
Kapierfehler - Neurodivergenz und Schule
Schule sollte bunt und vielfältig sein – ein Ort, an dem sich alle Menschen wohlfühlen können!
Ich bin Corina, Lehrerin und stolz darauf, anders zu sein. Mit 40 Jahren habe ich herausgefunden, dass ich neurodivergent bin, und seitdem hat sich mein Blick auf Schule und Lernen grundlegend verändert. In meinem Podcast setze ich mich für ein inklusives Bildungssystem ein, das neurodivergente Schüler*innen und alle mit besonderen Bedürfnissen besser unterstützt und wertschätzt.
Schüler*innen mit ADHS, im Autismusspektrum, Hochbegabung, Legasthenie (LRS) oder Dyskalkulie haben oft ein feines Gespür für die Schwächen unseres veralteten Schulsystems. Sie zeigen uns deutlich, wo Handlungsbedarf besteht. Statt sie als „Problemkinder“ zu sehen und ihre Herausforderungen zu pathologisieren, sollten wir ihnen mit Verständnis und Unterstützung begegnen.
Ob queer, autistisch, hochbegabt, neurodivergent, psychisch erkrankt, behindert oder mit spezifischen Lernbedürfnissen wie ADHS, Legasthenie, LRS, Dyskalkulie oder FASD – diese vielfältigen Menschen gehören in unsere diverse Gesellschaft und verdienen es, gehört und verstanden zu werden.
Hör rein und entdecke, wie wir Bildung bunter und gerechter gestalten können!
Kapierfehler - Neurodivergenz und Schule
72 - Das Tourette-Syndrom (1/2) - Marie "ticout"
Marie teilt ihre tiefgreifenden Erfahrungen mit dem Tourette-Syndrom und gibt Einblicke, die uns helfen, die täglichen Herausforderungen besser zu verstehen. In dieser Episode sprechen wir über die Rolle von Bewegungsspielen in Schulen und wie sie zur Inklusion beitragen können. Diese einfachen Pausen und Übungen helfen besonders neurodivergenten Kindern, ihre Bedürfnisse wahrzunehmen und darauf zu reagieren, was im hektischen Schulalltag oft zu kurz kommt.
Darüber hinaus beleuchten wir die schwierige Kunst des Versteckens und Maskierens von Tics und die immense Konzentration, die dies von den Betroffenen verlangt. Besonders Kinder und Jugendliche stehen hier vor großen Herausforderungen, die wir ausführlich diskutieren. Parallel ziehen wir Verbindungen zu den Erfahrungen autistischer Kinder und solchen mit ADHS, um die Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufzuzeigen und mögliche Unterstützungsstrategien zu erkunden.
Abschließend widmen wir uns den Erfahrungen von Erwachsenen mit spätauftretenden Tic-Störungen und reflektieren über die Veränderungen im Umgang mit diesen Symptomen im Laufe der Jahre. Marie inspiriert uns mit ihrer Geschichte eines erfolgreichen Neuanfangs und gibt wertvolle Tipps, wie man trotz aller Herausforderungen erfolgreich sein kann. Ihre Kontaktdaten finden sich in der Folgenbeschreibung für alle, die mehr über ihre Arbeit erfahren möchten.
Marie findest du hier: https://ticout.de/
Liebe Marie,
ich danke dir sehr, dass du bei mir warst und so offen über deine Diagnose gesprochen hast - das ist nicht leicht und das konnten wir hören.
Schick mir eine kleine Textnachricht ❤️
Hol dir mein Dokument für neuroinklusiven Schulunterricht!
Ich komme auch an deine Schule und bilde das gesamte Kollegium zu den Themen ADHS, Autismus & herausforderndem Verhalten in der Schule weiter!
➡️ Du findest mich auf Instagram unter @kapierfehler und auf meiner Website.
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Liebe Grüße,
deine Corina
Musik, so. So, also, einen wunderschönen guten Morgen wünsche ich euch allen. Guten Morgen, frau Elfe. Bevor es gleich losgeht, hier eine kleine Ankündigung, die total wichtig ist, weil ich bin ja jetzt in den zwei Wochen Rhythmus gegangen mit meinem Podcast und habe dadurch jetzt plötzlich einiges ansammeln können, was auch gut ist an Podcast-Folgen. Und nachdem ich aber zwei Folgen habe eine davon ist die, die ihr jetzt hören könnt, und die andere, die passt sehr, sehr gut dazu sind, nämlich die zwei Folgen zum Thema Tourette-Syndrom Werde ich nächste Woche, obwohl ich ja eigentlich im Zwei-Wochen-Rhythmus bin, nochmal eine Folge veröffentlichen, nämlich die zweite zum Thema Tourette-Syndrom. Das heißt, es gibt jetzt drei Wochen hintereinander eine Folge und dann wieder eine Pause. Das ist wichtig zu berücksichtigen.
Speaker 1:Alles andere erklärt sich jetzt. Vielleicht kann ich tatsächlich noch ganz kurz ankündigen oder sagen, erklären, wieso das jetzt so lange gedauert hat, dass ich endlich zu diesem Thema GesprächspartnerInnen gefunden habe. Mir wurde schon mehrfach gesagt, wenn ich das Thema Neurodivergenz beleuchte, dann brauche ich doch dringend auch noch den Einblick Tourette-Syndrom, und das ist absolut richtig. Natürlich braucht es dringend diesen Blick. Nur, ich kenne keine eigene Person. Also ich kenne keine Person, die vom Tourette-Syndrom betroffen ist oder die diese Diagnose hat und die berichten könnte.
Speaker 1:Das heißt, das Einzige, was ich tun kann, ist, im Podcast aufrufen, was ich schon ein paar Mal gemacht habe, und über Instagram aufrufen, was ich auch ein paar Mal gemacht habe, und leider hat sich bisher niemand gefunden gehabt sondern kümmert sich jetzt eben um Familien und Kinder, die das Tourette-Syndrom haben, und begleitet diese auf ihrem Weg zu mehr Verständnis eben zu sich selbst und zu diesem ganzen Syndrom und vor allem auch, wie sie eben damit umgehen können für sich. Ja, und die wurde mir empfohlen, und das Schöne ist, ich habe ihre Homepage gefunden, die ist unten verlinkt, und ich habe sie direkt angeschrieben und habe gesagt ey, könntest du dir nicht vorstellen zu berichten? Und sie hat sofort geantwortet. Wir haben dann einmal miteinander telefoniert und konnten dann tatsächlich ihre Bedenken und Sorgen klären, und jetzt ist sie da. Und jetzt ist sie da, und bevor ich noch länger rumquatsche, ich freue mich eben wahnsinnig darüber, dass ich endlich zu dem Thema Tourette-Syndrom auch etwas beitragen kann, und dann gleich mit zwei Folgen, die sich sehr voneinander unterscheiden.
Speaker 1:Mit Marie bekommen wir jetzt einen etwas professionelleren Einblick im Sinne von ja, wir werden eher über das Syndrom an sich sprechen und auch ein bisschen über eigene Erfahrungen, nachdem Marie natürlich auch selbst betroffen ist vom Tourette-Syndrom, sich aber einfach auch schlecht erinnern kann an viele Situationen und an ihr Innenleben, und dann wird es nächste Woche eine Folge geben mit Leonie, und Leonie kann das gesamte Innenleben total gut wiedergeben und kann ganz viel dazu berichten, wie sich das für sie anfühlt und welche Strategien sie gefunden hat und so weiter, damit umzugehen.
Speaker 1:Zusammen ergeben sie ein, finde ich, wunderbares Bild zum Thema Tourette-Syndrom, und deswegen danke ich jetzt schon im Voraus beiden, aber natürlich hier in dieser Folge im Besonderen Marie, dass sie sich bereit erklärt hat, darüber zu sprechen. Und ja, ich wünsche allen, die zuhören, jetzt, ganz viel Freude beim Zuhören, und ich freue mich sehr, wenn ihr Kommentare dalasst unter der Folge, wenn ihr meinen Podcast abonniert und ihn teilt und Bewertungen schreibt bzw Bewertungen dalasst. Es ist wichtig für die Sichtbarkeit dieses Podcasts. Ich schicke euch ganz liebe Grüße. Ich schicke euch ganz liebe Grüße wie ADHS und Autismus ganz weit an der Spitze. Da gibt es ganz, ganz viel Aufklärung zu.
Speaker 1:Wir wissen aber, da gehören noch viel mehr Gruppen mit rein, wie zum Beispiel die Menschen, die Dyskalkulie haben, die LRS haben, menschen mit einer Dyspraxie, mit einer Synesthesie, menschen aus dem FASD-Spektrum und halt eben Menschen mit Tickstörungen und Tourette-Syndrom. Und endlich spreche ich mit einer Person, die sich da richtig gut auskennt. Hallo Marie, ich freue mich ganz arg, dass du da bist. Hallo, schön hier zu sein, und vielen Dank für die Einladung. Wir haben im Vorfeld ganz kurz geklärt, ob das für dich in Ordnung ist, wenn du dich so ganz offen vorstellst, und du sagtest ja, das kannst du machen.
Speaker 2:Also sag mal ganz kurz was zu dir, damit wir wissen, mit wem wir hier sprechen. Genau, ja, hallo an alle. Ich bin Marie, ich bin 34 Jahre alt, wohne jetzt hier unten im schönen Baden-Württemberg, freue mich, hier zu sein. Genau, und ich kenne mich mit Tourette aus, weil ich selbst Betroffene bin. Ich habe vor 25 Jahren, also als ich neun Jahre alt bin, die Diagnose Tourette-Syndrom bekommen, und genau, ich denke, wir werden heute darüber sprechen, wie sich das so im Laufe meines Lebens gezeigt hat.
Speaker 2:Genau, ich habe dann mein Abitur gemacht, habe Lehramt studiert und war in den letzten zehn Jahren tätig als Lehrerin in einem Gymnasium in Hessen, und ja, bin jetzt ganz neu unterwegs, habe mich jetzt selbstständig gemacht mit meinem Herzensprogramm, meinem Herzensprojekt, und zwar meinem Programm TickOut. So heißt mein Unternehmen. Ja, und da biete ich eben Familien, betroffenen Kindern Hilfe an, die die Diagnose Tourette-Syndrom bekommen haben oder kurz vor der Diagnostik stehen. Ja, alles, was zum Thema entspannter und selbstbewusster Umgang mit Tickstörungen und Tourette gehört, da biete ich meine Hilfe an, weil sich einfach eben gezeigt hat, dass da Bedarf besteht und dass sich doch viele sehr hilflos fühlen, wenn sie, wie gesagt, die Diagnose bekommen haben oder die Diagnose noch aussteht lese und mich informiere.
Speaker 1:Es gibt sehr viele Facetten von Tourette-Syndrom und einen schleichenden Übergang auch zwischen diesen Tickstörungen und dann vielleicht doch noch mehr oder nicht noch mehr oder keine Ahnung. Diese Fragezeichen, die diese Eltern dann auch mit sich rumtragen, die wollen beantwortet werden. Und dann stellt sich natürlich im zweiten Fall noch die Frage was können wir denn tun, um unseren Kindern zu helfen? Und ja, ich finde es total gut, dass du das machst, weil es braucht auch diese ganz schnellen und kurzen Wege, Und das ist meistens über die offizielle Diagnostikstelle und über offizielle Stellen nicht ganz so leicht zu bekommen. Deswegen danke dir.
Speaker 2:Ja genau, dass diese Diagnostik überhaupt gestellt werden kann.
