Kapierfehler - Neurodivergenz und Schule

70 - "Steh auf!" Frauchen - Anci

Corina Elfe Season 2 Episode 20

Anci, eine beeindruckende Frau, teilt ihre bewegende Lebensgeschichte mit uns. Sie erzählt von einer Kindheit, die von Vernachlässigung und Alkoholproblemen in der Familie geprägt war, und den Herausforderungen, die sie in dieser schweren Zeit meistern musste. Wir sprechen darüber, wie wichtig emotionale Unterstützungssysteme sind und wie der Mangel daran in der Kindheit zu lebenslangen Belastungen führen kann. Anci zeigt eindrücklich auf, dass es Hoffnung gibt und teilt wertvolle Ressourcen für Betroffene, die sich in ähnlichen Situationen befinden.

Der Weg von einem monotonen Fließbandjob zur Ausbildung als Hörakustikerin ist ein weiterer faszinierender Teil der Episode. Wir beleuchten, wie ADHS unentdeckt ihr Leben beeinflusste und wie sie sich gegen die Belastungen eines frauenfeindlichen Arbeitsumfelds behaupten musste. Dieser Abschnitt verdeutlicht, wie wichtig es ist, eine berufliche Tätigkeit zu finden, die den eigenen Bedürfnissen entspricht, und bietet Einblicke in die persönliche und berufliche Entwicklung unserer Gesprächspartnerin.

Auch der Kampf gegen Mobbing in der Schule und die Suche nach einer gesunden Beziehung zu den eigenen Eltern werden thematisiert. Diese Episode bietet nicht nur einen tiefen Einblick in Ancis Herausforderungen und Erfolge, sondern auch in die notwendige Unterstützung für Jugendliche mit Alkoholproblemen. Wir teilen wertvolle Telefonnummern und Ressourcen, die Betroffenen helfen können, und hoffen, dass diese Episode Mut macht und inspiriert, den eigenen Weg zu finden und zu gehen.

Wichtige Telefonnummern:
Telefonseelsorge: 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222
Nummer gegen Kummer für Kinder und Jugendliche:
Mo-Sa 14 - 20:00 Uhr 116 111
Nummer gegen Kummer für besorgte Eltern:
Mo-Fr 9 - 17:00 Uhr (Di und Do sogar bis 19:00 Uhr) 0800 111 0 550

Hier findest du Hilfe bei Alkoholproblemen:
https://www.anonyme-alkoholiker.de/kontakt/
https://www.alk-info.com/kinder-und-jugendliche/797-aa4young-online-meeting-plattform-alkoholkranke-junge-menschen-klartext-auskotzen-selbsthilfe-ueberalterung-generationen

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Liebe Grüße,
deine Corina

Speaker 1:

Musik. So also, einen wunderschönen guten Morgen wünsche ich euch allen. Guten Morgen, frau Elfe. Hallo, es gibt wieder eine neue Folge von Kapierfehler Heute. Bevor ich es vergesse, spreche ich eine Trägerwarnung aus, und zwar werden wir heute über Alkoholmissbrauch sprechen, auch im Umgang mit Kindern. Also, es geht auch um Alkoholkonsum bei Kindern, und ja, insgesamt ist die Geschichte, die wir heute zu hören bekommen von Anki, nicht leicht zu schlucken. Also ganz ehrlich, achte bitte auf dich, wenn du diese Folge anhörst. Mir ist sie sehr wichtig. Wir besprechen heute ganz intensiv ganz wichtige Themen, und dennoch, oder vielleicht gerade aus diesem Grund, kommen da Themen zur Sprache, die einfach nicht leicht zu verdauen sind. Vielleicht hörst du dir das Ganze in Häppchen an, oder du schaust mal, ob du es überhaupt gut ertragen kannst. Anki hat mich schon mal getroffen, und zwar in persona, und damit hat sie vielen anderen etwas voraus, die mit mir gesprochen haben. Und zwar war ich doch in Lübeck am ende meiner sommerferien ja, ich weiß, baden württemberg ende sommerferien, da war schon überall fast aus einem bayern wieder schule, und ich habe dort fortbildungen gegeben. Und dann habe ich eines abends auf instagram dazu aufgerufen, dass man doch, wenn man lust hat, mit mir essen gehen kann. Wir werden das auch gleich noch mal erzählen, aber da haben wir uns getroffen, und da haben wir uns ausgetauscht. Und ich habe noch zu ihr gesagt ich würde, glaube ich, deine Geschichte einfach gerne im Podcast erzählen lassen, weil das, was wir da an dem Abend besprochen haben, so schlimm vielleicht das eine oder andere war, es war auch sehr viel lustig in Anführungsstrichen, also Dinge, über die man vielleicht im Nachhinein lachen kann. Ich muss ehrlich gestehen, was dann passiert ist während der Aufnahme, da hat Anki nämlich noch mal weiter aufgemacht und hat noch mal intensiver erzählt, das hat mich selbst sehr getroffen, das hat mich sehr getroffen gemacht, damit ihr ungefähr eine Vorstellung davon habt, was da jetzt passiert. Also wir sprechen jetzt als allererstes ungefähr die Hälfte der Folge über ihren Werdegang, ihren beruflichen Werdegang, über das, was sie jetzt heute macht, und dann rutschen wir zurück in ihre Kindheit, in ihre Jugend, und ab da wird es dann tatsächlich vielleicht ein bisschen schwieriger anzuhören für die eine oder andere Person, also gerade wenn es um das Thema Alkohol geht oder auch Vernachlässigung durch die Eltern, und also so die erste Folge, bis ich eben frage in die Kindheit, in die eigene Schul, da rein, wie wenig Aufmerksamkeit dieses junge Mädchen bekommen hat, obwohl sie sich tatsächlich Unterstützung gesucht hatte.

Speaker 1:

Ich möchte ganz gerne, dass ihr an dieser Stelle wisst, wenn ihr Unterstützung braucht. Es gibt Unterstützung. Ich werde am Ende der Folge unterschiedliche Unterstützungssysteme einsprechen, und ich möchte euch darum bitten, auch in der Folgenbeschreibung zu schauen. Auch dort habe ich einige Nummern angebracht, auch für junge Menschen, die Unterstützung suchen, die sie eben nicht bekommen in ihrem Umfeld. Das ist noch nicht alles. Es gibt auch andere Unterstützungssysteme, und jetzt blubber ich nicht mehr weiter. Ich möchte ganz gerne die Folge einfach laufen lassen. Ich wünsche euch ganz, ganz, ganz viel Spaß beim Zuhören, und auch hier wieder freue ich mich, wenn ihr den Podcast bewertet und wenn ihr ein Feedback da lasst, damit wir einfach mal hören, wie das so bei euch ankommt. Ganz liebe Grüße. Heute gibt es ein Wiedersehen, aber kein Wiedersehen für alle, sondern für uns beide, die wir hier miteinander sprechen. Anki ist mir zugeschaltet. Hallo, anki.

Speaker 1:

Hallo Corinna, wir zwei, wir hatten ein Date, ein Blind Date in Lübeck, und zwar… Und das war wunderschön. Ich hatte ja, als ich in Lübeck unterwegs war, beziehungsweise oben im Norden, habe ich gesagt ey, wer ist denn da, wer hat Lust? ich reserviere einen Tisch im Restaurant, und dann haben so peu à peu die Leute wieder abgesagt, und dann blieben nur noch wir zwei übrig, und das war sehr, sehr schön. Wir haben uns ganz viel unterhalten über deinen Werdegang und all die Themen, die da so mit dranhängen, und dann haben wir beschlossen, wir machen eine gemeinsame Podcast-Folge.

Speaker 2:

Ja, es war auf jeden Fall ein sehr interessanter, schöner Abend.

Speaker 1:

Ja, das stimmt. Es ist schon immer cool, dass man irgendwie doch, obwohl wir uns jetzt überhaupt nicht gekannt haben, wir waren ja auch gar nicht im Austausch bisher auf Insta so über Nachrichten jetzt viel, und trotzdem konnten wir uns echt sehr lange sehr intensiv austauschen, voll schön.

Speaker 2:

Ja, es war direkt irgendwie die Stimmung hat gepasst.

Speaker 1:

Ich weiß ja jetzt schon einiges über dich und deinen Werdegang, Ich weiß auch, was du machst. Aber ich wüsste ganz gerne oder ich fände es richtig cool, du würdest mal ganz kurz sagen, was denn so dein allererster Job war nach der Schule.

Speaker 2:

Mein allererster Job nach der Schule war ein Langzeitpraktikum für die Fachoberschule, und das Praktikum habe ich dann gemacht in einer Kfz-Werkstatt als Kfz-Mischatronikerin. Die Fachoberschule habe ich nach einem halben Jahr abgebrochen. Schattronikerin Die Fachoberschule habe ich nach einem halben Jahr abgebrochen, das Praktikum habe ich weitergemacht und bin dann vom Praktikum in den Betrieb auch in die Ausbildung zur Kfz-Schattronikerin gekommen.

Speaker 1:

Das war Zufall, und das war eins der Dinge, was du mir ganz am Ende erzählt hast, nach all den anderen Sachen, die ich schon über dich wusste. Und dann hast du mir das erzählt, und wir mussten beide so laut lachen, weil das so gar nicht zum Rest gepasst hat, so überhaupt nicht. Also du hast eine Ausbildung als Kfz-Mechatronikerin gemacht. Ja, Und hast dann da auch ein bisschen gearbeitet, eine Zeit lang. Ne.

Speaker 2:

Nee, nicht direkt. Also, ich habe die Ausbildung gemacht, habe dann meinen Gesellenbrief gemacht und wurde nicht übernommen. Ach ja richtig, da war, was Genau, und dann war ich ein bisschen in der Zeitarbeits-Rinne und habe Matratzen verpackt, habe dann über eine Zeitarbeitsfirma vier Wochen Reifen gewechselt, weil Reifenwechsel-Saison war, und bin dann in die Automobilindustrie ans Fließband. Aber das hat mit dem eigentlichen Beruf überhaupt nichts zu tun.

Speaker 1:

Nee, gar nicht. Weißt du noch warum, die dich nicht übernommen hatten, da in dem Betrieb.

Speaker 2:

Also es hieß auf der einen Seite hieß es, mein Abschluss wäre zu schlecht gewesen, und auf der anderen Seite war das im Jahr 2011,. Da war die Automobilwirtschaftskrise, und da wurden auch keine Leute mehr eingestellt, wobei von uns acht Auszubildenden nur ich nicht übernommen wurde. Das war ein sehr fader Beigeschmack. Ich vermute, eher aufgrund meines Geschlechts wurde ich nicht übernommen.

Speaker 1:

Ja, wollte gerade fragen.

Speaker 2:

Aber das sind nur Mutmaßungen.

Speaker 1:

Ich wollte gerade fragen, wie die anderen sieben, also was das für andere sieben Personen gewesen sind, die mit dir den Abschluss gemacht haben. Waren das dann alles männliche Mechatroniker? dann? Und du wurdest als einziges nicht übernommen, weil dein Abschluss nicht gut genug war Okay, ja, na schade. Und du wurdest als einziges nicht übernommen, weil dein Abschluss nicht gut genug war Okay, ja, ja, na schade. Oder vielleicht auch nicht, keine Ahnung, weil es hat dich ja dazu gebracht, dann doch noch was anderes zu machen.

