Kapierfehler - Neurodivergenz und Schule

86 - Wenn Masking zur Erschöpfung führt - Achim

Corina Elfe Season 2 Episode 36

Heute spreche ich wieder mit einem Menschen, der ADHS nicht nur aus Büchern kennt, sondern täglich lebt. Achim nimmt uns mit auf seine persönliche Reise – von der frühen ADHS-Diagnose in der Grundschule bis zu seiner heutigen Tätigkeit als Referent für Kitas und Fachkräfte.

Was macht wirklich gute Pädagog*innen für Kinder mit ADHS aus?
Achim erinnert sich lebhaft an seine Grundschullehrerin, die ihn so annahm, wie er war – ohne ständiges Maßregeln und mit viel Verständnis. Diese prägende Erfahrung steht im starken Kontrast zu späteren Schuljahren, in denen er Ausgrenzung und Mobbing erlebte.

Besonders eindrücklich schildert Achim das "Masking" – jene Strategien, die er entwickelte, um seine ADHS-Symptome zu verstecken: "Ich mache bis heute Bewegungen mit den Fußzehen in den Schuhen und halte eine Hand hinter dem Rücken, damit ich nicht zappel." Dieses ständige Versteckspiel kostete ihn bis zu 95% seiner täglichen Energie und führte letztlich zu einem Burnout.

Der Umgang mit Wut zieht sich als roter Faden durch Achims Leben. Als ausgebildeter Krisen- und Konfliktpädagoge teilt er wertvolle Strategien für Eltern: Von der "Clementine-Waschmaschine" als sicherem Ort für Wutausbrüche bis zum geschickten Einsatz von Humor, um Eskalationsspiralen zu durchbrechen.

Mit seiner dreifachen Perspektive als Betroffener, Vater und Fachkraft bietet Achim einen unschätzbaren Einblick in die ADHS-Welt. Seine Mission ist klar: "Ich will aufklären und den Alltag für Kinder und Fachkräfte schöner machen." Eine Folge, die nicht nur Betroffenen, sondern auch Eltern, Erziehern und Lehrern völlig neue Perspektiven eröffnet.

Achim findet ihr auf Instagram und hier ist seine Website, falls ihr euch seine Angebote anschauen wollt.

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Liebe Grüße,
deine Corina

Speaker 1:

Bitte nehmen Sie das Übungsbuch auf Seite 38, Unit 4. Lass uns etwas Spaßiges machen.

Speaker 3:

Was hat er jetzt gerade gesagt? Heute werden wir die nächste Aufgabe anschauen. Was sind sie? Ich habe die Fragen Und jeder von Ihnen wird sich mit schreiben. So wir fangen mit Fragen, mit kurzen. Antworten an Ich habe ein kleines bisschen Angst, dass ich jetzt gleich Trommelmusik in den Händen sage Guck mal den Himmel an, der sieht geil aus. Hallo, Hey, you wake up. Oh, fuck, okay, also hier ist Achim zugeschaltet. Hallo, achim, hallo.

Speaker 2:

Hi, berichte doch du mal bitte ganz kurz, was du in deinem Alltag so machst. Ja, ich bin Erzieher von Haus aus. Also ich komme ja später noch dazu, wie ich da hingekommen bin, natürlich wie so viele zweiter Bildungsweg Erzieher, Und seit etwa anderthalb Jahren bin ich als Referent und Dozent unterwegs für Kitas und Fachkräfte und zunehmend auch Eltern, zunehmend auch Eltern und unterstütze da im Umgang mit herausgeforderten Kindern, mit Kindern mit ADHS. Das wird einfach immer mehr nachgefragt, immer mehr Thema bei mir, weil ich, wie man sich denken kann, dass ich hier bin, selbst ADHSler bin Und das für mich einfach ein absolutes Herzensthema ist, da Eltern, kinder zu unterstützen. Also, ich bin ausgebildeter Krisen und Konfliktpädagoge, das heißt, ich weiß, wie man deeskaliert, wie man mal. Es ist, zumindest wie nennt man das hyperverbal.

Speaker 3:

Also, der quasselt mir eine Frikadelle ans Ohr, ohne Punkt und Komma, und genau so bin ich unterwegs was sehr ähnlich ist wie ich, nur dass du eben im Bereich Kita unterwegs bist und ich im Bereich Schule, und das ist ja total schön, weil du dadurch, dass du als Erzieher arbeitest, ja eben auch den richtigen Blick hast, um Menschen, die denselben Beruf ausführen, zu sagen, wie man mit dem Thema ADHS umgehen kann. Das ist schon was, was ein großer Vorteil ist mit dem Thema ADHS umgehen kann.

Speaker 2:

Das ist schon was, was ein großer Vorteil ist. Ja also, das sehe ich auf jeden Fall. Also ich sage immer, ich habe halt drei Perspektiven Ich bin ADHSler, ich bin Papa, und ich bin Fachkraft, und das kann ich halt aus allen Perspektiven betrachten. Und selbst wenn wir in der Kita nicht so viele ADHS-Kinder haben, weil die Diagnostik in dem Alter noch nicht so ist, das sind dann halt die herausgeforderten Kinder, die, die schwierig sind, die, die anstrengend immer noch tatsächlich begegnet ist. Das gibt es ja gar nicht, oder das ist eine Modeerkrankung, die kriegt ja jeder nachgeschmissen oder sonst was. Und da sind so viele Vorurteile, und da möchte ich einfach aufklären, und das gelingt mir bisher ganz gut. Also die Rückmeldungen sind echt gut, das macht Spaß, und es ist einfach schön, den Kids und den Fachkräften zu helfen dass ihr Alltag schöner wird.

Speaker 3:

Das ist immer das Wertvollste an dem Ganzen. Danke, danke für deine Arbeit, auch Also für alle, die zuhören und immer bei mir gerne Lösungen suchen wollen für die Kita Ich bin Lehrerin, und ich kann nicht in allen Schulbereichen also ich schließe ja auch für mich ganz oft die Förderschulen aus In allen Schulbereichen. Also, ich schließe ja auch für mich ganz oft die Förderschulen aus, weil ich sage, da brauchen wir nochmal eine andere Form der Pädagogik, die ich nicht gut kenne, und die Kita, die kenne ich eben auch nicht gut. Deswegen kann man sich da gerne an dich wenden. Achim, ich werdeeskalation bei kleinen Kindern, dann ist das eine gute Anlaufstelle. Schön, dass du das machst, Ja gerne.

Speaker 2:

Es gibt immer noch ErzieherInnen, die sagen zum Beispiel, dass das eine Modediagnose ist, das Ganze. Wenn wir jetzt mal so wirklich in so ein Klischee eintauchen wollen, ohne dass du dir jetzt eine ganz konkrete Person da vorstellst. Aber was sind so deine Erfahrungen von Menschen, die sich diesen Diagnosen gegenüber so sehr versperren, wie sie dann im Umgang mit diesen Kindern sind, die vielleicht mal so eine Diagnose kriegen könnten? Ja, die sind sehr unnachgiebig mit denen. Also das ist oft dann sehr hart. Ich weiß nicht, wie genau ich das nennen will, aber es ist halt, bei diesen Kindern wird dann nicht nach dem guten Grund geschaut, selbst wenn die Fachkräfte das schon verstanden haben, dass jedes Verhalten einen guten Grund hat. Den muss ich nicht gut finden, also, wer das noch nicht kennt. Guter Grund heißt für mich ist das eine gute Begründung, ein Verhalten zu zeigen. Das musst du nicht gut finden, aber für mich funktioniert es.

Speaker 2:

Und bei neurotypischen oder unauffälligen Kindern neurodivergente Kinder können ja auch unauffällig sein. Übrigens, ich verwechsel oft neurodivergent und neurodivers. Das habe ich noch nicht ganz verstanden. Da entschuldige ich mich schon mal jetzt, falls ich was falsch ausdrücke. Da bin ich noch nicht ganz durchgestiegen.

Speaker 2:

Aber bei den Kindern wird das häufig nicht gemacht. Die sind die Bösen, die sind die Täter, und wer mit Täter-Opfer anfängt, der hat eh verloren. Aber so ticken manche halt noch. Die Kinder haben dann einfach einen Stempel, und die sind dann da raus aus der fairen Bewertung. Und selbst wenn dann eine Diagnose kommt, wo ich sage, ja, die Diagnose ist halt dann keine Ausrede, die ist eine Erklärung für vieles, die sollte es leichter machen, dann kommen die nächsten Vorurteile. Ja, jetzt wird der mit Tabletten ruhig gestellt, und das ist ja ein ganz eigenes Thema für sich.

