sinn haben". Ich habe das Gefühl, also sicher auch ein bisschen damit zu tun, dass ich schon seit 30 Jahren mit Design oder Architektur oder Hochbau beschäftigt bin. Und es ist ähnlich wie wenn du ins Theater gehst und das erste Mal jemanden nackt auf der Bühne siehst. Das ist total faszinierend, vielleicht auch schockierend oder spannend, was auch immer - doch nach dem 10. oder 20. Mal findest du, okay, okay, okay. Ungleichmässig in der Architektur habe ich am Anfang meiner Practicing-Career... war es mir sehr wichtig, dass Design stimmt. Und jetzt habe ich oft bei Projekten von anderen Designer und uns natürlich auch das Gefühl, Sachen sind überdesigned. Ich frage mich manchmal, hat das damit zu tun, dass ich einfach so viel schon gesehen habe? Ich habe manchmal das Gefühl, dass die Architekten oder die Designer fast ein bisschen unsicher sind und dann überdesignen. Und die richtig guten Architekten oder Designer haben einen Restraint, die nehmen sich ein bisschen zurück. Und natürlich finde ich in Bezug auf Environment and Sustainability, dass man sehr deliberate sein soll, dass man sich Gedanken machen muss, wo Sachen herkommen, wie sie herkommen, wie sie abgebaut sind, wie sie am Bau verarbeitet werden und wie sie wieder in den Zyklus zurückgehen.
Maximilian Grieger:Snøhetta beschreibt sich als ein Studio, das Natur, Mensch und Kultur verbindet und Räume über Disziplinen, Sprache und Kulturen hinweg gestaltet. Wie lebt ihr diesen Anspruch konkret bei Snøhetta als interdisziplinäres Architekturstudio, gegründet in Oslo und benannt nach einem Berg in Norwegen, im Alltag in New York?
Anne-Rachel Schiffmann:Ja, und das Witzige ist, das ist ein Berg in Norwegen und es ist nicht der Höchste oder zweithöchste. Und wir sagen auch nicht, dass wir interdisziplinär sind, aber transdisciplinary practice. Das heisst, es ist ein bisschen so wie in einem Orchester, wenn der Dirigent den Musikern erlaubt, auf einem anderen Instrument ein Stück oder eine Passage zu spielen. Man hat einen ganz anderen Ansatz oder ein anderes Verständnis für die andere Haltung, für ein anderes Instrument und das versuchen wir auch, wenn wir im Studio sind. Also ich bin Architektin, ich leite das Innenarchitekturstudio, wir haben Landschaftsarchitekten, die manchmal an Architektur oder Innenarchitekturprojekten arbeiten. Ich habe meistens Architekten, die auf meinen Projekten arbeiten. Wir versuchen wirklich möglichst vielen eine Stimme zu geben, weil es einfach auch spannend ist. Aber es ist natürlich auch sehr wichtig, dass die Professionals, die etwas über Jahre gelernt haben, uns Amateure guiden können. Und Architekten wollen immer alles machen. Sie haben immer mehr das Gefühl, dass sie alles können. Sie sind die besten Landschaftsarchitekten, sie sind Graphic Designer, Produkte Designer, alles. Und das ist auch zum Teil der Spass an der Arbeit. Die Versuchung, dass wir das Gefühl haben, wir sind so Renaissance-Designer, die alles können, ist gut und toll und nicht schlecht. Aber man kann davon ausgehen, dass jemand etwas ganz intensiv und tief über die Jahre hinweg gelernt hat. Und das ist schon auch extrem wichtig und spannend auch.
Roger Furrer:Du hast aktuell mit dem Projekt 113 Spring Street in Soho in New York aufgezeigt, dass Architektur auch im kleinen Transformativ sein kann. Nicht immer durch Neubau, sondern durch Haltung im Bestand. Kannst du uns diesen Prozess erklären?