Speaker 2:

Ja, genau. Also, es ist auf der einen Seite schade ja, weil ich das Technische total geliebt habe, und auch körperlich zu arbeiten und mich dreckig zu machen, aber auf der anderen Seite bin ich mit dem Beruf, den ich jetzt ausübe, auch sehr glücklich, tatsächlich.

Speaker 1:

Kam das denn dann eigentlich gleich direkt danach, also direkt nach deinem, dass du dann noch eine Zeit lang am Fließband gearbeitet hast und so dass du gesagt hast okay, jetzt mache ich nochmal eine andere Ausbildung?

Speaker 2:

Nee, ich war sechs Jahre dann am Fließband und im Schichtdienst und auch die einzige weiblich gelesene Person in meinem Team Habe dann Probleme mit meinem Vorarbeiter bekommen, und dann hat die Psyche irgendwann das nicht mehr mitgemacht. Und dann bin ich zur Agentur für Arbeit und habe mich informiert, was für Möglichkeiten bestehen, und bin dann über die Reha-Abteilung der Agentur für Arbeit in die Umschulung gekommen Und habe mich da dann so ein bisschen umgehört und bin dann in der Hörakustik gelandet, was für mich vorher nicht existiert hat. Also ich wusste nicht, was das ist, und dass es das gibt, nicht existiert hat.

Speaker 1:

Also ich wusste nicht, was das ist, und dass es das gibt. Ja, ja, das ist. Wer kommt denn schon auf die Idee, aus der Schule rauszugehen? Also, außer man hat jetzt direkt einen Kontakt dazu, weil in der Familie irgendjemand was gebraucht hat, oder auch vielleicht da jemand arbeitet in einem Betrieb, den du kennst, da kommst du ja nicht auf die Idee, dass es so was gibt wie Hörakustik. Genau. Also war für dich was total Unbekanntes, aber du hattest ja irgendwie erzählt, du hattest da so eine Liste von Sachen, die du da jetzt irgendwie machen kannst, oder Und dann hast du das gesehen und hast gedacht oh, klingt interessant, mach ich.

Speaker 1:

Ja, genau so war das.

Speaker 2:

Also, ich bin da genauso reingestolpert wie in die Kfz-Ausbildung.

Speaker 1:

Ja, adhs halt ne.

Speaker 2:

Das weiß ich jetzt.

Speaker 1:

Wir sprechen gleich darüber, was das alles noch mit sich gebracht hat, dass du jetzt, da diese Ausbildung zur Hörakustikerin ausübst oder machst, diese Phase der Schichterei in diesem Fließbandbetrieb. du sagtest, das hat deine Psyche nicht mehr mitgemacht. Ja, Heute weißt du, dass du ADHSlerin bist, damals wusstest du es noch nicht. Kannst du uns mal kurz mitnehmen in deine, in diese damalige Zeit? Wie war denn da so dein Alltag, worin lagen deine Schwierigkeiten oder was daran war auch cool.

Speaker 2:

Wie war das so? Also, mein Alltag war ich hatte Schichtwechsel, also Früh-, spät und Nachtschicht in meinem Wochenwechsel, und die Arbeit ist halt monoton. Man macht in acht Stunden circa 670 Mal die gleichen Handgriffe, und mein Leben war bestimmt aus Arbeiten, schlafen und Arbeiten und ja keine Freizeit mehr. Und ich war nur noch erschöpft und habe mich immer irgendwie fehl am Platz gefühlt, und mir war permanent langweilig, und ich habe nach drei Wochen in dem Betrieb schon das.

Speaker 2:

Gefühl gehabt, ich hätte mein Leben lang nichts anderes getan. Gefühl gehabt, ich hätte mein Leben lang nichts anderes getan.

Speaker 1:

Ich sag's dir, ich habe einmal als Nebenjob als auch das Geile. Was denn alles so für Jobs gemacht wurde, glaube ich in einer Biografie einer ADHSlerin.

Speaker 1:

Ich habe ja mal in einer Mangel gearbeitet, und da bestand mein Alltag auch daraus. Das ist sehr fließbandähnlich. Hast du dann diese riesen Container mit frisch gewaschenem Bettlaken oder Tischdecken. Tischdecken waren ganz schlimm, weil bei Tischdecken musste man aufpassen, dass die nachher gut aussehen, dass die Ränder gerade sind und dass es so keine Zipfel gibt oben und unten und so. Also das in die Mangel so einspannen und dann so durchlaufen lassen. Da musstest du dich dann voll konzentrieren, und ich konnte das nicht. Ich konnte das einfach nicht, weil das, was du gesagt hast, mir sind dann so Flüchtigkeitsfehler passiert, oder ich hatte das Gefühl, nach einer halben Stunde, ich bin hier schon seit sechs Stunden am Schaffen, und ich ertrage dieses nicht mehr, ich will hier raus. Das war so richtig schlimm.

Speaker 2:

Ich bin da noch ein Perfektionist dazu. Also, flüchtigkeitsfehler sind mir fast nie passiert, aber das hat mich ja halt auch so innerlich unter Druck gesetzt. Und dann halt noch zusätzlich einen Frauenhasser als Vorgesetzten zu haben und die einzige weibliche Person im Team zu sein, das hat auch nochmal Druck ausgelöst, weil ich muss meine Arbeit leisten, ich darf nicht auffallen, ich muss genau das leisten, was meine Kollegen leisten.

Speaker 1:

Glaubst du, es ist genau das, was die Kollegen leisten, oder war nicht eigentlich eher?

Speaker 2:

ein. Ich habe deutlich mehr geleistet, wahrscheinlich.

Speaker 1:

Das habe ich mir jetzt schon fast gedacht, und das müssen wir ja dann irgendwie kompensieren. ne, Ja, Dass dann da so jemand ist, der uns offensichtlich sagt, dass wir nicht gut sind, so wie wir sind? Genau ja. Woran hast du gemerkt, dass dein Chef da ein Frauenhasser war? Genau ja.

Speaker 2:

Woran hast du gemerkt, dass dein Chef da ein Frauenhasser war? Ah, das fing schon an. Wenn Störungszeiten, also wenn die Maschine irgendwie einen Defekt hatte, und dann wurde dann auch direkt so ja, dann muss geputzt werden. Und dann ja, die Frauen mit den kleinen Hemden, die kommen ja in alle Ecken Oder auch schwere Kisten heben, wird dann auch gesagt so verdienst das gleiche, dann leiste auch das gleiche. Das gewicht der kisten war gar nicht mein problem, sondern meine geringe körpergröße. Die maschinen sind alle durchschnittlich ausgelegt auf menschen mit einem meter 75 körpergröße. Ich bin 1, 62, ich musste diese Kisten immer über meinen Kopf heben, wow, am langen Arm, und das war irgendwann. Ja, ich habe es gemacht.

Speaker 1:

Aber wie Krass, ja Krass eigentlich, dass du so lang durchgehalten hast. Ja, Ich habe dann doch mehr Angst vor.

Speaker 2:

Veränderungen als aufzugeben.

Speaker 1:

Lag es daran, dass du Angst vor Veränderungen hattest? Ich würde schon sagen, ja, Und auch ein bisschen Angst davor, dass du nicht weißt, was sonst tun.

Speaker 2:

Das auch ja So diese Leistungsgesellschaft. ne Bloß, nicht krank werden, bloß nicht arbeitslos sein, Leistung erbringen.

Speaker 1:

Und auch bloß nicht schwach sein und ja nicht Fehler machen oder eben jemandem einen Grund geben, dich in dieser krassen Einzelposition, in der du da offensichtlich warst, auch zu outen, oder Ja, Und ich habe halt von Kind auf gelernt ich bin nur was wert, wenn ich leiste. Haben deine Eltern da wahrscheinlich auch noch ein bisschen dazu beigetragen Meine Großeltern. Die Großeltern mehr Ja.

Speaker 2:

Ich bin bei den Großeltern überwiegend aufgewachsen, und da war Leistung alles.

Speaker 1:

Ja, das ist richtig gefährlich. Also, es ist tatsächlich richtig gefährlich, wenn man schon als kleines Kind mit Menschen groß wird, die uns das Gefühl geben, wir sind nur dann wertvoll, wenn wir irgendetwas tun.

Speaker 2:

Ja Oder genauso. ich habe gelernt, als Kind still, leise und angepasst zu sein, weil mein Bruder, der war laut und aufmüpfig und da war Gewalt und Streit und Diskussion am Tag, war normal Dad. Dadurch der ist drei Jahre älter habe ich von klein auf gelernt sei still, sei brav und mach, was man dir sagt, dann passiert nichts.

Speaker 1:

Ja, das ist jetzt eben ganz wichtig, dass wir da in diese Kindheit, also in deine Biografie, reinschauen und gucken mit was für einem Päckchen kommst du an in so einer Arbeitswelt?

Speaker 1:

um eben verstehen zu können, weshalb du das so lange durchgezogen hast. Weil das ist ja dann immer so. Die erste Frage und das ist dann auch wieder so gemein wenn man dann so eine Frage gestellt bekommt warum machst du es denn dann, wenn es dir nicht gut tut? Hättest du vielleicht früher merken müssen oder schon früher die Reißleine ziehen müssen? Man gibt ja dann schon wieder so die Verantwortung ab. Aber wenn man da so in die Biografie reinschaut, dann wird klar, das ist ein Muster, das wiederholt sich, und du kennst es nicht anders. Und wie sollst du denn dann kapieren, dass du dich auch anders verhalten darfst oder dass du dich auch mehr um dich selber kümmern darfst und dass du eben nicht nur Leistung bringen musst, sondern ja, dass es auch um mehr geht? Und dann sagtest du, hat die Psyche nicht mehr mitgemacht. Jetzt möchte ich da ganz kurz reingehen. Was heißt das? die Psyche hat nicht mehr mitgemacht.

Speaker 2:

Also, ich bin seit meinem 13. Lebensjahr wegen Depressionen immer mal wieder in Behandlung gewesen, habe mich dann mit 16 auch selbst in die Kinder und Jugendpsychiatrie eingewiesen, was auch der Grund war, warum ich die Fachoberschule abgebrochen habe, weil das dann eigentlich nicht funktionierte. Da wurde dann schwere Depressionen diagnostiziert und Verdacht auf Borderline-Persönlichkeitsstörungen und Anpassungsstörungen. Die Borderline-Diagnose wurde dann, als ich 21 war, gesichert diagnostiziert. Die warten ja dann gerne, bis man volljährig ist. Also, die warten ja dann gerne, bis man volljährig ist.

Speaker 2:

Und ja, ich war immer wieder in ambulanten Therapien mit kurzfristigen Erfolgen, wie ich heute weiß auch, warum. Ich habe diese DBT. Also macht man bei Borderline so eine Dialektisch-BWH-Viorale-Therapie ist das, wo man lernt, mit Emotionen umzugehen? Ja, aber das hat immer nur kurzfristig was gebracht, so ein, zwei Jahre, und dann brach das wieder ein, und dann ging es mir wieder schlecht, und dann habe ich aber immer gearbeitet. Also, ich habe mich fast nie deswegen krank schreiben lassen. Ich habe dann immer. Ich war körperlich oft krank, dann hat der Rücken nicht mitgemacht, dann hatte ich Schlafstörungen, dann war ich ständig erkältet, und dann das Heute weiß ich. Das sind die Punkte, wo mein Körper mir einfach gesagt hat stopp, ja, ganz genau, nicht weiter.

