Kapierfehler - Neurodivergenz und Schule

73 - Tourette-Syndrom (2/2) - Leonie

Corina Elfe Season 2 Episode 23

Nachdem ich lange auf der Suche nach einer Person war, die ihre persönlichen Erfahrungen mit dem Tourette-Syndrom teilt, hat sich nach einiger Zeit und mehreren Aufrufen Leonie über Instagram bei mir gemeldet und was soll ich sagen?
Ich bin so dankbar, dass sie sich gemeldet hat, denn das, was sie berichtet und wie sie es berichtet, hilft so sehr dabei, das Innenleben einer betroffenen Person zu verstehen, dass ich zum ersten Mal das Gefühl habe, richtig verstanden zu haben, was das Tourette-Syndrom eigentlich ist.

In dieser Folge sprechen wir über Leonies kreativen Ansätze zur Bewältigung von Herausforderungen im Alltag und im Schulumfeld. Mit persönlichen Geschichten beschreibt sie den Einfluss von Tics und die ständige Suche nach Bewältigungsstrategien, die von sportlichen Aktivitäten wie Mountainbiken bis hin zu künstlerischen Hobbys wie Häkeln und Stricken reichen. Leonie spricht über die Unterschiede zwischen Tics und Zwangsstörungen und wie ihre persönliche Reise zur Diagnose von unzähligen Herausforderungen und Unsicherheiten geprägt war.

Im letzten Teil diskutieren wir die neuesten Entwicklungen in der Behandlung des Tourette-Syndroms, einschließlich eines innovativen Armbands, das vielversprechende Ergebnisse zeigt. Leonie teilt ihre Gedanken über die potenziellen Vorteile dieser Technologie und wie sie Hoffnung für die Zukunft weckt.

Folgt der Tourettegesellschaft auf Instagram und helft ihnen somit dabei, das Tourette-Syndrom noch sichtbarer zu machen und endlich davon wegzukommen, dass diese Neurodivergenz so schambehaftet ist.

Danke Leonie für deine Art und deine Offenheit. Das Gespräch mit dir hat mir wirklich großen Spaß gemacht.

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Ich komme auch an deine Schule und bilde das gesamte Kollegium zu den Themen ADHS, Autismus & herausforderndem Verhalten in der Schule weiter!

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Liebe Grüße,
deine Corina

Speaker 1:

Bitte nehmen Sie das Übungsbuch auf Seite 38, Unit 4. Lass uns etwas Spaßiges machen.

Speaker 3:

Was hat er jetzt gerade gesagt? Heute werden wir die nächste. Aufgabe anschauen. Was sind sie da ein? Ich muss die Fragen beantworten und jeder von euch wird sich mit schreiben. Let's start Questions with short answers. Ein kleines bisschen Angst, dass ich jetzt gleich dran bin. Was soll ich denn sagen? Do you like water slides? Guck mal den Himmel an, der sieht geil aus.

Speaker 1:

Nummer zwei, do Jay und Luke oft Museums besuchen. Wer will diesen Antworten? Hey du, bitte antworten Sie die nächste Frage. Hallo, hey du, wake up.

Speaker 3:

Oh fuck. Hallo, Wie bereits angekündigt, ist hier Teil 2 von der ganz klitzekleinen Reihe, die nur zwei Folgen lang geht, zum Thema Tourette-Syndrom. Hi, heute spreche ich mit Leonie, und das Gespräch ist echt der Oberknaller. Heute spreche ich mit Leonie, und das Gespräch ist echt der Oberknaller. Ich bin so dankbar, leonie, dass du dich gemeldet hast und dich bereit dazu erklärt hast, wirklich so tief rein begreifen, was es bedeutet, das Tourette-Syndrom zu haben. Ich fand das so schön, dieses Gespräch. Es hat wirklich Spaß gemacht Und ja, es ist eine mega gute Ergänzung zu der Folge von letzter Woche. Also dir, liebe Leonie, herzlichen Dank und Marie genauso herzlichen Dank nachträglich. Ich weiß, dass gerade das Tourette-Syndrom unfassbar schambehaftet ist. Ich weiß, dass es nicht leicht ist, darüber zu sprechen, und umso dankbarer bin ich eben, dass ihr beiden das getan habt. Und Leonie, dass du eben noch sogar so tiefe Einblicke gibst.

Speaker 3:

Folgt bitte dem Instagram-Profil Tourette Gesellschaft. Da steckt Leonie dahinter, und es sind wirklich wichtige und gute Informationen, die ihr hier bekommt. Genau, und jetzt lasse ich euch direkt rein in diese Folge. Ich wünsche euch richtig viel Spaß. Also, mir zugeschaltet ist Leonie. Hallo, leonie, hi, sag mal, leonie, welche Diagnose bringst du denn mit in unser Gespräch heute? Ich habe das Tourette-Syndrom. Gut, also nicht gut, dass du das Syndrom hast, sondern danke für deine Antwort. Sag mal, was machst du denn beruflich im Moment?

Speaker 2:

Ich bin im dritten Ausbildungsjahr als Heilerziehungspflegerin. Das bedeutet, ich arbeite in einer besonderen Wohnform und begleite Menschen mit Beeinträchtigungen kognitiv und psychisch im Alltag.

Speaker 3:

Du hast vorher im Vorgespräch gesagt, auch du hast noch ganz viele andere Zusatzqualifikationen. Noch eine psychologische Beraterin bist du, und was hast du noch?

Speaker 2:

Genau, ich habe ansonsten noch den Heilpraktiker für Psychotherapie. da habe ich die Ausbildung für gemacht, aber halt eben noch nicht die Zulassung, weil mir dafür die Abschlussprüfung noch fehlt, Und ich studiere aktuell noch Wirtschaftsinformatik berufsbegleitend.

Speaker 3:

Also, das hört sich auch so nach ganz vielen unterschiedlichen Interessen an, die du da vereinst.

Speaker 2:

Oh ja, total. Ich möchte ganz gerne ganz viele verschiedene Sachen machen, und es legt mich nicht so gerne auf nur eine Sache fest. Ich mag es, ganz viele verschiedene Bereiche zu haben.

Speaker 3:

Du hast vorher noch was gesagt im Vorgespräch, da habe ich jetzt gar nichts dazu gesagt. Vielleicht habe ich jetzt gar nichts dazu gesagt. Ein Satz, den ich sehr, sehr selten von Menschen höre, mit denen ich hier im Podcast spreche, nämlich mir fehlte noch das mathematische und Informatikwissen. Da habe ich gedacht, ach, das nenne ich doch jetzt gleich mal noch. Deswegen machst du Wirtschaftsinformatik ne.

Speaker 2:

Genau richtig. Also ich habe die Ausbildung angefangen und habe dann nach einem Jahr, anderthalb Jahren gemerkt, dass es mir einfach fehlt, und habe dann angefangen und dachte mir, ich schreibe mich einfach mal ein, und ich probiere es aus, und ich kann es jetzt zu jedem Zeitpunkt abbrechen. Und nee, ich habe mich da total wiedergefunden, und ich bin total froh, dass ich es nebenbei noch mache, und freue mich eigentlich drauf, wenn ich mich abends hinsetzen kann und kann, noch ein bisschen Mathe machen oder programmieren.

Speaker 3:

Ja, siehst du mal. Also, ich kann mir vorstellen, manchen läuft es jetzt eiskalt den Rücken runter. Sie denken sich, wie abends auf dem Sofa noch Mathe machen. Aber ich bin ja Mathelehrerin, also ich finde es jetzt nicht so schlimm. ehrlich gesagt, was du erzählst, ich kann es ein bisschen nachvollziehen, sogar. Ja, es klingt für ganz viele ganz gruselig. Ja, ne, es ist einfach so, dass Mathematik da habe ich auch mal eine Folge dazu gemacht, dass Mathematik einfach echt für viele ein ganz belastendes Fach war in der Schulzeit.

Speaker 2:

Ja, das stimmt, Ja, ich mochte es halt, weil es so klar ist, war immer ganz klar, und es war wenig Interpretation, und ja, ein klarer Weg hat mir gefallen oder gefällt mir immer noch.

Speaker 3:

Das freut mich Gut. Ja, ich habe die Tourette-Gesellschaft angeschrieben auf Instagram und habe gesagt ich hätte total gerne jemanden, der mit mir eine Podcast-Folge aufnimmt zum Thema Tourette-Syndrom und Schule. Und dann hast du dich gemeldet und hast gesagt du kannst dir das vorstellen. Das freut mich total. Also, offensichtlich hast du nicht nur ganz viele Ausbildungen und bist noch in einem Studium, sondern du bist auch irgendwie bei der Tourette-Gesellschaft noch lokalisiert.

Speaker 2:

Kannst du kurz sagen, sondern du bist auch irgendwie bei der Tourette-Gesellschaft noch lokalisiert. Kannst du kurz sagen, was du da noch machst? Genau richtig, also, ich habe mich an die Tourette-Gesellschaft gewendet und mache da jetzt seit bald zwei Jahren ehrenamtlich die Instagram-Seite. Das heißt, eine Anfrage ist auch dann direkt zu mir durchgekommen, und wir hatten das dann noch besprochen, und ich mache dann einmal in der Woche einen Instagram-Post, der dann da auch veröffentlicht wird, rund ums Thema Tourette und das Leben mit Tourette.

Speaker 3:

Das heißt, du bist also nicht nur durch deine eigenen Erfahrungen irgendwie aufgeklärt, sondern du informierst dich dann wahrscheinlich immer auch nochmal für deine Posts nach so anderen Themen, die vielleicht bei dir gar nicht so krass waren, sondern die du halt dann recherchierst.

Speaker 2:

Genau richtig. Also, es geht auch ganz viel darum, Betroffenen nochmal eine Stimme zu geben, aber sich auch mit Begleiterkrankungen zu beschäftigen wie ADHS und Sweng, aber halt alles so ein bisschen in dieser Bubble drin. Und ja, in manchen Wochen ist man dann schon am Überlegen, was wird dieses Mal gepostet, und findet sich dann sehr im Recherchieren wieder.

Speaker 3:

Ja, kenne ich gut. Also, eigentlich kannst du ganz viele alte Posts ja auch wieder verwenden und ähnlich nochmal schreiben. Weil die werden ganz selten nur noch angeguckt finde ich immer, diese alten Sachen. Aber es muss ja für dich selbst auch noch irgendwie interessant sein, das, was du schreibst, und ich habe das so für mich festgestellt. Wenn ich so ganz viel Altes wieder hochhole, dann finde ich das selber ein bisschen langweilig. Ich weiß nicht, wie es dir da geht, aber ich recherchiere auch gerne lieber nochmal neue Themen, die ich noch nicht so behandelt habe.

Speaker 2:

Ja, obwohl es auch schön sein kann, sich so alte Sachen dann da nochmal anzusehen, weil man manchmal dann auch nochmal so einem komplett anderen Auge oder so einem ganz anderen Blick nochmal drauf schaut und eben nochmal sieht, dass da dann Gefehlen oder dass es ja mittlerweile auch einfach neue Erkenntnisse zu gibt, und dass man das nochmal ganz anders verknüpfen kann. Und das wiederum ist dann was dann, wo es nochmal ein richtiger Mehrwert bei rumkommt.

Speaker 3:

Das stimmt ja. Das stimmt Ja, ich hatte das auch schon, dass ich mal so einen Post verfasst habe und plötzlich gemerkt habe halt mal, ich hatte einen, der hieß genau gleich Hä, Den hatte ich schon mal, Aber tatsächlich waren die Inhalte ganz anders, also hatten einen ganz anderen Schwerpunkt. Also ich kenne das, was du sagst, dass sich das auch so im eigenen Kopf nochmal ganz anders formiert und irgendwie einen neuen Schwerpunkt bekommt.

Speaker 2:

Genau, wir machen das ja auch zu zweit. Das heißt, da ist noch jemand anderes dabei, der mit mir gemeinsam dann eben unterschiedliche Posts macht, Und oft hat man wirklich zur gleichen Zeit auf einmal denselben Gedanken und muss sich dann entscheiden wie packt man jetzt beides zusammen, sodass beide irgendwie ihre Informationen mit drin haben? Schön.

Speaker 3:

Na, das ist schön. Seit wann hast du denn deine Diagnose?

Speaker 2:

Also meine ganz offizielle Diagnose habe ich tatsächlich erst dieses Jahr bekommen. Wow, ja, also ganz offiziell ist es eigentlich noch sehr frisch. Das erste Mal Tics diagnostiziert bekommen, habe ich aber in der ersten oder zweiten Klasse war das.