Anne-Rachel Schiffmann:Die Länge eines Mietvertrages für ein Retail Project, die sind so fünf Jahre, fünf, sieben, zehn Jahre, also relativ kurz. Und wenn es um Sustainability geht, ging man immer davon aus, dass Qualität zählt, dass etwas so lange wie möglich halten sollte. Und in der Schweiz hat das eine ganz wichtige Grundlage und ich habe das auch über Jahre immer wieder erzählt. Aber das funktioniert nicht, wenn man bloss eine kurze Lease Time hat. Und vor allem in Retail. Soho ist eine Luxusplattform für viele Retailer, die kommen rein, die wollen einen Splash machen und dann gehen sie wieder raus und dann kommen Designer rein, die pflastern alles voll mit neuen Materialien oder einem super coolen Design, aber nach fünf Jahren oder zehn Jahren wird alles rausgerissen und geht auf die Müllhalde. Und wir haben mit sehr guten Environmental Consultants zusammen gearbeitet. Die sind sehr innovativ. Wir von Snøhetta sind auch sehr fähig. Aber die Consultants, die machen das Tag aus und Tag ein und es ist extrem wichtig, dass man die besten Leute ins Projekt nimmt. Mit ihnen sind wir durch alle verschiedenen Bauteile gegangen und die haben uns extrem gute Hinweise gegeben und haben uns auch Möglichkeiten gegeben, wie das Konzept des Ladens, also das Programm von Retail selber, ephemerality, also Veränderung, longevity, wie das für Menschen, für Natur, aber auch für Sustainability und das Environment gelten kann. Und wir haben zum Beispiel keine Trennwände. Es ist ein Stoff, ein Stoff, der sich dehnen lässt und auf den man normalerweise Filme projektieren kann. Also das heisst nach fünf Jahren kann man ganz einfach, kommt der Hersteller zurück und nimmt das alles innerhalb von einer Stunde weg.
Roger Furrer:Was bedeutet für dich so einen Ort zu transformieren, ohne ihn zu dominieren?
Anne-Rachel Schiffmann:Wie gesagt, es ist wahrscheinlich eher zeitgemäss. Das Interessante ist auch das Team, das ganze Team, das Klientenführungsteams waren alles Frauen. Die Contractorin, die das geleitet hat, also die Projektleiterin von den Bauarbeiten, war auch eine Frau. Ich bin eine Frau. Also nicht um damit zu sagen, wir hatten auch die Männer, die natürlich mit uns gearbeitet haben, waren super Männer. Aber ich glaube es war weniger wichtig für die Designer, dass ihre Stimme, ihre Designstimme gehört wird und dass es mehr darum geht, das Potenzial oder das Konzept der Kunden diese Message durchzubringen, mehr subliminal. Also die Marke 113 Spring spiegelt die dynamische Energie des Ortes wieder. Es konsistent umgesetzt über digitale, gedruckte und physische Medien. Das Design vereint Vergänglichkeit und Flexibilität mit Möbeln für Zweitnutzung, halbtransparenten Textilien statt fester Wände und atmosphärischen Displays, die das räumliche Erlebnis intensivieren.
Maximilian Grieger:Gestern durften wir mit die die Eröffnung des Canada Goose Flagship Stores an der Champs Elyseee in Paris erleben. Kann Retail-Architektur überhaupt nachhaltig sein?
Anne-Rachel Schiffmann:Es sollte ja, ja auf jeden Fall. Also interessanterweise beim 113 Spring. Ich wollte unbedingt einen Betonboden, weil es dann poppt mal alles sehr gut. Sieht ein bisschen aus wie eine coole Galerie oder ein Museum. Und es hat relativ viel Überzeugungskraft von den Nachhaltigkeits-Consulting-Experten gebraucht, um mich zu überzeugen, dass es ein anderes Produkt gibt, das viel besser ist, wenn die Miete bloss fünf Jahre ist und zwar ist das ein Holzprodukt. Und nach fünf Jahren kann man die einzelnen Holzteile wieder rausnehmen, relativ einfach innerhalb von etwa zwei Stunden. Also kein Leim. Es wird nicht runtergenagelt. Es ist eine sehr interessante Installationsweise und wir haben 20 solche Beispiele. Ein anderes Beispiel ist zum Beispiel der Gebrauch von Aluminium. Aluminium braucht im ersten Gebrauch extrem viel Energie. Also wenn man an die Nachhaltigkeitspyramide schaut am Anfang, im ersten Gebrauch ist Aluminium extrem hoch, aber man kann es extrem oft recyceln. Und jedes Mal, wenn man es nach dem ersten Mal recycelt, braucht es relativ wenig Energie. Wir haben darauf geschaut, dass das Aluminium einen sehr hohen recycelt Anteil hat, also 25% - das war extrem schwierig zu finden. Es gibt jetzt in Europa gewisse Firmen, die schaffen sogar schon auch 40%. Wir haben wie gesagt wieder kein Leim gebraucht, aber alles ist mit mechanischen Fastener zusammengeschraubt. Also am Schluss kann man das auch wieder innerhalb von ein paar Stunden herausnehmen. Man kann alles abschrauben und die Schraubenverbindungen selber, die sind bei Canada Goose, sind blau. Also wir zelebrieren wirklich auch den Moment, dass es relativ einfach zusammengeschraubt ist.