Speaker 1:Oh ja, da kannst du gleich uns ein bisschen mitnehmen, wie das aussieht. Du bist nicht mehr Lehrerin, wir brauchen da auch nicht groß drüber sprechen, warum nicht? Also es gibt so viele Gründe, warum man, glaube ich, nicht mehr in diesem Schuldienst ist, und ich weiß aber trotzdem. Also kann ich tatsächlich aus ganz persönlicher Einstellung heraus sagen, der Weg daraus ist nicht leicht. Also das ist wirklich eine Entscheidung, eine große Entscheidung, und wenn die getroffen ist, dann gibt es genug Gründe, dass man das eben wirklich liegen lässt. Ich finde total cool. Also, wie gesagt, du hilfst ja jetzt Familien und Kindern und Jugendlichen im Umgang mit ihrem Tourette-Syndrom oder mit Tickstörungen in der Schule, und du warst aber selbst Lehrkraft in der Schule, und das ist eben so wertvoll, finde ich. Was hast du für dich aus genau dieser Perspektive mitgenommen, dass du eben Lehrkraft gewesen bist für diese Arbeit, die du jetzt machst.
Speaker 2:Vielleicht da noch zur Erklärung Also, mein Angebot ist nicht medizinisch oder therapeutisch, sondern basiert auf emotionalen oder auf einer emotionalen und pädagogischen Unterstützung. Ja, und meine ganze pädagogische Erfahrung in den letzten zehn Jahren, meine pädagogische Ausbildung fließt damit rein. Ja, also gerade wenn es um Bedürfnisorientierung von Kindern geht, dass Schule einfach mehr ist, als nur Leistung erbringen zu müssen, sondern dass es auch darum gehen darf, dass sich Kinder wohlfühlen, dass man eine Lernatmosphäre schafft, in der man gut arbeiten kann, und genau so das nehmen wir mit in das Coaching dass wir Wohlfühlumgebung schaffen. Wie kann das aussehen? dass wir Zeiten der Entspannung schaffen Das darf man auch in der Schule tun dass es nicht nur die Leistungsphasen gibt, sondern auch Übungsphasen, auch Momente der Pausen, die man ganz bewusst lernen darf, einzubauen.
Speaker 2:Und ich finde es ganz, ganz wichtig, dass ja ich sage jetzt mal wir Lehrer, weil ich zähle da schon auch noch mit dazu dass die Kinder heutzutage beibringen, auch Pausen einzubauen. Und das ist natürlich für Kinder, die neurodivergent sind Und wir sprechen heute über Tourette, also Kinder mit Tourette Umso wichtiger, dass sie das lernen dürfen, auf ihr Bedürfnis zu hören, eine Pause machen zu dürfen oder sich bewegen zu dürfen, also einfach ihren Bedürfnissen nachkommen zu können.
Speaker 1:Oder sich bewegen zu dürfen, also einfach ihren Bedürfnissen nachkommen zu können, Ja ganz wichtig Und trotz allem ich würde sagen, ein weiter Weg, das auch KollegInnen mitzugeben. Denn dieser Stress, den ja doch sehr viele haben in ihrem Schulalltag, der überträgt sich ja eins zu eins auf die ganzen Kinder und Jugendlichen, die da drin sitzen. Man hat ja gefühlt überhaupt keine Zeit für eine Pause, weil man ja gefühlt überhaupt nie durchkommt mit dem ganzen Stoff und so weiter. Also es ist schon ein Riesendruck im Kessel Schule, finde ich, Und das ist eben kein Wunder, dass die neurodivergenten Kinder jetzt gerade die sind, die eben aufzeigen, dass es so nicht weitergehen kann.
Speaker 2:Ja, da bin ich ganz bei dir, Viele Fachlehrer haben dafür keine Zeit. Vielleicht hat man als Klassenlehrer nochmal eine Stunde, die man nutzen kann, wenn gerade nichts Organisatorisches ansteht. Aber ich finde es so wichtig, dass man da immer offener dafür wird und vielleicht doch mal versucht. Vielleicht gibt es diese fünf Minuten, diese fünf Minuten in einer Doppelstunde, diese zwei Minuten in 45 Minuten irgendwie ein bisschen Zeit, und es gibt den Kindern so unglaublich viel. Das ist so meine Erfahrung. Es gibt ihnen unglaublich viel, und sie lernen was fürs Leben. Das ist ein Zitat, was F, fünf Klässler vorgebracht haben, dass sie einfach was fürs Leben lernen und da sehr dankbar sind, und das ist einfach schön, wenn auf dieser emotionalen Ebene auch etwas zurückkommt, was jetzt nichts mit Leistung zu tun hat.
Speaker 1:Ich kann mir vorstellen ich hatte das zwar jetzt gar nicht eingeplant, aber es hören ja doch auch einige Lehrkräfte diesen Podcast hier. Ich kann mir vorstellen, dass die jetzt direkt sagen na super, und wie soll ich das jetzt machen? Also, wie mache ich jetzt in 45 Minuten zwei Minuten Pause? oder wie mache ich in einer Doppelstunde mal fünf Minuten Pause? Kannst du uns kurz mitnehmen, wie du das gemacht hast?
Speaker 2:Ganz einfache Bewegungsübungen. Also ich bin ein Mensch, der Bewegung liebt und auch braucht, allein für mich schon. Ich habe die Kinder dann einfach ganz oft mitgenommen, indem kleine Koordinationsübungen oder so kleine Energizer, kleine Spielchen, die wirklich nicht länger als fünf Minuten dauern, das können Balanceübungen sein. Also man muss natürlich auch aufpassen, dass das jetzt keine Sportaktivität wird, weil wir dann wieder rechtlich da in so eine Grauzone kommen, aber irgendwie auf einem Bein stehen, mal mit Augen zu und sich darauf fokussieren, oder ja irgendwie so eine Partnerübung, wo man ein Mäppchen sich über den Kopf unter den Beinen hindurch, rechts oder links am Körper entlang geben muss. Also so ein bisschen Koordinatives kann man relativ viele kleine Übungen machen, und die Kinder sind unglaublich dankbar, wenn sie von diesem Stuhl mal aufstehen dürfen und sich bewegen dürfen. Und wenn man das so etabliert, dann läuft das auch irgendwann ganz ohne dass der Lehrer das anleiten muss, sondern das können die Kinder dann sogar selbst, sodass man als Lehrperson auch diese zwei Minuten Zeit hat, mal in den Hintergrund zu treten und sich selbst eine Pause zu gönnen.
Speaker 1:Das heißt, du sagst dann einfach wir machen kurz zwei Minuten Pause, und dann wissen die schon, jetzt könnte ich das machen, oder jetzt könnte ich da machen, und du kannst dich einfach auch kurz rausnehmen.
Speaker 2:Ja das auf der einen Seite. Wir haben viele Atemübungen gemacht. Dann kam ganz oft können wir nicht atmen. Dann habe ich einen gebeten, eine Atemübung vorzumachen, Die anderen haben es nachgemacht. Oder ich sage einfach wir machen eine Pause, Und das und das Spiel, wer leitet es an? Also so schon konkret, dass man das mit reinwirft, dass es nicht so ein unkontrolliertes Wirrwarr und doch irgendwie. wir machen keine richtige Bewegungspause, sondern schon was Fokussierteres, und es klappt ganz gut. Also ich habe da sehr, sehr gute Erfahrungen gemacht. Dauert natürlich einen Moment, bis man das etabliert hat in so einer Klasse.
Speaker 1:Ja, na klar, Aber das ist ja immer mit allem, was man so mitbringt. Also ich habe ja immer zum Beispiel diese Fidget Toys mit im Unterricht, und am Anfang je nach Klasse, je nach Klassenstufe, kann das auch zu mehr Unruhe führen, als wenn wir das nicht anbieten. Das kann sein. Ich könnte mir vorstellen, dass auch so eine Bewegungspause ganz am Anfang unter Umständen dazu führt, dass man sie wieder versuchen muss, ruhig zu bekommen, weil sie dann so vielleicht ein bisschen aufdrehen. Aber wenn wir da rein investieren und nicht sofort aufgeben, sondern sagen, okay, dann probieren wir es jetzt heute mal so und das von vornherein vielleicht auch kommunizieren Das letzte Mal haben wir lange gebraucht, um wieder reinzukommen. Jetzt probieren wir wirklich nur die zwei Minuten und danach wieder weiterzumachen. Es wird besser, es funktioniert, und das ist etwas. Wir investieren dann in etwas, was uns danach Erleichterung bringt, Und das ist halt das, was wir so mitnehmen dürfen.
Speaker 2:Dazu noch was auch sehr gut funktioniert, sind so kleine Atemübungen, also gerade auch vor Klassenarbeiten, dass man den Kindern auch so ein bisschen Affirmationen spricht, dass man den Kindern Mut mitgibt, weil so viele ja gerade ich habe Mathe unterrichtet, gerade im Matheunterricht herrschen ja ganz viele Ängste vor. Ich bin gut vorbereitet, ich habe gelernt. Alles, was ich weiß, kann ich jetzt gleich abrufen Einfach diese zwei Minuten innehalten mal vor so einer Arbeit, um den Fokus auf das zu lenken, was jetzt passiert. Dann ist die Arbeit halt eben nur 43 Minuten lang, dann hat man diese zwei Minuten Zeit. Aber wenn man das möchte, dann kann man das auf jeden Fall irgendwo abzwacken. Und ich würde alle da draußen, die das anhören, ermutigen probiert es einfach mal aus, und es gibt auch Dinge, die nicht funktionieren, und dann überlegt ihr euch was Neues.
Speaker 1:Und ja, eine ganz wertvolle. Erfahrung So ist es ja. Da könnte man auch noch reingehen in dieses ganze Thema Stress und wie man da Erleichterungen bringen kann. Vorklassen arbeiten, wow. Also, da habe ich auch so viel ausprobiert in den letzten Jahren. Aber da weichen wir, glaube ich, jetzt zu weit ab von dem, wo wir heute hinwollen, nämlich zum Thema Tourette-Syndrom. Wenn wir jetzt mit dir sprechen, oder wenn ich jetzt mit dir spreche, dann hätte ich im Leben nicht den Eindruck, dass du Tourette-Syndrom hast.
Speaker 2:Ja, das sagen viele.
Speaker 1:Ja, und obwohl du ja also klar, du kennst dich gut, du weißt auch gut, wie du damit umgehen kannst, und das ist ja auch ein langer Weg gewesen. Also wir springen gleich mal zurück in deine Kindheit. da war das da, aber du hast ja die Diagnose, und das ist da. du hast das Tourette-Syndrom, nur, man sieht das nicht Undte-Syndrom aus. Also, vielleicht gehen wir da in die Diagnostik rein. Wann wird sowas gestellt, und wie kommt es dazu, dass wir das jetzt bei dir nicht hören oder auch sehen?
Speaker 2:Wie kommt es dazu, dass wir das jetzt bei dir nicht hören oder auch sehen? Genau, also, tourette-syndrom ist ja so definiert, dass es eine neuropsychiatrische Erkrankung ist, die sich durch das Auftreten von motorischen und vokalen Tics kennzeichnet, und für die Diagnosestellung sind eben drei Faktoren wichtig. Ich habe das auch nochmal nachgelesen, dass es ein Erkrankungsbeginn im Kindes und Jugendalter ist. Also man sagt, zwischen fünf und sieben, zwischen sechs und acht Jahren. Tritt das das erste Mal auf, sollte es so mindestens ein Jahr schon bestehen, sag ich mal. Und Häufigkeit und die Art der Tics variiert auch. Also, es ist nicht nur ein Tic, sondern es sind mehrere Tics.