Speaker 3:

Das heißt, dir wurde dann eine Tic-Störung diagnostiziert. Genau richtig, Okay. Aber seit wann hast du für dich den Verdacht, dass es nicht nur Tickstörungen sind, sondern dass das mehr ist, dass du dann das Tourette-Syndrom haben könntest?

Speaker 2:

ganz anderen Sachen im Krankenhaus war, und dort musste ein Röntgenbild angefertigt werden, und Röntgenbilder waren dann da ein bisschen schwierig, eben wegen auch meinen motorischen Tics, und der hatte mir dann nahegelegt, dass ich mich ja mal testen lassen könnte. Dass es Tourette ist, das war mir zu diesem Zeitpunkt so eigentlich noch nicht klar, weil ich in den Medien und auf YouTube immer so ein ganz anderes Bild davon gesehen habe, wie Tourette eigentlich aussehen soll. Dass ich diese Tics habe, das war mir aber eigentlich auch schon seit meiner Kindheit bewusst. Aber mir wurde halt eben auch immer gesagt, dass sie sich wieder verwachsen würden und dass das in der Regel verschwindet, wenn man dem Ganzen einfach wenig Aufmerksamkeit zumisst. Aber jetzt bin ich 23, und die Tics sind noch bei mir, sie sind noch da.

Speaker 3:

Ich wollte jetzt gerade fragen wie wäre es denn, wenn du eine Tic-Störung gehabt hättest, tatsächlich und kein Tourette-Syndrom? Ist das so, dass sich diese Tics verwachsen im Laufe der Zeit?

Speaker 2:

Also bei vielen, tatsächlich Bei den wenigsten Menschen bleiben die Tics bis ins Erwachsenenalter bestehen. Also Tics sind auch erstmal nichts, was komplett selten ist, sondern Tics vor allem bei Kindern sind relativ häufig. Viele Kinder haben Tics, die aber dann auch nur vorübergehend sind und sich halt tatsächlich sag mal verwachsen oder halt eben in der Jugend dann so sehr abnehmen, dass sie immer weniger von Bedeutung sind. Nur so war es bei mir eben nicht so abnehmen, dass sie immer weniger von Bedeutung sind.

Speaker 3:

Nur, so war es bei mir eben nicht so. Okay, das heißt, hattest du eine Veränderung deiner Tics auch feststellen können, oder waren das im Prinzip immer dieselben, die du behalten?

Speaker 2:

hast. Nee, also mein Tourette hat sich immer entwickelt. Ich sage immer so ganz gerne, wenn man die Diagnose Tourette hat, dann ist das ein bisschen wie so ein Freifahrtsschein. Das war das Wort. Das ist wie ein Freifahrtsschein, dass man zu jedem Zeitpunkt auf einmal neue Tics entwickelt, ohne dass man damit rechnet, und so war es halt auch. Also, mit der Zeit wurden es mehr Tics, wurden andere Tics. Vor allem eben in der jungen Jugend wurde das dann da mehr, und jetzt im Erwachsenenalter merke ich schon, dass meine Tics wieder ein bisschen abgenommen haben. Aber sie sind halt immer noch sehr präsent, und ich merke sie auch immer noch in meinem ganz normalen Alltag sehr viel.

Speaker 3:

Mir fällt gerade auf, dass ich immer mal wieder auch SchülerInnen habe in meinen Klassen, wo ich eben solche Tics beobachten kann. Ich bin jetzt mal wieder kurz zurückgesprungen zu den Tics. Ich hatte gelesen Tic-Störungen, wie du sagst sind, betrifft relativ viele. Ich habe gelesen ich kann jetzt aber gerade keine Quelle nennen 10 bis 15 Prozent aller Menschen haben Tic-Störungen. Das ist tatsächlich finde ich nicht wenig.

Speaker 2:

Tickstörungen. Das ist tatsächlich, finde ich, nicht wenig. Kann das sein, dass Menschen, die schon Tics haben oder eine Tics-Störung haben, dass sich das bei denen in Stresssituationen auch auf jeden Fall zunimmt und stärker wird? Aber wie das ist bei Menschen, die jetzt nur in Stresssituationen Tics haben, weiß ich nicht genug zu Okay.

Speaker 3:

Und ist das beim Tourette-Syndrom auch so. Gibt es da auch eine Zunahme von Tics in Stressphasen.

Speaker 2:

In der Regel ja, aber es ist total unterschiedlich. Also, es kommt bei mir auch immer so sehr auf den Stress an. Wenn ich jetzt gerade im Stress bin, weil ich das Gefühl habe, ich habe irgendeinen Fehler gemacht oder ich fühle mich wegen irgendwas schuldig, dann merke ich schon, dass ich mich sehr unwohl fühle und meine Tics zunehmen. Aber es gibt ja auch diesen positiven Stress. Also, wenn ich jetzt gerade gestresst bin, weil ich weiß, ich habe eine volle Woche mit Dingen gefüllt, auf die ich mich freue, und ich habe viel zu tun, weil ich von der Arbeit komme, und ich mache beispielsweise noch Uni und ich gehe danach noch bouldern oder sowas, dann ist Uni und ich gehe danach noch bouldern oder so was, dann ist das auch Stress.

Speaker 3:

Aber es ist dann eine Beschäftigung und ein Stress, der mir eigentlich so gut tut, dass meine Tics eher abnehmen, okay, also, mich erinnert das einfach unfassbar stark so an dieses ganze Thema Symptomatik bei ADHS. Es ist mir auch schon im letzten Gespräch mit Marie aufgefallen, dass da ganz viele Parallelen da sind, gerade was der Zusammenhang mit Stress angeht. Das ist total ähnlich.

Speaker 2:

Ganz viele Leute haben ja auch beides. Also Tourette beziehungsweise Tics und ADHS sind ja Komorbiditäten. Also, wenn man ADHS hat, hat man nochmal ein höheres Risiko dafür, auch Tics oder Tourette zu entwickeln und andersrum genauso.

Speaker 3:

Also, was würdest du jetzt Eltern raten? Warte mal ganz kurz, wir fangen, glaube ich, noch an einer anderen Stelle an. Du sagtest vorher, ein Arzt hat dich darauf aufmerksam gemacht, dass deine Tics, die er so beobachten konnte, während er Röntgenbilder von dir machen wollte, dass die unter Umständen ein Tourette-Syndrom bedeuten könnten. Und du hast das aber irgendwie zwar gehört, aber nicht so richtig verinnerlicht, weil du sagtest, das Bild von Tourette, das du kanntest, war ein ganz anderes als das, was du an Symptomatik mitgebracht hast. Was genau war das Bild, das du kanntest? Also, wie war für dich, als du 16 gewesen bist, das Bild eines Menschen mit Tourette-Syndrom?

Speaker 2:

Das Bild vom Tourette-Syndrom waren eigentlich diese Leute, die wie die Menschen auf YouTube total situationsbezogen irgendwas schreien, irgendwelche Leute beleidigen, und durchgehend hat jetzt ich sage mal in Anführungszeichen Tourette Und nichts, was man mal eben so hat, was aber vielen Leuten vielleicht auch gar nicht so auffällt, und dieses total verstärkte Bild, damit konnte ich mich halt gar nicht identifizieren. Das war ja gar nicht, wie es bei mir überhaupt aussah.

Speaker 3:

Hattest du gar keine verbalen Tics.

Speaker 2:

Mhm, hattest du gar keine verbalen Tics, und das fällt aber in der Regel niemandem auf, weil ein fällt bei Leuten auf. Aber wenn man daran direkt ein Räuspern macht, dann wirkt es einfach wie ein ganz normales Räuspern. Und das war halt nie was, wo ich groß darauf angesprochen wurde. Die Leute dachten zwar, ich bin vielleicht was erkältet, aber sie haben eigentlich nicht gemerkt, dass ich Tourette habe, und ich habe auch nie irgendwelche Sachen durch die Gegend geschrienrien, und das hat einfach gar nicht zu diesem bild gepasst, was ich auf youtube gesehen habe ja, das ist genau.

Speaker 3:

Das ist genau das, was ich auch für mich so verinnerlicht habe. Das sind schon sehr stark, diese verbalen tics, und also nicht akustisch, sondern verbal, dass dann irgendwelche wörter gesagt werden, dass da auch keinerlei Kontrolle über das herrscht, was gesagt wird. Und die körperlichen Tics, das war für mich eher was Sekundäres. Also für mich war das Bild eines Menschen, der Tourette-Syndrom hat, etwas, was mit verbalen Tics zu tun hatte.

Speaker 2:

Ja, stimmt, so wirkt es tatsächlich, also, dass halt wirklich dieses Ausrufen von Dingen, die ja auch zum Teil mehrere Sätze lang sind, eigentlich dieses Hauptbild vom Tourette wären, was es ja auch eigentlich gar nicht ist. Ja, also, da hatte ich ja jetzt gerade die Folge mit Marie. Marie hatte gesagt, dass so ein typisches Anzeichen vom Tourette-Syndrom das hast du ja im Prinzip gerade auch bestätigt ist, dass es eine Veränderung in der Art und Weise der Tics gibt oder in vielleicht auch der Anzahl der Tics, und dass es eben nicht nur eine Sache ist, sondern mehrere. Willst du das auch so sagen? Ja, definitiv. Also, einerseits gibt es ja diese Veränderung über das Leben hinweg, also in dieser großen Zeitspanne, und andererseits ist es aber ja auch eben so, dass es total situationsbedingt stärker sein kann oder weniger stark ist, und dann wiederum gibt es Phasen, die teilweise mehrere Wochen lang sind, wo es mal mehrere Wochen bedeutend besser ist oder ein bestimmter Tick kaum noch auftritt und dann auf einmal wieder mehr wird. Also, es ist so unvorhersehbar, wie das Tourette in beispielsweise einem Jahr bei mir aussehen wird.

Speaker 3:

Krass ne Ja das ist schon verrückt. Wie fühlt sich das an das zu wissen, dass das so unvorhersehbar ist.

Speaker 2:

Ich würde sagen, das ist tatsächlich so eine ganz große Unsicherheit. Also, auch wenn ich das so selten so zugebe, aber das macht mir schon auch so ein Stück weit Angst, einfach weil ich weiß jetzt gerade, wie mein Tourette ist, ist es zwar eine Belastung, aber ich kann sehr gut damit umgehen. Also, so wie es gerade ist, ist es in Ordnung. Aber ich weiß nicht, ob ich nicht vielleicht tatsächlich in einem halben Jahr oder einem Jahr auf einmal über die Straße gehe und doch irgendwelche Dinge schreie Und keine Ahnung, jemanden auf einmal Heilhütte an den Kopf werfe. Und das ist natürlich was, was mir echt Angst macht, weil ich eben nicht klar sagen kann und mir auch andere Leute nicht klar sagen können, ob ich noch weitere Tics entwickle und vielleicht auch sogar weitere Tics, die mich in meinem Alltag einschränken.

Speaker 3:

Das kann ich richtig gut verstehen, Das kann ich, also kann mir das gut vorstellen, dass das Angst macht. Das ist, glaube ich, gut nachvollziehbar für so die Menschen, die das sich anhören weniger wird.

Speaker 2:

Also, es heißt jetzt nicht nur, dass es auf jeden Fall stärker wird, sondern es kann halt eben auch sein, dass es in einem Jahr auf einmal weniger wird oder dass es mit der Zeit noch mal weiter abgeht. Aber das kann man halt einfach nicht sagen, wie es sich entwickeln wird und in welche Richtung es geht. Diese Fahrtrichtung ist total unbekannt.

Speaker 3:

Kennst du denn Menschen? also dadurch, dass du in der Tourette-Gesellschaft arbeitest, schätze ich, hast du auch ein bisschen Kontakt oder Zu Menschen, zu anderen Menschen mit dem Tourette-Syndrom. Ja, Kennst du da welche, die so diesem klassischen Bild eines Tourette-Menschen entsprechen, das da so in den Medien gezeigt wird? Oder ist das eher wirklich eher ein Klischee, das gar nicht stimmt?