Speaker 2:

Von daher, da wird dann immer der nächste Grund gefunden, das negativ zu bewerten, und das finde ich einfach sehr traurig, und ich habe es tatsächlich ein paar Mal erlebt durch Erklären, durch Erzählen, durch Mitgefühl erwecken, wenn ich erzähle, was mir so passiert ist, wie es mir gegangen ist, da ändert sich ganz viel bei den Fachkräften, und das ist dann schön zu sehen, also schön und gleichzeitig traurig zu sehen, wenn die dann da sitzen und fast in sich zusammenbrechen oh Gott, was sitzen und fast in sich zusammenbrechen, oh Gott, was habe ich den Kindern angetan. Aber gleichzeitig ist dann vollkommen klar, das wird nicht mehr passieren, und das ist halt wertvoll, weil es hat ja keiner verdient, irgendwie abgewertet zu werden oder schlecht behandelt zu werden, auch die Fachkräfte nicht. Nur dann, wenn sie es wissen und weitermachen, dann sind sie schlechte Fachkräfte, und das muss dann auch so benannt werden.

Speaker 3:

Ja, sehe ich ganz genau so. Ich finde sogar die Menschen also das zeugt echt von Stärke und von Größe, wenn die sich hinstellen und sagen aber das bedeutet ja, dass ich da immer einen Fehler gemacht habe oder dass ich da Menschen verletzt habe. Das wollte ich doch gar nicht. Ich finde das so eine krass gute Erkenntnis, und das ist auch der einzige Weg daraus, weil, wenn wir uns das nicht eingestehen, dass wir Fehler gemacht haben, aus welchem Grund auch immer, ist ja vollkommen egal. Das ist doch das Lustige daran.

Speaker 3:

Wir sind also alle, die mit Kindern arbeiten, sagen immer, aus Fehlern lernen. Wir Ist übrigens für einen ADHSler nicht so leicht, aus Fehlern zu lernen, ist ein Riesenthema auch. Aber trotzdem, wir sagen immer und wollen immer, dass Kinder Fehler als Chancen sehen und daraus etwas lernen. Maßen wir uns an, als Erwachsene eben mit Kritik, dass wir einen Fehler gemacht haben, gar nicht gut umgehen zu können, uns so abzulehnen und nicht zu sehen, dass auch wir daraus lernen können und eben wirklich einen Riesenunterschied machen für einzelne Biografien. Das ist ja genau das, was ich in diesem Podcast so gerne aufzeigen möchte, dass wir ganze Biografien mit beeinflussen durch unsere Art und Weise. Das ist einfach so.

Speaker 2:

Ja, wir haben unglaublich viel Macht. Also, wir können sowohl im Positiven als auch im Negativen unglaublich viel anrichten. Und ich glaube, sogar in der Kita sind wir dann noch mehr in der Verantwortung als dann in der Schule. Ich glaube, sogar in der Kita sind wir dann noch mehr in der Verantwortung als dann in der Schule, weil das soziale Umfeld in der Kita viel enger ist, wir viel intensiver an den gut machen, was wir dafür Traumata auslösen können. Das ist inzwischen studienmäßig nachgewiesen, dass wir Kinder traumatisieren, systematisch, wenn wir es nicht gut machen. Und das ist einfach eine Riesenverantwortung, und der müssen wir uns allen Kindern gegenüber bewusst sein, und insbesondere den neurodiversen und neurodivergenten Kindern, die halt mehr brauchen als andere, die halt mehr brauchen als andere.

Speaker 3:

Ja, so ist es, ganz genau so ist es. Da könnte ich eine Geschichte erzählen von einem meiner Söhne. Das war wirklich schlimm, wie der in der Eingewöhnung da null Prozent dessen bekommen hat, was er gebraucht hätte, mit der Aussage der macht das verkehrt. Und das war wirklich schlimm und einschneidende so. Man konnte richtig beobachten, wie sich das kind dadurch verändert hat. Und ja, wahnsinn, es war wirklich krass. Ja, also, ich habe dich gefunden, in anführungs strichen. Du hast mich gefunden über meinen Aufruf, dass ich Menschen suche, männer vor allem, die schon in der Kindheit eine Diagnose hatten, und zwar eine ADHS-Diagnose. Danach habe ich gesucht, und du bist so einer, du hattest schon früh eine Diagnose. Kannst du uns mal mitnehmen, wie so deine Geschichte rund um deine?

Speaker 2:

Diagnose. Kannst du uns mal mitnehmen, wie so deine Geschichte rund um deine Diagnose war? Ja, also, ich meine, das ist jetzt bald 30 Jahre her. So genau an Details erinnern kann ich mich nicht, was jetzt wie wo gelaufen ist. Aber ich kann mich erinnern aus eigener Erinnerung schon, dass die Diagnostik-Thematik bei mir so zweite, dritte Klasse losging. Da war das Thema ich bin in der Klasse immer aufgestanden, rumgelaufen, ich habe am Fenster gestanden, ich habe dazwischen gequasselt, ich habe meine Sachen vergessen, also so das klassische ADHS-Ding. Das ging bei mir schon viel früher los mit dem Ganzen. Ich habe extrem früh geredet, wie ein Wasserfall. Da gibt es Videos von mir, wo ich ganz klein bin und schon hochprofessionelle Sätze spreche. Also das war wirklich Wahnsinn, bin nie gekrabbelt, hatte Ergotherapie, weil weder rechts noch linkshänder, so diese ganze Geschichte, was halt viele haben. Und dazu zur Entwicklung gehört auch, dass ich nicht lange in der Kita war.

Speaker 2:

Das war ja in den 90ern eh noch ein bisschen anders. Aber genau in der Zeit, wo ich in der Kita hätte sein sollen, sind wir umgezogen. Das heißt, ich war nur das letzte Jahr. Das ist dann so für die soziale Entwicklung natürlich auch nochmal ein Thema. Und dann ging es eben so. Erste, zweite, dritte Klasse waren dann so die Auffälligkeiten. Da ging es dann los mit Arztbesuch hier, und jetzt gehen wir mal dahin. Da waren dann auch Arztbesuche dabei, die etwas unangenehm waren, wo dann gewisse Körperregionen einfach mal untersucht wurden, ohne dass mit mir darüber gesprochen wurde.

Speaker 2:

Das ist ja wohl auch Thema gewesen früher. Das ist was, was ich bis heute tatsächlich im Kopf habe, wie ich da auf der Arztliege liege und der Arzt mich einfach irgendwo unten anfasst. Also solche Geschichten liefen da auch, und ja, irgendwann hieß es dann ja, das Kind hat ADHS, und das war dann so. Ich hatte das glück, dass meine grundschullehrerin damals grandios war. Also die war wirklich die lehrerin, die ich in der dritten, vierten klasse hatte, war eine absolute ausnahmeerscheinung. Also da auch schöne grüße an frau rotmann, falls sie das hört. Vielen dank. Ich habe ihr vor kurzem eine e mail geschickt sie ist schulleitung hier in der Nähe und habe mich nochmal bedankt dafür, weil ich wäre heute nicht in der Position, in der ich bin, wenn ich sie nicht gehabt hätte.

Speaker 2:

Definitiv, das hat mir gezeigt, dass es auch Pädagogen gibt, die in dem Kontext arbeiten, und Leute, die gut sind, und ja, das ging dann halt immer so seinen Weg. Meine Eltern waren sehr bemüht und haben sich da ganz viel reingekniet und mich von A nach B geschleppt, so nach heute ein paar Triggerpunkte, die echt nicht hätten sein müssen, so was wie Traumreisen, erzählgeschichten. Das musste ich dann alles machen, weil ich muss mich ja beruhigen. Ja, aber das ist so der Start gewesen, erst mal. Mich würde wahnsinnig interessieren, was diese Frau gemacht hat, dass du heute noch so positiv von ihr sprichst abgewertet wurde in der Schule, wo ich also, wo das jetzt wirklich da eine, ich sag mal, eine Narbe wäre von wegen, ich plapper immer dazwischen, oder ich soll jetzt doch mal still sein, oder dass ich rausgeschmissen wurde.

Speaker 2:

Das ist mir nie passiert. Ich wurde nicht aus der Klasse rausgeworfen, und da war einfach ganz viel Verständnis und ganz viel Positives, und die Energie, die ich hatte, wurde irgendwie genutzt und umgesetzt. Ich war auch tatsächlich kein schlechter Schüler in der Grundschule. Also, ich war eigentlich, ich war immer ganz gut. Ich weiß bis heute noch, dass am Ende mein Grundschulzeugnis, da hatte ich irgendwie fünf Einsen und sonst wie Zweien und eine Drei oder so, und darüber habe ich mich geärgert. Das heißt, es hat funktioniert, es lief irgendwie gut, und es war einfach ein gutes Miteinander. Und aus heutiger fachlicher Sicht weiß ich, dass sie richtig gut in der Beziehungsarbeit war, dass sie einfach ein Draht zu uns Kindern hatte, und das war einfach viel wert.

Speaker 3:

Das heißt, sie hat eigentlich gar nicht viel getan, dass sie jetzt da irgendwelche Förderprogramme oder Ausnahmen für dich gestaltet hat, sondern es war eher die Art und Weise, wie sie nicht auf deine Störungen reagiert hat, sondern dich weiterhin als Achim genommen hat, der du bist und der da ist und der selbstverständlich dazugehört und in Ordnung ist und so weiter. Habe ich das richtig verstanden?