Speaker 2:Ich glaube, in manchen Literaturen ist auch davon gesprochen, dass man sagt, mindestens zwei motorische und eine vokale, ein Vokaler-Tic, genauick über mehr als ein Jahr. Und wie ich das immer beschreibe das ist jetzt meine persönliche Meinung und Erfahrung es gibt eine laute Tourette-Seite und eine leise Tourette-Seite. Ich nenne sie mal die stille Tourette-Seite. Also, laut ist all das, was man sieht. Das sind vokale Tics, und ich glaube, das, was in der Gesellschaft als Tourette anerkannt ist, ist genau das, das laute Schreien von Schimpfwörtern, das unkontrollierte laute Schreien, und ja, das ist das, was so gesehen wird und wo man dann direkt die Verknüpfung hat zu Tourette, vielleicht auch dann noch, wenn jemand motorische Tics zeigt, ja, wobei das schon eher dann anders beäugt wird. Aber es gibt noch so viel mehr. Es gibt, wenn man sich das wie so ein Eisberg vor Verhalten.
Speaker 2:All diese Dinge man sagt auch Komorbiditäten also gehen oftmals mit dem Tourette-Syndrom einher. Man definiert das nicht direkt zum Tourette-Syndrom, aber man sieht da eine ganz enge Verknüpfung mit dem Syndrom. Das können Stimmungsschwankungen sein, das kann so viel mehr sein, und eben auch ADHS. Adhs ist, glaube ich, so die häufigste Komorbidität, und das ist so gerne das, was ich als stille Seite bezeichne. Es ist ein Gefühl, das im Körper ist. Man spricht ja Menschen mit Tourette-Syndrom auch ein Vorgefühl zu, dass man sagt okay, bevor dieser Tick kommt, spürt man ein Gefühl im Körper. Dieses Gefühl ist bei jedem ganz individuell, und dann kommt der Tick praktisch raus. Ja, auch das ist etwas, was man nicht sieht. Und ja, worauf? ich finde es ganz wichtig, dass wir darauf Wert legen, dass diese Dinge auch da sind und nicht nur das, was man eben sieht oder hört.
Speaker 1:Ich kann mir vorstellen. Danke für diese Ausführung. Ich finde das ganz erstaunlich, dass du sagst, adhs ist eine häufleiten würden auf gar keinen Fall das als etwas Stilles bezeichnen. Aber na klar, also, es geht ja um diese verbalen Tics und um die körperlichen Tics, wobei da hast du absolut recht die werden häufig ganz anders betrachtet. Tics wobei da hast du absolut recht, die werden häufig ganz anders betrachtet. Oft wird dann gesagt, er hat halt gerade viel stress, wenn jemand so ein tick entwickelt. Aber diese verbalen tics ist eigentlich das, was wir am häufigsten mit tourette in verbindung bringen, und das ist doch noch mal was ganz anderes als jetzt eine adhs, klar, auf jeden Fall.
Speaker 2:Vielleicht dazu noch. was ich eher meine, ist auch dieses Gefühl, dieses Gefühl der Hyperaktivität. Da hatten wir ja auch diese Unruhe im Körper. Vielleicht nehmen wir das eher, um das auf diese stille Seite zu packen, Genau.
Speaker 1:Ja, absolut, und mein ADHS hat auch eine stille Seite. Also, ganz viele Menschen, die ADHS haben, sind verträumt und leise und angepasst, und innen drin brodelt der Vulkan. Und manche kriegen das dann hin, dass sie das immer unterdrücken, und dann zeigt sich das halt an ganz schlechten Komorbiditäten, an ganz schlechte Kompensationsstrategien, schlechten Komorbiditäten, dann ganz schlechte Kompensationsstrategien, die sich da irgendwann im Laufe des Lebens entwickeln, um diese Unruhe, die da innen drin ist, wieder runterzudrücken, und bei anderen knallt es halt dann mittags, wenn sie nach Hause kommen. Ja, gibt es das auch beim Tourette-Syndrom? Also gibt es auch Kinder und Jugendliche, die es zum Beispiel schaffen, ihre Tics jeglicher Art, also die akustischen und die körperlichen, im Laufe eines Schulalltags zu unterdrücken, um dann eben nachmittags all das rauszulassen. Gibt es das?
Speaker 2:Ja, da kann ich mich als Beispiel auf jeden Fall nehmen. So eine Schülerin war ich, und ich darf ja jetzt schon ein paar Familien begleiten in meinem Coaching. Auch Eltern berichten davon, dass viele Tics nachmittags zunehmen, besonders stark sind im Vergleich zu dem Morgen, also wie man in den Tag gestartet ist, oder dann auch abends. Das berichten einige Eltern, und ja, so kann ich aus der eigenen Erfahrung sagen, das ist eine Strategie, würde ich mal sagen, die ich da perfektioniert habe in der Schule, dass ich eben so wenig Tics wie möglich zeige. Ich kann natürlich nicht beurteilen, wie viele waren das, wie viele kamen daraus, aber ich weiß, dass meine Lehrer berichtet haben, dass sie es nicht wahrgenommen haben, dass ich irgendwelche Tics zeige, und es war in einer Phase also es war gerade im Übergang zur weiterführenden Schule mit zehn Jahren die sehr extrem war, und ich bin mittags nach Hause gekommen, und dann bin ich im wahrsten Sinne des Wortes ausgetickt, und Hausaufgaben machen, konzentriert, war erst mal sehr, sehr schwer Und genau. Also ja, ich kann das bejahen, was du da gerade gefragt hast.
Speaker 1:Ja, das ist doch krass. Also, das heißt, wir könnten unter Umständen auch Kinder und Jugendliche in der Schule begleiten, die ein Tourette-Syndrom haben, die wir aber so nie erkennen im Laufe unserer Schulzeit.
Speaker 2:Würde ich nicht ausschließen. Also eine Anekdote kann ich vielleicht erzählen von mir Es gab Momente, wo ich ganz stark getickt habe. Ich glaube, es ging um meinen Arztbesuch. Ich habe ganz stark getickt, und in dem Moment, wo ich dann vor dem Arzt saß, habe ich nichts mehr gezeigt. Also dieses, es ist möglich, bei mir war es möglich. Ich möchte das nicht generalisieren auf alle, das ist vielleicht immer von meiner eigenen Geschichte, und das kann bei anderen ganz anders sein, aber ich denke doch, das ist das, was ich aus meiner Arbeit jetzt auch erfahre. Jeder eignet sich in irgendeiner Form sage ich mal Strategien an, maskierungsstrategien, nennen wir sie so, kompensationsstrategien, wie auch immer, genau um nicht aufzufallen, weil das ist so das, was man eigentlich nicht möchte. Man möchte nicht auffallen, man möchte nicht beobachtet werden, weder im positiven noch im negativen Sinne. So war es bei mir. Einfach nur so mit der Masse mitschwimmen, das war so der größte Wunsch. Und einfach auch darüber nachzudenken, dass, wenn gerade Schulwechsel ist für Kinder eine Herausforderung, gerade auch für sehr empfindsame Kinder eine große Herausforderung, das ist eine Umstellung, und wenn die Leistungen im ersten Halbjahr oder auch im zweiten Halbjahr vielleicht noch nicht so super gut sind, sondern das Kind einfach immer durchkommt, dann kann da vielleicht auch mehr dahinter stecken, als nur derjenige, der versteht es nicht richtig, kommt nicht gut mit, sondern da kann, wenn ich jetzt an meine eigene Schulzeit denke, ein Kampf dahinter stecken. Also wenn man sich das so vorstellt man versucht, den ganzen Vormittag Tics zu unterdrücken und soll dann gleichzeitig lernen, dann versucht man wieder, irgendwie ruhig auf diesem Stuhl zu sitzen, obwohl eigentlich einem nach Bewegung ist, weil man gerade motorische Tics zeigen möchte, will, die sich äußern wollen.
Speaker 2:Und das erfordert eine immense Energie. Das ist unglaublich, Das ist so ein Konzentrationsakt und so eine Energieleistung. Und es ist völlig nachvollziehbar, dass diese Kinder dann nach Hause kommen und erstmal völlig platt sind, oder, was ich auch höre, dass sie teilweise stundenlang schlafen. Gerade Jugendliche da kommen dann noch mehr Prozesse dazu in der Pubertät kommen nach Hause und müssen erstmal zwei, drei Stunden schlafen, weil sie so erschöpft sind. Und das ist all das, was wir in der Schule einfach nicht mitbekommen, was wir nicht sehen, wenn wir nicht mit den Familien, mit den Kindern oder Eltern näher ins Gespräch gehen.
Speaker 1:Das ähnelt also wahnsinnig dem, was ich auch von autistischen Kindern und von ADHS-Kindern berichten kann. Das ist dieses ich habe eine motorische Unruhe, ich habe eine Impulskontrollproblematik. Ich versuche, das die ganze Zeit zu unterdrücken, ich versuche, die ganze Zeit stillzusitzen, und nach außen hin wirke ich aber wie jemand, der es nicht im Griff hat, also das Schulische halt nicht im Griff hat. Dabei ist das ja genau das Falscheste aller Wörter überhaupt oder Zuschreibungen vielleicht, die wir diesen Kindern geben können, denn die haben wahnsinnig viel im Griff, die kontrollieren sich ja wahnsinnig viel die ganze Zeit, nur passiert halt nicht das, was sich dann vielleicht die Lehrkraft gerade gewünscht hat. Nimm uns mal ganz kurz mit ins Innere, in dein Inneres. Wenn du dich da zurückerinnerst an die Schulzeit, wo du das so stark maskiert hast, dein Tourette, was waren da deine Gedanken in dir drin?
Speaker 2:Ja, also das, was ich eben schon sagte, nicht auffallen zu wollen, Natürlich hat man gemerkt, und wenn man neun Jahre alt ist, die Diagnose bekommt, ist man noch nicht auf dieser kognitiven Ebene, dass man da irgendwas reflektieren kann, sondern man ist einfach das pure Gefühl. Also Kinder, bis so die Pubertät beginnt, sind einfach das pure Gefühl, Und deswegen kann ich gar nicht viel sagen, was ich da gedacht habe, sondern einfach nur, was ich gefühlt habe. Und das war ein Ja immer ein Kontrollverlust. Wenn so ein Tick kam, war das ein kurze Zeitiger Kontrollverlust über den Körper, Und ich wusste nicht, was da passiert.
Speaker 2:Ja, ich habe das erst mal auf kognitiver Ebene überhaupt. Ich habe es nicht verstanden, weil ich einfach so sehr mit mir selbst beschäftigt war. Ich wusste auch nicht, soll man da mit Freundinnen drüber reden? was soll ich denen erzählen? Ich konnte das gar nicht so erklären, außer diese Emotionen, so ein Emotionsfeuerwerk so beschreibe ich das immer gerne was da in einem abging, abging. Ich habe gemerkt, wenn stressige Phasen waren. Ich habe gemerkt, wenn eben Phasen waren, wo es entspannter war, weil dann meine Tics mehr rauskamen. Es war auch immer so ein bisschen verzögert.
Speaker 2:In Stressphasen wurden sie weniger, aber dann in den Entspannungsphasen danach wurden sie mehr. Beispielsweise war das bei mir so. Es gibt aber auch Betroffene, die das genau andersrum berichten. Die sagen, in der Stressphase ist es mehr und dann in der Entspannungsphase auch erst mal, aber dann wird es weniger. Bei mir ebbte das dann auch natürlich irgendwann wieder ab, Aber in der Stressphase konnte ich das ganz gut weiß ich nicht wegdrücken, kontrollieren, wie auch immer man das beschreiben möchte.
Speaker 2:Ja, und das, wie gesagt, wie auch immer man das beschreiben möchte, Das, wie gesagt, deckt sich mit den Erfahrungen, die ich aus meinem Coaching habe, dass das auch die Eltern von ihren Kindern erzählen. Was ich gedacht habe, war eigentlich immer nur dieses Nicht-Auffallen-Wollen. Ich möchte nicht auffallen, ich möchte einfach nur eine Schülerin dieser Klasse sein. Natürlich wollte ich eine gute Schülerin sein, das war aber in dem Moment nicht möglich. Ich habe da immer mein Bestmöglichstes gegeben, jeden Tag. Lernen war einfach schwierig, lernen in Bewegung war super.