Speaker 2:

eher ein Klischee, das gar nicht stimmt. Also, ich würde schon sagen, dass ich Leute kennengelernt habe, wo auch andere Leute, die sich jetzt mit dem Tourette-Syndrom nicht beschäftigen, sagen würden, ja, das ist Tourette Also, die schon eher dieses Bild aufweisen. Aber bei denen ist es dann auch nicht so, dass das Verbale nur im Vordergrund steht, sondern bei denen ist es quasi so ein bisschen das Tourette, wie ich es habe, plus halt eben zusätzlich dieses Dinge rufen und vulgäre Gesten und sowas. Und davon hatte ich halt ein paar Leute kennengelernt, als ich im Tourette-Camp war. Das ist so ein internationales Camp, wo sich Leute aus verschiedenen EU-Ländern dann treffen, also alles junge Menschen auch mit Tourette, und da waren halt auch schon Leute dabei, die das stärker ausgeprägt hatten.

Speaker 3:

Okay, also ja, das gibt es tatsächlich auch. Das heißt, es ist nicht einfach nur ein Klischeebild, sondern das ist schon auch vertreten. Ja, kannst du so ein bisschen einschätzen, wie viel Sind es die meisten, oder sind das die wenigsten, oder ist das ungefähr die Hälfte? Also ich weiß, das ist super schwer. Was ich jetzt gerade frage, das kannst du auch gar nicht valide beantworten, aber dass so jemand, wie ich, die da noch nie war, bei so einem Treffen mal ein Bild davon bekommt, einem Treffen mal ein Bild davon bekommt, wie viele Menschen denn ein anderes Bild von Tourette zeigen als dieses klassische, in Anführungsstrichen durch Medien geprägte Bild.

Speaker 2:

Also es sind tatsächlich die wenigsten. Ich meine gelesen zu haben, dass die Leute, die Coprolalie oder Copropraxie, also so dieses klassische Mittelfinger zeigen, beleidigungen, schreien und so weiter, nur 10% der Betroffenen überhaupt haben. Also da würde ich zum Beispiel auch mit reinfallen, weil ich zwischendurch mal einen Tick habe, wo ich Mittelfinger zeige. Aber das war es halt auch von diesen Ticks, und dann nochmal zu bestimmen, wie viele von denen das so stark ausgeprägt haben, dass es auch Leute im Umfeld direkt erkennen, das ist wirklich ein ganz kleiner Teil der.

Speaker 3:

Person. Danke für diese Einschätzung. Ich weiß, das ist nicht einfach, das auch zu sagen, zu verbalisieren, was man da so wahrnimmt, wobei du da jetzt tatsächlich konkrete Zahlen nennen konntest. Aber es ist, glaube ich, für die Sichtbarkeit vom Tourette-Syndrom so wichtig, dass wir eben diese anderen 90 Prozent auch kennenlernen, dass wir wissen, wie sich das Tourette-Syndrom auch zeigen kann. Gehen wir mal kurz in deine Schulzeit rein, wenn das für dich in Ordnung ist. gehen wir mal kurz in deine Schulzeit rein, wenn das für dich in Ordnung ist. Gab es da irgendjemand, der das so richtig wahrgenommen hat und auch angesprochen hat? Und wenn ja, wer war das?

Speaker 2:

Also, ich glaube, tatsächlich so richtig wahrgenommen, war eigentlich meine Klassenleiterin aus der Grundschule und halt eben meine Familie, weil, als ich das erste Mal die Tics bekommen hatte, wurde ich dann halt auch angesprochen, und meine Eltern wurden auch darauf angesprochen, weil ich durchgehend die Augen verdreht hatte. Ich hatte die Augen verdreht und die Augen zwischendurch so zusammengekniffen, ich hatte ganz viel geblinzelt, und dann stand halt zuerst so im raum, ob ich vielleicht auch eine epilepsie haben könnte oder ähnliches oder eine andere neurologische erkrankung, und daraufhin sind wir halt eben auch zum kinderarzt gegangen. Das war so das erste mal, dass es anderen aufgefallen ist, und das war für mich auch ziemlich gruselig, weil mir ist es gar nicht aufgefallen, ich habe es gar nicht mitbekommen, dass das passiert okay, okay, das heißt, dir wurde dann von außen signalisiert, du machst komische Sachen, und du für dich hast es aber überhaupt nicht wahrgenommen.

Speaker 2:

Genau. Also, es wurde am Anfang auch nicht als komische Dinge bezeichnet, sondern halt tatsächlich so nachgefragt warum machst du das? Also, warum machst du das mit den Augen? Und das habe ich halt nicht verstanden. Also, ich habe diese Frage auch einfach nicht verstehen können. Wenn ich dich jetzt fragen würde, warum machst du das mit deinen Augen, könntest du auch meinen warum blinzel ich denn? Und ich habe nicht verstanden, warum das irgendwas Seltsames sein könnte. Weil es hat sich nach einer ganz normalen Bewegung angefühlt.

Speaker 3:

Verstehe. Und was hat es mit dir gemacht dann?

Speaker 2:

Verstehe. Und was hat es mit dir gemacht dann, dass das so zunehmend wahrgenommen wurde, dass du da, was mit deinen Augen machst, no-transcript, und was diese Bewegungen sind, die irgendwie seltsam sind. Also habe ich erst mal jede Bewegung, die mein Körper irgendwie macht, als negativ, sage ich mal, abgestempelt, weil ich es nicht unterscheiden konnte.

Speaker 3:

Wow, das hört sich aber, sehr anstrengend an, ehrlich gesagt. Ja, das hört sich aber sehr anstrengend an, ehrlich gesagt, wann hast du das gemacht? Also hast du das dann, wenn deine Eltern dabei waren, gemacht, oder zu Hause, oder in der Schule, an welchem Ort? Oder überall? Wo genau fand das dann statt? dieses kontrollierte sich nicht bewegen.

Speaker 2:

Also lange hält man das ja sowieso nicht durch. Ich habe das immer zwischendurch mal probiert. Also ich habe es in der Schule mal probiert, Ich habe es aber auch mal probiert, wenn ich alleine war, auch um einfach so selbst zu merken, was passiert denn hier gerade überhaupt? Und halt eben zu Hause, wenn mich Erwachsene mal tatsächlich auch das war auch gar nicht vorwurfsvoll gemeint von denen halt eben gefragt hatten, ob ich damit aufhören kann, Also tatsächlich einfach nur gefragt kannst du damit aufhören, oder musst du das in dem Moment machen?

Speaker 3:

Okay, ja, weil das ist ja schon so ein Hinweis, mit dem du ja, wie du sagtest, gerade gar nicht so viel anfangen konntest, weil für dich war das ja nicht wahrnehmbar, dass du da etwas tust, was die anderen nicht tun.

Speaker 2:

Genau Also, mir wurde auch später gesagt, was das eben ist, also dass ich so die Augen verdrehe und irgendwie blinzel Auf diese Ansprache, dass ich blinzel. Da dachte ich mir auch erst mal ja, natürlich blinzel ich, also jeder blinzelt, was ist denn jetzt daran irgendwie seltsam? Aber das Augenverdrehen war halt dann was, wo ich dann so gemerkt habe okay, die anderen machen das tatsächlich nicht. Und da ist mir dann aufgefallen okay, irgendwas ist hier anders.

Speaker 3:

Wir sind dann auch relativ schnell zu einem Kinderarzt gegangen, und der hat es tatsächlich geschafft, dass, obwohl ich nicht wirklich benennen konnte, was das ist, die Diagnose dann aber doch sehr gut stellen konnte, dass ich eben Tics habe und dass es eben keine andere Erkrankung ist. Okay, das heißt, es war erst mal so im Gesicht das Blinzeln und das Augenvertränen, das waren so die ersten Sachen, an die du dich erinnern konntest. Genau richtig, Ja. Und wie ging es dann weiter? Gab es dann irgendwann einen Moment, in dem du das auch schon bevor das passiert ist, wahrnehmen konntest, Also so wahrnehmen konntest oh, jetzt mache ich gleich wieder die Sache mit den Augen.

Speaker 2:

Oder war das für dich gar nicht wahrnehmbar? Am Anfang nicht? Also, am Anfang war das für mich nicht wahrnehmbar, aber mit der Zeit kann ich jetzt aber nicht sagen, wann das war. Ich weiß auf jeden Fall, dass ich mit der Zeit irgendwann gemerkt habe, wann das passiert, und das war dann auch so ein Aha-Moment, so zu wissen, ach ja, okay, wenn ich diese Bewegungen mache, die andere anscheinend nicht machen, dann ist da vorher dieses Gefühl, und eigentlich mache ich diese Bewegungen, damit dieses unangenehme Gefühl weggeht. Und als ich dieses Gefühl dann endlich hatte, dann hatte ich auch auf einmal die Möglichkeit, sozusagen gut, ich versuche, das jetzt gerade mal hinaus zu zögern, oder ich lasse es jetzt gerade einfach mal zu.

Speaker 3:

Okay, ich habe das mal gelesen in einem Beitrag, den du geschrieben hast, oder dein Kollege, also einer von euch Dieses Gefühl, das sich anbahnt und das dann sich irgendwie im Körper breit macht und dem man sich eigentlich gerne hingeben möchte oder das man irgendwie freilassen möchte. Aber man weiß, man wird diesen Tick ausführen, und das will man ja nicht. Also das ist schon so eine Riesenspannung, die sich da aufbaut im Körper. Kannst du uns da ein bisschen detaillierter mitnehmen, wie sich das so für dich jetzt zumindest innen drin anfühlt?

Speaker 2:

Also, für mich fühlt es sich an und ich habe bisher noch keine treffendere Beschreibung gefunden wie wenn man irgendwo steht und man sieht andere Leute gähnen, und man hält in diesem Moment dann das Gefühl zurück zu gähnen, und man sieht aber vielleicht durchgehend, wie andere Leute im Bus, im Zug am Gähnen sind, oder in dem Film, und du selbst darfst aber nicht gähnen. Und dieses Gefühl, was dann irgendwie so im Hals und im Rachen ist, das einfach machen zu wollen, und dieses Kribbeln, diese Anspannung, das ist so ziemlich genau das Gefühl, was ich vor einem Tick spüre.

Speaker 3:

Boah, ich kann es mal direkt nachempfinden. Ich habe direkt dieses Gefühl im Hals und würde jetzt gerne gähnen. Ich halte es aber mal einfach direkt zurück. Okay, ja, krass, okay, und dieses Gefühl, das hast du irgendwann für dich ausfindig gemacht.

Speaker 2:

Du kannst aber nicht mehr sagen, wie lange das gedauert hat zwischen ich wurde von außen hingewiesen, und ich habe jetzt plötzlich ein Gefühl das sich in mir drin breitmacht, und ich spüre okay, das ist immer dann auch meinen Eltern und meinen Lehrern weitergetragen dass man mich nicht darauf ansprechen soll und dass es sich halt eben verwechselt, wenn ich auch nicht darauf angesprochen werde. Und dementsprechend habe ich halt auch nicht wirklich viel Rückmeldung zu meinen Tics bekommen. Deswegen fällt es mir relativ schwer, da so zeitlich was festzumachen. Ich weiß aber, dass ich auf jeden Fall das Vorgefühl noch in der Grundschule bekommen hatte und festgestellt habe, dass da gleich ein Tick kommt.

Speaker 3:

Das finde ich schon mal ein super Hinweis. Also, das bedeutet, dass du als Grundschulkind schon in der Lage gewesen bist, deinen eigenen Körper und so die Gefühle, die sich in deinem Körper zeigen, ganz intensiv zu analysieren. Das war sicherlich viel Arbeit.

Speaker 2:

Ne, Ja vor allem auch diese Anspannung dann irgendwo anders hinzubringen. Ich habe zum Beispiel auch angefangen, dann zu summen. Also ich habe halt irgendwie gemerkt, dass mir Summen dann dabei hilft, und so mit den Füßen zu wippen und alles, und habe dann halt eben gesummt und konnte aber dann halt nicht summen, weil ich damit natürlich andere auch wieder gestört habe, und dementsprechend war es dann so ein Hin und Her, weil eigentlich wollte ich summen, um diese Anspannung auszuhalten, aber das konnte ich wiederum nicht machen, weil es andere Leute wieder stresst. Aber irgendwann, also in der Grundschule noch weniger, aber irgendwann war es mir halt auch immer zunehmend unangenehmer, vor anderen Menschen zu ticken, immer wieder darauf angesprochen zu werden, wenn mal irgendwie ein Vertretungslehrer da ist, oder wenn man auf einmal ein neues Fach in der Schule bekommen hat. Die Lehrer, die es wussten, da war das in Ordnung. Aber sich dann jedes Mal von neuen Lehrern erklären zu müssen und darauf angesprochen zu werden, es war halt zunehmend schwierig für mich.