Speaker 2:

Ja, also, es war halt wirklich, es braucht ja nicht viel zu tun. Das ist halt auch das, was ich den Fachkräften immer sage Es geht nicht darum, was wir machen, es geht darum, wie wir sind, wie wir jemandem begegnen, und das war halt. Also. Wie gesagt, ich kann mich nicht mehr an Details erinnern, aber dadurch, dass ich halt mich erinnern kann, dass ich in der Klasse aufgestanden bin und rumgelaufen bin oder sowas, muss das ja irgendwie erlaubt gewesen sein in irgendeinem Rahmen, sonst wäre es ja nicht gegangen. Und es kann sicherlich auch mal sein, dass da gesagt wurde jetzt reicht es, aber mal, jetzt sei mal still. Also, grenzen und Regeln gab es natürlich, aber ich habe halt aus der Zeit nie eine negative Erinnerung. Also ich verbinde damit nichts Negatives. Es war einfach eine sehr schöne Zeit, Und ich bin sehr gerne zur Schule gegangen, die meiste Zeit in der Zeit noch. Es gab auch Phasen, wo es nicht so war, aber damals war das schon positiv aus heutiger Sicht.

Speaker 1:

Das ist voll schön, richtig schön. Ich glaube, wenn du meine, Eltern fragst, ist es anders.

Speaker 2:

Meine Eltern sehen das anders. Aber ich komme aus einem Haushalt, da wird viel gewertet, und es wird immer erst mal gemeckert. Das heißt, da steckt viel drin, steckt auch viel in mir. Bis heute. Ich arbeite dran, aber das ist nicht so leicht abzulegen.

Speaker 3:

Das bedeutet auch in diesem Zeitraum in der Klasse 3, 4, wo du diese tolle Lehrerin hattest, gab es. Konflikte zu Hause.

Speaker 2:

Also Konflikte zu Hause gab es immer, mal wieder, weil wir viel Temperament haben, sage ich mal Also das Konfliktmanagement, was bei uns da war, war so im Prinzip wir haben uns gestritten, dann bin ich irgendwann in mein Zimmer gerannt, habe die Tür zugeknallt, und eine Viertelstunde später war es wieder gut, so ungefähr. Also es war so. Das geflügelte Wort war bei uns immer ein Gewitter reinigt die Luft, so ungefähr. Das ist jetzt nicht das gesündeste Konfliktverhalten für alle Beteiligten, aber es hat soweit funktioniert. Es hat sich später noch ein bisschen zugespitzt, aber in dem Alter war es okay, sage ich mal.

Speaker 2:

Also, das muss ich ganz klar sagen ich habe nie, außer ich glaube, einmal aus Versehen, aus ganz vielen biografischen Gründen meines Papas ich habe nie körperliche Gewalt erfahren. Also das ist bei mir überhaupt nicht passiert. Ich wurde, da war alles gut. Ich glaube, mein Opa war halt sehr hart, so Nachkriegsgeneration, und mein Papa hat da viel mitgekriegt, und einmal ist, glaube ich, sow was vorgefallen. Das habe ich aber in keiner Form in Erinnerung. Das weiß ich nicht. Dass ich irgendwie geschlagen wurde, kann ich nicht sagen. Das ist wirklich absolut die Ausnahme. Über sprachliche Gewalt brauchen wir nicht reden, das war Alltag, das ist ganz viel. Aber einfach aus nicht Wissen, also nicht aus Vorsatz, wir sind jetzt gewalttätig, sondern einfach kennen wir nur so ist so. Indianer kennt keinen Schmerz und solche Geschichten und so ein paar andere typische Sätze, die man da halt mal mitkriegt als ADHSler.

Speaker 3:

Ja, das wollte ich jetzt gerade fragen, inwiefern diese verbalen Äußerungen dann gegen deine ADHS-typischen Verhaltensweisen gerichtet waren.

Speaker 2:

Du machst nie was fertig. Das ist ein ganz starker Satz. Das ist auch ein Satz, der mich bis heute echt begleitet, weil ich für mich ganz viel ausprobiert habe. Ich habe halt mit Sportart angefangen, und ich war sehr sportlich. Ich habe viel Sport gemacht früher. Ich war auch in vielen Sportarten richtig gut. Badminton war ich richtig gut, tischtennis, da konnte ich echt was. Im Fußball war ich richtig schlecht. Ich weiß nicht, warum ich immer wieder Fußball gespielt habe, aber das wird später nochmal Thema, aber sowas. Ich habe es aber angefangen, und dann gab es irgendeinen Konflikt, und ich habe es wieder aufgehört. Für mich war das dann aber auch fertig zu dem Zeitpunkt. Aber ich habe immer wieder dann gehört ja, du machst ja eh nie was fertig. Also fängst du was an, und dann machst du es nicht fertig. Wann ist eine Sportart fertig, wenn ich Weltmeister bin? Also das ist so ungreifbar aber, das sind solche.

Speaker 2:

Geschichten, die habe ich halt immer wieder gehört. Du bringst nichts zu Ende. Und das ist bis heute tatsächlich ein Schmerzpunkt, der sich durch alles durchzieht, weil immer, wenn ich irgendwas aufhöre, die Frage kommt habe ich es jetzt eigentlich fertig gemacht? Ich habe es gut aufgearbeitet die meiste Zeit, aber manchmal ist das ein komisches Gefühl.

Speaker 3:

Ja, das verstehe ich. Dabei ging es eher so an dem du bleibst nicht dran, du machst die Sachen nicht länger als mal kurz probieren. Wahrscheinlich war das so gemeint, aber trotzdem das ist schon interessant.

Speaker 2:

Also es war nicht so, dass ich jetzt eine Sportart nur für drei, vier Wochen gemacht habe, sondern das war beim Tischtennis habe ich vier Jahre gespielt, und dann gab es Streit in der Mannschaft, und dann habe ich aufgehört. Dann habe ich mit Badminton angefangen. das war ein bisschen schwieriger, weil das in einem anderen Ort war. Da musste ich hinfahren und so weiter, und das ist halt auf dem Land schwierig, und das sind so Geschichten. da habe ich dann nach einem Jahr halt wieder aufgehört und wollte dann wieder was Neues. Aber gefühlt war das so. ja, jetzt schon wieder was Neues, und das so.

Speaker 3:

Ich meine, meine Eltern sind Beamte.

Speaker 2:

Meine Eltern sind Beamte. Die haben 45 Jahre im gleichen Beruf gearbeitet. Da ist Beständigkeit, da ist alles ewig das Gleiche.

Speaker 3:

Und da bin ich halt ein ganz anderer Typ. Das war vielleicht schwierig, dass du da anders bist Kann ich mir vorstellen. Glaube ich schon. Okay, verstehe, aber Sie hatten keine Kritik jetzt im Besonderen an dieser Lehrerin oder an irgendwas schulspezifischem jetzt, wie es in der Schule an sich gelaufen ist, vielleicht eher die Schulthemen dann zu Hause, oder Wie war es da?

Speaker 2:

Hausaufgaben und so. Ich habe dazu auch noch eine Hochbegabung diagnostiziert, das heißt, ich brauchte nie Hausaufgaben machen, weil ich mir das alles aus den Fingern saugen konnte. Ich konnte einer Lehrerin einen Vortrag aus dem Kopf erzählen, den ich geschrieben hätte als Hausaufgaben, und zwar okay, ich glaube zwar, sie haben gemerkt, dass ich es nicht geschrieben habe, aber ganz ehrlich, wenn ich denen so einen Vortrag erzählen, so einen Aufsatz erzählen kann, so what? blöd war es einmal, als sie es einsammeln wollte und ich dann gesagt habe ja, das habe ich mir gerade ausgedacht, dann gab es Ärger, aber sonst also, es war dann auf der Weiterfindenschule, aber sonst war das nicht so Thema.

Speaker 2:

Ich weiß, dass es Thema Religionsunterricht da öfter mal Probleme gab, weil wir einen sehr interessanten Pfarrer hatten, der sehr verbissen war, und meine Familie ist nicht besonders religiös, und als der Pfarrer mir dann in der dritten Klasse irgendwie erzählen wollte, dass es die Dinosaurier nicht gegeben hätte, weil die Erde ist ja erst 5000 Jahre alt oder irgendwie so ein Käse, und ich ihm dann halt erzählt habe, was für ein Schwachsinn das ist, da weiß ich noch, dass der mal mit meiner Mutter dann irgendwie zwei Stunden auf der Terrasse gesessen hat, und die haben ein ausführliches Gespräch darüber geführt. Aber es ist also auch da. Da ging es jetzt nicht darum, wie schlimm ich bin, außer vielleicht von Seiten des Pfarrers, aber für meine Eltern war ganz klar die stehen vor mir, also die haben sich immer vor mich gestellt. Es gab auch sie haben es mir das irgendwann mal erzählt dass sie hatten Freundschaften, die bestanden seit Tanzschulzeiten und seit Ewigkeiten no-transcript.