Speaker 2:Das haben wir dann irgendwann herausgefunden für mich, dass ich einfach sehr gut in Bewegung lernen konnte oder mit klassischer Musik im Hintergrund, dass mir das sehr gut geholfen hat. Also wir haben so unsere Strategien herausgefunden, um einfach diese Gefühle auch nicht in den Griff zu bekommen, aber auch Momente zu schaffen, wo man diese Gefühle leben kann und dann wieder mehr fokussieren kann auf das, was man jetzt machen soll, Hausaufgaben oder Schule etc. Aber was ich groß gedacht habe, kann ich tatsächlich so nicht formulieren. Scham war ein Gefühl, was auch vorgeherrscht hat, Ganz, ganz stark Scham und Schuldgefühle. Aber ich glaube, das ist etwas, was jeder Tourette-Betroffene auch kennt.
Speaker 2:Auch Eltern berichten es immer wieder, dass diese Schuldgefühle wer ist jetzt schuld daran, dass das ausbricht? sag ich mal, dass das ganz arg im Vordergrund steht, und da vielleicht jetzt einfach nur gerade als Botschaft keiner hat daran Schuld, Und das ist eine ganz, ganz wichtige Erkenntnis. Es trägt keiner Schuld daran, weder das Kind noch ihr als Eltern da draußen. Es gibt Fehler, die man im Umgang damit machen kann, ja, natürlich, und die wird auch jeder machen, Aber das ist okay und verzeiht euch das, Und ihr dürft lernen, einfach Schritt für Schritt damit zu wachsen und damit umzugehen. Und das ist, so glaube ich, mit eines der wichtigsten Dinge, die ich mitgeben möchte, dass diese Schuldfrage so ein bisschen an Schwere und Gewicht verliert, die man doch immer mit sich rumträgt auch immer mit sich rumträgt.
Speaker 1:Danke dafür. Ich bin mir sicher, dass das kann man nicht oft genug hören. Sagen wir es einfach mal so. Also wenn man das einmal sagt, wird das wahrscheinlich nicht ausreichen, als dass man das verinnerlicht. Aber wenn man das von ganz vielen verschiedenen Seiten immer und immer wieder hört, als Eltern von Kindern, die so anders sind, dass es einfach keinen Wert hat, sich da Schuld zu geben, und dass man auch einfach wirklich nicht schuld daran ist, ist ja auch nicht leicht, weil es gibt ja Menschen, die einem diese Schuld auch zuschreiben.
Speaker 1:Und das sind gar nicht so wenige. Und dann immer wieder bei sich zu bleiben und zu sagen ja, die haben keine Ahnung, ich mache es richtig, Das ist gar nicht so einfach. Ja, die haben keine Ahnung, ich mache es richtig, das ist gar nicht so einfach. Weißt du, was auf neurobiologischer Ebene bei einem Tourette-Syndrom los ist? Also wir sagen, ja, Neurodivergenz bedeutet, dass im Gehirn irgendetwas anders ist und dass diese Andersartigkeit des Gehirns, dieses andere Betriebssystem, nennen wir es mal so dazu führt, dass eben ein anderes Verhalten da ist oder eine andere Wahrnehmung der Umgebung oder ein anderes Reagieren auf Stress oder oder. Was genau weiß man denn über Menschen, die ein Tourette-Syndrom haben?
Speaker 2:Man kennt die Ursache tatsächlich noch nicht zu 100 Prozent. Man vermutet eine genetische Disposition, dass aber auch Umweltfaktoren eben dafür beitragen können, ob sich diese Disposition dann ja, ob die abgelesen wird, ob sie praktisch sichtbar wird oder nicht. Man vermutet ja auf biologischer Ebene im dopaminergen System, also Neurotransmittersystem, dass mit dem Dopaminausschüttung etwas, um das mal einfach zu halten nicht ganz so funktioniert, wie es bei normalen in Anführungszeichen oder nicht neurodivergenten Menschen passiert. Die Hauptursache hat man noch nicht definiert. Es gibt da verschiedene Theorien. Man sagt jetzt aber auch, dass es nicht nur Dopamin ist, sondern auch andere Neurotransmitter oder ein Ungleichgewicht von anderen Neurotransmittern da eine Rolle spielen. Also da ist man noch am Forschen, und das ist ganz spannend, das auch immer mal wieder so zu verfolgen. Also da kann ich keine eindeutige Antwort darauf geben.
Speaker 1:Ja, das ist so, das ist ja auch bei einer Hochbegabung zum Beispiel so. Da weiß man es ja auch nicht so richtig, man weiß einfach nur, es ist anders. Aber was genau? das muss man rausbekommen, und da sind wir ja tatsächlich bei, zum Beispiel ADHS deutlich weiter.
Speaker 1:Da wissen wir, da ist es der Neurotransmitter Dopamin und der präfrontale Kortex, der dadurch eben nicht so gesteuert wird, wie er eben bei Menschen gesteuert wird, bei denen das so alles vorhanden ist. Aber ja, das ist einfach ein Forschungsfeld, das ist offen. Ja, jetzt hattest du vorher gesagt, es gibt drei Faktoren, mit denen man eben an eine Diagnose für ein Tourette-Syndrom rankommt, und der erste Faktor war, dass es schon im Kinder und Jugendalter vorkommen muss, also dass es schon im Alter was sagtest du, zwischen sechs und acht oder zwischen sieben und neun auftreten sollte, sieben, unterschiedlich, je nachdem, welche Literatur man verwendet.
Speaker 2:Es gibt aber auch Patienten, klienten, menschen, wie auch immer man das nennt, bei denen diese Tickstörung erst im Erwachsenenalter auftritt, oder das Tourette-Syndrom. Das widerspricht ja jetzt dieser Definition, die ich praktisch jetzt noch mal nachgelesen habe. Wie gesagt, ich habe das auch extra mir nochmal rausgesucht. Also, das möchte ich diesen Menschen nicht absprechen, weil wenn das jetzt jemand hört, der sagt nein, ich habe das erst danach bekommen. Das ist schon auch möglich. Ich würde mal sagen, dass man das so formulieren kann in der Regel ja.
Speaker 1:Das würde sich auch sehr gut, finde ich, eingliedern in so diese ganze Thematik ADHS und im Erwachsenenalter gibt es das nicht, sondern das muss bei Kindern vorgekommen sein. Inzwischen weiß man halt, dass es Menschen gibt, die wirklich ganz gut maskieren können, die das so gut unterdrücken können, dass es eben eine ganze Zeit lang überhaupt nicht sichtbar wird nach außen, und dann irgendwann vielleicht durch fehlende Kapazitäten, durch fehlende Ressourcen, durch was auch immer, ist dieses Unterdrücken nicht mehr möglich, und dann kommt es plötzlich raus, diese Kompensation einfach nicht mehr möglich ist. Und das ist ja auch was, was ich so decken würde mit all den anderen Themen aus dem Spektrum oder aus dem Neurodivergenzbegriff, dass mich das nicht wundern würde, sagen wir mal so. Und aber jetzt auch, das ist jetzt nur ein Spekulieren und ein persönliches Zusammenfügen von Informationen, die ich eben jetzt ganz intensiv bekomme in den letzten Monaten und Jahren, wo ich mich mit den Themen auseinandersetze.
Speaker 1:Ja, das, spielt auch noch eine Rolle, wenn ich das gerade nochmal einwerfen darf Da wollte ich gerade hin, genau Da wollte ich gerade hin, genau, genau, und bei mir war eben diese Verbesserung vor allen Dingen in der Pubertät, dass es dann einfach besser wurde. Man sagt doch, dass einige sogar tickfrei sind, und ja, ich würde mich da jetzt dazu zählen. Nichtsdestotrotz gibt es eben noch Aspekte, die geblieben sind. Genau, und diese Reizoffenheit sagtest du noch Ja.
Speaker 2:Reizoffenheit, genau Sensibles Nervensystem, all diese Dinge auf die man einfach jetzt gerade als Erwachsener dann mehr achten darf.
Speaker 1:Ja, das glaube ich dir sofort. Ich wollte eben gerade darauf hinaus. Es ist total schön, dass du das jetzt gerade gesagt hast, weil erfahrungsgemäß meintest du, im Vorgespräch startet das dann so irgendwo im Grundschulalter. Ne, Ja, Und das ist ja auch ganz häufig so bei ADHS zum Beispiel. Also, ich ziehe jetzt einfach diese Parallelen, weil ich glaube, es gibt parallele Auslöser in Anführungsstrichen dieser Problematik. Also, kannst du dir erklären, weshalb das gerade in diesem Grundschulalter dann vielleicht zum ersten Mal auftritt oder vielleicht so verstärkt auftritt, dass das nach außen hin plötzlich sichtbar wird?
Speaker 2:Auch das kann ich generell nicht beantworten. Also, eine Erklärung habe ich dafür nicht. Ich kann es wieder nur an meiner eigenen Geschichte erklären warum, weshalb, wieso, wann es das erste Mal aufgetreten ist. Aber warum das bei anderen Menschen vielleicht auch in diesem Alter aufgetreten ist, das kann ich so pauschal nicht sagen.
Speaker 1:nein, Nicht sagen, nein, okay. also gibt es nicht Literatur, in der steht, dass diese Erhöhung des Drucks auf so ein Kind, wenn es eben nicht mehr bedürfnisorientiert lebt in Anführungsstrichen weil es Freizeit hat und über die eigene Zeit verfügen kann und eben auch wild sein darf und so weiter, das ist ja mit der Grundschulzeit häufig eingeschränkt, stark eingeschränkt, ja, und wäre für mich jetzt so ein Indikator. also zumindest sagen wir es bei ADHS ist so ein Ding. je nachdem, wie es in der Grundschule läuft, je nachdem, wie wild das Kind da noch sein darf, kann es sein, da kommen dann plötzlich diese für das Umfeld unangenehmen Symptome hervor.
Speaker 2:Das kann sein. Ich habe noch keine Literatur dazu gefunden, dass es da was gibt. Also, wenn jemand einen Tipp hat, sehr gerne an mich. Genau, also, das weiß ich, da bin ich ganz ehrlich. Es berichten auch Familien, dass die Tics schon beim 4-jährigen Kind aufgetreten sind oder beim 3-ährigen Kind. Also, das fällt dann wieder so ein bisschen raus. Aber auch da darf man überlegen okay, gibt es da andere Momente, in denen zu viel Kontrolle geherrscht hat in dem Leben des Kindes Du sprachst eben von Bedürfnisorientierung wird eingeschränkt oder ist nicht mehr so gegeben, bewegungsfreiheit etc. All das kann man vielleicht auch darauf übertragen. Und ja, gerade wenn es darum geht, gerade auch in meinem Coaching, ist es mir ganz wichtig, dass wir genau da wieder drauf schauen Was sind die Bedürfnisse und welches Bedürfnismuster so nenne ich das immer hat mein Kind Dass wir da den Blick drauf lenken und schauen, welches Bedürfnis ist? vielleicht das, was am schwersten ins Gewicht fällt? Also, wenn das nicht befriedigt ist, ist das vielleicht das schlimmste Übel oder das schlimmere Übel als ein anderes Bedürfnis. Beispielsweise die Thematik Hungergefühl. Also wenn wirklich die Basis nicht stimmt, also wenn ein Kind Hunger hat oder weil es das Frühstück in der Schule nicht gegessen hat oder abends zu wenig beim Abendbrot oder vergessen hat. Es kann ja alles Mögliche sein, aber wenn der Hunger nicht gestillt ist, kann dasor ist, alles, was Stress ist, verschlimmert Tics. Das ist meine Erfahrung, und das kann natürlich, das können intrinsische Faktoren, extrinsische Faktoren, das kann alles Mögliche sein.