Speaker 1:

Du hast nie krank gemacht. Krank machen ist ja übrigens auch schon so ein Wort, krank machen beinhaltet ja, bedeutet ja, dass man nicht krank gemacht Krank machen ist ja übrigens auch schon so ein Wort.

Speaker 1:

Krank machen bedeutet ja, dass man nicht krank ist, aber so tut, als wäre man krank. Das heißt ja, eigentlich hast du nicht nur nicht krank gemacht das wäre komplett falsch sondern du warst krank, aber du bist trotzdem zur Arbeit gegangen. Ja, du bist trotzdem zur Arbeit gegangen, ja, und dann ist dein Körper krank geworden. Das ist tatsächlich etwas, was sehr häufig passiert, dass das sich irgendwann auf den Körper niederschlägt Rückenschmerzen, magen-darm-schwierigkeiten, kopfschmerzen, migräne Oder eben die Dauererkältung, dieses ständig und immer wieder erkältet sein. Das ist auch ein Anzeichen dafür, dass das Immunsystem einfach überlastet ist oder das gesamte System überlastet ist den Werkssanitäter rufen musste, weil ich anfing zu hyperventilieren.

Speaker 2:

Okay, ja, kacke Und da war dann für mich der Punkt erreicht zu sagen okay, irgendwas muss passieren, So geht es nicht weiter.

Speaker 1:

Wie alt warst du da 26. Okay das heißt, du hast viele Jahre da durchgerödelt. Also kann man ja noch mal kurz zusammenfassen Du bist aus der Schule gekommen, dann hast du ein Praktikum gemacht, dann hast du eine Ausbildung als Kfz-Mechatronikerin. Mit 17 habe ich die Ausbildung angefangen? ja, Mit 17? Na siehst du mal. Also zehn Jahre hast du irgendwie in Berufen gearbeitet oder warst in Positionen, in denen man dich nicht so geschätzt hat und du aber das versucht hast zu kompensieren mit noch mehr Arbeiten, noch mehr Arbeiten, noch mehr.

Speaker 2:

Ja, war ein richtiger Workaholic.

Speaker 1:

Und dann hat dein ganzes System gesagt so, jetzt ist Schluss. Ja, Und das ist dann gewesen.

Speaker 2:

Ja, dann, wie gesagt, bin ich zur Agentur für Arbeit. Die haben mir eine Liste mitgegeben an Berufen, die ich machen darf. Da war dann so Sachen dabei wie Bürokauffrau für Kommunikationswesen, Groß und Außenhandelskauffrau Ja alles nix, wo ich gedacht habe so nee, Bürojob, den ganzen Tag am Computer nur nein Und zahlen, nein, das möchte ich nicht. Und dann mein eigentlicher Wunsch war Orthopädietechnik, Fachrichtung Prothetik, also Prothesenbau. Das durfte ich nicht machen, weil ich auch Neurodermitis habe und der Gutachter halt gesagt hat mit ihrer Haut und körperliche Zwangshaltung, das funktioniert nicht, das unterstützen wir nicht. Und dann war auf dieser Liste Hörakustik, Und dann habe ich mich damit beschäftigt. Was ist das? Dann habe ich da auch ein Praktikum gemacht in zwei unterschiedlichen Betrieben, und das hat mir dann Spaß gemacht, weil es ist sehr, sehr vielseitig. Also, es ist Arbeiten mit Kunden, es ist technisch, es ist aber auch administrative Sachen, Und die Abwechslung ist halt wirklich groß und täglich vorhanden.

Speaker 2:

Ja, Und genau dann habe ich mich entschlossen, da einen Ausbildungsplatz, einen Umschulungsplatz zu suchen, und habe dann auch einen gefunden.

Speaker 1:

Ja, sehr, sehr gut, Sehr, sehr, sehr gut, Sehr gut. Das bedeutete für dich weil das habe ich auch durch dich gelernt dass eben Hörakustik nicht überall in Deutschland unterrichtet wird, dass du einen großen Umzug auf dich nehmen musstest.

Speaker 2:

Genau, also, in der Umschulung waren das Schulblöcke, sieben Schulblöcke, vier bis sechs Wochen, in denen ich dann im Internat in Lübeck untergebracht war, und die Wochen und Monate dazwischen war ich dann in meiner Heimat im Saarland und im Betrieb. Genau, die Umschulung ging zwei Jahre, habe ich dann auch abgeschlossen, habe dann noch drei Jahre im Saarland gelebt und gearbeitet, als Ak Unternehmen gefunden, und dann habe ich gesagt ich habe zwar immer gesagt, ich mache niemals meinen Meister, aber ich mache jetzt doch den Meister. Und dann habe ich mich in der Silvesternacht bei der Meisterschule angemeldet, die in Vollzeit auch nur in Lübeck ist, und bin dann ein halbes Jahr später mit den wenigsten Dingen, die ich brauchte, aus dem Saarland nach Lübeck gezogen, um dort dann meine Meisterschule zu besuchen und zu machen. Ja, und dann hat es mich in Lübeck gehalten.

Speaker 1:

Ja, da haben wir uns dann auch getroffen. Da bist du jetzt auch einfach. Da bist du jetzt und arbeitest. Da bin ich jetzt, und ja, gut, du pendelst für die Arbeit. Das ist jetzt auch so ein Faktor, der vielleicht ein bisschen schwierig ist wieder Da bin ich jetzt langfristig irgendwie tragbar ist oder nicht.

Speaker 2:

Langfristig definitiv nicht.

Speaker 1:

Also vier.

Speaker 2:

Stunden pendeln jeden Tag. Das ist zu viel. Aber Wohnungssuche in und um Hamburg ist genauso schlimm.

Speaker 1:

Das stimmt. Vielleicht gibt es ja hier jemand, der zuhört, der in Hamburg ist, und was weiß.

Speaker 2:

Also, ich suche eine kleine Zwei-Zimmer-Wohnung in Hamburg, die bezahlbar ist und wo ich meine Katze mitnehmen kann.

Speaker 1:

Ja, so haben alle gehört. Dankeschön für die vielen Meldungen, die eingehen werden. Wir freuen uns schon, oh Mann, ey. Aber das bedeutet ja, obwohl deine Psyche da schon wieder gesagt hatte, hey, es geht so nicht weiter, bist du ja trotzdem direkt in die nächste Umschulung reingegangen und hast ja trotzdem direkt wieder angefangen, was Neues zu machen. Ja, und das Coole oder vielleicht auch Krasse oder vielleicht auch Schädliche an unserem ADHS-Gehirn ist ja, dass was Neues uns wieder so pusht, dass wir ja durchaus wieder das Gefühl haben nö, jetzt sind wir wieder fit, jetzt können wir das auch wieder ne, Genau ja.

Speaker 2:

Das hat über zwei Jahre wunderbar funktioniert.

Speaker 1:

Das heißt, die ganze Umschulungszeit hat das super geklappt. Da warst du wahrscheinlich auch wieder so im Tunnel mit diesem dort mal leben und dann mal hier leben und Betrieb und so weiter.

Speaker 2:

Abwechslung Neue Menschen kennenlernen.

Speaker 1:

Ich weiß ja, dass es dich irgendwann niedergelegt hat und du nicht weitermachen konntest. Ja, Wann war das?

Speaker 2:

Das war letztes Jahr, also ist jetzt fast anderthalb Jahre her, genau. Ich war 13 Jahre in einer Beziehung und hatte mit dem damaligen Partner auch ein Haus zusammen im Saarland und bin ursprünglich nur für die Meisterschule nach Lübeck und wollte dann wieder zurück. Und mein damaliger Partner hat mir dann sechs Wochen etwa nach Umzug eröffnet, dass die Beziehung für ihn ja schon seit einem Jahr vorbei ist. Das hat mir richtig die Füße unter dem Boden weggerissen. Ja, aber ich habe mich auf die Meisterschule fokussiert, weil ich konnte sonst eh nichts ändern an der Situation.

Speaker 2:

Und ja, als es dann auf die letzten Prüfungen zuging, ging es dann los mit er hat eine neue Partnerin, die mit im Haus wohnt, aber meine privaten Sachen waren ja noch im Haus, und dann ging das über Rechtsanwalt. Ich durfte meine Sachen nicht holen und auch unsere Katze nicht abholen, und da hat es mich dann niedergestreckt, musste dann auch einmal ins krankenhaus deswegen, und dann habe ich gesagt okay, ich ziehe die prüfung jetzt noch durch, egal wie, und danach brauche ich eine auszeit, und die habe ich mir auch genommen, und die war bitter, bitter nötig ja, das glaube ich dann sofort nach dem, was du berichtest.

Speaker 1:

Ja, das heißt, es musste irgendwie in deinem privaten Umfeld jetzt nochmal so eine krasse Baustelle aufgemacht werden, und die ist ja nicht leicht zu verdauen. Also, für niemanden ist das leicht zu verdauen, wenn du erstens in einer Langzeitbeziehung bist, die dann endet, und dann aber auch noch so viel dran hängt. Ich finde das einfach wirklich krass, wenn dann direkt auch schon neue PartnerInnen eine Rolle spielen und das irgendwie alles noch gar nicht so richtig geklärt ist. Also das ist richtig schlimm. Es tut mir total leid, weil ich mir wirklich überhaupt nicht vorstellen mag, in welchem ausnahmezustand du dann auch deine prüfungen gemacht hast, die für dich auch wahnsinnig wichtig gewesen sind.

Speaker 2:

Ja, aber das hast du noch irgendwie durchgezogen, und dann hast du dir deine pause genommen, du warst in der klinik ja, ich war dann zwölf wochen in der der Tagesklinik, und zwischen dem ersten Nervenzusammenbruch und den Abschlussprüfungen war ich dann schon ambulant an der Uniklinik in der Psychiatrie, und die haben eine komplett neue Diagnostik gemacht, und da kamen dann noch einige Dinge dazu, dazu. Ich dann auch dachte so, ich habe doch eigentlich genug, warum. Das ist auf der einen seite pure verzweiflung gewesen und auf der anderen seite aber auch ein befreiungsschlag für mich. Dann, als die psychiaterin dann adhs in den raum warf, und dann, ich saß da, und ich hatte mit dem Thema nie was zu tun, für mich war das eine Kinder-Jungs-Zappel-Philip-Krankheit.

Speaker 2:

Aber dass das auch Erwachsene haben und auch Frauen, das war mir absolut nicht bewusst, und das habe ich auch dort gesagt. Und dann sagte sie ja, da hat sich jetzt vom Glück in den letzten Jahren einiges getan in der Forschung, und sie würde mich darauf gern testen lassen. Und dann hatte ich auch innerhalb von acht Wochen dann über die Uniklinik tatsächlich die Diagnostik mit vier Terminen, und ja, eigentlich stand für die Therapeutin, die die Diagnostik gemacht hat, schon nach dem ersten Termin fest, dass ich ADHS habe.

Speaker 1:

Kannst du sagen, woran die das festgemacht hat? Wann kam das auf? Hast du da ein Gefühl für, was für sie da so ausschlaggebend gewesen ist?

Speaker 2:

Sie sagte nachher halt zu mir, für sie war ausschlaggebend meine körperliche Unruhe. Also, ich war ständig mit den Füßen am Wippen, ständig an der Nagelhaut am Knippeln Ab jedem Vogel, der am Fenster vorbeiflog, hat meine Aufmerksamkeit weggezogen. Guck mal, ein Eichhörnchen der Klassiker. Genau weil hier in dem Fall waren es Elstern und Möwen. Klassiker, genau weil hier in dem Fall waren es Elstern und Möwen. Und ja, sie hatte. Wenn bei ihr am Computer E-Mails eingehen, macht es immer Ping. Und jedes Mal, wenn es Ping gemacht hat, ist mein Kopf zu diesem bescheuerten Bildschirm. Ja, und dann halt auch so, was ich erzählt habe. Grundschulzeit wie war ich als Kind?