Speaker 3:

Aber interessieren was hast du denn gemacht, dass Menschen sich so abgeschreckt gefühlt haben durch dich?

Speaker 2:

Ich war laut, ich war wild, ich habe nie die Klappe gehalten, ja also, und ich war dann eben auch wahrscheinlich temperamentlos, also temperamentlos, temperamentvoll, und habe halt dann rumgetobt, wenn ich was nicht gekriegt habe, und so weiter. Also, ich würde jetzt sagen, einfach das typische Kinderverhalten in Extrema, und das war halt dann so, und das war halt dann so, und du hast halt nicht gefolgt.

Speaker 3:

Wenn man dann gesagt hat. Jetzt hörst du auf, dann hast du nicht sofort aufgehört, sondern dann ging es weiter.

Speaker 2:

Das ist ja für viele Erwachsene ein Thema, genau, und das war halt dann für viele nicht schlimm.

Speaker 2:

Und was natürlich ganz oft war und das deckt sich ja auch mit der Folge, was vor kurzem da Theo erzählt hat in der anderen Folge ich war es dann auch oft, wenn die anderen dann Kinder dabei hatten, die haben irgendwas angestellt, die auch beileibe keine Engel waren, aber ich war dann schuld, wenn irgendwas passiert ist, obwohl ich es gar nicht gemacht habe. Es war dann so, wo ich dann auch gesagt habe bei einem Kind zum Beispiel ich weiß nicht mehr, wie er hieß, ist ja auch wurscht, aber jedes Mal, wenn der bei uns war, hat der irgendeine Scheiße gemacht, der hat irgendwas kaputt gemacht, und auch sonst, der hat kleinere Kinder geärgert auf dem Schulhof und so weiter. Für die Eltern war der ein absoluter Engel, der hat nie irgendwas angestellt, der war ganz, ganz toll. Und wenn wir dann zusammen waren, war immer ich der schlechte Einfluss. Und solche Geschichten sind da halt passiert. Ist ja dann, weil, wenn man offen damit umgeht, dass das Kind eine Diagnose hat, dann kann man den ja auch leicht als Sündenbock benutzen, so als außenstehende Eltern.

Speaker 3:

Und das war.

Speaker 2:

ja, ich habe das nicht so aktiv mitbekommen, zum Glück. Ich glaube, wenn ich das zu spüren gekriegt hätte, wäre das nicht so toll gewesen. Aber das stelle ich mir auch nicht so leicht vor für meine Eltern damals, und dann habe ich ja auch noch eine kleine Schwester, die kein AD, arzt und sonst was hin. was machst du mit dem anderen Kind? Wie wirst du dem gerecht? Da war viel in der Richtung viel los dann zu Hause.

Speaker 3:

Ich erinnere mich noch gerade hast du ja berichtet, dass der Umgang deiner Eltern mit deiner Diagnose auch bedeutete, dass du zu sehr vielen verschiedenen Formen von Therapie gegangen bist und hin musstest. Was war das alles, was du da gemacht hast, Und wie sah dein Alltag dadurch aus? Was hatten sich deine Eltern dadurch erhofft? Das würde ich auch total gerne wissen.

Speaker 2:

Die wollten mir helfen, also, sie wollten mir die bestmögliche Hilfe anbieten, ohne Medikamente. Bestmögliche Hilfe anbieten ohne Medikamente, das war ganz wichtig, weil ich bin in einem homöopathischen Haushalt aufgewachsen. Das heißt, ich habe so was wie Bachblüten mal bekommen, und gegen Heuschnupfen DHU-Tabletten und gegen die Allergie, weil ich habe auch scheinbar wie ich jetzt inzwischen gelernt habe ADHS typisch auch viele Allergien. Das hängt wohl auch alles zusammen. Da habe ich dann Ameisensäure bekommen, also alles so Naturheilkunde, was aber nicht Naturheilkunde, sondern Homöopathie war, und das heißt, ritalin, wurde um jeden Preis vermieden, stand heute hätte ich mir sehr gewünscht, dass ich es bekommen hätte, also das zumindest mal probiert hätte.

Speaker 2:

Also ich war, das waren dann so Sachen wie ich musste zum Kinder-Yoga, sowas da das machen, weil beruhigen, autogenes Training, entspannungsreisen regelmäßig machen, und das sind halt drei Sachen, die bis heute tatsächlich bei mir auslösen, dass ich die Wand hochgehe. Wenn jemand zu mir sagt, wir machen mal eine Entspannungsreise, also da lösen sich bei mir echt alle Fesseln, und ich könnte ausflippen. Da wird dann Wut draus. Auf Wut können wir gerne auch gleich noch mal eingehen. Das ist auch ein spannendes Thema.

Speaker 2:

Und ja, dann hatte ich, da waren wir bei einer Verhaltensfamilientherapeutin. Ich kann dir tatsächlich bis heute nicht sagen, wozu. Das war so. Wir waren da und haben geredet, und ich habe von meinem Alltag erzählt, und ja, irgendwie, meine Eltern sagen heute ja, du hast die Therapeuten als Kind alle nur verarscht, du hast denen sonst was erzählt. Ich weiß bis heute nicht, wozu das da war. Ich habe bis heute tatsächlich Verhaltenstherapie nicht verstanden.

Speaker 2:

Ich kann das nicht, das funktioniert nicht, und ich war da bei verschiedenen Psychologen, therapeuten. Da wurde eben dann irgendwann auch dann mal so ein Intelligenztest gemacht. Den habe ich aber, weil ich keine Zeit hatte, weil ich noch zu einem Tischtennisspiel wollte, in der Hälfte der Zeit gemacht. Das heißt, das Ergebnis ist auch noch verfälscht und ohne Medikinet. Also, ich möchte nicht wissen, wo mein Wert sonst ist. Ich bin da irgendwie bei 137 gelandet, und der Therapeut hat gemeint ja, wenn du den nochmal richtig machst, und mit Medikamenten, dann jenseits von gut und böse, so ungefähr. Also, ich wüsste es gerne mal, aber ich traue mich nicht, das zu machen.

Speaker 2:

Tatsächlich, ich will es so Schrödingers Test, ich will es nicht wissen. Aber ansonsten das Fazit für mich zumindest aus diesen ganzen Therapiesachen es ging immer nur darum, es zu unterdrücken, ganzen Therapiesachen, es ging immer nur darum, es zu unterdrücken. Also, es ging für mich nie darum. Vielleicht habe ich das auch falsch ausgelegt für mich, was da rauskam. Das mag sein, aber es ging tatsächlich in der Therapie für mich immer nur darum, nicht auffallen, nicht zappeln, nicht dazwischen reden, alles, nicht alles, was ich nicht machen darf.

Speaker 2:

Ich mache bis heute, wenn ich irgendwo stehe, ichen meine fußzehen in den schuhen, ich habe immer eine hand hinter dem rücken, die sich bewegt, damit ich nicht zappel. Ich beiß mir so oft auf die zunge, dass ich nicht einfach dazwischen red, und das ist, das ist halt super anstrengend, und das ging irgendwann auch nicht mehr. Also, die Folge daraus war, dass ich mit 24 an einem sehr dunklen Ort war nach einer Trennung, und dann in eine Klinik gegangen bin mit Burnout, und auch Beruf gewechselt habe und alles. Also, das war nicht so prickelnd. Das ist halt auch ein Grund, warum ich mich heute um 180 Grad gedreht habe und sage auf jeden Fall Medikamente geben und auf jeden Fall klar informieren und gucken und auf die Kinder hören und eben nicht versuchen, ohne Medikamente durchzuwurschteln, würde auch niemand sein Insulin wegnehmen und sowas. Also, das hat bei mir echt Spuren hinterlassen, das machen zu müssen. Ich habe bis heute ein Problem damit, was zu müssen.

Speaker 3:

Das ist die größte Folge von dem Ganzen, glaube ich Ja, das ist das, was, glaube ich, relativ häufig passiert, wenn man sehr viel musste und sehr viel nicht okay war und immer wieder unter Kontrolle gesetzt wurde, unter so eine engmaschige, dass dann so eine Ablehnung gegen das Müssen entsteht. Also es hat ja Theo auch berichtet zum Beispiel sobald jemand eine Anforderung an mich stellt, die sich anhört wie eine Hausaufgabe, dann bin ich weg Also das war so seine Aussage, und ich kenne das selbst auch.

Speaker 3:

Also bei mir ist das auch so Wenn jemand mir zu wenig Freiheiten gibt darin, wie ich bestimmte Sachen machen kann oder wie ich mich einbringen kann, dann kann ich das nicht langfristig machen, ohne krank zu werden. Wirklich, weil das mich so auffrisst von innen, obwohl es dieselbe Arbeit ist, die man dann erledigt. Ob ich jetzt das von mir aus entscheide oder ob jemand anders sagt mach das, das ist nicht das Problem. Das Problem ist, was mein Kopf daraus macht, nämlich ein Müssen und ein Dagegen-Anarbeiten. Das frisst mir total viel Energie.