Speaker 2:Eben ein Beispiel, was ich ganz, ganz häufig feststelle, und das passiert auch in der Grundschule Ein Kind ist in der Grundschule was ganz Neues, und dann vergisst zu essen oder keine Ahnung. Also, diese ganzen sind neue Abläufe, an die es sich gewöhnen darf, gewöhnen soll oder auch muss, und das ist eine Einschränkung. Vielleicht dann auch So erlebt es ein Kind, und ich kann mir das schon vorstellen, dass das eben mit dazu beiträgt, dass in diesem Alter Tics dann vielleicht das erste Mal rauskommen. Wissen tue ich es aber nicht.
Speaker 1:Okay, gut, Dann gehen wir jetzt mal kurz in deine Biografie. Das ist ja auch tatsächlich viel interessanter, weil du kannst uns ja tatsächlich konkret mit reinnehmen in deine Geschichte, Also wann das bei dir jetzt zum Beispiel na ja, was heißt zum ersten Mal aufgetaucht ist. das ist vielleicht auch ein schleichender Prozess, aber wann es zum ersten Mal so wurde, dass du so einen Leidensdruck hattest dadurch, dass du Tics entwickelt hast.
Speaker 2:Ja, also ich weiß nicht, ob es schleichend war, das könnten vielleicht meine Eltern jetzt beantworten. Ich habe eher so einen Tag als den Auslöser erlebt. Ich kann das tatsächlich nicht festmachen. An einem Tag Brauchte jetzt nicht groß auszuschmücken, nur ganz kurz zum Setting War ein Tag, an dem viele Termine anstanden, auf den ich mich sehr gefreut habe, sehr viel Vorfreude, also emotionale Erregung, einfach ja extreme Freude. Und da war ich eben schon immer ein Kind, das Emotionen stärker wahrgenommen hat als andere, würde ich mal sagen. Also, freude war bei mir nicht nur Freude, sondern übertriebene Freude, genauso wie die Trauer war, und ich habe mich eben sehr auf diesen Tag gefreut, hatte da verschiedene Veranstaltungen, war sehr getaktet an diesem Tag, und dann ist das so wie passiert. An diesem einen Moment sind dann diese Tics für mich spürbar aufgetreten.
Speaker 2:Ich weiß nicht, ob sie davor da waren, das kann ich nicht sagen. Ich weiß nur, dass ich es dann in dem Moment auf einmal gespürt habe und gespürt habe, eigentlich einen Kontrollverlust gespürt habe, und ich wusste nicht, was ich machen soll. Ich weiß noch, dass ich versucht habe, mich zu verstecken. Ich war nie so groß als Kind, ich war immer relativ klein. Also es ist mir ganz gut gelungen, mich da in der Masse so ein bisschen zu verstecken. Es war eine Veranstaltung mit mehreren Menschen, genau, also, das war so. Das Erlebnis war ein bestimmter Tag, an den ich mich erinnern kann. Und dieser Kontrollverlust, das ist eigentlich so das, was vom Gefühl her geblieben ist.
Speaker 1:Das bedeutet, du warst total aufgeregt, freudig aufgeregt, Und dann hast du gespürt. diese Aufregung, die erzeugt jetzt so Impulse.
Speaker 2:Energie, eigentlich eine unfassbare Energie im Körper, die irgendwie raus muss. Also, wenn ich das jetzt so reflektiert beschreiben würde, würde ich das, glaube ich, so beschreiben Energie, die sich aufstaut im Körper und die ihren Weg irgendwie nach draußen sucht.
Speaker 1:Und das war dann sowohl auf körperlicher Ebene als auch auf verbaler Ebene.
Speaker 2:Verbal weiß ich tatsächlich nicht. Ich hatte nie viele verbale Tics, ich hatte hauptsächlich motorische Tics. Motorische Tics, daran kann ich mich erinnern.
Speaker 1:Das heißt, dein Körper hat plötzlich Sachen gemacht, die du so gar nicht kontrollieren konntest, Genau die ich auch nicht kannte. Ja, Und immer und immer wieder im Laufe dieses Tages kamen immer wieder diese unkontrollierten Bewegungen.
Speaker 2:Genau, wenn ich in Bewegung war, war es besser, aber es gab eben auch die Momente des Stillstands des Stillstehen, sag ich mal, und da war es dann eben mehr. Das ist das, was ich jetzt, 25 Jahre später, noch weiß von diesem Tag Und war das dann auch in der Schule morgens.
Speaker 2:Und das ist jetzt etwas, da kann ich mich ganz schwer dran erinnern, beziehungsweise gar nicht. Ich kann mich an einzelne Momente erinnern aus dieser Zeit, aber ich kann dir keine Beschreibung geben, wie es jetzt so generell dann war, über Wochen oder Monate. Es gibt so einzelne Momente, die ich so gefühlstechnisch nacherleben kann, aber es gibt wenige Momente, wo ich dir jetzt sagen kann okay, in der Schule morgens habe ich mich so oder so gefühlt. Ich weiß, dass Schule einfach sehr schwierig war für mich, weil man still sitzen musste, genau, weil man sich kontrollieren musste. Das ist ja so das, was so verlangt wird von einem in der Schule, und ich habe schon immer sehr, sehr gerne gelernt. Also ich bin auch heute noch ein Mensch, der gerne lernt. Aber das ist mir einfach super schwer gefallen, weil mein Fokus einfach so ganz anders war.
Speaker 1:Klar, natürlich. Ich finde das auch so wichtig, das zu hören, dass du sagst das ist ja das, was von dir in der Schule erwartet wird, ist, dass du dich kontrollieren kannst. Ich bin mir ganz sicher, dass ganz viele das so gar nicht wahrnehmen würden, weil viele für sich vielleicht denken ja gut, dieses Stillsitzen, und dann kann ich mich ja melden, und dann kann ich ja mitmachen, und dann kann ich ja das gar nicht als so eine Einschränkung sehen. Weißt du, was ich meine? Ja, aber klar, wenn dein Körper und dein Bedürfnis und dein ganzes Sein eigentlich ganz anderes Setting braucht und will, und dann ist es natürlich ein sich immer einschränken müssen und sich immer kontrollieren müssen, um eben dem gerecht zu werden, was da von dir gefordert wird, nämlich sitzen, zuhören, mitschreiben, nachdenkenken, lernen, und das können wir auch mal ganz ehrlich sagen. Also, es wird vielleicht, je nachdem, wie schlimm das ist, darauf hinauslaufen, dass wir eher uns darauf konzentrieren, still zu sein, zu sitzen und nicht aufzufallen, dass aber vielleicht dann die Hirnkapazitäten dadurch auch einfach schon zum Großteil aufgebraucht sind.
Speaker 2:Ja, genau Das ist einfach ganz andere, dass das andere Energie zieht. Und deswegen auch nochmal, um so die Brücke zu schlagen zu dem, was wir am Anfang hatten, nochmal die Motivation an die Lehrer da draußen. Es gibt in jeder Klasse bestimmt mindestens zwei Schüler, die einfach denen eine Bewegungspause sehr gut tut, und ich würde behaupten, es sind nahezu 90 Prozent, denen es gut tut, und die anderen 10 Prozent kann man gerne mitnehmen, das sieht man ja auch schon. Die müssen die Bewegungsübungen vielleicht auch nicht so exzessiv mitmachen, aber einfach da genau diesen Raum zu schaffen, weil die Energie aufzuwenden, genau das, sechs Stunden am Stück ruhig da zu sitzen, 20 Minuten, sag ich mal, nur Pause zu haben, von dem man nochmal auf die Toilette gehen muss, und so weiter und so fort, da kann man seinem Bedürfnis nach Bewegung oder frische Luft oder sag ich einfach mal, nichtsdenken, ja auch nicht nachkommen. Deswegen ist es so wichtig, gerade um auch diese Kinder, die neurodivergenten Kinder, von denen man eben nicht weiß, dass sie es sind, die neurodivergenten Kinder, von denen man eben nicht weiß, dass sie es sind, irgendwie abzuholen und zu erreichen.
Speaker 1:Ja, um die müssen wir uns nämlich tatsächlich Gedanken machen, die, von denen wir es nicht wissen, dass sie es sind. Die anderen holen sich das ja auf irgendeine Art und Weise, und ja, das nervt, und die kriegen auch Ärger dafür, und das ist alles nicht in Ordnung, wie mit denen umgegangen wird. Aber es gibt auch eine große Riege an jungen Menschen, die da sitzen und dieselben Bedürfnisse haben, die aber so viel Kontrolle über sich haben und über ihren eigenen Körper haben und über ihr Verhalten haben, dass sie das eben nicht rauslassen können. Aber gesund ist das nicht auf lange Sicht. Ich finde das schon so erstaunlich. Also, ich will jetzt überhaupt nicht spekulieren, gar nicht. Aber wenn du sagst, du kannst dich an die ganze Schulzeit dann kaum noch erinnern, dann können wir uns ja nur im Geringsten vorstellen, wie viel Stress du gehabt hast in dieser Zeit.
Speaker 2:Ja, definitiv, wie gesagt, einzelne Momente sind da, auch Momente, wie vielleicht Lehrer dann reagiert haben. Also auch das gibt von Ignoranz bis hin zu, beobachtet zu werden, also wirklich das Gefühl, da unter Kontrolle, noch mehr Kontrolle zu stehen, weil man eben versucht, irgendwie ein Anzeichen zu finden, wie so ein Tick aussehen könnte oder sowas. Das ist dann das Gefühl, was bei mir ankam. Ob das wirklich so war, ist wieder das andere, aber das ist, kann ich aus, wie gesagt, nur aus eigener Erfahrung berichten. Das macht natürlich auch was mit einem, und wenn man versucht oder wenn man beobachtet wird das ist wieder das, man möchte nicht auffallen dann kontrolliert man sich noch mehr. Noch mehr kostet noch mehr Energie, genau, also ja, ich kann mich an das aus dieser Zeit einfach nicht mehr erinnern.
Speaker 1:Das ist der Grund, weshalb ich sage setzt ein ADHS-Kind nicht pauschal vorne in die erste Reihe, in die Mitte, weil genau das kann passieren, dass dann ein Gefühl von ich bin jetzt total im Fokus, alle sehen jetzt, wenn ich mich nicht kontrollieren kann, alle kriegen mit, wenn ich mich nicht richtig verhalte, und die Lehrperson hat mich die ganze Zeit im Blick.
Speaker 2:Ja, das finde ich einfach auch einen ganz wichtigen Hinweis, weil es, glaube ich, ganz vielen nicht klar ist, die das nicht nachempfinden können, die sich eine der essentiellsten Fragen Was brauchst du, was tut dir gut? Weil das Kind merkt ja selbst, dass es anders ist als die anderen, und man kann ja vielleicht auch im Rahmen des Unterrichts schon kleine Vereinbarungen treffen. Vielleicht ist es, dass diese Ermahnungen aufhören Jetzt sitzt doch mal still, jetzt hör doch mal auf. Sondern vielleicht ist es ein Handzeichen, vielleicht ist es ein Augenzwinkern, vielleicht ist es irgendwas, was das Kind nicht offensichtlich bloßstellt vor allen anderen, oder auch einfach, dass man dem Bedürfnis nach Bewegung mehr nachkommen kann, also auch da den Mut zu haben, da in das Gespräch mit auch einem zehnjährigen Kind zu gehen weil die können das auch ganz toll schon formulieren und da dran zu bleiben.