Speaker 1:

Sie nimmt das ernst. Und zweitens dir war es ja überhaupt nicht bewusst. Das heißt, es hätte ja noch viele Jahre gedauert, bis du überhaupt von dir aus vielleicht auf die Idee gekommen wärst, da mal hinzuschauen. So geht es mir nämlich genauso. Ja, aber es ist bei mir genau dasselbe. Also, das war wirklich genau dasselbe. Ich saß da, und der Psychiater, der hat mich beobachtet, und der hat nach. Nachdem er mich zweimal gesehen hat, hat er gesagt also mit ihrer Biografie. Und dann dachte ich noch ja, was will er mir jetzt sagen? dass ich halt keine Ahnung, scheiß Eltern hatte, oder dass ich, ich weiß es nicht, wusste nicht, was er mir damit sagen will. Aber mit ihrer Biografie und mit dem, wie ich sie hier sitzen sehe, ist es für mich recht eindeutig, dass sie ADHSlerin sind.

Speaker 1:

Ja, und heute denke ich mir ja, du hast total recht, weil aus meiner Biografie kommt nämlich auch ganz viel raus, dass unter Umständen Geschwister, eltern, großeltern, wer auch immer da so alles genannt wurde, eben ADHS haben könnte. Und genauso habe ich ja zwei Kinder mit der Diagnose. Da ist dann nochmal der Punkt, so dass der sagt ja, aber irgendwo müssen sie es ja herhaben. Ja, okay. Also, das heißt, bevor du in die Tagesklinik gekommen bist, hattest du deine ADHS-Diagnose.

Speaker 2:

Ja, und ich habe auch dank der Diagnostik meine letzte Prüfung mit Medikamenten machen dürfen, und das war ein Befreiungsschlag für mich, krass. Also, ich glaube, ich hätte es ohne nicht geschafft, weil das war eine praktische Prüfung, die wirklich sechs Stunden, den ganzen Tag über ging, und das wäre einfach zu anstrengend gewesen.

Speaker 1:

Das heißt, die Medikamente haben dazu geführt, dass du dich da besser fokussieren konntest. Und bei der Sache bleiben konntest.

Speaker 2:

Ja, was auch wieder ein schönes Thema ist Nachteilsausgleich. Für den habe ich hart gekämpft, in der Ausbildung, noch In deiner Meisterschule Genau. Ich habe dann für die letzte Prüfung Nachteilsausgleich beantragt bei der Handwerkskammer also die Stelle, die die Prüfung halt abnimmt Und da wurde mir gesagt, den Antrag hätten Sie ja letztes Jahr schon stellen müssen. Und dann habe ich gesagt, ich kann doch nicht für nichts einen Antrag stellen, für was, was ich noch keine, also nichts schriftlich hatte. Und dann ging das hin und her und vier Wochen mit E-Mails und Telefonaten, und dann habe ich tatsächlich zwei Wochen vor der Prüfung Nachttatsausgleich bewilligt bekommen, ja, 20 Prozent mehr Zeit.

Speaker 1:

Ich hätte es also, ich wusste es ja schon, Ich habe ja, in der Pizzeria habe ich es dir vorausgesagt, als du mir das erzählt hast. Ja, mehr Zeit, supi cool.

Speaker 2:

Ganz toll. Also, ich hatte dann nicht nur sechs Stunden Prüfung, sondern 20 Prozent mehr.

Speaker 1:

Also ja, ich habe sie genutzt, aber gebracht hat sie mir nichts, außer mehr Stress im Kopf, im Kopf ja, das ist es genau, vor allem, was ich ja wirklich mir selbst als also ich kann dir nur sagen, wie es für mich als Schülerin gewesen ist, wenn Leute die Klassenarbeiten abgegeben haben, und ich war noch nicht ganz fertig. Dieses Gefühl, ich weiß nicht. Also ich kann mir vorstellen, dass es vielen so geht, dass sie sich da zurückerinnern können. Sagen wir mal, wir sitzen in der Mathe-Klassenarbeit und warum auch immer, man ist selber noch wirklich weit weg von ich bin fertig, und irgendjemand kommt und gibt es ab.

Speaker 1:

Mein Schädel war dann bei oh wow, was macht der jetzt Cooles? und ich will da auch hin. Meistens waren es irgendwelche Kumpels von mir, die in Mathe halt keinen Plan hatten und die das dann einfach abgegeben haben, die in Mathe halt keinen Plan hatten und die das dann einfach abgegeben haben. Und dann wusste ich, die sitzen jetzt draußen und rauchen und unterhalten sich oder spielen Karten oder keine Ahnung, und ich wollte dann da lieber hin. Meine Aufmerksamkeit war von dem Moment an durch. Da ging gar nichts mehr.

Speaker 2:

Bei mir war es eher so boah, krass, wie gut müssen die sein, dass die jetzt schon fertig sind? Ich bin so schlecht, ich bin zu langsam, ich schaffe das nie. Das waren dann immer meine Gedanken. Und was mich bei der Prüfung auch richtig rausgebracht hat, das war tatsächlich ein Prüfungsteil, den hat jeder Prüfling in einem eigenen Raum separat gemacht. Man war da alleine in einem eigenen Raum separat gemacht. Man war da alleine, und der Prüfer hat meine Zeitverlängerung vergessen und kam nach der regulären Zeit, ging die Tür auf. Hören Sie auf zu schreiben, die Prüfungszeit ist vorbei, und er zieht mir unterm Kugelschreiber das Blatt weg, und dann habe ich gesagt, ich habe Nachteilsausgleich, 20% Mehrzeitverlängerung. Und dann schmeißt er mir das Blatt wieder auf den Tisch. Das muss ich erst abklären, aber schreiben Sie jetzt einfach mal weiter. Da war nichts mehr mit weiterschreiben.

Speaker 1:

Halt mal, ich habe den Gedanken verloren.

Speaker 2:

Ich war raus, ich war einfach nur wütend und raus. Und dann habe ich den Prüfer mit den anderen beiden Prüfern auf dem Flur diskutieren hören, und dann haben die erst mal ausgerechnet, was 20% sind, und ich saß da vor diesem Blatt mit diesem Kugelschreiberstrich einmal quer drüber und war fertig Und einfach nur noch wütend.

Speaker 1:

Ja, verstehe Kacke.

Speaker 2:

Ich hab's geschafft. Nicht so wie ich's gern gewollt hätte. Ja, kann man jetzt auch drüber streiten? Geschafft ist geschafft, und nach Noten gerät eh kein Hahn mehr.

Speaker 1:

Aber für mich.

Speaker 2:

Es ist halt wichtig.

Speaker 1:

Klar, Vor allem wenn ich weiß, dass ich es kann.

Speaker 2:

Jetzt ist der Kater direkt hier unter dem Mikrofon.

Speaker 1:

Falls irgendjemand wundert, wo das Geschnurre herkommt Oh schön, katzen, hunde, katzen, alles gleichzeitig. Entschuldigung, jetzt war ich gerade abgelenkt dadurch. Das ist voll okay, aber ich glaube, dass das tatsächlich fast noch mal ein bisschen schlimmer ist. Also, wie gesagt, für mich wäre so ein boah die haben jetzt alle frei, und ich muss noch Das wäre schon so ein Gedanke gewesen, der mich echt unter Druck gesetzt hätte. Also deswegen glaube ich, das Konzept mit mehr Zeit hätte für mich nie im Leben funktioniert. Ich weiß, dass es aber Menschen gibt, für die das sehr, sehr, sehr wichtig und relevant ist als Anpassung, als Nachteilsausgleich, und dann aber noch sowas, das hätte auch für mich nicht funktioniert. Also wow, ja, ich finde jetzt auf jeden Fall gerade interessant diese Borderline-ADHS-Geschichte. Also, ich weiß ja, dass ganz viele weiblich gelesene Personen eine Borderline-Diagnose bekommen, aber tatsächlich gar keine Borderline haben, sondern eine ADHS haben.

Speaker 2:

Ich habe es tatsächlich seit letztem Jahr gesichert. Beide Diagnosen Wollte ich gerade fragen, genau, Und meine Psychiaterin hat gesagt, dass das Borderline erwirbt man ja durch Umstände Und ja, dass das quasi eine Begleiterkrankung zu einem nicht erkannten und nicht behandelten ADHS ist.

Speaker 1:

Da gibt es von Katharina Schön beitrag dazu auf insta. Den könnte ich auf jeden fall mal. Auf instagram könnte ich den teilen, wenn ich die folge hier raus bringen, dass man sich das noch mal angucken kann, weil da gibt es tatsächlich eine ganz logische erklärung dafür, weshalb Personen, die eine ADHS haben, eine Borderline-Störung entwickeln können im Laufe ihres Lebens.

Speaker 2:

Und dazu kommen dann noch andere Traumata, die halt dazu kommen.

Speaker 1:

Das heißt, du hast eine gesicherte Borderline-Diagnose, du hast eine ADHS-Diagnose. Du hast eine gesicherte Borderline-Diagnose, du hast eine ADHS-Diagnose, du hast eine Depression, die wahrscheinlich rezidivierende Depression. Mittelkradik und dann noch eine KPTBS.

Speaker 2:

Genau, und eine Sozialphobie und Alkoholmissbrauch.

Speaker 1:

Stimmt, du hast eine Suchtthematik gehabt. Ja, Aber um das alles begreifen zu können, glaube ich, müssen wir schon noch mal zurückgehen, in deine Schulzeit zumindest. Ja.

Speaker 2:

Also, ich habe nicht eine gute Erinnerung an meine Schulzeit.

Speaker 1:

Ja, weil jetzt stehst du da, jetzt bist du fertig, jetzt bist du Höherakustikerin, und du bist auch wieder zurück im Beruf. Du hattest gerade eine Wiedereingliederungsphase, und das läuft soweit, oder? Ja, Ich komme so langsam wieder im. Leben an, genau, und du hast halt diese Pendelei jetzt gerade die wirklich belastend ist. Aber das Schöne ist ja, du arbeitest zumindest so wie ich das verstanden habe jetzt eher in einem kleineren Betrieb, in einem etwas familiäreren Betrieb, und das ist, glaube ich, auch ein gutes Umfeld für….

Speaker 2:

Ja, also der Leistungsdruck ist deutlich geringer. Ja, genau, und der Kunde steht noch im Vordergrund und nicht die Verkaufszahlen.

Speaker 1:

Ja, das ist so wichtig, das ist deutlich angenehmer.