Speaker 2:

Ja, und was da auch Ein Satz noch zu dem Müssen, so ein Satz auch, der von meinen Eltern immer wieder gekommen ist Ja, aber es muss doch weitergehen.

Speaker 2:

So als ich dann damals eben diesen Burnout hatte und aus dem Informatiker-Büro also ich war früher Informatiker raus bin. Ich wurde entlassen, weil ich so viel krank war, in der Probezeit entlassen in der Ausbildung, und habe dann der erste Satz von meinem Papa, als ich entlassen wurde und gesagt habe ich kann nicht mehr, ich muss in eine Klinik. Ja, aber du musst doch Geld verdienen, es muss doch weitergehen. Und das hat tatsächlich bei mir ausgelöst, dass ich an diesem Abend noch so rumtelefoniert habe, dass ich am nächsten Tag in einer anderen Stelle anfangen konnte und da arbeiten konnte.

Speaker 2:

Absoluter Ausbeuterbetrieb hat es noch schlimmer gemacht, dass ich nach vier Wochen dann noch woanders war. Das sind so Sachen, die man dann mitbekommt, die ich heute einfach nicht mehr verstehe. Ich bin froh, dass ich diese Form von müssen losgeworden bin, für mich, aber das ist schon. Das zeigt mir einfach, wie viel wir auslösen bei unseren Kindern und wie viel wir da Verantwortung haben. Ich will nicht sagen, ich bin froh, dass ich das erlebt habe, weil das bin ich nicht, dass es mich so kaputt gemacht hat, aber ich bin froh über das, was ich daraus lernen konnte, und das nehme ich sehr wertvoll für mich mit, dass ich es für meine Kinder hoffentlich besser mache.

Speaker 3:

Für das und dass du ja auch andere Menschen beeinflussen kannst durch Erfahrungsberichte, durch Fortbildungen und so weiter. Das ist echt wertvoll, weil diese Innensicht einer Person, die das erlebt hat, die ist nichts unterschätzen, das ist total wichtig. Die das erlebt hat, die ist nichts unterschätzen, das ist total wichtig. Diese Methoden, von denen du vorher berichtet hast, diese Zehen so einkräuseln, die Hand hinter den Rücken machen, auf die Zunge beißen, sind das Methoden, die dir beigebracht wurden, oder hast du dir die selber beigebracht?

Speaker 2:

Das weiß ich tatsächlich nicht. Also, wie gesagt, ich vermute, dass das so in diesem ganzen Konglomerat irgendwie entstanden ist. Ich glaube nicht, dass mir jemand gesagt hat, aktiv gesagt hat versteck das oder zeig nicht, dass du zappelig bist. Es war halt immer so der Tenor ja, wir müssen dich ruhiger kriegen, wir müssen das hinkriegen. Und das war halt dann, wenn ich das so gemacht habe, so ungefähr. Dann war ja irgendwann war das ja nicht mehr das Thema der Therapie, weil dann war ich ja ruhiger, ich war immer noch genauso hibbelig und unruhig, aber man hat es halt nicht gesehen. Und das irgendwann war halt der Punkt erreicht, wo jedes Mal, wenn ich gesagt habe, ich habe ADHS, was du Ja krass Das ist Masking, und ab dem Punkt hatte ich es ja dann geschafft, dann war es ja perfekt.

Speaker 2:

Dass das 90 bis 95 Prozent meiner Tagesenergie gekostet hat, war mir nicht bewusst. Das ist das, was Masking anrichtet, Oder vielleicht war es mir bewusst, aber ich wollte es nicht wissen.

Speaker 3:

Ja, Aber das muss uns schon auch bewusst sein. Also, nicht jeder maskiert von sich aus jetzt einfach so. Das gibt es. Aber es ist schon meistens so, dass Masking entsteht, weil eben zu viel an einem rumkritisiert wird und weil man einfach keine andere Lösung sieht, als etwas zu sein, was die Menschen okay finden. Das ist schon echt hart, und dann trainiert man sich da irgendwelche komischen Verhaltensweisen an. Also ich meine dieses auf die Zunge beißen oder die Zehen so kräuseln, ich kenne das, ich kenne das.

Speaker 3:

Das sind Methoden. Die benutze ich immer, wenn ich in einer Gesamtlehrerkonferenz sitze, weil ich mich manchmal über Sachen so aufrege, die gesagt werden, oder merke, da weiß ich nicht, da wird jetzt gerade über was diskutiert, was ich total sinnlos finde. Und bevor ich dann was sage, weil die Leute dann immer sauer werden, wenn ich was sage, weil ich natürlich zu emotional bin klar ist ja auch mein Problem, bin immer zu emotional dann beiße ich mir halt lieber auf die Zunge drauf, aber, dass ich dann halt nach Hause komme nach so einer Konferenz und richtige Ab halt lieber auf die Zunge drauf, aber, dass ich dann halt nach Hause komme nach so einer Konferenz und richtige Abdrücke auf meiner Zunge drauf habe, die man zwei Tage lang sieht und merke, wie erschöpft ich bin, danach. Das ist halt dann die Kehrseite. Die sieht niemand.

Speaker 2:

Ja, ich mache das zum Glück nur noch sprichwörtlich nicht mehr körperlich Also, ich beiße die Zähne zusammen oder so, oder schluck's runter, oder ich gehe Also, wenn ich die Möglichkeit habe, dann gehe ich. Da ist ein Beispiel zum Beispiel ich war dann später nach dem Klinikaufenthalt und in der Umorientierung. Beruflich war ich Fußballtrainer, jugendtrainer. Darüber bin ich zum Erzieherberuf gekommen, weil ich da mit den Jungs gut klarkam. Und da saß ich in einer Vereinssitzung, und wir haben eine Stunde lang darüber gesprochen, ob der Zuschuss für die F-Jugend zwar im Ausflug 2 Euro oder 2,50 Euro pro Kind beträgt, und das war für mich völlig irrelevant. Ich musste dafür mein Training ausfallen lassen.

Speaker 2:

Und meine Freundin, mit der ich frisch zusammen war, heute, meine Frau saß bei mir in der Wohnung und hat auf mich gewartet, dass ich irgendwann gesagt habe so Leute, kommt noch was, was für mich relevant ist, oder kann ich jetzt gehen? Das ist gerade irrelevant. Da ging es nicht mehr, und, und da bin ich dann gegangen. Die waren so sauer auf mich, die haben das nicht verstanden. Das wäre ja so egoistisch. Das ist halt dann das, wo ich mir denke, ist dann nicht meine Welt, und dann brauche ich da auch nicht mehr mitmachen.

Speaker 2:

Im Arbeitskontext ist das natürlich was anderes, da kann ich nicht einfach gehen. Aber ich finde tatsächlich, dass es Also mir ist es sehr wichtig, wenn ich in einem, dass jeder das Recht hat zu sagen ich habe das Gefühl, wir kommen gerade voll vom Hölzchen zum Stöckchen und sind nicht beim Thema, und wir sollten mal zurückkommen. Wenn das vorher geklärt ist, dann kann ich das auch machen. Ich sollte es nicht jede Teamsitzung machen, aber das ist so ein Ding, was ich Teams immer mitgebe Klarheit, wo ist der Rahmen. Und dann fällt es mir auch leichter, wenn das allgemein etabliert ist, dass wir das machen, wenn wir zu weit vom Thema abkommen, dann fällt es mir auch leichter, das auszuhalten, wenn ich nicht der Einzige bin, der das immer machen muss, wenn Kollegen das auch mal machen. Das tut mir ganz gut, da quasi Verbündete zu haben. Die müssen ja nicht ADHS haben.

Speaker 3:

Aber wenn sie was stört, aber das ist schon. Also erlebe mal so eine Gesamtlehrerkonferenz, das ist schon echt interessant. wenn dann über manche Themen gesprochen wird, da ist es mir echt schon oft passiert, dass ich gedacht habe, jetzt muss ich was sagen. Früher habe ich auch Sachen noch gesagt, aber ich habe halt wieder gemerkt, das passiert einfach. Ich habe wieder gemerkt, wenn ich dann zu emotional einsteige in so eine Diskussion oder so, dann bin ich allen zu anstrengend, und dann lasse ich es lieber sein. Aber gut, wir sprechen jetzt einfach mal weiter über dich.

Speaker 3:

Ja, Ich kann mir vorstellen, dass sich deine schulische Situation deutlich geändert hat, als du von der Grundschule gewechselt hast. Ne, Korrekt. Ja, Wo ging es denn für dich hin nach der Grundschule?