Speaker 1:Ja, danke. Also, wir springen jetzt nochmal ganz kurz zurück zu diesem Tag. Und du sagst also, an die Schule kannst du dich nicht erinnern. Aber mittags, da hat dein Körper plötzlich unkontrollierte Dinge gemacht, und du sagtest vorher, du hattest versucht, dich direkt zu verstecken. Wie hat dein Umfeld darauf reagiert? Kannst du dich daran erinnern, auf diese unkontrollierten Bewegungen, die dann da plötzlich stattgefunden haben?
Speaker 2:Also nachmittags war das ja meine Familie, die um mich rum war Und verständnisvoll, einfühlsam, also immer auch danach orientiert, was ich jetzt gerade brauche und was mir gut tut Viele Dinge ausprobiert Richtung Entspannungsmethoden. Also genau haben wir einiges ausprobiert, was mir sehr gut getan hat, um einfach so ein bisschen die Abwechslung zwischen Anspannung und Entspannung reinzubekommen. Die Abwechslung zwischen Anspannung und Entspannung reinzubekommen, und das ist auch, glaube ich, somit das Wichtigste. Was ich heute auch den Menschen mit einer Tickstörung oder Tourette mitgebe, plant, das plant Entspannungsphasen nach Anspannungszeiten. Das ist ganz, ganz wichtig, um eure Reserven aufzufüllen und dann wieder durchstarten zu können.
Speaker 2:Und da sind die Eltern einfach ganz wichtig an der Stelle, weil ein Kind erst mal lernt, sich über die Eltern zu regulieren, Weil es erst mal wie ein Spiegelbild ist. Deswegen darf ich da mit den Eltern arbeiten in meinem Programm, um ihnen da Unterstützung mitzugeben. Das heißt auch, wie kann man solche Entspannungszeiten integrieren? Das heißt, ich habe ein sehr verständnisvolles Umfeld. Ich habe da Gott sei Dank nie Mobbing erfahren auf diese Art und Weise, auch was meine Freunde angegangen ist, genau. Also da habe ich keine negativen Erfahrungen gemacht.
Speaker 1:Und trotzdem war es ja erstmal ungewöhnlich. Du hast ja trotzdem also du gingst ja auch in eine Diagnostik. Das heißt, es muss ja erstmal aufgefallen sein, dass es nicht mehr ich sage es jetzt in Anführungsstrichen normal ist, was da passiert. Konntet ihr das ab dem Tag irgendwie greifen, oder dauerte?
Speaker 2:das dann noch eine ganze Weile, bis ihr das Gefühl hattet nee, halt mal, da ist jetzt echt was los, wo wir uns kümmern müssen. Ja, also, meine Eltern beobachteten das dann natürlich und dauerte dann noch einen Moment, bis wir dann die Diagnostik haben machen lassen. Aber was sie beschreiben also da kann ich auch nur davon erzählen ist, dass ihnen das aufgefallen ist, dass sie natürlich erst mal nicht wussten, was passiert denn da jetzt überhaupt. Also diese Hilflosigkeit und das ist das, was alle Eltern berichten, mit denen ich bisher gesprochen habe Erst mal diese komplette Überforderung und Hilflosigkeit, weil es etwas Neues ist und man da erstmal gar nicht mit umgehen kann. Es hat dann ein paar Monate noch gedauert. Man braucht ja auch ein bisschen Zeit, Vorlaufzeit, bis man einen Termin in einer Sprechstunde bekommt. Teilweise müssen Betroffene bis zu einem Jahr warten, bis sie da überhaupt vorstellig werden. Können Betroffene bis zu einem Jahr warten, bis sie da überhaupt vorstellig werden können? Genau, Also hat einen Moment gedauert, und bis dahin war es eigentlich nur ein Reagieren auf die damals noch sehr, sage ich mal, variierenden Tics, die aufgetreten sind.
Speaker 1:Ja, das heißt, du hattest das dann oder ihr habt das als Familie beobachtet. Immer, wenn da irgendwie deine Emotionen stärker werden, egal in welche Richtung, dann hast du mehr körperliche Tics unterschiedlichster Art, und das war einfach nur so ein Wahrnehmen. Und ja, klar, hilflosigkeit bei den Eltern. Aber da steckten doch bestimmt bei euch allen noch weitere Gefühle hintendran. Also sagtest vorher klar Scham, du wolltest dich auch irgendwie verstecken. War irgendwann mal auch das Gefühl von Angst da bei dir?
Speaker 2:Bei mir nie, nie tatsächlich Also Angst in Bezug auf wie geht es jetzt weiter, oder sowas kann ich mich nicht erinnern. Es war natürlich eine Überforderung da mit dem, was ist Das hatte ich ja vorhin schon beschrieben Nicht zu wissen, was das ist, auch wenn das einen Namen hat. Das ist das Tourette-Syndrom. Aber auch da, das ist ja immer wieder, es fühlt sich ähnlich an. Aber auch in den ersten Jahren war es ja immer wieder neu und überfordernd. Ja, also bis sich der Körper so dran gewöhnt hatte an dieses Gefühl.
Speaker 2:Das hat natürlich gedauert und es dann auch irgendwie anz, zu sagen, okay, das ist jetzt der Ist Zustand, also das ist jetzt nicht nur eine Phase, wir machen da gerade eine Phase durch, das ist so eine typische Floskel, die man vielleicht das eine oder andere Mal schon gehört hat, wir machen da gerade so oder so eine Phase durch, sondern zu sagen nein, und spätestens, wenn die Diagnose dann gestellt ist das fällt einem dann meistens leichter, das dann so anzunehmen, zu sagen, das ist jetzt so, und damit gehen wir jetzt um, und zu schauen, wie kann ich damit umgehen.
Speaker 2:Und das geht einfach viel über Wissen und Verständnis, und das, wenn du nach Gefühlen gefragt hast, ist so Viele Eltern bemühen sich, die Kinder zu verstehen, und sie wollen ganz nah, sie wollen ihr helfen, und sie wollen dabei sein, aber auch das annehmen zu dürfen. Ihr könnt, wenn ihr selbst keine Tics habt, kein Tourette-Syndrom habt, ihr könnt es nicht zu 100 Prozent verstehen, weil ihr das nicht nachempfinden könnt, und das ist aber auch okay. Das ist okay, weil sonst verwischt dieses Mitleiden und Mitfühlen sehr schnell. Das anzunehmen Und auch aus Sicht der Kinder zu sagen, es ist okay, dass eure Eltern das nicht nachempfinden können, so können sie euch eine ganz andere Unterstützung und Hilfe sein. Und ich weiß, dass das ein sehr vorherrschendes Gefühl war.
Speaker 2:Dieses mich kann ja keiner verstehen, also dass ich mir das so sehr gewünscht hätte dass da jemand ist, weil einer mit Tourette, der wohnt halt nicht nebenan, sondern das ist ein bisschen weiter weg, und damals gab es wenig Angebote, das heißt, wir hatten keinen Kontakt zu Betroffenen, da einfach Anschluss zu finden das wäre vielleicht auch sehr positiv gewesen Und genau also dieses Gefühl dass man nicht zu 100 Prozent verstanden wird.
Speaker 1:Okay, ja, das Gefühl des Außerirdischseins, das so gerne beschrieben wird bei Menschen, die neurodivergent sind. Also, niemand versteht so richtig, wie ich bin, ja, ich ja selber auch nicht. Also, das ist ja auch immer noch das Interessante daran, dass man weiß, vielleicht, man hat da so eine Diagnose, aber was das jetzt konkret bedeutet und was da jetzt alles noch dazugehört, das ist ja irgendwie so unbekannt. Ja, und was ist auch vielleicht übrigens einfach ganz normal Mensch sein? Das kann man dann alles schon gar nicht mehr so richtig voneinander trennen. Also Entschuldigung, ja, danke, dass du das so berichtest, und ich kann mir vorstellen, dass das alles vielleicht doch noch mal ein bisschen länger gedauert hat, als das jetzt so scheint, weil ich meine, das muss ja durchaus auch eine ganze Zeit lang vorgeherrscht haben, diese körperlichen Tics, bevor eine Diagnostik überhaupt greift, bevor eine Diagnostik überhaupt greift. Hattet ihr für euch schon einen Namen?
Speaker 2:bevor ihr die Diagnostik gemacht habt. Nein, also, ich glaube, meine Eltern haben viel recherchiert, und das ist, was viele Eltern auch heute tun Und dann schon eine Vermutung haben. Aber wir haben das nicht. also nicht, dass ich wüsste, dass wir es groß thematisiert haben und dem einen Namen gegeben haben, schon bevor das Fest stand. Also Tics, das ist ja eher noch so ein alltäglicher Begriff, den man auch so hört. Ich glaube, das war schon bekannt, dass man sagt, das sind Tics. Aber dass wir dem vorher einen Namen gegeben haben, ist auch die Frage immer, inwieweit das sein muss. Also muss das Kind so einen Namen haben, erst mal. Also ich glaube, schon irgendwann ist wichtig. Aber es geht erst mal darum, mit diesen ganzen Emotionen klarzukommen Erst mal, was passiert da überhaupt, wie fühlt sich das an? Und wenn man das einigermaßen damit umgehen kann, dann denke ich, kann man weitergehen. gerade bei so jungen Kindern oder so kleinen Kindern Kann das auch so überfordernd wirken, wenn man dem direkten Namen gibt.
Speaker 1:Ja, ich denke nur, manchmal ist es eben so, dass man erst mit dem richtigen Namen versteht, was man überhaupt tun kann. Also, ganz oft stehen ja so diese Türchen der Unterstützung, die stehen ja erst offen, wenn man einen Namen hat, und davor ist es eine reine Vermutung. Und viele machen in der Zeit einer reinen Vermutung ganz wenig.
Speaker 2:Das ist meine Erfahrung jetzt Ja definitiv gerade aus Elternsicht. Da, denke ich, ist es relativ wichtig, dass sie frühzeitig wissen, in welche Richtung geht das denn hier? Aber jetzt wieder, wenn du mich aus Kindersicht fragst ich wurde auch immer wieder motiviert, mit meinen Freunden darüber zu sprechen, um ihnen das zu erklären, was das ist. Aber ich wusste gar nicht, was soll ich denn da erklären. Also für mich war es ja dann irgendwann auch Alltag, damit umzugehen. Aber ich konnte das ist das, was ich vorhin meinte ja nur aus der Gefühlssicht berichten, ja aus diesem, was zeichnet das Tourette-Syndrom aus? und so weiter und so fort. Das haben wir damals als Kinder ja gar nicht so groß verstanden, sondern für mich war immer nur irgendwie wichtig wie fühlt sich das an, und wie kann ich mit diesen ganzen Gefühlen umgehen?
Speaker 2:Für meine Eltern, für die Erwachsenen um mich rum, für die war es ganz, ganz wichtig zu wissen, was ist das, und was können wir tun? Natürlich klar, da gab es einfach vor 25 Jahren noch nicht so viele Möglichkeiten mit diesem. Was können wir tun, außer eine Diagnostik zu stellen und dann entweder medikamentös behandeln oder homöopathisch behandeln oder oder oder Ja, aber Vernetzung oder Hilfe, so wie ich sie jetzt beispielsweise anbiete, dass jemand ist, der aus der eigenen Erfahrung berichten kann, der sagt, ich bin selbst Betroffener, ich habe das miterlebt, ich kann euch da einfach eure Fragen beantworten. Das gab es so in dieser Form nicht, und ich glaube, das hätte einfach vielen geholfen.
Speaker 1:Und das ist das, was ich auch immer wieder höre Wie alt warst du an diesem Tag, an dem du das so für dich zum ersten?