Maximilian Grieger:Anne, du warst mit deinem Team verantwortlich für das Summit One Vanderbilt in New York. Einer immersiven Aussichtsplattform auf 430 Meter Höhe im One Vanderbilt Skyscraper in der Nähe der Grand Station in Manhattan. Das Summit hat mittlerweile über 2 Millionen Besucher im Jahr und ist einer der grössten Touristenattraktionen neben dem Empire State Building. Wie ist dieses Konzept entstanden?
Anne-Rachel Schiffmann:Du hast bessere Daten als ich, aber ja stimmt. Es ist für uns fast überraschenderweise sehr sehr erfolgreich. Es war eine Kollaboration mit dem Künstler, die digitalen Künstler Kenzo Digital, macht immersive Installationen, Fashion Shows, macht auch Hintergrund, also Stage Design, hat was für Beyoncé gemacht, etc. Also wir haben zusammen kollaboriert an dem. Und die reflektiven Flächen - Boden, Wand, Decke, reflektieren die Stadt multiple times, also mehrere Male. Und das ist schon witzig, weil jeden Schritt, den du machst, alles verändert sich und widerspiegelt auch den Himmel. Du siehst runter bis... also mehrere Stockwerke, runter rauf. Es ist eine interessante Sichtweise auf die Stadt. Die Plattform wurde etwa ein halbes Jahr nach dem Covid angefangen hat, wurde sie eröffnet. Es war eines der ersten Gebäude, das wieder öffentlich zugänglich war für das Public. Und für die Leute war das euphorisch. Plötzlich konnten sie wieder mit anderen Leuten zusammen in Public sein und es hat auch die Stadt selber zelebriert. Es ging um die Stadt, man sah extrem weit. Man hat auch die besten historischen Skyscraper bei der Chrysler Building und das Empire State Building und auch das UN Gebäude sieht man extrem gut von diesem Stammpunkt aus.
Maximilian Grieger:Roger und ich wir waren auch schon dort. Es ist im 93. Stock glaube ich.
Anne-Rachel Schiffmann:Jawohl genau.
Roger Furrer:Anne, du sprichst es an, bei so einem Projekt mitten in Manhattan stellt sich die Frage nach der Verantwortung. Wie balancierst du Snøhettas Vision, Funktion und euren Nachhaltigkeitsanspruch in einem kommerziellen Kontext
Anne-Rachel Schiffmann:Die besten Resultate sind natürlich immer mit Kunden, die etwas verändern wollen. Wir können vor allem, wenn es um Nachhaltigkeit geht, wir können aufzeigen, was wir in anderen Projekten gemacht hatten und wie das auch ohne grosse quasi Nachteile für die Kunden, also vielleicht längere Bauzeit oder höhere Kosten. Je motivierter die Kunden sind, umso einfacher ist es natürlich unsere Prioritäten einzufliessen zu lassen in einem Projekt. Ich muss sagen, jedes mal wenn ich gehe, ist schon spannend. Jedes Mal ist es ein bisschen anders. Wenn es schneit, wenn es regnet, wenn es windet, wenn es bedeckt ist, wenn es morgen ist, abends, sonnig, es verändert sich halt wie das Wetter - die Umgebung sich verändert.
Roger Furrer:Ich fand es eindrücklich. Wir waren an einem wunderschönen Sonnentag und ich war am Anfang ein bisschen kritisch und ich muss sagen, irgendwann steht man einfach dort und denkt sich, das kann nur New York. Das ist einfach dann halt das Fantastische an diesem Projekt. Es multipliziert diese Verrücktheit ins Endlose und vor allem wenn man in diesem Zwischenboden steht, wo du dann diese Löcher reingefräst hast auf den unteren Boden, wo sich dann wie alles ins endlose Tunnel reinstürzt, hat man wie das wunderbare Gefühl, man fliegt fast über New York in diesem Kaleidoskop und das hat mich dann wirklich fasziniert. Es ist ja auch eine immersive Sache, es gibt auch Sound dazu.