Speaker 2:

Schule, aufs Gymnasium, okay, und in einer bilingual französisch Klasse, weil ich wollte französisch lernen, was noch über mich geritten hat. Aber ja, das hatte den großen Vorteil und da bin ich, glaube ich, bis heute sehr dankbar, dass das so war dass wir von der fünften bis zur zehnten Klasse ein Klassenverbund waren. Also, wir wurden nicht wie sonst üblich zumindest bei uns hier in Rheinland-Pfalz, da werden die Klassen alle zwei Jahre durchgemischt Ach echt, jetzt, das war wirklich. Also fünfte, sechste waren die anderen zusammen, und dann wurde bunt gewürfelt, dann siebte, achte war ein anderer Klassenverbund, neunte, zehnte, wieder ein anderer Klassenverbund. Und das war einer der Gründe tatsächlich, warum ich gesagt habe eine Struktur. Klar sind mal Kinder gegangen, kinder dazugekommen, das war alles.

Speaker 2:

Alles ist ja normal in so einer Laufbahn, aber ja, und es war schwierig. Also ich war nie ein schlechter Schüler. Ich war trotz meiner Unaufmerksamkeit und meiner Ablenkbarkeit mündlich immer gut bis sehr gut bei den Lehrern, die das akzeptieren konnten, wie ich bin, bei anderen Lehrern nicht. Es gab Lehrer, die haben meinen Eltern gesagt, der hat auf der Schule hier nichts verloren, und als meine Eltern der Lehrerin gesagt haben, ja, der hat ADHS und ist hochbegabt, ach so, ja, das ändert alles. Also so völlig bekloppte wirklich auch gemeine Lehrer und Lehrerinnen, die ich da hatte, wo ich mich bis heute frage, warum die mit Kindern arbeiten, warum die in dem Beruf sind, die einfach nicht auf Menschen losgelassen werden dürfen. Und ja, es war sehr wechselhaft, sagen wir mal, ich habe es durch gewurschtelt. Ich habe so zum zum thema abschluss hin. Ich habe nach der nach 12 1, also erstes halbjahr, zwölfte klasse habe ich freiwilligen jahr wiederholt, weil ich nicht mehr konnte, weil ich nicht mehr wollte, in dem ganzen Kontext. Aber ich habe am Ende mein Abitur gemacht, ohne ein Sterbenswörtchen dafür zu lernen.

Speaker 3:

Also das war dann. Das bedeutet, du warst schon da erschöpft. Dann in der Oberstufe Ging das da schon los.

Speaker 2:

Ja, also es hat halt unglaublich viel Energie gefressen die ganze Schulzeit. Ich weiß nicht, wann das losging. Ich habe heute auch eine diagnostizierte Lebensmittelunverträglichkeit gegen Fruchtzucker, Und ich weiß, dass ich die ganze Schullaufbahn durch mit dem Bauch Probleme hatte. Das ist dann so, das Henne-Ei-Ding vielleicht, Was war zuerst? Ist das jetzt psychosomatischer Stress gewesen, dass ich mich so oft übergeben habe und so oft Bauchschmerzen hatte? Oder weil wir haben viel Gemüse gegessen daheim? Das ist so. Alles, was ich nicht essen darf, wurde bei uns regelmäßig gekocht, Und ich weiß nicht, was zuerst da war auf das Ganze, wenn diese Unverträglichkeit schon da war.

Speaker 2:

Aber ja, ich weiß, dass es. Also ich habe es geliebt, in die Schule zu gehen, weil ich es liebe, neue Sachen zu lernen, Und ich habe es gehasst, in die Schule zu gehen wegen der Schule. Und ich wünsche mir heute noch manchmal Tage zurück, wo ich in der Schule bin und mit den Leuten, die cool waren, einfach in der Pause in der Aula sitzen und Skat spielen und dummes Zeug labern kann, mit den Lehrern, die cool waren, blöde Witze machen kann. Und gleichzeitig wünsche ich mir, würde ich für kein Geld der Welt dahin zurückgehen, weil es halt echt viel Mobbing gab und echt viel Ausgrenzung und viel ätzende Leute. Also es ist so sehr ambivalent das ganze Thema. Aber in gewisser Weise war ich auf einer recht guten Schule. Also es war, die haben viel. Wir hatten viele, viele gute Lehrer, die sehr auf Beziehung gegangen sind, wo ich bis heute sage, wenn ich denen auf der Straße begegnen würde, ich würde mich sehr freuen, sie nochmal zu sehen. Und die Lehrer, die wirklich schlimm waren, waren zumindest in der Minderzahl.

Speaker 2:

Also die Lehrer, die dann gesagt haben ich gebe dir jetzt mal eine 6 in der Mitarbeit, damit du motiviert bist, oder sowas. Das waren zum Glück nur wenige, aber es gab es auch. Ja, natürlich gab es die. Die gehören ja zum Schulsystem, die sind ja Inventar.

Speaker 3:

Und wie hat sich denn dein Verhalten verändert im Gymnasium?

Speaker 2:

Weil ich meine, du bist ja auch in die Pubertät gekommen und ein bisschen größer geworden, und damit warst du wahrscheinlich nicht mehr so viel unterwegs irgendwann, oder Bist du weiterhin durchs Zimmer getigert, tatsächlich aber auch, weil es da so viel zu lernen gab. Also mir hat mal eine Therapeutin gesagt, dass ein Teil meiner also ich weiß nicht, ob man das so sagen kann, ich bin ja wirklich nicht psychologisch bewandert, aber ein Teil meiner Hochbegabung deckt den ADHS-Teil ab, so ungefähr. Also, das kann das auffangen, und ich bin sehr gut darin, mein ADHS halt zu verstecken, zu maskieren oder aufzufangen, auszugleichen, wie auch immer. Im Nachhinein weiß ich ja, dass es unglaublich viel Energie gekostet hat. Ich war halt unglaublich ablenkbar, also ich habe halt aus dem Fenster geguckt und sowas, aber ich habe trotzdem alles mitgekriegt. Aber ich habe trotzdem alles mitgekriegt. Das war dann so der Ausgleich, auch wenn ich aus dem Fenster geguckt habe. Ich habe es mitbekommen.

Speaker 2:

Gleichzeitig bin ich absolut kein Typ gewesen für die Unterrichtsmethoden, die viele Lehrer hatten, weil viel dann so über Erklären lief. Und dann, ich habe es erklärt, und jetzt macht ihr einen Transfer und nehmt es an, und ich habe immer gesagt, gerade in Mathe mach es mir einmal vor, dann kann ich es, erklär es mir hundertmal, und ich kann es nicht, und das haben aber halt manche Lehrer nicht eingesehen. Das ist bis heute so. Wenn ich eine Ausbildung oder eine Fortbildung, irgendwas mache, und jemand erklärt mir, das verstehe ich es nicht. Sobald ich ein Bild dazu habe, kann ich es. Das geht bei mir dann sehr schnell, und das hat sich halt auch durchgezogen. Ich musste nie was für Arbeiten lernen bei den Lehrern, die vorgemacht haben Physik, mathe, da, wo es gezeigt wurde, ging das. Ich weiß heute, dass ich eine Dyskalkulie habe. Ah, ja, stimmt, das hast du geschrieben, aber ich hatte gute Mathelehrer, da habe ich das verstanden. Ja, okay, wenn ich 3 mal 8 rechne, kommt 32 raus. Ich weiß bis heute nicht, ob das richtig ist. Ja, es ist falsch, glaube ich.

Speaker 3:

Ich bin 24, ja.

Speaker 2:

Ja, also, es ist halt so, funktioniert das. Aber ich hatte so gute Mathelehrer bis auf einen, dass es nicht mal aufgefallen ist, weil ich es trotzdem irgendwie konnte. Und das ist halt.

Speaker 3:

ja, du konntest das quasi auswendig lernen und musstest nicht diese Konzepte dir erarbeiten. Das ist halt das. Der Vorteil dieses hochbegabten Gehirns ist halt, dass manche Sachen sich da schneller erschlossen werden können, dass das viel stärker vernetzt ist und so.

Speaker 2:

Ich wusste die Lösung, aber wusste nicht, woher, So ungefähr Es war immer also gerade in. Mathe hatte ich ganz oft Lösungen richtig, rechenweg falsch oder sowas Ja war halt so Oder auch Rechtschreibung.

Speaker 3:

Was bei dir halt echt auch ein Thema sein kann. Und ich meine, ganz, ganz, ganz viele hochbegabte Menschen haben ja erst mal eine ADHS-Diagnose gehabt, und irgendwann hat sich dann herausgestellt ah ja, das war gar keine ADHS, sondern immer eine Hochbegabung, oder es kommt zumindest noch eine Hochbegabung dazu. Also ich möchte jetzt nicht sagen, dass du keine ADHS hast, weil weiß ich nicht, aber es ist ja schon so, dass die Symptome einer Hochbegabung durchaus sehr, sehr ähnlich sein können wie die Symptome einer ADHS. Und wenn jemand unterfordert ist und mehr Input braucht und ein anderes Setting braucht, weil es immer lernen, lernen, lernen will das Gehirn, dann kann auch sein, dass, wenn das fehlt, dass da eine Unruhe reinkommt und eine Impulsivität die gehört ja sowieso auch in das Bild einer hochbegabten Person. Insofern hat vielleicht das Gymnasium mit dem, dass du Input bekommen hast, ein bisschen was von deiner Symptomatik abgefangen.