Speaker 3:

Ja, das war genau die Frage, die ich noch hatte, weil du sagtest, der Arzt meinte, man soll dich nicht darauf ansprechen. Jetzt hast du es gerade erläutert. Also du wurdest trotzdem noch angesprochen. Das hat sich ja nicht jeder dran halten können. Wie war das mit deinen Klassenkameradinnen? Konnten, die sich dran halten?

Speaker 2:

Haben die dich da angesprochen oder nicht?

Speaker 2:

Also, ich weiß tatsächlich noch ich habe nicht so viele Erinnerungen an die erste Klasse, ist ja auch schon ein paar Jährchen her Aber ich weiß tatsächlich noch, als ich die Tics diagnostiziert bekommen habe, bin ich am nächsten Tag in die Schule gegangen und bin zu meiner Lehrerin gegangen und habe gesagt das mit den Augen, das sind Tics, das ist nichts Schlimmes, aber da kann man auch gerade nichts gegen machen, und die gehen wieder weg.

Speaker 2:

Und ich habe tatsächlich bei jeder Person, die mich am Anfang auch darauf angesprochen hat, genau das auch gesagt, also dass das eben Tics sind, dass das nichts Schlimmes ist und dass das wieder weggeht, und dass ich das nicht kontrollieren kann, dass das halt eben einfach passiert, und ich kann nichts dagegen machen. Und ich habe mich am Anfang dafür auch so gar nicht geschämt gehabt. Das war halt da, und meine Klasse wusste das dann auch, und in der Grundschule war auch eigentlich niemand dabei, der sich jetzt irgendwie groß darüber lustig gemacht hat. Also es gab mal ein, zwei Personen, die das dann irgendwie nachgeäfft haben, aber in der Regel war allen klar, dass ich nichts dafür kann und ja, dass es einfach da ist.

Speaker 2:

Eigentlich hätten die dich jetzt da nicht groß drauf angesprochen, sondern dich einfach sein lassen, dann wäre das recht unspektakulär. so verlaufen im Laufe der Grundschulzeit Gut, es wurde ja auch schon so in.

Speaker 2:

Zeiten der Grundschulzeit so nach und nach so ein bisschen mehr. Also das Problem war halt auch, wir sind während meiner Grundschulzeit umgezogen. Also das Problem war halt auch, wir sind während meiner Grundschulzeit umgezogen. Und das war halt dann nochmal so ein ziemlicher Cut, weil, während ich am Anfang in der Klasse war, wo alle Bescheid wussten, sind wir auf einmal umgezogen. Ich kannte niemanden und musste auf einmal allen Leuten nochmal sagen, was denn hier gerade eigentlich nicht mit mir stimmt. Sage ich mal Oder dass ich halt eben auf gut Deutsch, dass ich anders ticke? Und genau das war halt dann was, wo ich dann auf einmal angefangen habe, so in der vierten Klasse anderen Menschen nicht mehr zu erzählen, dass ich Tics habe, und sie dann halt auch gezielter so zu unterdrücken, weil ich dann schon nicht mehr wollte, dass es jeder weiß.

Speaker 3:

Ja, da beginnt ja auch dann langsam so der Umbauprozess des Gehirns. Es geht ja langsam das Gehirn über in einen Zustand, der sich dann Adoleszenz nennt, und dann wird es hochgradig relevant, was andere Menschen über einen denken. Das ist halt in der ersten Klasse noch gar nicht so relevant, da wollen wir Erwachsenen gefallen. Aber Erwachsene, wenn wir denen erklären ey, das sind Tics, dann sagen die meistens ah, ja, okay. Wenn die eine Erklärung haben, dann ist es für die ja meistens okay. Aber für MitschülerInnen ist das was ganz anderes, und das kann ich mir gut vorstellen, dass die Pubertät da tatsächlich Schwierigkeiten plötzlich mit sich bringt.

Speaker 2:

Was das angeht, ja, in der Pubertät, aber halt eben auch in der Schule. Also so für Tics wird man nicht verurteilt von Lehrern, also für Tics bekommt man in der Regel auch keine schlechteren Noten. Aber halt eben für so Sachen wie das Summen im Unterricht, um einen zu beruhigen, oder ähnliche Sachen, das sind halt schon Dinge, die einen dann auf einmal angerechnet werden als schlechte Mitarbeit, und das halt zunehmend in der weiterführenden Schule.

Speaker 3:

Ja, na klar, Da kennt sich halt auch. Also ich meine, man muss wirklich dazu sagen, als Lehrkraft kennt man sich mit dem Tourette-Syndrom mal so gar nicht aus Und auch gar nicht, wie man damit umgehen kann. Ja, jetzt so zu deinen Grundschullehrkräften, die das ja anfangs gemacht haben, wenn die dich noch nicht so richtig kannten, dass die das angesprochen haben, vielleicht auch sehr sensibel, aber trotzdem, es macht ja was mit dir, wenn du drauf angesprochen wirst.

Speaker 2:

Ja, es zeigt eigentlich, dass dann da auch gerade irgendwas nicht stimmt Oder dass da irgendwas ist, was anderen auffällt. Man denkt ja auch so als Kind man ist in seiner eigenen kleinen Blase, und wenn man da sitzt, und man macht gerade irgendwas mit den Augen oder sowas, dann fällt das ja in dem Moment natürlich auch niemandem auf. Man denkt immer so die anderen kriegen viel weniger mit, als sie eigentlich mitkriegen. und dann wird man darauf angesprochen und merkt okay, doch es bekommen andere drauf mit.

Speaker 3:

Also ich kann das jetzt natürlich nicht nachvollziehen, weil ich jetzt keine Tics hatte. Ich hatte allerdings ein anderes Merkmal, das sehr sichtbar war, und das ist meine Neurodermitis, und die war tatsächlich sehr ausgeprägt in der Schulzeit. Und dass ich dann halt in so Situationen, in denen ich einfach nur da war, wo ich mir mal keine Gedanken darüber gemacht habe, wie ich jetzt aussehe und ob das jemand eklig oder komisch findet, dass genau in solchen Momenten irgendjemand mich drauf angesprochen hat und ich plötzlich wieder so wie zurückerinnert wurde, dass ich irgendeinen Makel habe, gegen den ich nichts tun kann, ja, schlimm, ne, und das ist richtig schlimm. Und nochmal also ich mag das eine und das andere nicht miteinander vergleichen, aber ich kenne das, auf etwas angesprochen zu werden, was ja für jetzt erstmal den Unterrichtsverlauf oder sonstiges oder für mich als Person erstmal gar nicht relevant ist, was aber anderen halt auffällt, und die müssen das irgendwie immer ansprechen und nachfragen. Aber ja, das holt einen ja schon aus der Komfortzone, oder es nimmt einem die Kontrolle auch über das, wie man gesehen wird.

Speaker 2:

Es holt einen auch so aus der Gruppe raus no-transcript was war denn so deine schlimmste Erfahrung im Kontext Schule mit deinen Tics? Ich glaube, die schlimmste Erfahrung also. es gab zwar ganz viele so kleine Erfahrungen, aber das war dann auch nicht so wichtig. Das waren halt dann eher immer wieder schlechte Noten, weil ich dann meine Strateg Mal meinen Lehrern wieder anvertraut, und zwar allen Einzelnen.

Speaker 2:

Und ich bin zu einem Lehrer hingegangen und habe halt eben gesagt hier, ich habe Tics, und ich kann ihn nicht kontrollieren, aber es hilft mir total, wenn ich währenddessen Mandala ausmale. Und ich bin währenddessen so in der Anspannung drin, dass ich nicht ticken möchte, weil ich mich so dafür schäme, dass ich irgendwo hin mit meiner Anspannung muss, damit ich mich konzentrieren kann. Und hatte ihm dann halt eben erklärt, dass, während ich irgendwie ein Mandala ausmale oder während ich irgendwas zeichne, das eigentlich so das Einzige ist, was dafür sorgt, dass ich mich konzentrieren kann und zuhören kann. Und da wurde mir halt eben gesagt, dass ich das sehr gerne machen kann, aber bitte nicht im Unterricht. Genauso halt eben wie die Tics. Es tut ihm leid, dass ich die Tics habe, kann ich auch haben, aber eben bitte nicht im Unterricht. Das ist halt schwierig.

Speaker 3:

Ja, oh Gott. Also, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. ehrlich gesagt, das ist ja eine Katastrophe.

Speaker 2:

Das war ganz schlimm für mich. Also, ich bin da auch rausgegangen aus diesem Gespräch und habe mich total zurückgeworfen gefühlt, weil ich da sehr viel Mut zusammengenommen habe, um da in dieses Gespräch reinzugehen, und dann das zurückkam.

Speaker 3:

Kannst du noch ganz kurz dazu sagen, wie alt du ungefähr gewesen bist?

Speaker 2:

Das war schon, nachdem ich da bei dem Arzt war. Das heißt, da müsste ich 17 gewesen sein.

Speaker 3:

Also in einer Zeit, in der du halt auch super vulnerable warst, also mit 17?

Speaker 2:

17 war auch so, diese Zeit, wo ich wieder angefangen habe, mit Menschen darüber zu sprechen.

Speaker 2:

Also ich hatte angefangen, freunde einzuweihen und irgendwie engen Bekannten Bescheid zu geben und alles und so Lehrer anzusprechen, war dann da auf einmal so für mich der nächste Schritt, weil ich mir halt auch dachte, es ist nicht fair, dass ich für etwas, was mir hilft, mit meinen Tics eine schlechte Note bekomme und das halt wiederholt. Und für mich war es eigentlich ganz klar, dass das was Unfaires ist und dass das nicht gerechtfertigt ist, und ich war eigentlich der Überzeugung, dass andere Menschen das dann auch so sehen Haben, die meisten auch. Aber dann von einer Lehrkraft so zurückgeworfen zu werden, das war schon schlimm für mich in dem Moment.

Speaker 3:

Ja, das verstehe ich total, weil das ist ja ein riesen Vertrauensbeweis auch von deiner Seite aus, dich da so zu öffnen und das zu erzählen.

Speaker 2:

Ja, so hat es sich auch angefühlt, und das Gespräch lief auch am Anfang gut und hat dann halt auf einmal ganz plötzlich diese Wendung genommen, und ich hatte auch nicht damit gerechnet.

Speaker 3:

Und du sagst jetzt nachträglich das war das Schlimmste, was dir passiert ist.

Speaker 2:

Das heißt, das hat dich auch nachhaltig beschäftigt, dieses Gespräch, Ich würde sagen, es war das, was mich auch so am meisten wütend gemacht hat. Also, natürlich gab es auch Mitschüler, klassenkameraden, vor allem wenn man jünger war, oder sowas, die einen nachgeäfft haben oder die mal Kommentare gelassen haben oder sowas, Aber das waren letzt Endes Kinder, und Kinder sind halt eben in manchen Situationen Kinder. Natürlich war das was, was mich in dem Moment verletzt hatte, aber es war nichts, was mich sichtlich mitgenommen hat, weil ich einfach wusste, gut, die kennen das nicht. Ich kenne es also nicht mein ganzes Leben, aber ich kenne es schon eine ganze Weile und wusste immer schon so, was so auf mich zukommen kann. Und das war aber eine Situation.

Speaker 2:

Ich war fast erwachsen, ich habe mit einem erwachsenen Mensch darüber gesprochen, über eine Beeinträchtigung, die ich habe, und ich habe mich gar nicht gesehen gefühlt. Und das hat mich halt irgendwie einfach so wütend gemacht, weil ich mir dachte, es gibt so viele Menschen, denen es ähnlich geht, und die nichts zurückbekommen und die halt eben dann da auch keinen Ausgleich dafür bekommen mit dem, was sie eigentlich durchgehend haben. Und ich dachte auch immer, ich glaube, das war so dieser größte Faktor. Ich dachte jahrelang immer, diese Strategien, die ich habe, um in dem Moment nicht zu ticken. Die bringen mich dann zwar in Probleme rein, die sorgen dafür, dass ich schlechtere Noten in der Mitarbeit bekomme, aber wenn die Leute das wissen würden, warum ich das mache, dann hätten sie Verständnis dafür, und dann gehe ich auf sie zu und merke auf einmal auch wenn ich sie darüber aufkläre, was los ist, kommt dieses Verständnis trotzdem nicht, und das fand ich so unverständlich.

Speaker 3:

Ja, ist total nachvollziehbar. Mich würde jetzt ganz arg. Also, mich interessieren zwei Sachen. Erstens wie alt war die Lehrkraft ungefähr?