Speaker 2:Mal wahrgenommen hast. Da musste ich so ich glaube, kurz vor meinem neunten Geburtstag.
Speaker 1:Also warst du noch ein Grundschulkind? Ja, dann sagst du, dann wurde das Alltag. Das heißt, dann waren diese Tics immer wieder da Auch, so dass es für deine Freundinnen zum Alltag wurde. Also, die haben die auch beobachtet und gesehen.
Speaker 2:Das kann ich so auch wieder nicht eindeutig beantworten. Wie gesagt, ich hatte keine negativen Erfahrungen damit, dass ich da irgendwie gemobbt gehänselt. Angesprochen wurde darauf. Das weiß ich nicht. Ich gehe davon aus, dass ich mich, auch wenn ich mit ihnen zusammen war, in irgendeiner Form kontrolliert habe.
Speaker 1:Okay, das heißt, für dich ist es tatsächlich so, dass das hauptsächlich ein Zuhause-Phänomen gewesen ist?
Speaker 2:Zuhause war es eher die laute Seite. Sind wir wieder zuhause, war es die laute Seite. Draußen mit anderen Menschen war es eher so, die stille Seite dieses mit den Gefühlen. Irgendwie die Gefühle kontrollieren und die Tics nicht zu zeigen, ja, aber das Gefühl, dieses Vorgefühl oder dieses Gefühl, tics ausführen zu müssen, das war schon immer da, das war immer da.
Speaker 1:Aber du hast es geschafft, meistens in Präsenz von anderen Menschen, das so weit zu unterdrücken, dass du für dich das Gefühl hast, da gab es jetzt nicht groß Gespräche, wurde es nicht darauf angesprochen von irgendjemandem. Man muss ja nicht gleich Mobbing erfahren, aber dass jemand fragt, sag mal, wieso machst du das denn immer?
Speaker 2:zum Beispiel, das gab es nicht Zumindest nicht, dass ich mich erinnern kann, also ich werde nicht alle Tics unterdrückt haben können, da bin ich ganz fest von überzeugt. Aber ich denke schon, dass gerade auch Kinder lernen, einfach, wenn sie sich sozial eingebunden fühlen wollen, dass sie einfach lernen, diese Tics zu regulieren.
Speaker 1:Und deswegen, wenn man da nach Hause kommt, dass diese Wohlfühlzone, das ist der Bereich, wo man so angenommen wird, wie man ist, im besten Falle, dass das dann eben deswegen so massiv erstmal rauskommt, gerade nach einem Schulalltag erst mal gut hingeschaut wo sind denn die Anspannungsphasen, also was genau bringt dich so sehr in Anspannung, und wo sind deine Bedürfnisse, und was können wir tun, damit du eben verhältnismäßig entspannt bleibst und nicht so viel damit struggelst? Das war so was, was du vorhin sagtest, dass ihr da als Familie so ein bisschen auf Spurensuche gegangen seid miteinander. Dann sagtest du, ihr habt herausgefunden, lernen in Bewegung tut dir gut, ja, und auch das Hören klassischer Musik. Jetzt muss ja irgendwann eine Kommunikation mit der Schule stattgefunden haben von Seiten deiner Eltern. Ich kann mir vorstellen, dass die Eltern, also deine Eltern, das auch berichtet haben. Wenn wir zu Hause also zum Beispiel in Bewegung lernen oder wenn wir klassische Musik anmachen, dann funktioniert es besser.
Speaker 2:Also gerade beim Schulübergang haben meine Eltern mit meinen oder mit meinen neuen Klassenlehrern, fachlehrern gesprochen. Die wussten Bescheid, aber es ist da nie in der Schule drauf eingegangen worden. Also, ich hatte nie ein Gespräch mit Lehrern oder das Gefühl, dass ich da in irgendeiner Form, ja, dass da auf mich eingegangen wird. Dieses Gefühl hatte ich nie.
Speaker 1:Das wurde also einfach weggeschwiegen, als gäbe es das nicht.
Speaker 2:Ja so von wegen, wenn man es nicht beobachtet, also wenn es, dann ist es ja nicht da, und dann muss ich nichts tun.
Speaker 1:Und kannst du dich erinnern, dass es dann irgendwie Gespräche, oder wurde dir das im Nachhinein berichtet, dass es Gespräche gab zwischen deinen Eltern und deinen Lehrkräften? Ja, Ja.
Speaker 2:Was waren das?
Speaker 1:dann so für Gespräche? Erinnerst du dich daran?
Speaker 2:Informative Gespräche waren das, aber was genau im Einzelnen? also, ich weiß, dass sie einfach darüber unterrichtet wurden. Ich glaube, sie hatten selbst keine Erfahrung bisher mit Kindern mit Tourette-Syndrom Oder besorgniserregendes, dass man als Eltern gerne kontaktiert werden möchte. Aber inwieweit das dann noch tiefer ging, das weiß ich nicht no-transcript. Nachteilsausgleich hatte man da so noch nicht auf dem Schirm, glaube ich. Nein, also, das gab es für mich nicht, wurde nicht festgestellt, wurde nicht festgehalten.
Speaker 1:Weil du berichtest ja jetzt schon. Also das, was ich jetzt so mitbekommen, das war für dich. Schule war schon ein Ort, dass sich unterdrückens, dass sich maskierens, da hattest du jetzt nicht eine gute Zeit.
Speaker 2:Ja genau. Also, Schule war immer sehr anstrengend für mich Vielleicht, wenn man jetzt mal gut und schlecht die Bewertung rausnimmt sondern es hat immer sehr viel Energie gekostet. Es war immer sehr anstrengend für mich und hat mich sehr gefordert, Und eben nicht nur aus der Sicht des Lernens, also dass mich das Lernen, der Schulstoff überfordert hat, sondern mich haben eben andere Dinge viel mehr gefordert in dieser Zeit.
Speaker 1:Ja klar, und heutzutage, ich meine ganz ehrlich, das ist jetzt auch nicht so ewig her. Also ja, es ist ein Stück zurück, aber es ist auch nicht so ewig her. Der Anspruch eines Nachteilsausgleichs, der wäre sicherlich da gewesen. auch damals schon, kann ich mir vorstellen.
Speaker 2:Bestimmt. Also, meine Eltern wussten das damals noch nicht, dass es das überhaupt die Möglichkeit gibt. Ich glaube auch nicht, dass sie darüber unterrichtet worden sind von den Lehrern, sonst hätte man das ja vielleicht in Erwägung gezogen. Also, darüber wurde nicht gesprochen. Da kann ich jetzt nur mutmaßen. Ich weiß nur, dass es für mich keinen Nachteilsausgleich gab.
Speaker 1:Also, wir hatten ganz am Anfang darüber gesprochen, dass es sicherlich Kinder gibt, kinder, jugendliche, vielleicht beobachten wir manchmal kleinere Tics. Also ich kann dir auf jeden Fall sagen, ich habe immer schon wieder mal Kinder unterrichtet, die mal so motorische Tics habe ich noch nie beobachtet. In der Schule bin noch nie gesehen, dass das jemand hat oder gehört, und auch die Diagnose Tourette-Syndrom kam mir jetzt bisher noch nicht vor. Aber es sind ja doch einige Kinder und Jugendliche davon betroffen, vom Tourette-Syndrom oder Ja, also man sagt ein Prozent der Bevölkerung, so ungefähr ja sind davon betroffen.
Speaker 1:Das würde ja heißen, auf einer Schule. Also, wenn wir jetzt mal in eine Grundschule reingehen, weil klar danach wird sortiert weiterführende Schulen sind vielleicht nochmal anders Aber in einer Grundschule, die 200, 300 Kinder hat, da müssten dann zwei bis drei Kinder drin sein, die ein Tourette-Syndrom haben, rein statistisch gesehen.
Speaker 2:Statistisch gesehen, ja, wenn man mal also wie? es gibt ja eine hohe Dunkelziffer auch. Also, wann wird es diagnostiziert? das ist jetzt wieder die Frage. Also wird das kurz vor der Pubertät diagnostiziert, gibt es eben diese Fälle, wenn es erst im Erwachsenenalter diagnostiziert wird oder dann doch im Grundschulalter schon? Ich betreue auch Familien, bei denen noch keine Diagnostik stattgefunden hat. Sie aber sagen, das fällt absolut in diesen Bereich. Tickstörung, Tourette-Syndrom, Das fällt absolut in diesen Bereich, Tickstörung, Tourette-Syndrom. Ja, also, wie gesagt, ich auch, Ich habe auch schon einige Kinder unterrichtet mit Ticks, auch mit vokalen Ticks schon. Aber die Diagnose Tourette-Syndrom habe ich auch bei mir an der Schule noch nicht gelesen.
Speaker 1:Und wo sind dann die ganzen Kinder, die das haben?
Speaker 2:Auch da ist die Frage wieder wie oft wird es mitgeteilt? Also ist es eine, die immer mitgeteilt wird, auch in der Schule. Das ist jetzt wieder das Schamthema, sehr schambesetzt Dadurch, dass Tourette eben auch dieses Bild in der Öffentlichkeit hat, immer verbunden mit dem Schreien lauter Schimpfwörter Ja, möchte man das, dann Möchte man das mitteilen, Schulen, Lehrern, wem auch immer? Das ist so ein bisschen die Frage.
Speaker 1:Wie viel wissen wir nicht. Ja, und ich glaube mich auch daran zu erinnern in unserem Vorgespräch, das wir miteinander hatten, dass du da gesagt hast, wenn ein Kind jetzt eben diese vokalen Tics hat und das auch während einer Unterrichtszeit hätte, dass dann ja in der Regel das Kind schulfrei gestellt wird richtig geknüpft, geht einfach darum, wenn man feststellt, dass das Kind in schwierigen Fällen, besteht die Möglichkeit der Einzelbeschulung.
Speaker 2:So verweist die Tourette-Gesellschaft auch auf ihrer Seite darauf. Das ist das, was ich dort auch gefunden habe, und dass man eben sagt, dass derjenige für mehr als sechs Wochen glaube ich, dass da die reguläre Beschulung im Klassenverband nicht möglich ist. Da muss eine Feststellung stattfinden, und ich hatte das selbst, wie gesagt, auch noch nicht, aber ich glaube, das geht dann über Einschätzung, klassenlehrer und auch dann Klassenkonferenz. Also die Fachlehrer werden auch mit reingenommen, und natürlich muss eine Diagnostik dann vorliegen, also es müssen Atteste vorliegen, bescheinigungen vorliegen, sodass man dann überlegen kann okay, was ist möglich? Ja, ist eine Einzelbeschulung möglich? Gibt es die Möglichkeit? es gibt ja auch diese Krankenhochschule für kranke Kinder oder kranke Jugendliche, vielleicht auch darüber möglich, was kann man da für Alternativen finden?
Speaker 1:Aber das ist nicht an die vokalen Tics geknüpft, und ich weiß auch nicht dann kriegen wir es ja mit.
Speaker 2:Dann sind die Kinder ja doch in der Schule, und wir kriegen das mit, da irgendwie zu helfen und eine Beschulung möglich zu machen in dem Klassenverband, weil man weiß ja, dass dieses ganze Sozialgefüge eben auch ganz positiv für die Jugendlichen und für die Kinder ist.
Speaker 1:Und also, da laufen ja noch einige. Maßnahmen davor, bis es dann tatsächlich so zu dieser ich nenne es mal Eskalationsstufe kommt Oder kommen kann. Da ist eine Dunkelziffer dabei, die bestimmt nicht vernachlässigbar ist, und dass man als Lehrkraft also ich jetzt als Lehrkraft, die 17 Jahre im Schuldienst unterwegs ist bisher noch keinerlei Kontakt dazu hatte. Da denke ich mir dann so okay, da stimmt was nicht. Also, da stimmt was nicht.