Speaker 2:

Symptomatik abgefangen. Ja, dafür war halt das also sagen wir mal, das Chaotische wurde da halt viel, viel stärker in der Zeit. Also klar, ich war mehr selbstverantwortlich, aber ich habe meine Hausaufgaben nie gehabt. Also ich kann mich nicht. Das ist die absolute Ausnahme, dass ich mal Hausaufgaben gemacht habe.

Speaker 3:

Warum nicht? Kannst du das kurz noch sagen? Warum hattest du deine Hausaufgaben nie?

Speaker 2:

Weil ich sie nicht für sinnvoll gehalten habe. Also, ich stehe bis heute auf dem Standpunkt, dass ich keinerlei Mehrwert in Hausaufgaben sehe. Mir konnte auch noch niemand großartig erklären, was das bringen soll, und das habe ich halt damals schon gesagt. Ich habe den ganzen Tag Schule. Warum soll ich mich jetzt daheim noch hinhocken? Tag Schule, warum soll ich mich jetzt daheim noch hinhocken? Ich will was tun, und jetzt hier irgendwie einen Aufsatz schreiben, nur weil die Lehrerin es nicht auf die Reihe gekriegt hat, dass wir das in der Stunde fertig kriegen. Das ist mir zu doof, oder was halt auch häufig vorkam ich habe es einfach vergessen. Also es war mir einfach halt nicht wichtig.

Speaker 2:

Es war dann keine bewusste Entscheidung, es nicht zu machen, sondern ich habe es einfach vergessen. Es war einfach nicht in meinem Kopf, selbst wenn es im Hausaufgabenheft stand. Da steht es gut, papier ist geduldig. Aber oftmals habe ich es nicht mal ins Hausaufgabenheft geschrieben, weil ich es sogar am Ende der Stunde schon vergessen habe, es aufzuschreiben. Und deshalb war dann und es war halt auch ich meine, es war generell bei uns üblich wir sind mit dem Zug zur Schule gefahren, und es war eigentlich immer so, dass man morgens dann im Vierer zusammengesessen hat, und drei Leute haben vom Vierten die Hausaufgaben abgeschrieben. Also, das war halt auch Standard.

Speaker 2:

Und mir kann auch keiner erzählen, dass die Lehrer das nicht wussten. Also das war alles so unsinnig, also es war einfach nur unnötig. und oftmals war Hausaufgabe auch echt einfach nur Schikane. Nicht, dass es bewusst war, um die Kinder zu schikanieren, aber es fühlte sich halt so an.

Speaker 3:

Also, es fühlte sich für dich so an, und für dich hat es keinen Mehrwert gebracht, und deswegen hast du es auch größtenteils abgelehnt. Das war eins der Symptome, die sich gezeigt haben. Deine Strukturlosigkeit, sagtest du gerade, hat zugenommen. Am Gymnasium Hausaufgaben waren da so ein Thema, was war da noch so ein Thema?

Speaker 2:

Was war denn noch so ein Thema? Also, es war halt, was sich in der Zeit das erste Mal so gezeigt hat, war das Thema Suchtempfänglichkeit, aber zum Glück nicht im Sinne von Rauchen, alkohol oder sonst was. Da hatte ich genug abschreckende Beispiele. Ich habe in meinem Leben nie an der Zigarette gezogen oder trinke absolut keinen Alkohol. Aber bei mir ging es dann so in Richtung Computer. Also, ich habe viel Computer gespielt, wobei es gab da gab es auch bei uns tatsächlich ganz andere, da war ich noch gemäßigt, aber wobei ich das ist so schwierig, das einzuschätzen. Es ging halt in der Zeit dann so neunte, zehnte Klasse rum habe ich meinen bis heute besten Freund kennengelernt. Neunte, zehnte Klasse rum habe ich meinen bis heute besten Freund kennengelernt, und wir haben dann halt zusammen, während wir über Skype telefoniert haben, zusammen Onlinespiele gespielt und das machen wir halt bis heute, und danach in Anführungszeichen war ich süchtig.

Speaker 2:

Das kann man sagen, ich habe das gebraucht, ganz extrem. aber wenn ich das heute im gesamten Konstrukt betrachte, weiß ich jetzt nicht, ob ich sage, ich war computersüchtig. Weil, wenn ich mir andere angucke, ich habe jetzt in meiner Steam-Freundesliste Leute da kam vor anderthalb Wochen ein Spiel raus, und die haben innerhalb von einer Woche 110 Stunden in dieses Spiel reingesteckt. Das nenne ich Computersucht. So schlimm war es nicht. Wir haben mal in Ferientage gehabt, wo wir morgens um 10 uns angerufen haben und abends um 10 aufgelegt haben und haben die ganze Zeit gespielt, aber waren zwischendurch mal eine Stunde essen oder so. Ja, das schon. Aber zumindest dieses, diese Fähigkeit zur Sucht hat sich bei mir da gezeigt, dass ich da so schnell in so was reinrutschen kann, und das habe ich aber halt sehr bewusst erlebt. Also, ich war mir von Anfang an bewusst, dass das passieren kann. Deshalb habe ich nie mit Glücksspiel angefangen oder sowas, weil ich weiß, da könnte ich sehr schnell drin versinken.

Speaker 3:

Also, das war auf jeden Fall Die Vernunft dabei in deinem Kopf. das kenne ich sehr, sehr gut von mir selbst auch. Also so eine gewisse Kontrollinstanz in deinem Gehirn, die dich davon abgehalten hat, sachen zu machen, bei denen du gemerkt hast, die könnten für mich persönlich gefährlich sein, und das möchte ich nicht. also lasse ich es.

Speaker 2:

Ja, also beim Alkohol ist ganz klar Thema. Ich hatte im Fußball in der F-Jugend einen Trainer, der Co-Trainer, und ich war da Torwart mal kurz, und der war so besoffen die ganze Zeit, also wenn der nüchtern war, konnte er nicht Fahrrad fahren. Wenn der besoffen war, ist er gerade ausgefahren, sonst ist er Schlangenlinien gefahren, so einer von diesen Dorfalkoholikern, einer von diesen Dorfalkoholikern. Und der hat dann so nach dem Motto gemeint ja, um euch abzuhärten, trainieren wir jetzt mal richtig, wie es torwart ist, und ich schieße euch jetzt die Bälle ins Gesicht. Also der hat dann wirklich uns einfach mit den Bällen abgeschossen.

Speaker 2:

Heute würde ich den anzeigen, wenn ich sowas mitkriege. Damals hat es, glaube ich, keiner mitgekriegt, und deshalb habe ich bis heute Angst vor Kopfball oder sowas beim Fußball, weil ich da halt einen Ball ins Gesicht gekriegt habe. Und das war für mich. Dieser Mensch war für mich so abschreckend, dass ich mit Alkohol echt wenig anfangen kann. Ja, und beim Rauchen, das stinkt man. Also warum sollte ich mit so einem Scheiß anfangen, wenn ich dann aus dem Mund stink? Das war. Ich habe tatsächlich und das ist eines der Dinge aus der Grundschulzeit, die ich bis heute bereue eine sehr bewusste Entscheidung, dass ich meinem damals besten Freund die Freundschaft gekündigt habe, weil der mit neun Jahren angefangen hat zu rauchen.

Speaker 2:

Mit neun Schwierige persönliche Geschichte, mutter gestorben, sehr viel Biografie, sehr viel Schwieriges Also passiert, dass er in sowas reinrutscht. Aber das bereue ich bis heute, weil heute ist er ein wunderbarer Mensch. Er ist heute Ortsbürgermeister von unserem Heimatort, und ich habe mich gerade im Januar mal wieder mit ihm getroffen, und wir verstehen uns super. Ich bin froh, dass ich das wieder gefunden habe. Ist jetzt nicht beste Freundin oder so, aber das finde ich sehr schade, dass sich das damals so entwickelt hat, dass ich das so entschieden habe. Aber ich war bei diesen Sachen schon immer sehr klar. Also, das war, wenn ich so eine Entscheidung treffe und auch ein Mensch dann für mich sich erledigt hat, quasi, dann ist das so. Also da kann ich, gehe ich dann auch ganz schwer nur wieder von ab, und das hatte ich damals auch schon, diese Klarheit.

Speaker 3:

Schwarz-Weiß-Denken halt auch ne.

Speaker 2:

Ja, leider, oftmals, leider. manchmal ist es gut, weil es mich beschützt hat, aber oftmals nicht so.