Speaker 1:

Das ist so wichtig, weil ich glaube, wenn wir mit unserem Gehirn irgendwann mal draufgekommen sind, dass da was Unfaires passiert, dass da jemand Profit schlagen will mit erstens unserer Arbeitskraft, aber auch auf Kosten des Kunden, dass du hinter dem ganzen Konzept der Firma nicht stehen kannst, weil das irgendwie nicht zu dir passt, weil du das nicht vertreten kannst, dann wird es auch schwierig, solidarisch zu sein und zu bleiben und in so einem Arbeitsumfeld zu sein. Das ist einfach was. Da funktionieren wir nicht so, absolut nicht. Also mein Mann war mal in so einem Arbeitsumfeld, da war das genau so, und dann fing das an, dass der wirklich in Konflikte gekommen ist mit seinen Chefs, weil er auch Dinge angesprochen hat, wo er sagt das geht so nicht, ich kann da nicht dahinter stehen, da müssen wir anders und so weiter, und dann wird das aber so als aufmüpfig und als wenig solidarisch und wie auch immer wahrgenommen. Für ihn war es aber ein absolut wichtiges Mittel, um diese Ungerechtigkeit, die er da im Alltag gespürt hat, irgendwie auszugleichen, beziehungsweise, um Lösungsstrategien irgendwie vorzuschlagen oder was auch immer Die wollten ja, das nicht.

Speaker 2:

Mir wurde sogar gesagt, ich wäre geschäftsschädigend.

Speaker 1:

Ja, super Klasse. Ja, also, ich wünsche dir auf jeden Fall, dass das mit deiner jetzigen Arbeit gut klappt, und auch, dass du eine Wohnung findest, in die du ziehen kannst, sodass du diese Pendelei jetzt nicht mehr so hast. Ja, das wäre echt, das wünsche ich dir wirklich, sehr, sehr Danke. Vorher sagtest du, dass du schon mit 13 Depressionen hattest und dass du dich selbst mit 16 in der Kinder und Jugendpsychiatrie eingewiesen hast.

Speaker 2:

Ja, boah, ich war mit 16 suizidgefährdet und habe aber das selber so reflektiert gesehen und gesagt, das kann nicht das Ende sein, und ich will nicht, dass das das Ende ist.

Speaker 1:

Das ist sowieso sowas. Was dich total auszeichnet, finde ich, dass du so wahnsinnig reflektiert bist in Situationen, wo andere Menschen so ich sag jetzt mal hirnlos, also berechtigterweise und aufgrund der Diagnostik vollkommen nachvollziehbar, hirnlos, unzurechnungsfähig vielleicht auch reagieren. Aber ich erinnere mich auch aus unserem Gespräch an deine Art und Weise, wie du mit deinem Alkoholismus Schluss gemacht hast. Das war ja auch so, da warst du so reflektiert, also krass. Gehen wir mal kurz an die zur 13-jährigen Anki Wie sah denn dein Umfeld zu Hause aus, als du 13 warst?

Speaker 2:

Also meine Eltern, meine Großeltern, wir haben alle in einem Haus gelebt. Mein Vater war zu der Zeit, glaube ich, noch im Fernverkehr, also der war von Sonntagsabends bis Freitagsabends mit dem LKW unterwegs, und meine Mutter hatte war die da schon in der Altenpflege? Ach, keine Ahnung, auf jeden Fall, die war halt auch frühmorgens schon aus dem Haus. Und ja, mein älterer Bruder und ich, wir haben uns morgens die Köpfe eingeschlagen. Und dann habe ich irgendwann gesagt so, ich ziehe jetzt zu den Großeltern, da geht es mir ja gut, dachte ich Also, ich kannte das ja nicht anders, und für mich war das ja bei meinen Großeltern geht es mir gut.

Speaker 1:

Aber das heißt, zu deinen Großeltern ziehen bedeutete im selben Haus in eine andere Wohnung, genau, ja, ja.

Speaker 2:

Und mein Vater, wenn der dann zu Hause war, war er in 95 Prozent der Fälle betrunken. Und meine Mutter heute weiß ich, und heute würde ich sagen, dass sie co-abhängig ist. Für mich war meine Mutter immer emotional unerreichbar. Also, die hat zwar geguckt, dass wir Klamotten haben und das Essen da ist, aber mehr habe ich da nie empfunden. Und das war bei meinen Großeltern etwas anders. Meine Großeltern haben zwar auch jeden Abend getrunken, also Alkohol war immer präsent. Ich kenne das überhaupt nicht anders, aber ich hatte bei meinen Großeltern, vor allem bei meinem Opa, das Gefühl, dass er mich liebt, dass er mich akzeptiert, wie ich bin, und das war auch mit der einzige Mensch, der mich auch wirklich mal in den Arm genommen hat, und bei allen anderen hatte sich das immer so gezwungen angefühlt.

Speaker 1:

Hattest du eine erwachsene Person in dem Alter, zu der du hättest gehen können, wenn es dir nicht gut geht, wo du das alles hättest auch erzählen können?

Speaker 2:

Nein, Das heißt deine.

Speaker 1:

Großeltern waren eher so vom alten Schlag in Anführungsstrichen dass man halt nicht so über die Dinge gesprochen hat. Ja, genau.

Speaker 2:

Also, ich hatte meine Patentante drei Häuser weiter, aber da war das Verhältnis auch schwierig, weil mir halt zu Hause auch viel eingeredet wurde das kannst du nicht hingehen, weil wir haben haustiere, werden hunde, pferde, kaninchen et cetera, und eine patentante hat ja so hochgradig allergisch, und also ich hatte keinen erwachsenen in meinem umfeld warte mal.

Speaker 1:

das heißt, eine familie hat dir eingeredet, dass du nicht zu deiner Patentante gehen kannst, weil du sie sonst schädigen könntest. in Anführungsstrichen durch die Allergien. Ja, ah, ja, ist auch der Klassiker, ne, also, das ist mega, mega, dieses Abhängigkeitsthema, dass du, dass du Dinge nicht nach außen tragen darfst, das ist wahrscheinlich die große Sorge gewesen, dass du Dinge erzählst, die du nicht hättest erzählen dürfen.

Speaker 2:

Also hat man dich davon abgehalten, da hinzugehen. Wir hatten Pferde, und die habe ich ja bekommen, um mich zu binden, genau, und ich habe also genau das Pferd habe ich bekommen mit neun Da war ich neun, und da habe ich schon alles so selber gemacht. Die standen im Garten, wir hatten einen riesengroßen Garten und Platz, und ja, putzen, reiten, stall ausmisten. Das habe ich mit meinem Opa alles selber gemacht, und dadurch hatte ich auch keinen Freundeskreis und habe nie wirklich erlebt, wie ist das in anderen Familien? Daher war das für mich Normalität, und es war normal.

Speaker 1:

Ja, ja, es ist so. Und das erste Mal betrunken war ich mit fünf oder sechs. Du selbst? Ja. Wie kam es dazu?

Speaker 2:

Ja, unsere Großeltern haben uns mit in Urlaub genommen, mein Bruder und mich, und dann gab es dann abends Eierlikör, meistens dann in warmer Milch, und dass wir schön ruhig sind und dass man uns in Anführungsstrichen die Schandtaten und Unzulänglichkeiten unserer Eltern erzählen kann, in Anführungsstrichen, die.

Speaker 1:

Schandtaten und Unzulänglichkeiten unserer Eltern erzählen kann. Also, ihr habt Alkohol verordnet bekommen von euren Großeltern, ja, so kann man das nennen. Und dann wurde über deine Eltern gesprochen. Ja, boah, das muss man jetzt echt erstmal sacken lassen. Okay, wie oft hast du dann Alkohol gekriegt als Kind, um ruhig zu sein? Das kann ich schlecht sagen.

Speaker 2:

Also regelmäßig, regelmäßig. Ja, und wir durften auch an Opas Bier nippen, das war so. Und mit 14 habe ich dann für mich selber entdeckt, dass ich ja mit Alkohol immer im Haus war, immer im Keller frei zugänglich, und es ist auch nie aufgefallen, wenn da was gefehlt hat.

Speaker 1:

Bist du dann total früh da selber reingeschlittert. Ja, Okay, wie warst du in der Schule? Also, jetzt haben wir mal einen Eindruck davon, wie du gelebt hast. Jetzt gucken wir mal kurz in was für eine Schule bist du gegangen mit 13? Was für eine.

Speaker 2:

Schulart.

Speaker 1:

Realschule.

Speaker 2:

Und wie warst du da so In der Realschule? Und wie warst du da so In der Realschule? Ich war ruhig verträumt, hatte keinen Anschluss, war eher so der Einzelgänger und das Mobbingopfer. Und dann mit 15 etwa fing ich dann an, mich zu wehren. Hänge ich dann an, mich zu wehren, allerdings körperlich statt verbal. Ich habe Mitschüler im Werkunterricht mit dem Staubsaugerrohr verdrescht und im Sportunterricht selbigen Mitschüler mit dem Bettmendenschläger, nachdem er mich mehrfach drangsaliert hat und nicht aufgehört hat. Wer hat den blauen Brief bekommen?

Speaker 2:

Ich Ja, na klar, Alle anderen haben mir nichts getan, und da wurde mir also vorher wurde mir immer gesagt, ich muss mir ein dickeres Fell zulegen, und es soll nicht reagieren. Dann verlieren meine Mobber das Interesse. Und als ich dann anfing, mich zu wehren, hieß es dann, ich bin aggressiv.

Speaker 1:

Klar, das will man ja nicht. Also, man will ja auf gar keinen Fall, dass es körperlich wird. Und psychische Gewalt wird tatsächlich wegignoriert. Das ist etwas, was auch kleingeredet wird. Körperliche Gewalt wird sehr schnell sehr hochgehängt und geahndet. Ja, ja, also, ich muss das jetzt echt mal aussprechen. Aber in dem Alter, wo du jetzt sagst, du hast angefangen, dann zurückzuschlagen, oder du hast angefangen, dich körperlich zu wehren, zu dem Zeitpunkt warst du suchtkrank, da warst du alkoholabhängig.

Speaker 2:

Ja, zumindest an manchen Wochenenden.

Speaker 1:

Ja, aber ich meine, in dem Alter, das ist schon eine harte Kiste. Ja, und du sagtest ja auch, mit 13 warst du depressiv. Das heißt auch, da gab es ja noch Themen, Ja, wahrscheinlich schon viel früher. Dann hast du noch von zu Hause ein total unsicheres Umfeld.

Speaker 2:

Du hast ja keine Ansprechpersonen gehabt, die dich gehört hätte, und wenn ich was gesagt habe, dann hieß es ach, ist alles nicht so schlimm, hör auf zu weinen. Oder der Lieblingsspruch meiner Oma war Kind, ich habe Probleme genug. Ja, oh, super Hier hast du was zu essen? Ah, essen ja, eine essstörung habe ich auch das essen war auch so ein trostpflaster essen war trost, belohnung, strafe, elternersatz.

Speaker 1:

Es war immer da, ja immer frei verfügbar mich würde tatsächlich interessieren, ob du jemals versucht hast, unterstützung zu bekommen von irgendjemandem in der schule ja. Okay, kannst du da mal drauf eingehen? wann und wie genau sah das aus?

Speaker 2:

Einmal in der siebten Klasse bei meiner Klassenlehrerin. Ich bin in der Pause zu ihr und habe halt gesagt, dass ich, dass mich halt Mitschüler ärgern und verbal angreifen. Es gab dann ein Gespräch, dem ich nicht beiwohnen durfte. Ich musste auf den Flur, während der Rest der Klasse im Klassenzall diskutierte, warum man mich denn mobbt. Also, das hat überhaupt gar nichts gebracht, ganz im Gegenteil. Danach war ich noch mehr im Fokus, und dann nochmal muss neunte Klasse gewesen sein.