Speaker 2:

Das ist eine sehr gute Frage. Ich bin ganz schlecht im Schätzen Über 50, auf jeden Fall Okay, ein bisschen älter.

Speaker 3:

Aber jetzt auch nicht wahnsinnig alt, also nicht kurz vor der Rente, sondern so eine mittelalte Lehrkraft, Ja, genau, Okay. ja, also bei mir ist das auch wichtig, immer mal wieder auch transparent zu machen. Das sind nicht nur die alten Lehrkräfte, die da alle Schwierigkeiten mithaben, sondern das ist vollkommen unabhängig vom Alter, wie tolerant sie da sind, was diese ganzen Themen angeht. Und ich meine, das ist jetzt. du sagtest, du bist 23, das heißt, das ist gerade mal sechs Jahre her. Das ist jetzt auch nicht so, als könnten wir sagen, na, damals war das Schulsystem ja noch ein anderes.

Speaker 2:

Nee, nee, Ja genau.

Speaker 3:

Es ist hochgradig aktuell, ja, ja. Und die zweite Sache, die mich jetzt interessiert, ist was waren denn deine Erfahrungen?

Speaker 2:

mit den anderen Lehrkräften Du hast es ja mehreren erzählt sagtest du, oder Wie sind die damit umgegangen? meinten hier, guck mal, du musst mir dabei gar nichts erklären, wenn das was für dich ist, was dir dabei hilft, dann brauchst du mir nicht vorher noch erklären, woran das liegt, oder ähnliches, sondern du kannst es einfach machen. Und dann gab es andere, die halt auch nachgefragt haben und halt auch nachgefragt haben, ob sie denn überhaupt Fragen stellen dürfen und alles, und die mir dann eigentlich ermöglicht haben, dass ich tatsächlich die Sachen machen kann, die mir dann eigentlich ermöglicht haben, dass ich tatsächlich die Sachen machen kann, die mir in dem Moment helfen, und trotzdem normal mitarbeiten kann, ohne dann ständig darauf angesprochen zu werden. Das war schön, ja, und jetzt auch in der Berufsschule. In der Berufsschule habe ich dann entschieden, nach diesem großen Cut ich bin an dem ersten Tag in die Schule gegangen, und wir haben diese Vorstellungsrunden gemacht, und ich habe mich vorne hingestellt und habe halt eben gesagt ja, ich bin Leonie, und ich habe Tics, tatsächlich so, und habe halt eigentlich dann diese Offensive gewählt und bin ganz am Anfang eigentlich zu jeder Person hingegangen und habe gesagt so und so ist die Lage, das sind die Dinge, die mir helfen, und ich möchte bitte nicht, dass sich das auf meine Note ausübt, und das hat es bisher auch nicht.

Speaker 2:

Also, ich kann jetzt tatsächlich seit fast über zwei Jahren so im Unterricht sitzen und den Unterricht auch eigentlich so genießen, wie ich es gerne auch gemacht hätte, ohne dass ich mich gestresst fühlen muss oder ohne dass ich mir Sorgen machen muss, und das ist eine totale Erleichterung zu sehen, wie es halt eben auch hätte sein können.

Speaker 3:

Das war aber an der Regelschule so. also war das ein Gymnasium, oder Ja, Das heißt, am Gymnasium war das nicht möglich, aber jetzt in der Berufsschule ist das möglich, dass du so Genau. Ja, das zeigt sich ja auch. Das ist ja einfach so. Gymnasien sind da einfach schwierig. Die fühlen sich sofort so angegriffen in ihrem Elite-Denken.

Speaker 2:

Ja irgendwie schon. Wie kann jemand ein?

Speaker 3:

Mandala ausmalen in einem Matheunterricht, das geht gar nicht. Ja, das ist so die Denkweise, als würde so eine Welt untergehen. Das ist schon faszinierend. Hm okay, also sehr gemischte Reaktionen von deinen Lehrkräften. Aber eben im späteren und in der Berufsschule hast du ganz andere Erfahrungen machen dürfen, und ich habe jedes Mal habe ich das Thema umrannt und bin da gar nicht drauf eingegangen.

Speaker 2:

Aber jetzt endlich, endlich sprechen wir darüber. Das fing schon ganz früh an, sagst du. Also, du hast irgendwann für dich verstanden. Da ist ein komisches Gefühl da, bevor ich etwas tue was andere für komisch empfinden.

Speaker 3:

Also, ich möchte das nicht machen, ich möchte das kontrollieren. richtig, ja schon. Also vor allem dieses ich möchte das jetzt gerade eigentlich nicht machen.

Speaker 2:

Ja, und dann hast du für dich herausgefunden wenn ich jetzt was anderes mache, dann kann ich es kontrollieren. Ja, genau Okay, oder auch ich muss. Also zum Teil geht das auch, ohne in dem Moment was anderes zu machen, sich halt drauf zu konzentrieren, das jetzt in dem Moment nicht zu machen.

Speaker 3:

Aber halt eben vor allem so dieses Aufmerksamkeit auf irgendwas anderes lenken. Das hatte ich dann gemerkt, dass mir das hilft. Vorher sagtest du, summen war so eine Strategie. Jetzt hast du noch aufgezählt Mandala anmalen ist eine Strategie.

Speaker 2:

Was waren da noch so Strategien, mit denen du das oder was sind für dich heute auch noch Strategien, mit denen du das besser kontrollieren kannst? Ich habe gemerkt, was mir so am meisten hilft aber das liegt auch daran, dass ich mittlerweile viele Ticks in meinen Händen habe ist tatsächlich, wenn ich Dinge mit meinen Händen mache, also wenn ich in einer Beschäftigung bin, die mich entweder motorisch herausfordert oder die mich kognitiv herausfordert, dann sind meine Tics sehr wenig. Man könnte vielleicht sogar auch so weit gehen und sagen, das Studium, was ich aktuell berufsbegleitend mache, ist so einer meiner angenehmsten und schönsten Bewältigungsstrategien, weil ich, wenn ich mich hinsetze und in diesem Flow drin bin und ich glaube, da bin ich wegen meinem Tourette sehr gut drin geworden relativ schnell in diesen Flow reinzukommen und mich zu fokussieren, dann sind meine Ticks fast ganz weg. Also dann ist es wenig, und dann ist es auch nicht so, dass es mich irgendwie ablenkt. Genauso ist es, wenn ich am mountainbike fahren bin, oder wenn ich am boulder und alles, dann wird es auch ganz wenig.

Speaker 2:

Wenn es jetzt aber so um die sachen geht, die ich im alltag machen kann, da habe ich, wie gesagt, ich habe auf meinem tablet, habe ich immer so ein paar sachen drauf, wo ich zum beispiel puzzeln kann. Ich habe aber auch, dass ich mittlerweile sachen am häkeln bin oder am stricken bin, obwohl das Stricken auch erst seit meinen Medikamenten wieder geht, die ich nehme. Und ich habe tatsächlich diese klassischen, nicht so Fidget Spinner, sondern es gibt auch so Fidget Cubes. Das sind dann so Würfel, wo verschiedene Schalter drauf sind und Knöpfe drauf sind, wo man einfach draufdrücken kann und alles. Und da habe ich gemerkt, das hilft mir irgendwie.

Speaker 3:

Das heißt, wenn du dich im Unterricht jetzt gezeigt hast, was haben denn dann die Lehrkräfte so gesehen? Wie warst du als Schülerin von außen betrachtet?

Speaker 2:

Also, meine Lehrkräfte haben halt eben gesehen, dass ich einerseits eine sehr gute Schülerin war, also ich war vor allem im Schriftlichen und auch ansonsten in der Mitarbeit immer sehr gut. Aber ich saß halt eben im Unterricht und habe mich quasi mit anderen Sachen beschäftigen wollen. Ich saß eigentlich im Unterricht und habe dann angefangen, irgendwas zu kritzeln oder irgendwas zu malen, und alles Dadurch, dass die Lehrkräfte in der weiterführenden Schule auch anfangs noch nichts wussten von meinen Tics, hat das natürlich auf sie gewirkt wie jemand, der jetzt gerade keine Lust auf den Unterricht hat und da sitzt und jetzt gerade einfach Mandalas am Malen ist oder irgendwas am Kritzeln ist oder sich irgendwie beschäftigt und ebbelig ist Ja, und genau das Gegenteil war der Fall.

Speaker 3:

Du hast das ja gemacht, um eben bestmöglich zu kooperieren.

Speaker 2:

Genau ja, obwohl man halt auch so dazu sagen muss. ich glaube, dass so diese Strategien so ein bisschen Fluch und Segen waren, weil einerseits hat es dadurch kaum jemand mitbekommen, vor allem dadurch auch, dass man die ganz gut so verbergen konnte. Ich habe geguckt, dass ganz viele Tics halt eben passieren, wenn ich gerade kurz aus dem Raum gegangen bin, oder dass ich die Hand unterm Tisch hatte, oder was ich ganz viel gemacht habe. Ich habe mir meine Augen, also ich habe mir so die Hände vor die Augen gehalten, so als würde ich mir irgendwie die Stirn reiben, wie wenn man Kopfschmerzen hat, um währenddessen mit meinen Augen zu ticken, und dadurch sind zwar vielen Leuten viele von meinen Tics nicht aufgefallen, dadurch bin ich aber auch immer in der Situation drinnen geblieben, es anderen Leuten nicht zu sagen.

Speaker 2:

Und mich daran zu gewöhnen, sie zu unterdrücken.

Speaker 3:

Ja, ja, klar. Es gab ja auch einen Grund dafür, das so zu machen. Du wolltest ja auch nicht nochmal angesprochen werden und dich rechtfertigen, sondern du wolltest einfach eintauchen in die Gruppe.

Speaker 2:

Genau, ich wollte normal sein.

Speaker 3:

Ja, so ist es, und du sagtest, das war Fluch und Segen. Das bedeutet, dass du dann doch vielleicht durch deine Strategien, wie zum Beispiel Mandalas ausmalen oder sonst irgendwas machen, vielleicht nicht ganz so konzentriert bist, oder bist du doch ganz konzentriert.

Speaker 2:

Also, wenn ich es mal so vergleiche, wenn ich die Tics unterdrücke oder es zumindest versuche oder irgendwie anderweitig umzulenken und ich hatte in dem Moment keine andere Beschäftigung, da dann konnte ich mich nicht auf den Unterricht konzentrieren, da hat es mir geholfen. Aber ich weiß auch mittlerweile, dass, wenn ich meine Tics zugelassen hätte, dann hätte ich diese Kompensationsstrategien auch nicht gebraucht, weil es mittlerweile also ich bin auch gerade noch so auf diesem Weg dran, freier zu ticken und einfach weniger von diesen Kompensationsstrategien irgendwie zu verwenden, weil ich eigentlich gemerkt habe, dass sie da zwar dafür sorgen, dass es möglich ist, aber die trotzdem diese fiese Grundanspannung, die dann da ist, nicht völlig wegmachen.

Speaker 3:

Ja, das hast du gerade sehr eindrücklich eigentlich schon beschrieben, nur hast du es nicht dazu gesagt, weil du sagtest ja, du hast dir dann doch immer wieder Momente gesucht, in denen du unbeobachtet warst, wo du halt dann frei ticken konntest. Ja, also ist ja dann doch das Ausüben der Ticks eine ganz andere Art von Entspannung, kann man wahrscheinlich gar nicht sagen, sondern vom Loslassen von Spannung vielleicht, als dass irgend so eine Kompensationsstrategie überhaupt bieten kann.

Speaker 2:

Genau. also, die Kompensationsstrategien finde ich auch mittlerweile immer noch hilfreich, weil es auch einfach im Alltag Situationen gibt, wo es sinnvoll sein kann, ticks zu unterdrücken. Wenn ich jetzt gerade am Klettern bin oder sowas, und ich habe auf einmal einen Tic in meiner Hand, dann wäre das in dem Moment relativ ungünstig. Genauso irgendwie beim Autofahren oder sowas, oder wenn ich gerade keine Ahnung am Stricken bin oder ähnliches, und ich bin gerade mit irgendwas beschäftigt, und dann kann es schon sinnvoll sein, die Tics in diesem Moment zu unterdrücken, um die Beschäftigung weiterhin ausführen zu können, um keine Sachen fallen zu lassen oder um halt einfach Sicherheit auch klarzustellen. Aber ich versuche halt mittlerweile, diese Strategien und das Unterdrücken im Wesentlichen auf diese Momente zu beschränken und zumindest zu versuchen, in anderen Momenten, wo ich eigentlich freiticken könnte, das auch mehr und mehr zu tun.