Anne-Rachel Schiffmann:Generell bin ich immer fasziniert, wenn man mit den Sinnen spielen kann. Also nicht nur der visuelle Sinn, sondern auch der akustische Sinn, Sound und natürlich Touch, Feeling, etwas schmecken. Das macht halt eine ganze Story viel tiefer und sinnlich und das war spannend für dieses Projekt. Es ist auch interessant, das Projekt, also die reflektiven Surfaces, sind auf zwei Stöcken, aber weiter oben, also der dritte Stock dann ist eine Berghütte, ein bisschen ein Berghütten-Feeling, so etwas, eine Antithese dazu ein bisschen, also das Gegenteil, ein Dualism, um das Ganze ein bisschen zu verankern. Eine Holz-Bench, die ein bisschen reminiscent ist zu unserem Rentier-Pavillon, den wir in den Dofrjeviell mountain in Norwegen gemacht haben und der Kunde wollte das unbedingt. Das war den Kunden sehr wichtig, die wollten etwas, das ganz robust ist. Hat auch ein Cheminee quasi. Also es ist, man kann auch im Winter heissen Tee, Glühwein, genau, heisse Schoggi trinken.
Maximilian Grieger:Mich hat es noch fasziniert, dass man nach aussen gehen kann. Es war mir zu Beginn nicht bewusst, wenn man das Summit betritt, wenn man davon ausgeht, dass es ein riesiger Glaskasten ist, dem ist es nicht so, man hat die Möglichkeit nach aussen zu treten und das finde ich super ähnlich wie beim Empire State Building, wenn du halt eben noch den Sound von der Stadt hörst, von New York, dass es einfach ein unglaubliches Gefühl draussen zu stehen und die Stadt tönen zu hören.
Anne-Rachel Schiffmann:Ja, ist witzig. Manchmal hört man sogar beim Bryant Park, manchmal spielen sie Fussball, dann hört man das.
Maximilian Grieger:Welche Herausforderungen hattest du beim Summit One Vanderbilt in New York mitten in Manhattan - technisch, städtebaulich, vielleicht auch sozial?
Anne-Rachel Schiffmann:Das Gebäude, das wurde von einer anderen Architekturfirma gebaut, also die mussten in der Parzelle ein Gebäude errichten und das Faszinierende ist natürlich, da stand schon was und das in New York, wenn du etwas Neues bauen musst, vor allem wenn es so dicht gebaut ist, das musst du implodieren, das ist natürlich... stell dir das mal vor. Wenn das falsch geht, dann hast du 20 Häuser in der Umgebung, die beschädigt sind. Ich finde das immer extrem spannend wie die das machen können, wie die diese kontrollierten Demolations machen können. Also das mussten sie zuerst machen. Was sie ganz gut gelöst haben, es ist ja wirklich gleich wie du gesagt hast beim Grand Central Terminal, bei der Grand Central Station und das war wie bei den meisten Bahnhöfen, da gibt es immer vielleicht die repräsentative Seite und dann die anderen Seiten sind immer sehr schmuddelig, das war genau das Gleiche und sie konnten aus einer städtebaulichen Sicht einen kleinen Platz machen und haben diese Seite extrem, also alle Seiten natürlich - sehr gut aufgeräumt und das ist, ich finde es ein sehr gutes Erlebnis jetzt aus dem Grand Central rauszukommen über den kleinen Platz zu gehen und ins One Vanderbilt reinzugehen.
Maximilian Grieger:Gab es einen Moment oder eine Entscheidung im Projekt auf die du besonders stolz bist, vielleicht eine Geste, die den Raum menschlich macht?
Anne-Rachel Schiffmann:Die WC's sind ziemlich spannend. Nein, ohne Witz. Die WC's haben die runden Mosaik, so ein oder zwei Zentimeter und das gibt auch wieder so einen menschlichen Touch. Es ist nicht typisch in New York oder in Amerika - denn die WC's, wenn sie nicht von europäischen Architekten gebaut sind, dann sind sie meistens extrem cool und aber nicht gut cool, sondern komisch cool. Und beim Summit hast du die beste Aussicht aufs Chrysler Building. Es ist entweder hellblau wie der Himmel am Morgen, dunkelblau wie der Himmel so um sechs Uhr am Abend im Oktober oder orange, wie beim Sonnenuntergang. Und das ist so eine ganz spezielle Sensation, wo du gehst da rein, hast eine super Aussicht und es macht alles ein bisschen speziell. Also es nimmt so ein bisschen den Scale runter. Es macht den human touch.