Speaker 1:

Da habe ich mich nämlich auch selbst verletzt, und da hatte ich eine andere Klassenlehrerin, habe ich die nochmal kontaktiert, und die sagte dann nur ja, isst du denn auch zu viel? und er übergibt es dich dann. Und dann habe ich gesagt nee. Und dann sagt sie ja. Dann ist das auch nur Aufmerksamkeit mit dem Selbstverletzen Erstens. Nicht das erste Mal ist, dass ich sowas höre, dass ich das auch schon erlebt habe in meinem Umfeld jetzt mit befreundeten Kindern, jugendlichen oder eben auch von Eltern, die mir das erzählt haben. Es ist das Problem, dass der Umgang mit Mobbing in der Schule überhaupt nicht bekannt ist. Es ist nicht klar, wie man damit umzugehen hat, und jetzt, wenn wir mal ganz genau hingucken, dann ist das meistens so, dass ein Kind, das Mobbing erfährt, in der Schule ein bisschen komisch ist. In Anführungsstrichen Also als Lehrkraft empfindet man jetzt wahrscheinlich nicht mega viel Sympathie für diese Person. Könnte sein, es ist jetzt einfach mal nur so eine Vermutung und vielleicht auch ein Erfahrungswert, den ich mitbringe, weil ich ja doch schon seit 17 Jahren in dem Beruf arbeite.

Speaker 2:

Das heißt, es fällt als Lehrkraft auch wahnsinnig leicht zu sagen, ja, die Person ist ja aber auch komisch, kein Wunder wird die gemobbt. Ja, bei mir war es halt das komische Elternhaus. Keine Freunde, ich war fett, das ist so, da kann man auch nicht schön reden.

Speaker 1:

Ich durfte nirgends hin, ich war zu Hause irgendwie gefesselt Das kannst du mir jetzt mal beantworten. Weil ich meine, du bist in so einem krassen Umfeld groß geworden und in so einem Spannungsfeld. Du hast ja deinen Eltern sogar den Rücken gekehrt, ein bisschen, ja, soweit das geht, also innerhalb des Hauses zu den Großeltern. Wenn dich eine Lehrkraft gefragt hätte, wie es bei dir zu Hause abläuft, hättest du erzählt, wie es zu Hause abläuft? Hättest du erzählt, wie es zu Hause abläuft, oder hättest du das gedeckt? Ich hätte das gedeckt, trotzdem, trotz, dass du in diesem krassen Spannungsfeld warst.

Speaker 2:

Weil kein Vertrauensverhältnis zu meinen Lehrern bestand.

Speaker 1:

Also, es hätte jetzt eine Person gebraucht in der Schule, der du dich komplett öffnen kannst. Und dann glaubst du, hättest du vielleicht was erzählt, vielleicht. Das heißt, du hattest gar nicht so sehr Angst davor, das Zuhause zu verraten oder da rauszukommen oder so. Das war gar nicht so ganz arg.

Speaker 1:

Deine Sorge Nee, sondern vielmehr dass du nicht ernst genommen wirst, selbst als Person, ja, sondern vielmehr, dass du nicht ernst genommen wirst selbst als Person, ja. Das heißt, bei dir hätte es ja sogar Chance gegeben. Du wärst ja sogar eine Person gewesen, bei der es die Chance gegeben hätte, dass man wirklich was Gutes für dich tut. Ja, ja, aber dafür hätte man halt hingucken müssen, Und dafür hätte man halt mal gucken müssen. Warum ist denn die Person so fett? Ich sage es jetzt einfach genauso wie du die Phasen, in denen es mir so schlecht gegangen ist wie an keiner anderen Phase.

Speaker 1:

Ich habe das selber gar nicht mitbekommen, wie krass mein Gewicht auch schwankte. Also es gab dann immer wieder Phasen, da ging es mir besser, weil ich irgendwie doch in einem Freundeskreis integriert war, und dann wurde ich auch wieder schlanker. Ich habe das nicht mitbekommen, für nicht mitbekommen, für mich war ich immer gleich fett. Da hätten wir mal hingucken können. Dann hätten wir vielleicht auch mal hingucken können, warum die Person eine Neurodermitis hat. Und wenn jemand ein Mobbing hat oder Mobbing-Erfahrungen macht, dann muss man ganz dringend hingucken.

Speaker 2:

Ich frage mich halt auch, wenn schon ein Schüler sich überwindet, zu einer Lehrkraft zu gehen und zu sagen ich habe ein Problem, dass ich mich selbst verletze, ich habe das und das Problem, dass das dann abgetan wird. Das ist nur Aufmerksamkeit. Das hätte mich mit 16 fast mein Leben gekostet. Das ist eigentlich erstaunlich.

Speaker 1:

Muss man echt sagen.

Speaker 2:

Es ist erstaunlich, dass eine halbe packung schlaftabletten meiner mutter geschluckt, und es hat niemand gemerkt, ich lag. Man hat mich einfach zwei tage im bett liegen lassen das ist richtig schlimm, wirklich.

Speaker 1:

Da bin ich vorher gar nicht drauf eingegangen. Das ging ja nicht nur um das Mobbing. Da wollte ich dir ja eigentlich was sagen, nämlich, dass man meistens als Lehrkraft da auf ein Kind trifft oder auf eine jugendliche Person trifft, die uns jetzt vielleicht nicht ganz sympathisch ist oder zu der wir nicht schnell einen Draht kriegen, oder die vielleicht seltsamere Verhaltensweisen aufzeigt oder oder, aber dass es halt unsere Aufgabe ist, als erwachsene Menschen, sofort zu reagieren und vor allem so zu reagieren, dass eben die Person, die kommt und uns das anvertraut, weiß, die Lehrkraft ist jetzt auf meiner Seite, und das muss dann aber halt auch stimmen, also ja, 100 Prozent stimmen. Das ist, gespräche zu führen mit einer Klasse, ohne dass die Person dabei ist, ist keine gute Idee. Es ist sowieso keine gute Idee, überhaupt zu erfragen, wie man dich findet, was denn vielleicht so deine Stellen sind. Und dann kommt das zweite Problem.

Speaker 1:

Also, mobbing ist das eine, aber das zweite ist halt auch der Umgang mit psychischen Schwierigkeiten. Wenn du kommst und sagst, ich verletze mich selbst, mir geht es. Das zweite ist halt auch der Umgang mit psychischen Schwierigkeiten. Wenn du kommst und sagst, ich verletze mich selbst, mir geht es überhaupt nicht gut, und ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll, dann muss man zumindest als Lehrkraft sofort und ganz dringend irgendeine Nummer anrufen und wissen, an wen man sich wendet.

Speaker 1:

Man muss das als Lehrkraft nicht selber meistern können. Man muss keine Diagnosen stellen, man darf es ja noch nicht mal, und man soll das auch gar nicht tun, aber dich packen und sagen hey, danke, dass du das mir anvertraust. Kannst du dich mal hier kurz reinsetzen? ich muss ganz kurz telefonieren, das wäre die Verantwortung, die man dann als Lehrkraft hat. Und das wurde ja vollkommen versäumt, nichts. Und dann hast du es selber gemacht. Also du sagst, du hast Tabletten deiner Mutter genommen, das hat auch niemanden interessiert. Und dann hast du gesagt okay, ich muss jetzt hier raus, ich muss jetzt was für mich tun. Ja, hast du gesagt okay, ich muss jetzt hier raus, ich muss jetzt was für mich tun.

Speaker 2:

Ja, ich habe mich dann von meinem Opa in die Kinder und Jugendpsychiatrie fahren lassen. Da hat er nichts dazu gesagt. Die waren völlig vor den Kopf gestoßen.

Speaker 1:

Gott, dass ich lache. Es ist so schlimm.

Speaker 2:

Ja, und der Arzt in der Aufnahme dort, der hat dann meine Eltern angerufen, weil die mussten ja ihr Einverständnis abgeben Und informiert werden Als Erziehungsberechtigte, und die beiden wussten von gar nichts. Die haben überhaupt gar nichts gemerkt, und ich konnte da auch die durften mich dann ja auch einmal die Woche besuchen, wenn ich das wollte, und das haben sie auch gemacht, und ich konnte denen innerhalb von drei Wochen zuschauen, wie beide grau wurden auf dem Kopf. Also ja, sorgen machen graue Haare.

Speaker 1:

Also, sie haben sich Sorgen gemacht, ja, um was?

Speaker 2:

Also ich weiß, dass sie sich Vorwürfe gemacht haben, dass sie zugelassen haben, dass ich zu meinen Großeltern bin und da nicht ein Auge drauf hatten, und dass sie nichts gemerkt haben. Aber wirklich geändert? Ja, mein Papa hat eine Zeit lang weniger getrunken, aber langfristig geändert hat sich nicht wirklich was. Ich habe jahre später dass die gespräche gesucht und habe gesagt so und so habe ich das empfunden, so und so ging es mir damit, dass es mal raus ist bei mir, dass ich denen das gesagt habe. Aber ich bin heult froh, dass 780 Kilometer zwischen uns liegen und ich mir die Familienzeit wohldosiert eintrichtern kann, wie ich das für mich brauche und will.

Speaker 1:

Ja Verstehe ich sehr, sehr gut, weil solange solche Menschen keine eigene Therapie machen und das auch aufgrund, dass sie das selbst wollen das muss ja die Basis sein solch einer Therapie Und solange die nicht in irgendeiner Weise erfolgreich stattfindet, wird das ja immer darauf rauslaufen, dass jedes Mal, wenn du über diese Themen mit ihnen sprichst, da nur ein wahnsinnig schlechtes Gewissen in denen hochkommt. Aber das bringt dir ja nichts. Nee, also, es ist ja erstens nicht deine Intention, du willst ja gar nicht, dass du ein schlechtes Gewissen in deinen Eltern auslöst, aber zweitens fühlst du dich dann ja gerade wieder mitverantwortlich dafür, dass es denen so schlecht geht. Also, es passiert doch automatisch, oder?

Speaker 2:

Ja, also, ich weiß egal, was wäre. Ich könnte meine Eltern anrufen, beide, und die würden direkt alles stehen und liegen lassen. Tatsächlich Ja. Also das war letztes Jahr auch so. Als ich dann endlich meine Sachen holen konnte, haben meine Eltern auch geholfen Lehrräume, und die haben mich dann auch tatsächlich nachts noch mit dem Auto vom Saarland nach Lübeck gefahren und sind wieder in der gleichen Nacht zurück, weil sie arbeiten mussten. Okay, also, das machen sie, aber ich vermute auch ganz stark aus schlechtem Gewissen. Also das ja.

Speaker 1:

Und das ist ja auch nicht richtig kümmern, also ich finde das auch immer ein bisschen das leichte, sich kümmern. Ich muss das tatsächlich zweiteilen. Also es gibt ja das jemanden wirklich sehen und für jemanden da sein, jemandens Emotionen ertragen, sie stützen, resonieren mit diesen ganzen Dingen. Das ist die eine Form von Unterstützung, die man als Eltern geben muss, ganz dringend. Und dann gibt es die zweite Form von Unterstützung, und das ist alles, was mit Finanzen zu tun hat, dass man auch mal hilft, irgendwo was rauszutragen, reinzuräumen. Genau ja, dass man auch mal hilft, irgendwo was rauszutragen, reinzuräumen. Genau ja, und ganz viele sind bereit dazu, diese zweite Form der Unterstützung zu geben. Aber die eine, also diese emotionale, diese Komponente, die so wichtig ist und wo du ja wie so ein ganz leeres Gefäß bist, da hast du ja nichts von bekommen, so wie du deine Kindheit schilderst, ja, weder von deinen Eltern noch von deinen Großeltern. Also sagen wir mal, von deinen Großeltern wurde es vielleicht ein kleines bisschen gefühlt, aber nicht wirklich.