Speaker 3:

Ja verstehe, wie würdest du jetzt zum Beispiel einen Tick unterdrücken beim Bouldern? Ich meine, das ist total wichtig, vollkommen klar, es geht um deine eigene Sicherheit. Aber wie geht das? Weil da kannst du ja keine Mandalas malen oder stricken oder mit dem Cube rumspielen.

Speaker 2:

Das ist richtig. Also dabei, was mir dann da tatsächlich auch hilft, ist, dass ich zum Beispiel meine Tics in anderen Bereichen gar nicht unterdrücke. Also zum Beispiel, wenn ich dabei Tics mit den Augen habe oder ähnliches, oder ich werfe mal den Kopf nach hinten oder sowas, dann unterdrücke ich das beim Bouldern auch gar nicht, weil das sind gerade die Stellen. Ob ich jetzt gerade mehr blinzel oder nicht, ist beim Bouldern relativ egal, das macht nichts, und dadurch habe ich auch irgendwie so mehr Kapazität, weil ich ja quasi die anderen Ticks zulasse, aber nur gerade das mit der Hand nicht kann.

Speaker 2:

Wenn ich dann aber fertig bin oder gerade einen Moment habe beim Bouldern, wo es auch funktioniert, versuche ich dann auch, quasi das so ein bisschen auch nachticken zu können, wenn ich das Gefühl habe, ich muss das, weil es halt oft auch so ist, dass wenn man Tics unterdrückt, die danach auch noch mal mehr werden. Und was mir halt eben hilft, ist, mich auf Sinneseindrücke zu fokussieren, also in diesen Momenten sehr darauf zu achten, wie fühlt sich der Stein an, oder wie sieht eine bestimmte Farbe aus, wie sieht eine bestimmte Oberfläche aus und alles.

Speaker 3:

Hast du dir das alles selber beigebracht?

Speaker 2:

Ich mache. Jetzt seit zwei Wochen habe ich angefangen, so einen Kurs auch bei der Tourette-Gesellschaft zu machen zur progressiven Muskelentspannung. Und ansonsten war es halt so, dass ich mich viel für Psychologie und so Entspannungstechniken interessiert hatte, mich viel für Psychologie und so Entspannungstechniken interessiert hatte, und dann habe ich halt irgendwann gemerkt, so diese Entspannungstechniken, die andere nehmen, um so vom Alltag sich ausgeglichener zu fühlen, die helfen mir auch bei meinen Tics. Also habe ich irgendwann einfach nach genau diesen Sachen gesucht und sie halt in den Situationen angewendet und geguckt, was halt für mich funktioniert. Und das ging dann.

Speaker 3:

Also zum Beispiel sich auf die Atmung konzentrieren oder die Augen schließen und den Körper spüren, spüren, wie die Füße auf dem Boden stehen, solche Sachen? meinst du ne So Achtsamkeitsübungen dann? oder Ja, genau, und das hast du schon während der Schulzeit für dich rausgefunden, oder war das dann was, was jetzt so im späteren Verlauf gekommen ist?

Speaker 2:

Ja, So Schritt für Schritt, also das erste Mal auch so, dass ich Achtsamkeit nochmal so Aufmerksamkeit gegeben hatte, weil das hatte ich lange Zeit früher nicht gemacht, war dann später auch nochmal in der Behandlung, und da wurde mir die Achtsamkeit nochmal nahegelegt. Ich hatte halt nochmal das Problem mit so Zwangsstörungen gehabt. Zwangsstörungen ist halt eben auch was, was auch ganz viele Leute mit Tourette haben, weil Zwangsstörungen und Tourette, die entstehen quasi im selben Hirnareal. Und dementsprechend wurden mir dann da auch nochmal die Achtsamkeit nahegelegt, und da habe ich halt dann gemerkt ach ja, das funktioniert da auch so ganz gut für mich für meine Tics.

Speaker 3:

Kannst du ganz kurz für Dedi zuhören? die beiden Dinge auseinanderdröseln, geschwind. Was ist der Unterschied zwischen einem Tick und einer Zwangsstörung?

Speaker 2:

Oder einem.

Speaker 3:

Zwangsverhalten.

Speaker 2:

Ein Tick ist eine schnelle und eine unwillkürliche Bewegung, also quasi so das, was wir im Allgemeinen auch so als Zuckung zum Beispiel beschreiben würden. Das heißt, das ist eine ganz kurze Bewegung, die kann auch nicht wesentlich kontrolliert werden. Man kann sie zwar was hinauszögern oder auch irgendwie verbergen, aber das war es dann eigentlich auch schon. Und ein Zwang ist etwas, der entsteht halt eben im Kopf. Im Zwang geht in der Regel zuerst ein Zwangsgedanke vor, und dann kommt es zu einer Zwangshandlung.

Speaker 2:

Ein Zwangsgedanke kann zum Beispiel sein dieses Gefühl, wenn man die Wohnung verlässt, und man fragt sich auf einmal, habe ich eigentlich den Herd ausgemacht? Und sich dann auf einmal vorstellt, was passiert, denn, wenn der Herd jetzt nicht aus ist, gehe ich jetzt nochmal zurück, gehe ich nicht nochmal zurück? Und dann kommt die Zwangshandlung. Man entscheidet sich, man geht zurück, man überprüft den Herd, oder man geht zurück, und man schließt nochmal die Tür ab, weil man sich nicht sicher war, ob man die Tür auch tatsächlich abgeschlossen hat. Das heißt, so ein Zwang ist tatsächlich so eine Entscheidung, von der man in der Regel auch weiß ja, ich habe meinen Herd eigentlich schon ausgemacht, ich bin mir auch sehr sicher, dass ich ihn ausgemacht habe, aber ich gehe jetzt trotzdem nochmal nachgucken, obwohl ich es eigentlich besser weiß Ja, das ergibt total Sinn, dass die zwei Sachen im selben Hirnareal lokalisiert sind, weil es ja dann doch beides.

Speaker 3:

Deswegen danke dir für die Unterscheidung, weil es ja doch beides bei beidem darum geht, etwas auszuführen, was man im Moment nicht so richtig kontrollieren kann, was sich irgendwie wie verselbstständigt.

Speaker 2:

Ja, es hat sich tatsächlich auch früher für mich relativ gleich angefühlt. Also, ich habe auch ganz gerne so diese Zwänge und die Tics so ein bisschen auf einen Haufen geworfen, weil dieses anspannende Gefühl oder diese Anspannung, die daraus entsteht, die fühlt sich relativ ähnlich an, fand ich. Also beides war irgendwie so ein sehr unangenehmes Gefühl, und beides waren eigentlich Sachen, die ich prinzipiell ja nicht machen möchte, aber jetzt gerade trotzdem mit mir und meinem Körper passieren, und deswegen habe ich die oft so ganz gerne wie so der große und der kleine Bruder angesehen.

Speaker 3:

Verstehe. Das heißt, die haben sich irgendwann auch noch eingeschlichen zusätzlich zu deinen Tics. Ja, Ja, Und da hast du dann. Das war dann so der Moment, wo du dir auch Unterstützung geholt hast, Wo du gesagt hast hier, ich brauche jetzt jemanden, der mal da drauf schaut, der mich unterstützt.

Speaker 2:

Genau, ich habe dafür Unterstützung bekommen. Ich hatte auch dafür eine Weile Medikamente genommen, bin jetzt mittlerweile dafür aber auch wieder medikamentefrei, und die Zwangsstörungen sind zwar noch so ein bisschen da einem Niveau, was ich sehr gut ertragen kann. Also, es ist ganz oft so, dass ich nicht nach meinen Gedanken handele und einfach so, dass es mich nicht in meinem Alltag einschränkt.

Speaker 3:

Aber es hört sich für mich jetzt trotzdem so an, als wärst du so deine ganze Schulzeit lang mit wahnsinnig viel Selbstreflexion und ganz viel Selbstbeobachtung und ganz viel Kontrolle des eigenen Körpers und des eigenen Verhaltens da ganz alleine durchgekommen.

Speaker 2:

Ja, so ziemlich, weil ich halt auch. also, ich habe ja auch ganz lange mit dieser Diagnose gewartet und habe eigentlich nur mal bei Medikamenten, wenn ich beim Arzt war, und ich habe gemerkt, ich nehme irgendein Medikament, und ich merke, irgendwie, das macht meine Tics schlimmer. Das war zum Beispiel bei einem Medikament, was ich gegen die Zänge bekommen habe. Da habe ich gemerkt, irgendwie macht es gefühlt meine Tics was schlimmer. Dann habe ich das dort angesprochen und konnte dann dadurch ein anderes Medikament nehmen.

Speaker 2:

Aber ansonsten bin ich halt auch eigentlich nie zu einem Arzt gegangen und habe mich dafür nochmal diagnostizieren lassen, bis halt eben zu diesem Jahr, weil ich die ganze Zeit diese Hoffnung hatte, dass es sich halt tatsächlich einfach verwechst. Ich hatte einerseits die Hoffnung, dass es tatsächlich einfach irgendwann aufhört, und ich wache auf, und es ist nicht mehr da, wenn ich dem Ganzen halt eben zu wenig Aufmerksamkeit zumesse. Und gleichzeitig hatte ich Sorge, dass es mich irgendwie benachteiligt, wenn auf einmal in meiner Krankenakte drin steht, dass ich diese Krankheit habe. Also dass jemand mit Tourette Menschen in ihrem Alltag begleitet, bei mir auf der Arbeit, die eine Behinderung haben, oder dass ein Mensch mit Tourette anderen Menschen Insulin spritzt, zum Beispiel, das ist ja auch sow was. das könnte auch ein Witz aus irgendeinem Film sein. Jemand mit Tourette spritzt jemand anderem mit einer Spritze Insulin.

Speaker 3:

Ja, wenn es nicht so genau dieses Klischee wieder verbreiten würde, dann wäre das ein netter Witz. ja, Aber das sind. Also du sagtest ja auch vorher, du fährst Auto und so weiter. Das sind ja dann Dinge, die darfst du machen, weil du eben dich ganz gut kontrollieren kannst, oder?

Speaker 2:

Ja, also in Deutschland braucht man tatsächlich auch keine andere Prüfung für den Führerschein. Es gibt Länder, wo das tatsächlich so ist, dass man dann vorher nochmal zu einem Gutachter muss, und dann wird alles überprüft. In Deutschland ist es halt eben so wenn du da gut durch die Fahrprüfung durchkommst und alles, dann darfst du da auch ganz normal deinen Führerschein machen. Und es ist auch tatsächlich was, wo ich nicht das Gefühl hatte, dass es mich beim Fahren einschränkt. Also, wenn ich irgendwie schwierige Stellen habe im Verkehr, dann habe ich immer so das Gefühl, dass mein Tourette so ein Eigenleben hat, so als würde mein Tourette irgendwie merken, das hier gerade ist gerade eine gefährliche Situation oder eine schwierige Situation, und wir fahren das jetzt gerade mal so ein bisschen zurück, oder wir können jetzt halt gerade nicht ticken.

Speaker 2:

Also genau so ist das auch, wenn ich krank bin. ich bin jetzt gerade so ein bisschen erkältet, und wenn ich erkältet bin, habe ich weniger Ticks, so ein bisschen, als wäre das so nach dem Motto ich bin gerade krank, jetzt schonen wir uns ein bisschen und haben auch gerade mal irgendwie weniger Tics. Da habe ich auch mit anderen drüber gesprochen, und andere Betroffene haben das tatsächlich auch. Also, bei manchen wird es mehr, wenn sie krank sind, und bei vielen wird es aber auch weniger. Das fand ich so total spannend, das irgendwie so zu sehen.

Speaker 3:

Das ist eine super spannende Beobachtung. Spannende Beobachtung Ja, körper ist schon was total Faszinierendes. Wie das so alles zusammenspielt, wahnsinn wirklich.

Speaker 2:

Ja ja das stimmt.

Speaker 3:

Ich hatte jetzt gerade noch eine Frage im Kopf, und jetzt ist sie mir weggeflogen.

Speaker 2:

Ja, das passiert schnell.

Speaker 3:

Tja, warte mal, wo ist sie denn hin? Naja, adhs lässt grüßen. übrigens, ich bin gerade so mit dir da reingegangen, in dieses Thema, was dein Körper sich da so verselbstständigt, dass ich vergessen habe, wo ich hin wollte. Ja, das passiert. Ich wollte tatsächlich noch ganz gerne fragen, welche Rolle deine Eltern bei dem ganzen Thema gespielt haben, deine Schulzeit lang, jetzt zumindest irgendwann weniger wird und aufhört.