Maximilian Grieger:Welche Rolle spielt Intuition für dich und wie bringst du sie in Teams mit unterschiedlichen Kulturen ein für Architektonische oder Designaufgaben, die oft sehr technisch oder rational sind?
Anne-Rachel Schiffmann:Ich persönlich habe das Gefühl, ich war immer eher eine intuitive Designerin oder Gestalterin. Das Gefühl für einen Raum, für Geometrie, für Licht, für Dunkel, für hell, für Rhythmus. Ich fand das immer faszinierend. Aber natürlich, wenn man in der Schweiz ausgebildet wird, dann ist natürlich das technische, das underlying principle. Und dann kann man ein bisschen kreativer oder intuitiver werden. Und diese Balance, diese Dualität ist natürlich sehr spannend. Und es ist auch zum Teil interessant, wenn ich junge Designer habe und die sind vielleicht noch nicht so, die haben die Balance, das Gleichgewicht noch nicht so ganz. Sie sind vielleicht technisch stärker und haben ein bisschen Mühe, sich ein bisschen poetisch auszudrücken und natürlich viceversa. Gewisse Designer haben die wahnsinnigsten, die fantasievollsten Entwürfe. Und wenn man sie dann fragt, wie wird es denn das bauen, dann ist so, oh, it's just a sketch. Es ist sehr spannend zu sehen, wie sich junge Designer entwickeln, wie sie lernen und wie gerade diejenigen, die diesen Prozess wirklich umarmen, zu wohlgerundeten, well-rounded Designer-Architekten heranwachsen. Es ist sehr spannend.
Roger Furrer:Wer oder was inspiriert dich ausserhalb der Architektur - Kunst, Musik, Natur, Literatur?
Anne-Rachel Schiffmann:Ich finde Galerien schon auch immer spannend. Macht auch Sinn, weil es natürlich auch mit Raum zu tun hat. Wie haben die Architekten den Raum gestaltet? Haben sie einen Raum gemacht, der auch ohne etwas drinnen gut funktioniert? Oder ist das ein Raum, der fast der Kunst ein bisschen den Atem weg nimmt, also zu viel Platz nimmt, zu dominant ist. Und dann natürlich Kunst, finde ich spannend. Ich finde es auch spannend, wie Museen oder Gallerien die Kunst präsentieren, der kuratorische Aspekt und auch die Beschreibung von der Kunst. Weil die meisten Sachen verstehe ich schon gar nicht. Aber ich finde es extrem interessant, wenn das Museum, ein Museum, eine Gallerie, dich quasi reinlässt und etwas beschreibt. Also ich appreciate das. Ich weiss, viele Leute finden das zum Teil nicht so toll. Die träumen ein bisschen, die träumen lieber ein bisschen. Ich bin dazu ungeduldig zum Teil und ich habe es gerne, wenn man mir das ein bisschen erklärt. Und ich sehe dann etwas ganz anderes. Also ich merke dann, wie wenig ich eigentlich weiss. Und ich finde es spannend, wenn jemand sagt, nee, nee, das musst du eigentlich so anschauen. Ich finde es schon spannend. Ja.
Maximilian Grieger:Welchen Rat würdest du jungen Architektinnen geben, die Führungsverantwortung übernehmen möchten?
Anne-Rachel Schiffmann:Es kommt natürlich auch ein bisschen darauf an, ist das Modell Architekt:in am auslaufen? Jetzt gibt es natürlich auch die Möglichkeiten, den Beruf neu zu definieren. Früher mussten wir stundenlang Pläne zeigen. Ich habe Hochbauzeichnerin gelernt. Ich meine, es waren nur Pläne, Pläne, Pläne, Details. Um etwas zu dokumentieren, muss man so viel Dokumentation machen. In der Schweiz noch weniger als in der USA, weil in der Schweiz hat es extrem gut ausgebildetes Fachpersonal, die Maurer, die Schreiner etc., die wissen, was sie machen. Und das ist ein Riesenaufwand. Also der Design Teil ist vielleicht 10 Prozent. Dann noch etwa 30, 40 Prozent das Administrative und der Rest einfach zeichnen, zeichnen, zeichnen. Und das ist wahrscheinlich, finde ich, ein Modell, das ein bisschen am Auslaufen ist. Und da könnte eventuell AI eine spezielle Rolle übernehmen. Ich merke auch viele Frauen, wenn sie Familie haben wollen, dann gehen sie oft in Städteplanung oder sind Universitätsarchitektinnen so eine unkonventionellere Art von Architektur. Die Arbeitszeiten sind auch ein bisschen geregelter.