Speaker 2:

Also, ich war schon ein Papa-Kind, muss ich sagen, ganz früher. aber so richtig emotionale Unterstützung minimal, ganz minimal.

Speaker 1:

Und das ist so der, das ist so die Komponente, die ist echt wichtig, Weil ich habe auch schon gelernt wenn man diese Komponente eben nicht hatte in seiner Kindheit und Jugend, dann bleibt das Leben lang so ein Gefühl von Einsamkeit, das nie weggeht, egal wer da so um einen rum ist.

Speaker 2:

Das stimmt, das merke ich auch gerade extrem.

Speaker 1:

Und das kann auch niemand füllen mehr, dass dieses Gefühl, das wird dich dein Leben lang begleiten, und das ist das, was aus deiner Kindheit mit rauskommt.

Speaker 2:

Und das macht auch Bezieh aus deiner Kindheit mit rauskommt, und das macht auch Beziehungen total schwierig für mich Ja, absolut. Also sowohl romantische als auch freundschaftliche Beziehungen. Ja, Weil diese Leere niemand füllen kann Und dadurch mein Gegenüber ganz oft das Gefühl hat, er ist nicht genug und derjenige kann überhaupt nichts dafür.

Speaker 1:

Ja Ganz, ganz, ganz wichtig. Das ist so eine unfassbar wichtige Komponente. Das ist unglaublich. Und ich glaube, die einzigen Menschen, die diese Lücke wirklich füllen könnten und ich weiß gar nicht, ob das überhaupt im Erwachsenenalter noch geht aber es sind die Eltern beziehungsweise die Menschen, die für uns unsere Eltern sind, das Stützungssystem der Erwachsenen, die in unserer Kindheit für uns da waren oder hätten sein sollen, oder hätten sein sollen. Wie lange warst du in der Klinik mit 16? Drei Monate, das ist eine lange Zeit.

Speaker 2:

Währenddessen ging das Thema Schule einfach weiter. Ich war zu der Zeit ja schon auf der Fachoberschule. Ah, das war schon nach deinem Abschluss an der Realschule Genau genau, und in den drei Monaten bin ich tatsächlich nicht mehr zur Schule gegangen, musste auch nicht in die Klinikschule, weil ich wäre schon mit der allgemeinbildenden schule fertig war, bin aber dreimal die woche weiterhin zu meinem praktikum wurde da mal über das thema alkohol gesprochen da, habe ich das nie angesprochen.

Speaker 1:

Ah, du hast das verheimlicht, mhm Da war mir das selber noch nicht bewusst, dass das nicht normal ist, okay, das heißt, du hast es nicht verheimlicht, sondern dir war es einfach nicht bewusst. Mir war das absolut nicht bewusst. Aber in den drei Monaten in der Klinik wird es ja wahrscheinlich ein Alkoholverbot gegeben haben.

Speaker 2:

Ja, ich habe es aber auch nicht gebraucht.

Speaker 1:

Das heißt, du wurdest gesehen, die Menschen waren für dich da, und dann ging das auch ohne, und dann bist du aus der Klinik wieder rausgekommen. Wie ging es dann mit dir weiter, mit deiner psychischen Komponente?

Speaker 2:

psychischen komponente. Naja, ich war da erst mal stabiler wieder und habe ja dann die ausbildung kurz darauf angefangen, aber zu hause hat sich nichts geändert. Da hast du weiterhin gewohnt ja, also auch das habt ihr nicht aufgearbeitet in der KJP zu deinem Elternhaus. Das kam für mich irgendwie gedanklich nicht in Frage. Da war dann irgendwie noch so im Kopf so.

Speaker 1:

Na ja, aber es ist ja meine Familie, es sind meine Eltern. Also, es war schon die Solidarität der Eltern gegenüber, die dann da wieder sehr gegriffen hat. Klar, denen ging es ja auch schlecht, als du in der Klinik warst. Das heißt, du hast ja auch gesehen, die fühlen dann doch irgendwas für dich. Da kommt ja dann doch irgendwie so ein Gefühl hoch von vielleicht wird es ja besser, wenn ich dann jetzt rauskomme. Vielleicht sehen sie dann ja mich auch als Menschen und freuen sich, dass ich wieder da bin und so. Diese Sehnsucht geben wir ja einfach nie auf. Das gehört einfach dazu zu dieser Eltern-Kind-Beziehung. Ja, die Sehnsucht ist heute noch nie auf.

Speaker 2:

Das gehört einfach dazu Zu dieser Eltern-Kind Beziehung.

Speaker 1:

Ja, Die Sehnsucht ist heute noch oft da. Ja, ich weiß Ja. Also, es heißt hast du in dieser Klinik irgendeine? war da das erste Mal die Borderline-Geschichte im Raum? Ja, Der Verdacht und die Depression Ja genau, Aber noch keine KPTBS.

Speaker 2:

Nee, das auch letztes Jahr erst. Das war auch in allen ambulanten Therapien nie Thema. Also na ja, ich wurde ja nicht geschlagen zu Hause. Ne, nee, klar. Da hat man ja auch kein.

Speaker 1:

Trauma Nee hast definitiv keine Gewalt erfahren.

Speaker 2:

Ich habe ja nicht um mein Leben gekämpft.

Speaker 1:

Boah. Also schon allein, wenn man in die Milch da irgendein Likör reinräumt, damit man dich irgendwie zulabern kann, und das im Alter von fünf, sechs Jahren, da denke ich mir so, und das ist eine sehr harte Form von Gewalt, das ist nicht nur ein bisschen das ist Körperverletzung Krass. Wirklich Hast du da deine Großeltern mal konfrontiert mit?

Speaker 2:

Nee. Mit denen konnte man nicht reden. Wenn ich nur den Ansatz gemacht habe, dann wurde das direkt abgeblockt.

Speaker 1:

Ja, glaube ich dir sofort.

Speaker 2:

Und jetzt sind die ja auch schon seit 2018 beide tot.

Speaker 1:

Puh, ja, und ich meine alles, was dann nach der KJP gekommen ist, das haben wir vorher besprochen. ne, dann ging das dann los mit deiner Ausbildung zur Kfz-Mechatronikerin. Unglaublich einfach immer noch. Also vielleicht könnt ihr es ja jetzt nachvollziehen, wenn ihr das hört, warum ich so lachen musste, als das noch rauskam, dass du nach dieser Klinik plötzlich gedacht hast eine total gute Idee, Kfz-Mechatronikerin zu werden.

Speaker 2:

Ja, ich stand ja da ohne irgendwas, und meine Eltern haben gesagt egal, was du machst, aber du bleibst nicht zu Hause. Dann habe ich halt den Ausbildungsvertrag unterschrieben.

Speaker 1:

Ja, krass, also wirklich so unfassbar wichtig und gut, dass du es gemacht hast, dass du zu mir gekommen bist in Lübeck in diese Pizzeria und dass wir uns darüber unterhalten haben, weil ich weiß, dass deine Biografie so wichtig ist. Ich weiß, es ist so wichtig, dass die Menschen das hören.

Speaker 2:

Ja, Kraus aus der Tabuzone.

Speaker 1:

Jeder letzten Person ist das bewusst wie schlecht es dir gegangen ist als Schülerin. Und trotzdem, wenn du berichtest, wie du so warst als Schülerin ja, es gab den Moment, wo du gewalttätig wurdest, wo du zweimal einen Mitschüler vertroschen hast Ja, Und ich weiß auch, was das mit dir gemacht hat und was es auch nachhaltig mit dir macht. Ich weiß, wie sehr das Thema Scham da auch eine Rolle spielt, dass du das alles andere als cool findest, dass du das gemacht hast. Ja, Aber bis auf das warst du eigentlich total unauffällig.

Speaker 2:

Ja, ich war das typische angepasste Kind.

Speaker 1:

Ja, die Person, die man sich als Lehrkraft eigentlich wünscht.

Speaker 2:

Ja, ich war ruhig ich habe mehr oder weniger mitgearbeitet. Ich war durchschnittlich gut in der Schule.

Speaker 1:

Wäre jetzt noch cool gewesen, du wärst nicht so anstrengend gewesen mit deinen Mobbing-Themen Genau Das wünscht man sich jetzt vielleicht noch, dass das nicht da ist. Noch cool gewesen, du wärst nicht so anstrengend gewesen mit deinen Mobbing-Themen Genau Das wünscht man sich jetzt vielleicht noch, dass das nicht da ist. Und ich weiß, da kommt jetzt ganz viel Sarkasmus raus. Tut mir sehr leid.

Speaker 2:

Mir tut es wirklich leid. Ich bin total sarkastisch.

Speaker 1:

Ich weiß einfach, dass das so ist, und ich weiß, mit was das zu tun hat. Ich weiß, dass der Job echt anstrengend ist, weil ich lebe ihn aus, ich führe ihn aus tagtäglich. aber ich weiß durch meine eigene Biografie, die jetzt gar nicht so ganz viel anders ist als deine, dass es ganz wichtig ist, dass wir hinschauen. Und das sind die kleinen Momente, in denen sich so eine Person traut, mal rauszugucken und zu sagen ich brauche Unterstützung. Das sind die kleinen Momente, in denen wir wirklich aktiv werden müssen.

Speaker 2:

Ich finde, auch unser Schulsystem muss überholt werden. Ja, total. Also, ich mache letztlich auch keiner Lehrkraft von damals irgendeinen Vorwurf, völlig. also muss überholt werden. Ja, total. Also, ich mache letztlich auch keiner Lehrkraft von damals irgendeinen Vorwurf. Nein, sondern dem System Es müsste deutlich mehr Personal geben, das dann auch geschult ist. Sozialarbeiter keine Ahnung, also sowas gab es ja zu meiner Schulzeit überhaupt nicht. Wir hatten keine Sozialarbeiter, an die man sich hätte wenden können, oder Schulpsychologen oder so. Das gab es bei uns überhaupt nicht.

Speaker 1:

Nee, gab es bei uns auch nicht.

Speaker 2:

Gar nicht. Das müsste es deutlich deutlich mehr geben.

Speaker 1:

Aber es gab genügend Lehrkräfte, die zum Beispiel so was gesagt haben wie du musst halt echt mal weniger essen und ein bisschen mehr Sport machen. Ja, ja, solche Lehrkräfte gab es, wo ich mir denke hey, im Nachhinein, ja, als Jugendliche habe ich mich dafür geschämt und habe sofort gedacht ja, du hast ja recht, okay, ich muss jetzt irgendwas tun. Aber wenn man sich überlegt, was da alles dahinter steckt und was da an fehlenden Möglichkeiten überhaupt existent ist in diesem Leben, was und wo hätte ich mich denn um mich selbst kümmern können?

Speaker 2:

Oder du dich um dich selbst kümmern können. Da ist man auch in dem Alter gar nicht in der Lage.

Speaker 1:

Dazu Nein, auf gar keinen Fall ist man da in der Lage, dazu Gar nicht.

Speaker 2:

Also, ich sage heute mit 34 ja noch. Ich sage heute mit 34 ja manchmal noch. Ich bin überhaupt nicht in der Lage, alleine zu leben Und mich um mich zu kümmern. Ja, ich bin berufstätig, ja, und trotzdem habe ich einen Pflegegrad Und habe Unterstützung, weil ich ganz oft noch nicht mal schaffe, einkaufen zu gehen.