Speaker 2:

Und ich glaube, dadurch hatten wir immer mal wieder so frustrierende Situationen, weil Tourette hat halt eben diese Schwankungen, es gibt diese Phasen, wo es weniger ist, und es gibt diese Phasen, wo es mehr ist, und wir hatten halt schon alle irgendwie diese Erwartung, dass, wenn es weniger geworden ist, dass es jetzt auch tatsächlich weniger wird, und dann wurde es aber doch eben mehr. Also, ich kann mich noch daran erinnern, dass ich dann zum Beispiel auch gefragt wurde, wo denn jetzt auf einmal die Tics wieder herkommen, weil das doch eigentlich besser geworden ist und alles Und jetzt eigentlich in letzter Zeit so viel weniger war. Und das war halt für uns alle irgendwie schon frustrierend, weil einerseits meine Eltern natürlich die Hoffnung hatten für mich, dass es aufhört und weniger wird, und ich gleichzeitig das Gefühl hatte, dass da diese Erwartungshaltung an mich gestellt wird, dass es weniger werden muss, weil ich ansonsten irgendwas falsch mache, wenn es auf einmal wieder mehr wird. Und dann hatte ich versucht, was zu kontrollieren, was ich gar nicht kontrollieren kann.

Speaker 3:

Ja, ja, ich verstehe. Das heißt, deine Eltern waren dir keine wahnsinnig große Unterstützung in der ganzen Bewältigung deines Schulalltags und auch deiner ganzen Sorgen und all dessen, was da so dranhängt, weil sie sich eben selber so viele Sorgen gemacht haben oder das vielleicht auch gar nicht so richtig sehen wollten. Habe ich das richtig verstanden?

Speaker 2:

wollten. Habe ich das richtig verstanden? Nee, also, sie waren da, sie haben auch mich dabei unterstützen wollen und alles. Aber dieses ganze System von Tics, das war für uns alle einfach komplett neu, und es war halt eben auch nichts. Also mir war es halt eben auch unangenehm, wenn ich älter war und darauf angesprochen wurde, und ich wollte auch nicht darauf angesprochen werden, und ich war auch einfach später sehr gut da drin, meine Tics zu verdecken, also zumindest so, dass es eben auch nicht auffällt, ganz viele Tics, wie zum Beispiel das Räuspern, die ich so oft habe, fallen anderen Leuten einfach nicht auf als Tics, und so halt eben auch ganz wenig meinen Eltern. Viele von meinen Tics sind meinen Eltern selbst auch nicht aufgefallen, weil sie einfach wie eine normale Bewegung wirkten oder jetzt auch nicht direkt als Tics aufgefallen sind. Ich weiß aber noch, was ich dann bekommen hatte. Ich hatte so einen Fidget-Tube, und so einen Fidget-Spinner habe ich dann geschenkt bekommen, und dann wurde gesagt, das ist für meine Unruhe. Also, wir hatten später auch wenig über Tics selbst gesprochen, sondern wir hatten so gesagt, das ist irgendwie so ein bisschen so diese Unruhe, weil wir das Wort Tic auch einfach am Anfang nicht ganz so gerne hatten, weil das klang immer so Ticken, das klingt immer so ein bisschen so, als würde jemand nicht ganz richtig ticken. Ja gut, dass es heute einfach ein Tag ist, wo ich unruhiger bin, oder ein Tag ist, wo ich irgendwie was ruhiger bin. Und dann habe ich halt so einen Fidget Cube bekommen von meiner Großmutter für meine Unruhe, also quasi für meine Tics, weil sie halt eben gemerkt hat hier guck mal, da hast du was, das kannst du in den Händen halten, und das kannst du mal ausprobieren, und vielleicht hilft dir das ja.

Speaker 2:

Und das war dann quasi so, diese Unterstützung, die ich bekommen habe, also mal zu gucken, wie kann ich mich sonst noch mal mit ausprobieren, und was gibt es sonst noch? Weil man muss halt eben auch bedenken wir sind von diesem Arzt weggegangen, und es war halt eben ganz klar geäußert, dass es dafür aktuell keine Behandlungsmöglichkeit gibt oder zumindest nichts, was wir jetzt gerade dagegen machen können. Das war so unser Standpunkt, das ist das Einzige, was wir tun können. Das Einzige, was wir tun können, ist, damit zu leben, und jetzt gerade auch nichts anderes angesetzt ist Und ist das tatsächlich so?

Speaker 3:

Also sagen wir mal, du hättest die Diagnose Tick, du hattest ja die Diagnose Tickstörung, du hattest ja nicht die Diagnose Tourette. Ist das so?

Speaker 2:

dass man bei Tickstörungen tatsächlich gar nichts machen kann. Nach aktuellem Stand Also, es kommt immer auf einen schweren Grad drauf an. Also bei jemandem, der jetzt eine leichte Tickstörung hat, dem gibt man in der Regel jetzt noch keine Medikamente, aber wenn jetzt der Leidensdruck dadurch hoch ist oder viele Ticks vorhanden sind, kann man dagegen auch Medikamente geben. Ich weiß allerdings nicht, wie das damals war, als ich in der ersten oder zweiten Klasse war. Das ist ja jetzt auch schon ein paar Jahre her, und ich war ja auch eben noch ein Kind. Ich weiß es nicht, wie das ist, ob die jetzt mir als Kind damals überhaupt auch diese Psychopharmaka gegeben hätten, die sie ja letztendlich sind, nur um meine Tics zu reduzieren, vor allem, wenn man eben auch bedenkt, dass Kinder ja relativ häufig Tics haben, die ja dann auch wirklich auf einmal weggehen und verschwinden.

Speaker 3:

Genau, und dann hättest du ja jemanden gebraucht, der das regelmäßig bewertet, ob das jetzt einfache Tics sind oder ob das vielleicht doch schwerwiegendere Tics sind, oder, oder, oder. Da hättest du ja wahrscheinlich eine gute Fachperson gebraucht, die sich da richtig gut auskennt, und die hätte wahrscheinlich dann auch schon früher die Diagnose Tourette-Syndrom gestellt. Kann ich mir vorstellen? Vermutlich ja.

Speaker 2:

So wie du das beschreibst, jetzt zumindest, wie es dann in deiner Jugend gelaufen ist. Ja, man muss halt auch bedenken, das fand ich jetzt auch so krass, obwohl es für einen Facharzttermin auch noch recht gut war. Aber als ich mich bei dieser Fachklinik gemeldet hatte, also ich hatte erst mal festgestellt gut, mich nimmt kein einziger Neurologe an, also kein Neurologe in meiner Umgebung nimmt mich an, kein Psychiater nimmt mich an, weil alle Neurologen mich zum Psychiater schicken, und alle Psychiater schicken mich zum Neurologen mit meiner damals noch Verdachtsdiagnose auf Tourette. Also musste ich ja zwangsläufig in eine Fachklinik gehen, und ich habe auf diesen Termin auch über ein Jahr gewartet, bis ich also ich habe über ein Jahr gewartet, bis ich dann einen Termin vereinbaren durfte, und das war schon eine lange Wartezeit.

Speaker 3:

Voll. Ja, ja, Das ist das, was ja im Prinzip alle gerade haben. ne, leider Diese wahnsinnig langen Wartezeiten. Ich glaube, da können wir tatsächlich sagen, gibt es kaum Diagnosen, bei denen das anders aussieht. Aber dass du eben tatsächlich zu einer Fachklinik musstest dafür. Das gab es dann da was in einigermaßen Nähe, oder musstest du da richtig weit fahren für?

Speaker 2:

Es geht. Also, ich fahre etwas über eine Stunde, von daher ist das echt ganz okay. Also, ich hatte mich auch bei anderen Kliniken gemeldet, die jetzt auch zwei Stunden entfernt gewesen wären. Das war es mir auch zu diesem Zeitpunkt wert, weil ich halt dann auch letztes Jahr gesagt habe gut, ich bin jetzt also zu dem Zeitpunkt war ich ja dann 22, 21. Meine Tics sind immer noch da, meine Tics machen auch jetzt gerade nicht den Anschein, als würden sie jetzt auch einfach so verschwinden. Und wenn das jetzt ein Stand ist, mit dem ich mein Leben lang noch lebe, dann möchte ich zumindest mal Medikamente ausprobiert haben, und dann möchte ich auch Nachteilsausgleiche in Anspruch nehmen. Ja, super.

Speaker 3:

Ja, das ist genau der Grund, weshalb wir eigentlich diese Diagnostik brauchen, irgendwann, weil sie dann doch Türen öffnet, die es halt sonst nicht gibt. Türen öffnet, die es halt sonst nicht gibt. Ja, also, die Verdachtsdiagnose, die macht ja auch was mit unserem Gehirn, finde ich jetzt zumindest, weil es so eine gewisse Unsicherheit dabei ist. Dann ist man doch immer wieder am Schwanken. Dann hat man wieder gute Phasen, dann denkt man sich ja, nee, kann ja gar nicht sein. Dann hat man wieder schlechte Phasen, denkt sich oh, jetzt bräuchte ich dringend dann doch mal Sicherheit, und dann kommt wieder eine gute Phase, und so weiter. Also, man ist ja auch so in sich so inkonstant mit dem Wunsch, ob Diagnose oder nicht, und vielleicht kannst du es jetzt nochmal beschreiben, wie es denn dann für dich gewesen ist, als du die Diagnose dann bekommen hast.

Speaker 2:

Also, ich wollte ja auch ganz lange genau diese Diagnose eigentlich nicht haben, obwohl ich es ja auch eigentlich schon wusste Und dachte mir ja auch, so eine Diagnose zu bekommen, würde erstmal nichts ändern. Und dieser Schritt, dann auch letztendlich zum Arzt zu gehen, war auch ganz viel dieser Faktor, dass ich dann im Internet böses Dr Google hatte ich dann gelesen, dass es auch funktionelle Bewegungsstörungen gibt, und diese funktionellen Bewegungsstörungen, die sehen ähnlich aus wie Tourette, nur halt eben sehr viel stärker. Und die funktionellen Bewegungsstörungen sind aber anders als das Tourette-Syndrom heilbar. Und obwohl meine Symptome da nicht so gepasst haben, bin ich dann letztendlich zum Arzt gegangen, weil ich eigentlich wissen wollte ist es jetzt Tourette und muss ich damit leben und kann das nur behandeln, aber nicht heilen, oder ist es eine funktionelle Bewegungsstörung, die vielleicht sogar heilbar wäre? Ich weiß auch nicht, ob ich sonst jetzt schon zum Arzt gegangen wäre, vermutlich schon einfach wegen den Medikamenten. Aber das war wirklich so, dieser ausschlaggebende Punkt in diesem Moment.

Speaker 2:

Das heißt, für mich war das dann eigentlich, als ich da hingegangen bin, nochmal so relativ plötzlich zu hören gut, es ist tatsächlich Tourette. Und es war einerseits eine Erleichterung, aber es war auch nochmal so ein Schlag ins Gesicht. Also einerseits war es erleichternd zu wissen, gut, das Kind hat jetzt wirklich einen Namen, und du bekommst jetzt wirklich auch Behandlungsoptionen, und du kannst jetzt dich auch um so Sachen kümmern wie Nachteilsausgleiche und so weiter, und du weißt jetzt ganz sicher, was es ist. Und andererseits war es aber halt eben auch so hart zu wissen. Dieser Arzt kann dir nicht sagen, wie sich dein Tourette entwickelt, und vermutlich wirst du es dein restliches Leben haben, oder es gibt zumindest gerade keine Heilung dafür. Das waren ganz gemischte Gefühle.

Speaker 3:

Das ist so endgültig. Ne, ja sehr Dieses Gefühl, das ist so endgültig, und gleichzeitig ist es eine Erklärung, und gleichzeitig ist es aber so endgültig, und es ist aber eine Erklärung.

Speaker 2:

Also diese Ambivalenz, die ist boah, das ist unglaublich, was das mit einem macht no-transcript, jetzt keine Tics, die mich massiv in meinem sozialen Leben einschränken, oder es sind Sachen, mit denen ich zumindest so ganz gut leben kann. Sie stören mich zwar total, und ich würde mir definitiv auch wünschen, dass sie einfach weg wären, aber es wäre okay, und ich dachte mir, alles, was jetzt mit den Medikamenten kommt, wäre einfach nur zusätzliche Verbesserung. Und ich kann tatsächlich. seitdem ich die Medikamente nehme, konnte ich anfangen, mir das Stricken beizubringen, weil ich jetzt endlich die Möglichkeit hatte, mit beiden Händen lang genug diese Nadeln festzuhalten, ohne irgendwie dieses unangenehme Gefühl zu haben oder ohne dass dieses Gefühl zu unangenehm wurde, die beiden Sachen festz. Und das war eigentlich ganz cool, auf einmal so Sachen machen zu können, wo man vor sich dachte, das ist mir zu anstrengend.