Speaker 2:in der Sichtbarkeit dieser Thematik Ja, da bin ich ganz bei dir.
Speaker 1:Das heißt, entweder sind die betroffenen Menschen so wie du unfassbar gut im Maskieren ihrer Schwierigkeiten, und das wird dann eben nachmittags mittags eine Rolle spielen in den Familien, und es wird wenig mitgeteilt an der Schule aus Schamgründen, oder es wird ein Thema sein, das überhaupt gar nie bei den Erwachsenen ankommt, sondern das dann irgendwie in dem Kind selbst verarbeitet wird, unterdrückt wird oder was auch immer.
Speaker 2:Ja, dass vielleicht auch viele diesen Weg nicht gehen, dann das diagnostizieren zu lassen, dass sie andere Wege finden, wie du es schon sagst. Was sind so die Maschinerierungsstrategien? Vielleicht aber auch nicht nur, dass ein Kind lernt, das zu maskieren, sondern auch die Familie einen bestimmten Umgang damit findet, dass diese Verhaltensweisen weniger auftreten. Wie auch immer, also kann das sein, das ist so eine Frage, das kann ich nicht beantworten, oder das können wir hier nicht beantworten, aber das gibt es bestimmt auch.
Speaker 1:Ja krass. Also ich kann dir sagen, nachdem also ich schreibe sehr oft von neurodivergenten Kindern, weil ich meine damit tatsächlich nicht nur ADickstörungen, weil ich mich damit schlecht auskenne, außer, ich zähle auf, also bei meinen Fortbildungen zum Beispiel, dann zähle ich auf, was gehört denn da so alles rein, und da steht es immer dabei.
Speaker 1:Und es wird ganz oft auf Social Media zu mir gesagt vergiss bitte nicht das Tourette-Syndrom. Das Tourette-Syndrom, das ist auch wichtig, das gehört da auch mit rein. Und wenn ich dann aber nach Menschen suche, aktiv, die sagen, ich berichte darüber, ich gehe damit an die Öffentlichkeit und ich erzähle meine Geschichte, dann finde ich wiederum niemanden wie Scham mit rein spielt.
Speaker 2:Das ist mit das Thema, dass man sich hinstellt und sagt, ich habe Tourette-Syndrom, ich habe die Diagnose, und das bin ich, weil dann diese ganzen Maskierungsstrategien ja vielleicht auch erst mal so fallen. Und die Menschen, die das dann hören, die einen kennen, hinterfragen das vielleicht auch, und ich glaube, dass das sehr schambesetzt ist. Gerade dieses Thema ADHS ist einfach auch mehr im Munde der Gesellschaft, sage ich jetzt mal, da kennt man sich auch mehr aus. Viele Menschen wissen einfach mehr über ADHS. Das heißt auch, was das Tourette-Syndrom betrifft, da darf noch viel mehr Aufklärung passieren. Ich finde eben diese emotionale Aufklärung ganz wichtig. Was passiert da überhaupt, und wie fühlt sich das an, und wie können wir helfen, und was sind vielleicht eher die Sachen, die wir nicht machen sollten? Und das passiert einfach bei Tourette-Syndromen viel zu wenig, meiner Meinung nach.
Speaker 1:Absolut. Mich erinnert das sehr an das FASD, das Fetetale Alkohol Spektrum oder die Fetale Alkohol Spektrum Störung, dass ja auch sehr stark an das Gefühl von Scham geknüpft ist bei den Eltern, weil es ja immer mit einem Konsum von Alkohol in der Schwangerschaft zu tun hat und das eben automatisch ja häufig nur dann besprochen wird, wenn die Eltern ein Adoptivkind haben, das in dem fetalen Alkoholspektrum drin ist, oder ja, wenn das eben nicht so sehr gekoppelt ist an die Mutter, die dann da in die Öffentlichkeit reingeht. Aber da ist das auch so. Wir haben eine ganz hohe dunkelziffer, wir haben ganz viele kinder und jugendliche, die davon betroffen sind, und es wird nicht darüber gesprochen. also da, so erinnert mich sehr stark daran ja, und dann auch wieder sind wir wieder.
Speaker 2:Was hat man denn für ein Bild von Menschen mit Tourette? Man hat dieses Laute, und das ist es eben nicht immer, und ich denke, viele Betroffene schämen sich da. Ich kenne, aber habe jetzt auch durch meine Arbeit viele Menschen mit Tourette-Syndrom kennengelernt Und ja, vielleicht auch durch meine Arbeit jetzt erst wirklich diesen kontakt, kontakt geknüpft mit anderen betroffenen, und ja, ich bin so erstaunt und und begeistert wie die menschen, wie, wie offen und wie selbstbewusst sie damit umgehen. Und ja, ich einfach all denen da draußen, die eben auch diese Diagnose haben habt Mut, seid mutig, eure Geschichte zu erzählen. Und nochmal das von vorhin auch ihr tragt keine Schuld daran.
Speaker 2:Es trägt niemand Schuld daran, dass ihr diese Krankheit habt oder diese Besonderheit ich nenne sie immer gerne Besonderheit habt, den sie immer gerne Besonderheit hat. Und vielleicht gibt es ja Dinge, die auch ganz positiv sind dadurch. Also, vielleicht gibt es ja auch Eigenschaften, die euch auszeichnen, durch diese Diagnose, denen ihr was Positives abgewinnen könnt, weil da bin ich ganz fest von überzeugt, die gibt es durchaus, ja, mit Sicherheit. Es ist ganz wichtig auch, dass Eltern anfangen, dahin zu schauen und nach diesem Prozess des Verstehens und Annehmens, dass das dann auch geschieht und sagt mein Kind zeichnet noch mehr aus als nur irgendwie motorisch oder Vokalitics. Da ist noch mehr, und da helfe ich sehr, sehr gerne dabei, eben diesen Blick darauf zu lenken, darauf zu lenken.
Speaker 1:Ja, das ist ganz wichtig. Mir ist gerade noch ein Gedanke gekommen in puncto Scham Könnte es auch eine Rolle spielen, dass die Menschen sich da so dran erlabern in Anführungsstrichen oder sich so drüber lustig machen, auch über diesen Kontrollverlust, Gerade wenn es dann ein Vokalertick ist, wenn man dann Schimpfwörter sagt oder auch andere Wörter sagt, dass die Leute drüber lachen.
Speaker 2:Viele lachen darüber. ich würde sagen, aus Unwissenheit. Und das ist es wieder. Aufklärungsarbeit. was passiert denn da überhaupt in dem Körper des Anderen? Wie fühlt sich das an? Weil ich glaube, je mehr Menschen das verstehen, desto weniger Menschen machen sich darüber lustig. Genau, das passiert ganz oft, und das habe ich auch schon in der Vergangenheit erlebt, dass es Menschen auch in meinem nahen Umfeld gab, die sich darüber lustig gemacht haben, nicht über mich, sondern generell über das Tourette-Syndrom, und das ist natürlich dann auch spannend, damit einen Umgang zu finden.
Speaker 1:Und ja, Und das ist natürlich dann auch spannend, damit einen Umgang zu finden, und ja, ja, und das istfeld wie so ein ich warte schon mal drauf, weil ich freue mich, wenn das wieder passiert, und dann kann ich noch mal drüber lachen ist Dass noch mal ein ganz, ganz anderer Druck, da das eben nicht zu zeigen. Es wird ja nicht nur als unangenehm wahrgenommen. Also, wenn wir es jetzt mal versuchen zu vergleichen mit so einer Impulsivität von einem ADHSler, der halt dann irgendwie einen Stuhl durch die Gegend wirft, das ist blöd und unangenehm, ja, aber es ist jetzt nicht so, dass dann das ganze Umfeld darüber lacht und darauf wartet, dass es passiert, und darauf wartet, dass es passiert. Das ist vielleicht das, was echt noch mal so eine ganz krasse Stufe drüber ist in puncto Scham.
Speaker 2:Das ist, genau das passiert. Aber was man auch nicht vergessen darf und da würde ich die Familien einfach jetzt wieder in den Blick nehmen es ist natürlich auch für die anderen Mitglieder der Familie, wenn man ein Kind hat. Mit Tics Tourette kann es schon auch ein gerade am Anfang erstmal ein Stressfaktor sein. Also gerade wenn ich an vokale Tics denke, die sehr laut sind, die eine hohe Lautstärke haben oder eine hohe Wiederholungszahl, dann kann es natürlich und Eltern sind auch Menschen, die haben auch ihren Alltag und haben vielleicht auch einen stressigen Arbeitstag hinter sich, oder oder oder haben gerade einen wichtigen Arzttermin gehabt Das heißt auch da, das kann ja zusätzlich auch nochmal ein Stressfaktor sein in dem Moment, auch wenn die Eltern das nicht möchten, sondern aber auch da zu sehen, den Eltern das mitzugeben ihr seid auch Menschen und einfach Methoden zu finden. Wie kann ich mich so ein bisschen abgrenzen, auch um einen Umgang damit zu finden, also, dass ich nicht das alles aushalten und ertragen muss, dass man weg davon geht, sondern zu sagen, es ist ganz wichtig, dass ich mir auch meine Ruhephasen gönne und nehme, damit ich die Kraft habe, dann einfach wieder an einer anderen Stelle für mein Kind da zu sein. Und das ist mir ganz wichtig zu erwähnen, dass man sich dem nicht immer zu 100 Prozent aussetzen muss. Das bedeutet nicht, dass man sein Kind im Stich lässt, wenn man einfach mal sich diese fünf Minuten nimmt, um mal durchzuatmen.
Speaker 2:Das ist nämlich etwas, was ganz häufig vergessen wird, dass es ja nicht nur das Kind ist, was extrem Stress erlebt, in dem erst mal mit allem klarkommen muss, und bis man seine ganzen Methoden gefunden hat, wie gehe ich jetzt im Schulalltag mit dem Ganzen um, oder wie begegne ich meinen Freunden, etc. Das ist ja ein Ausprobieren und ein Weg, bis man das gefunden hat sondern auch, dass das etwas mit der Familie macht und dass auch die Familie lernen darf. Wie gehe ich damit um, ohne dass die Eltern ihre eigenen Bedürfnisse vergessen und sich selbst aus dem Blick verlieren? Weil das ist das, was ich ganz oft feststelle, dass der Fokus dann auf dem Kind ist und dass man dann fast schon mitleidet. Also, man ist da so sehr mit drin, dass man dass diese Grenze zwischen Kind und Erwachsenem einfach verwischt und dass man ja einfach mehr ins Mitfühlen gehen darf. Ich fühle mit dir, aber ich leide nicht mit dir, weil dann kann ich dir nicht helfen. Ja, also, mitfühlen ermächtigt einen zu mehr Handlungsfähigkeit. Das ist so das, was ich gerne noch mitgeben mag.
Speaker 1:Sehr schön, danke dir. Danke dir auch für deine Einblicke. Also, dein Kontakt ist auf jeden Fall unten verlinkt, wenn man runterschaut in die Folgenbeschreibung zu deiner Homepage, da findet man dich. Und ja, ich danke dir wirklich sehr, dass du darüber gesprochen hast, dass das geklappt hat mit unserem Kontakt. Sehr gerne, und ich wünsche dir auf jeden Fall für das Aufbauen deiner neuen Tätigkeit ganz viel Erfolg und viele Menschen, die du begleiten darfst.
Speaker 2:Vielen, vielen Dank. Danke auch, dass ich hier sein durfte und du dir die Zeit genommen hast, meine Geschichte hier zu hören. Sehr gerne.
Speaker 1:Mach's gut, Marie Tschüss, Tschüss. Untertitelung des ZDF 2020.