Speaker 1:

Und wie soll das dann bitte ein Kind schaffen? mit elf, zwölf, dreizehn, ja, mit der Art und Weise, wie es das Kind schafft, so wie du es geschafft hast, mit selbstverletzendem?

Speaker 2:

Verhalten mit noch regelmäßigem.

Speaker 1:

Alkoholkonsum, also mit unregelmäßigem, damals noch aber trotzdem schon in einem sehr frühen Alter Alkoholkonsum Essen. Das waren Kompensationsstrategien, wenn man uns die einfach wegnimmt, ohne eine Alternative.

Speaker 2:

Tatsächlich geht das. Dann sucht man eine andere heiße Kompensation.

Speaker 1:

So ist es Ganz genau. Das ist das Problem. Jemandem zu sagen, du musst halt mal weniger essen und dich ein bisschen mehr bewegen, das kann richtig verletzen, das kann einfach die ganze Situation noch mal viel schlimmer machen, wenn man nicht bereit, dazu ist hinzuschauen. Das ist das, was ich, glaube ich, wirklich am allerschlimmsten finde an der ganzen Sache ist. Dann halt doch einfach deine Klappe und gib keine blöden Tipps raus. Wenn du keine Lust hast, dich mit dem Thema wirklich auseinanderzusetzen oder mit der Person, die vor dir sitzt, dann lass es. Aber gib keine Tipps raus an Menschen, von denen du nichts weißt, gar nichts, wo du keine Ahnung hast, wie es zu Hause abgeht und was da alles los ist. Das ist gefährlich, das ist nicht gut.

Speaker 1:

Genau Ist gefährlich, das ist nicht gut, genau. Und das ist, glaube ich, schon das, wo man sagen muss das ist der große Fehler dieses Systems, dass wir immer davon ausgehen, dass alle Kinder und Jugendlichen, die vor uns sitzen, normal sind, funktionieren. Erstens Also mit normal meine ich genauso funktionieren, wie es im Lehrbuch steht, und zweitens, dass alle gesund sind und voll funktionsfähig. Das ist das, das ist die Annahme, und diese Annahme ist die falscheste überhaupt. Ich bin mir zu 100 Prozent sicher, dass das auf die kleinste Gruppe, die man so formen kann, in der Schule zutrifft.

Speaker 2:

Ja, also, da bin ich auch der Meinung kann, in der Schule zutrifft. Ja, also, da bin ich auch der Meinung, und es gibt einfach auch zu viele dysfunktionale Familien, weil es das ein Kind da ja gesund rauskommt und gesellschaftskonform funktioniert.

Speaker 1:

Und ich kann sagen aus meiner Erfahrung, aus meiner persönlichen Erfahrung Und gesellschaftskonform funktioniert. Es sind nicht die lauten Kinder, es sind nicht die Störer, es sind nicht die, die uns in irgendeiner Weise vielleicht den Alltag erschweren als Lehrkräfte, es sind die ganz Stillen. Die sind die, wo wir wirklich überlegen müssen ist da vielleicht was zu Hause? Und das heißt jetzt nicht, dass immer bei jeder stillen Person automatisch was zu Hause nicht stimmt, das möchte, weil da vielleicht ganz viel zu finden wäre, oder Oder ist sie so leise, weil sie einfach so ist?

Speaker 2:

Da ist es dann schwierig, halt rauszufinden, aber da muss man ins Gespräch gehen, vertrauen aufbauen, vor allem.

Speaker 1:

Vertrauen aufbauen, vor allem Vertrauen aufbauen, ja Und immer. Diesen sicheren Hafen bieten Ich als Lehrkraft. Ich bin ein sicherer Hafen, ich bin verlässlich, ich bin vorhersehbar. Also meine SchülerInnen müssen immer wissen, wenn ich mit einem Problem zur Elfe gehe, zum Beispiel zu mir, dann nimmt die das ernst, das müssen die wissen.

Speaker 2:

Und meine Lehrer, das waren alles Urgesteine und Autoritätspersonen durch und durch. Und da baut man doch kein Vertrauen auf als Schüler.

Speaker 1:

Auf gar keinen Fall.

Speaker 2:

Abschlussfrage an dich, anki, wie lange bist du jetzt trocken, selbst reflektiert fast drei jahre, wo ich gesagt habe, das ist ungesund, das ist nicht normal. Und wieder trocken seit vier Wochen.

Speaker 1:

Herzlichen Glückwunsch. erstmal Also in den drei Jahren hatte ich zwei Rückfälle. Das gehört dazu. Ne, es gehört dazu. Heilung verläuft in wellen und nicht in einer geraden ich danke dir sehr für deine offenheit, für alles, was du hier erzählt hast es muss aus dem, aus der dap zone raus.

Speaker 2:

Ich bin der Meinung, es muss drüber gesprochen werden.

Speaker 1:

Ja, so ist es, ganz genau so ist es.

Speaker 2:

Um vielleicht irgendjemandem da draußen die Hand zu reichen.

Speaker 1:

Vielleicht kannst du ich glaube, du hast gerade das Gefühl, dass du das jetzt gerade noch loswerden kannst vielleicht.

Speaker 2:

Hast du vielleicht eine Nachricht an so junge Menschen, denen es vielleicht ähnlich geht wie dir, was sie tun können? Oh, wie fasse ich das jetzt in worte?

Speaker 1:

ja, ja, ich würde gern was sagen, aber mir fehlen gerade die worte. ich, ich finde, ich finde wichtig lasst euch von niemandem irgendwas einreden. Wenn es euch nicht gut tut, dann tut es euch nicht gut. und dann ist es wichtig, jemanden zu finden, dem man sich anvertrauen kann und der einen dann auch ernst nimmt, dass man das Problem angehen kann und nicht in sich hine nur in der Schule suchen kann, weil dort kann es passieren, dass wir leider auf Menschen treffen, die das nicht verstehen, was gerade los ist, und vielleicht haben wir auch zu Hause niemanden, aber es gibt Anlaufstellen, und das ist wichtig, das zu wissen ja, gibt an laufstellen, und das ist wichtig, das zu wissen.

Speaker 2:

Ja, was mir jetzt gerade noch einfällt in bezug auf alkoholkons. Und es gibt auch in größeren städten tatsächlich a, a teams für jugendliche.

Speaker 1:

Gut zu wissen und das findet man auch über die website der anonymen alkoholiker die verlinke ich jetzt einfach mal unten noch, dann ist es noch ein bisschen leichter, sie zu finden.

Speaker 2:

Ja, genau. Also, die AAs machen in der Regel keine Werbung.

Speaker 1:

Genau deswegen muss man sie aktiv suchen, und das ist auch richtig so.

Speaker 2:

Ich verlinke das jetzt einfach mal unten rein, und falls sich jemand so fühlt Weil die wenigsten auch wissen, dass es tatsächlich Gruppen für Jugendliche gibt oder junge Erwachsene.

Speaker 1:

Danke, danke, danke für das gesamte Gespräch, anki, ich danke dir Danke für deine Zeit.

Speaker 2:

Es war auf jeden Fall angenehm. Das freut mich sehr.

Speaker 1:

Mach's gut. Danke du auch. Tschüss, tschüss, tschüss. Heute gibt es ganz ungewöhnlich für meinen Podcast am Ende nochmal ein paar Worte von mir zum Thema Alkohol. Und zwar habe ich mich ein bisschen informiert. Ich habe die Alkohol-Survey von der BZGA rausgesucht, und zwar aus dem Jahr 2021 zum Thema Alkohol-Survey von der BZGA rausgesucht, und zwar aus dem Jahr 2021 zum Thema Alkoholrauchen, cannabis und die Trends. Und hier wird eben oder wurde herausgefunden, dass die 12 bis 17-jährigen Jugendlichen ca 60%, also 57,5%, haben schon Alkohol getrunken. 57,5 Prozent haben schon Alkohol getrunken, und so regelmäßig, dass eben 8,7 Prozent sprechen von regelmäßigem Alkoholkonsum, also zum Beispiel wöchentlich. Circa 3,6 Prozent haben so viel Alkohol getrunken, dass sie über dem Schwellenwert für gesundheitlich riskanten Alkoholkonsum Erwachsener lagen. Heute wissen wir, dass es keinen gesunden Alkoholkonsum gibt, auch für Erwachsene nicht, und deswegen muss ich leider ergänzen, dass tatsächlich in dem Fall 57,5 Prozent über dem Schwellenwert für einen gesunden Konsum gelegen haben. Im Übrigen sagen zwölf bis siebzehnjährigen Jugendlichen, dass sie in den letzten 30 Tagen einen Rausch, also Rauschtrinken, praktiziert haben. Das sagen elf Prozent.

Speaker 1:

Das ist ein riesengroßes Problem, und es ist ein Problem, das wir tatsächlich nicht ernst genug nehmen. Meiner Meinung nach. Es wird tatsächlich ich bin ja hier, jetzt lebe ich im ländlichen Bereich wie hier mit Alkohol umgegangen wird, von den Erwachsenen, aber auch mit Jugendlichen und Kindern. Das ist also unglaublich. Und es ist natürlich jetzt die Frage was kann man tun, wenn man jetzt Eltern hat, die das vielleicht nicht ernst nehmen, oder wenn man in einem Freundeskreis gefangen ist, in dem viele trinken, und man möchte dort irgendwie raus? Es gibt eine Internetseite, wo man zum Beispiel an Online-Meetings gegen Alkohol teilnehmen kann. Diesen Link, den habe ich unten in den Shownotes verlinkt. Da geht es um Alkinfo bei Kindern und Jugendlichen, heißt also alk-infocom slash, kinder und Jugendliche, und dort können sich eben Jugendliche online treffen, wenn sie das Gefühl haben, sie haben ein Problem mit ihrem Alkoholkonsum.

Speaker 1:

Dann gibt es Nummern, die wir anrufen können, wenn wir uns Sorgen machen und nicht so richtig wissen, wen wir ansprechen können. Das wäre einmal die Telefonseelsorge. Da gibt es zwei 0800 111 0222. Also die 0800 111 0111 oder die 0800 111 0222.

Speaker 1:

Und dann gibt es noch eine Nummer, die heißt Nummer gegen Kummer, eine Nummer, die sowohl für Kinder und Jugendliche existiert. Da ist immer von montags bis samstags jemand von 14 bis 20 Uhr erreichbar. Das Ganze ist anonym und kostenlos. Es kann also wirklich jeder dort anrufen und bekommt dort Unterstützung. Die Nummer gegen Kummer für Kinder und Jugendliche lautet 116 111. Ich sage es nochmal 116 111. Und dann gibt es auch noch eine Nummer gegen Komma für Eltern. Die ist immer von montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr, an Dienstagen und Donnerstagen sogar bis 19 Uhr erreichbar, und zwar ist das die 0800 1110 550. 0800 111 0550. Also nochmal 0800 111 0550. Wenn ihr euch Sorgen um eure Kinder macht und euch beraten lassen wollt, dann wäre das eine Nummer, die ihr anrufen könnt. Alle Nummern und die Zeiten, zu denen ihr diese Nummern anrufen könnt, auch die Internetseite, von der ich eben gesprochen habe, werde ich unten verlinken. Und jetzt wünsche ich euch noch einen wunderschönen restlichen Tag. Untertitelung des ZDF 2020.