Speaker 3:

Das ist also schon eine ganz extreme Einschränkung, schon ja. Also das muss man sich mal so vorstellen, was für eine wahnsinnige Einschränkung das ist, dass ohne Medikamente es gar nicht richtig möglich ist, so still zu sein mit dem Körper, dass man stricken kann. Das ist ja für jemanden wie mich jetzt zum Beispiel total einfach. Das könnte ich stundenlang machen, das würde mir gar nichts ausmachen, ganz im Gegenteil. Mich beruhigt das Stricken. Ich finde das was ganz Fantastisches, braucht da keine Medikamente. Für brauchte ich auch früher nicht, aber nur, um das auch noch mal so ganz deutlich zu machen, dass das schon eine sehr, sehr starke Beeinträchtigung ist.

Speaker 2:

Ja, ich habe halt immer dann stattdessen gehäkelt, weil da konnte man ganz einfach die Nadel dann mal loslassen auf der einen Seite. Aber ich würde schon sagen, dass ich eben Tourette habe, weil meine Angst halt tatsächlich ist, dass ich irgendwann durch die Stadt gehe, und ich habe ja schon diesen Mittelfingertick, dass ich mal aus Versehen einem Polizisten oder so einen Mittelfinger zeige und dann Probleme bekomme. Deswegen habe ich tatsächlich immer schon diese Karte dabei, und es macht mich tatsächlich auch immer nervös, wenn ich irgendwie Polizisten sehe, weil ich halt dann schon die Sorge habe was ist, wenn du jetzt gleich tickst?

Speaker 3:

Boah. Das heißt, du hast immer dieses Kopfkino in Anführungsstrichen, dass du in irgendeiner total unangebrachten Situation irgendwas total Unangebrachtes machst.

Speaker 2:

Also, ich hatte es auch schon bei einer Lehrerin. Oh, ich hatte einer Lehrerin dann den Mittelfinger gezeigt.

Speaker 3:

Boah, das interessiert mich sehr, was dann passiert ist. Bitte erzähl das.

Speaker 2:

Los geht's. Also, das war eine total tolle Lehrerin, ich mag die auch total gerne. Ich habe sie leider nicht mehr im Unterricht. Und das Schlimme ist bevor ich den Mittelfinger zeige, schnipse ich zuerst. Das heißt, ich habe immer mal geschnipst, sodass auch wirklich die gesamte Aufmerksamkeit, sodass auch wirklich die gesamte Aufmerksamkeit in diesem stillen Klassenraum auf meinem Finger war, und habe ihr dann den Mittelfinger gezeigt, und sie stand vorne und der Mund ist nur aufgefallen, und ich saß in der Klasse und habe nur direkt im nächsten Moment beide Hände hochgehoben, als würde gerade irgendjemand mit einer Waffe auf mir zeigen, und meinte nur es tut mir leid, es tut mir leid, und es hat dann wirklich. Es herrschte für fünf Sekunden eine sehr unangenehme Stille.

Speaker 2:

Ja, sie wusste nicht, wie sie reagieren soll, bis ich dann meinte Entschuldigung, sie wissen doch noch, ich habe Tourette. Dann ist es ihr auch wieder eingefallen, dann war es super entspannt, alle haben gelacht und so. Aber dadurch, dass es einfach bei mir oft so wenig auffällt, hat sie vergessen gehabt, dass ich Tourette habe, und war wirklich in dem Moment sehr schockiert, dass ich ihr einfach so, während sie ihren Unterricht hält, komplett kontextlos auf einmal den Mittelfinger gezeigt habe.

Speaker 3:

Boah, da hast du aber dann auch Glück gehabt in Anführungsstrichen dass du dann an so eine Lehrkraft geraten bist, die da erst mal so in so eine kleine Starre verfallen ist und nicht gleich ausgerastet ist.

Speaker 2:

Ja, gut der.

Speaker 2:

Vorteil war ja auch ich habe auch eigentlich alle Lehrer schon vorher informiert. Also, alle Lehrer, die neu mich unterrichten, informiere ich auch erst mal. Aber es wird halt auch gerne so im Laufe des Schuljahres zwischendurch mal vergessen, weil es halt eben nicht die ganze Zeit so im Fokus steht. Und das war halt schon spannend, und da war noch so was Cooles. das war jetzt tatsächlich noch die letzten zwei Wochen.

Speaker 2:

da musste ich für meine Ausbildung in der Schule einen Vortrag halten, und ich habe mich selbstverständlich für das Tourette-Syndrom entschieden, und ich habe mit der ganzen Klasse das dann so gemacht, dass ich mir einzelne Schüler rausgepickt habe, und diese einzelnen Schüler durften tatsächlich die ganze Stunde über nicht gähnen, und die Aufgabe der anderen Schüler war es, möglichst viel zu gähnen und auch jedes Mal mit dem Finger auf die anderen zu zeigen, wenn sie auf einmal doch gähnen sollten, um ihnen so ein Gefühl dafür zu geben, dieses unangenehme Gefühl. und dann machst du es auf einmal, und in dem Moment, in dem du es machst und deine Anspannung eigentlich wirklich weniger wird, kriegen es alle mit. Alle kriegen mit, dass du gerade irgendwie in Anführungszeichen versagt hast oder sowas oder gerade irgendwas Auffälliges machst, wo andere gerade drauf warten. Das war nochmal ganz cool.

Speaker 3:

Ist es gelungen? Hast du das Gefühl gehabt, dass das bei denen tatsächlich so ein bisschen angekommen ist, wie sich das anfühlt?

Speaker 2:

Definitiv ja, also ich habe am Ende auch gefragt wie hat sich das währenddessen angefühlt Und so. Diese Beschreibungen, die zurückgegeben wurden, von meiner Klasse, waren eigentlich auch genau die Beschreibungen, wie ich dieses Unterdrücken von einem Tick auch beschrieben hätte, und wir haben das wirklich über so eine Stunde hinweg gemacht. Das war schon lange Super voll schön.

Speaker 3:

Ja, es ist voll schön, dass du so eine Analogie für dich gefunden hast, auch die für ganz viele Menschen, also für die meisten Menschen, wunderbar nachvollziehbar ist. Ne, mit diesem Gähnen.

Speaker 2:

Ja, bin ich auch. Ich habe lange überlegt, was da passt. Also, so ein Mückenstich ist auch immer so ein ganz schönes Beispiel, aber für mich ist es tatsächlich so am meisten dieses Gähnen.

Speaker 3:

Und das Niesen nicht so.

Speaker 2:

Bei dem Niesen also ja, manche Ticks schon. Es gibt auch so manche Ticks, die kommen einfach so plötzlich. Die sind dann eher wie so ein Niesen, wo man auf einmal kurz merkt okay, es kommt jetzt, und dann ist es auf einmal da.

Speaker 3:

Aber das stimmt schon. Das mit dem Gähnen, das bahnt sich so langsamer an. Ja, aber es gibt unterschiedliche.

Speaker 2:

Also, es ist beides einfach so sehr passend. Aber in der Regel wird ja eben auch so gefragt wie fühlt sich das denn an, wenn man einen Tick unterdrückt.

Speaker 3:

Ja, das ist eine wunderbare Analogie. Das ist voll gut, richtig richtig gut. Ja, das ist wirklich gut, richtig richtig gut. Ja, das ist wirklich gut nachvollziehbar. So Finde ich.

Speaker 2:

Doch das trifft es eigentlich schon ganz gut. Das Niesen ist halt wirklich so für diese Tics, die man eh nicht unterdrücken kann, in dem Moment Vor allem, weil es auch so mehr wird. Also, wenn man nicht niesen kann, dann ist es auf einmal weg, dann ist es für einen Moment unangenehm, und dann ist es auch weg, und bei dem Gähnen, da bleibt es halt einfach und es wird mehr.

Speaker 3:

Das stimmt, da hast du absolut recht. Ja, weil ich habe so eine wahnsinnige Lichtempfindlichkeit, und bei mir ist das ganz oft so, wenn ich ins Licht trete, dass dann sich so dieser Niesreflex, so dass dann sich so dieser Niesreflex so ganz langsam ansammelt in meinem Gesicht, und dass ich den aber tatsächlich unterdrücken kann, und das kribbelt dann Ewigkeiten lang in meinem Gesicht rum. Oh Gott, das klingt anstrengend. Also, es ist vielleicht ganz ähnlich mir das Gähnen unterdrücken, aber halt ein bisschen stärker.

Speaker 2:

Ja, das klingt so Miedes.

Speaker 3:

Gähnen unterdrücken, aber halt ein bisschen stärker. Ja, das klingt so Auf der anderen Seite ey, also dieses, gerade mit den Händen nichts Ruhiges ausführen zu können, weil der Körper da die ganze Zeit irgendwie eine Anspannung loswerden möchte mit den Händen. Das war für mich jetzt auch sehr, sehr anschaulich, was du da gesagt hast, mit dem nicht stricken können ohne die Medikamente. Also schon.

Speaker 3:

Ja, ist einfach schon etwas, was eine große Barriere darstellt für den Alltag auf jeden Fall. Ja, ja, das schon. Du sagtest vorher im Vorgespräch, es gibt so einen ganz kleinen Ausblick für so die kommenden Jahre. Da bahnt sich so eine neue naja, ein Medikament ist es nicht, aber so ein Unterstützungsmittel an für Menschen mit Tourette-Syndrom. Kannst du da noch kurz was dazu sagen?

Speaker 2:

ich mich zumindest. Und zwar gibt es aktuell noch kein einziges Medikament, was nur für das Tourette-Syndrom entwickelt und zugelassen wurde. Von daher gibt es nicht so viele Behandlungsoptionen für das Tourette-Syndrom. Und jetzt gerade wird aber an einem Armband geforscht, und dieses Armband wird letztendlich angezogen wie eine Smartwatch am Handgelenk, und das sendet dann über den Nerven so Stromimpulse. Also, die tun auch nicht weh, sondern es stimuliert einfach den Nerv, und die sollen dann ähnlich wie ein Hirnschrittmacher funktionieren. Das bedeutet halt eben, dass sich dadurch die Tics reduzieren, ohne dass man eine OP machen muss und ohne dass es potenzielle Nebenwirkungen gibt. Und man kann das Armband halt auch immer wieder abziehen, und bisher scheint es in den Studien echt gute Ergebnisse zu haben, sodass es hoffentlich in ein, zwei Jahren auf den Markt kommt, wenn auch eben nur an Selbstzahler, aber trotzdem, ich bin sehr gespannt darauf, und ich würde es sehr gerne ausprobieren.

Speaker 3:

Ja, wieso denn nur an Selbstzahler? Wieso sowas?

Speaker 2:

Naja, es ist halt eben quasi ein Hilfsmittel, und das wird aktuell in England entwickelt, und bisher gibt es natürlich nur die Informationen von diesem Hersteller selbst.

Speaker 3:

Ach, es gab also noch keine medizinischen okay ja gab keine medizinischen Zulassungsstudien, und aus diesem Grund kann es im medizinischen Kontext nicht verschrieben werden. Das kann sein, ja, aha, okay, naja, gut, vielleicht kommt das ja noch, aber es wäre auf jeden Fall sehr, sehr schön, wenn es das gäbe, und ich wünsche dir, dass es bei dir gut funktioniert, und bei ganz vielen anderen, die betroffen sind auch. Danke, das hoffe ich auch, ja. Also, ich danke dir sehr, leonie, dass du uns so einen tiefen Einblick gegeben hast. Danke, das hoffe ich auch, ja sehr gerne.

Speaker 2:

Vielen Dank auch für das Gespräch.

Speaker 3:

Ja, sehr gerne, Und ich bin schon ganz gespannt, wie es mit dir weitergeht.

Speaker 2:

Jetzt muss die Diagnose ja auch noch ein kleines bisschen sacken.

Speaker 3:

Ja, ja schon, Wir gewöhnen uns noch aneinander.

Speaker 2:

Ja, ich wünsche dir alles Gute und vielen Dank. Vielen Dank wünsche ich dir auch Mach's gut, tschüss, tschüss.