Roger Furrer:Viele Architekt:innen stehen heute zwischen Kreativität und Krise, Klimawandel, Ressourcenknappheit, soziale Ungleichheit. Welche Rolle siehst du für Architektur in unserer Zeit?
Anne-Rachel Schiffmann:Also ich kann aus der Sichtweise sprechen, dass ich in Amerika, in New York praktiziere. Und wo wir gesehen haben, dass die öffentlichen Projekte eine viel weniger robuste Infrastruktur haben. Also entweder technisch, baubedingt, oder kontextuell oder konzeptionell. Es wird viel weniger Geld investiert und wir haben relativ viele Bibliotheken gemacht. Unser erstes Projekt, wie die Firma auch entstanden wurde, vor 30 Jahren war der Wettbewerb für die Alexandria Bibliothek in Alexandria Ägypten. Und seither haben wir mehrere Bibliotheksgebäude gemacht und oft fragen uns die Leute - aber Bücher sind ja quasi, wer liest schon Bücher. Und witzigerweise in der USA haben Bibliotheken einen anderen Stellenwert oder eine andere Funktion. Und sie übernehmen fast ein bisschen die Infrastruktur von öffentlichen Gebäuden, Community Spaces. Es sind Orte, wo Leute den ganzen Tag theoretisch einfach an einem Stuhl sitzen können und lesen können. Es gibt nicht viele solche Orte und wenn du aus der Schweiz bist oder fast überall in Europa gibt es viel mehr, eine viel solide Infrastruktur für nicht-kommerzielle Orte. Und in der USA und Kanada in einem kleineren Ausmass ist das viel, viel seltener. Also zum Beispiel eine der letzten Bibliotheken, die wir eröffnet haben, die ist in einem Aussenquartier von New York. Wenn man mit dem Auto, mit dem Taxi oder mit der Subway Richtung JFK Flughafen fährt, da kommt man daran vorbei, das heisst Far Rockaway. Dieses Quartier bekommt viel zu wenig öffentliche Gelder. Das durchschnittliche Einkommen ist extrem viel tiefer als in Manhattan oder in den Bereichen von Brooklyn. Sehr frappant. Und wir hatten zum Glück die Möglichkeit, eine Bibliothek zu bauen durch ein öffentliches, ein städtisches Projekt, wo die Stadt Top-Architekten quasi im Rollodex hat und dann periodisch Projekte vergibt und die Architekten machen das für relativ wenig Geld. Und es ist super spannend für viele Architekten, zum Teil wir können gar nicht in New York bauen, weil nicht so viel gebaut wird. Und es ist sehr spannend für uns auch der Community in verschiedenen Arten zurückzugeben. Und die Bibliothek hat extrem Signalwirkung. Sie sieht auch ein bisschen aus wie ein Signal, sie ist orange. Ein sehr spannender Künstler hat eine Schrift auf der Fassade, sieht sehr spannend aus. Es leuchtet auch von innen nach aussen, also fast ein bisschen wie eine Laterne. Es ist ein Mittelpunkt der Community dort und die Community ist auch richtig stolz auf das Gebäude und so sind wir es.
Roger Furrer:Merci Anne, für dieses Gespräch und für deine Offenheit, die ich mit uns über deine persönlichen Ansichten und Erfahrungen zur aktuellen Architektur zu unterhalten.
Maximilian Grieger:Damit verabschieden wir uns aus dem Hotel Grand Amour in Paris mit einem Gefühl, dass die Welt manchmal nicht genug ist, wenn es um gute Architektur geht. Weitere Infos zu Snøhetta findet ihr unter snøhetta.com
Roger Furrer:Wir freuen uns, wenn ihr das nächste Mal wieder dabei seid.
Maximilian Grieger:Beim Studio Lookout Salon Podcast, dem Podcast für Architektur, Design, Kunst und Soziokultur. Vielen Dank, Anne.
Anne-Rachel Schiffmann:Merci vielmal.
Roger Furrer:Ciao Anne.
Anne-Rachel Schiffmann:Tschüss. Ciao.