Speaker 3:

Ja ist krass. Also weil ich meine, ich habe auch viele Negativbeispiele zum Thema Alkohol und Drogen und so weiter beobachtet in meiner ganzen Kindheit und Jugend. Und trotzdem war jetzt ich zum Beispiel sehr alkoholaffin. Ich habe auch früh geraucht, ich hatte da gar keine Schwierigkeiten mit. Ich habe das so den Zusammenhang zu mir nicht gesehen, an dem ich groß geworden bin. Da wird halt gesoffen, jeder macht das. Und dann bin ich noch in einem Alkoholikerhaushalt groß geworden. Alkohol war so eigentlich ein Muss. Ich weiß gar nicht, ich kannte keine einzige Person, die keinen Alkohol getrunken hat, wirklich keine.

Speaker 2:

Das ist, bei uns aber auch.

Speaker 3:

Und wie kommst?

Speaker 2:

du dann darauf? Ich komme aus einer Weinregion, meine Eltern. zu jedem Abendessen gibt es Wein, und es wird immer getrunken.

Speaker 3:

Krass, dass du das so abgelehnt hast.

Speaker 2:

Mir hat es aber auch nie geschmeckt, ich habe nie einen Spaß daran gefunden. Dann kommt auch noch dazu und das sage ich jetzt so, wie ich es empfunden habe und vielleicht auch immer noch empfinde Ich bin in einem Dorf mit Bauern aufgewachsen, und die waren alle so viel dümmer als ich, und durch Alkohol sind die noch viel dümmer geworden, und so wollte ich nicht sein auf Augenhöhe bewegen konnte. Das war alles immer so einfach. Es ging immer nur um so langweilige Themen, gerade so dann im Teenie-Alter. Wenn es dann drum also jetzt nicht bei mir auf der Schule, da war das nochmal ein bisschen anders, weil das waren ja alles die Akademiker-Kinder. Die waren ja dann wieder in anderen Sphären unterwegs, aber so gerade im Fußballverein oder so da ging es dann drum.

Speaker 2:

Ich habe jetzt einen Mofa und hier die alte da, die habe ich am Wochenende, solche Geschichten, und das war mir einfach immer zu primitiv, das war mir zu dumm, und das ist für mich die Verbindung mit Alkohol. Und gleichzeitig habe ich immer gesagt Leute, um lustig zu sein, brauche ich keinen Alkohol. Ich habe einen guten Humor, der ist sehr schwarz und sehr hintersinnig, und ihr versteht den sowieso alle nicht. Ich brauche keinen Alkohol, wenn ich dann so werde wie ihr. Also, das war für mich es war einfach nie, hat mich nie irgendwie gereizt.

Speaker 3:

Ja das finde ich gut, das ist ja super.

Speaker 2:

Also ich glaube tatsächlich, wo das auch ein bisschen herkommt. Es ging seit meiner Kindheit darum, Kontrolle zu bekommen und mich zu kontrollieren, mich zu reflektieren, mich im Griff zu haben, Und dann soll ich Alkohol trinken, der für Kontrollverlust sorgt. Das widerspricht ja allem, wofür ich stehe. Das ist halt bis heute. Ich war einmal in meinem Leben betrunken, und das war wegen einer Trennung. Weil ich dann gesagt habe, jetzt habe ich keinen Bock mehr, jetzt schieße ich mich ab. Ja habe ich jetzt keinen.

Speaker 3:

Vorteil drin gesehen im Nachhinein. Und ja, ich bin gerne irgendwo dabei, wenn diese lustigen Alkoholgeschichten erzählt werden, wenn irgendeiner an der U-Bahn vollgesoffener Gruppe hinterherläuft und ruft ach, lasst mich zurück, ich bin nur eine Last, und dann da umfällt Ja, sowas ist lustig, wenn man es hinterher erzählt, aber ich brauche das nicht exzessiv Alkohol trinken und so. Das gehört schon bei ganz vielen mit dazu. Ich wollte noch mal zurück in deine Schulzeit, und zwar hattest du vorher gesagt, es gab viel Mobbing an unserer Schule. Meintest du, dass das Mobbing gegen dich gerichtet war? auch Oder insgesamt hattet ihr viel Mobbing.

Speaker 2:

Also ich habe viel Mobbing erfahren. Das war nicht so, dass die Schule da jetzt extrem bekannt war, dafür Das nicht. Da wurde auch ganz viel gemacht und so ganz viele Aktionen und so weiter. Wobei mein Papa hat mir vor kurzem erzählt, dass die Mittelstufenleitung die war nicht bei mir Klassenlehrerin, ich weiß auch nicht mehr, wie sie hieß, aber die haben irgendein Gespräch mit der gehabt wegen einer Lehrerin, die halt echt fies zu mir war. Der haben sie erzählt, dass ich ADHS habe, und dann hat die wohl gesagt ja, mit so einer Diagnose hat er hier auf der Schule aber nichts verloren. Also so, thema Schule positioniert sich gegen Mobbing, positioniert sich gegen mobbing war wohl doch nicht so ehrlich, aber ich habe da viel mitgekriegt. Also ich war halt der außenseiter in der klasse.

Speaker 2:

Ich hatte dann irgendwo hatten wir mal ein kunst projekt, da haben wir irgendwas aus holz bauen sollen, und ich habe dann natürlich auf den letzten drücker weil ich sehr vergessen habe, macht er die aufgaben erst auf den letzten drücker habe dann da irgendwie eine windmühle, irgendwas gebaut gehabt, und ich war da echt stolz drauf, dass ich das hingekriegt hab und dass das so in kurzer Zeit, und ja, ich wusste, die sieht nicht perfekt aus, aber es ist mein Ding, es ist cool, und dann stand die übers Wochenende im Klassenzimmer, und als ich montags hinkam, war die komplett beschmiert, weil die anderen Jungs aus der Klasse vor mir da waren, und die war komplett mit Edding voll geschmiert, mit gewissen Symbolen, Weil das ist ja dann auch lustig, wenn man da sowas drauf malt. Und dann wurde, als ich dann da war weil die waren ja schon benotet, alles ging ja darum, mit heimzunehmen dann wurde, noch bevor der Lehrer kam, unter Johlen und Jubeln das Ding kurz und klein getreten.

Speaker 2:

Also solche Geschichten liefen dann, und das lief tatsächlich bis zu dem Punkt, wo ich dem in Sachen Anführer, mit dem ich eigentlich mal befreundet gewesen war wir hatten uns getroffen und sonst was aber dann, irgendwann ist bei dem der Opa gestorben, und er hat ein kleines Geschwisterchen gekriegt, und er ist voll abgedreht und hat angefangen, mich aufs Übelste runterzumachen, und irgendwann war der Punkt erreicht, wo er mich mal wieder auf dem Schulhof von hinten gepackt hat, irgendwie festgehalten hat, und ich habe mich rausgewunden habe, gepackt hat, irgendwie festgehalten hat, und ich habe mich rausgewunden, habe ausgeholt und habe ihm die Nase krumm gehauen. Also ich weiß, von diesem Moment weiß ich noch alles. Ich habe ausgeholt, die Faust geballt und habe ihm voll ins Gesicht gehauen, und ich habe mich nie in meinem Leben geprügelt, weil ich ja, wie gesagt, wut, meine Wut nicht haben darf, und das war also. Einerseits feiere ich mich bis heute für diesen Moment, dass ich mich da raus gewunden habe, und gleichzeitig schäme ich mich dafür, dass ich jemanden verletzt habe, weil das wollte ich ja natürlich nicht Oder wollte ich schon. Das ist so dieser Zwiespalt, wenn ich nicht klarkomme, und das ist auch dieses Gefühl bis heute.

Speaker 2:

Ich habe das gerade vor kurzem einer Bekannten geschrieben Umgang mit Thema Wut. Das habe ich damals so gespürt und heute auch noch. Ich werde so schlecht wütend, weil ich das in mich reinfresse. Aber wenn ich wütend bin, dann möge dich der Zorn der Götter treffen. Also, darunter mache ich es nicht, und das ist halt gerade in Zeichen von Social Media und sowas super gefährlich.

Speaker 2:

Also ich bin froh, dass es das damals nicht gab in der Form, weil so dieses Thema, ich schicke jemandem eine Nachricht und kriege keine Antwort, und dann steht am besten noch da, der hat es gelesen, und dann ärgere ich mich darüber. Aber ich lasse erst mal. Dann gucke ich eine Stunde später, ja, der hat ja immer noch nicht geantwortet. Dann schicke ich noch eine Nachricht Und steigere ich mich dann da rein. Und das hat, glaube ich, so seinen Ursprung in diesem damals, dass ich ich war so wütend, weil ich wollte nur Freunde haben, ich wollte nur dazugehören, aber ich habe überhaupt nicht reingepasst. Ich hatte immer dann mit Älteren zu tun, aber die wollten ja nichts mit mir zu tun, aber was wollen die mit dem kleinen Kerl? Die Gleichaltrigen waren mir alle zu doof, und da habe ich nicht dazugehört, und ich war so wütend die ganze Zeit eigentlich, dass ich verlernt habe, damit umzugehen, glaube ich, und da arbeite ich halt bis heute dran.

Speaker 3:

War das, was, was dich auch schon in der Grundschulzeit begleitet hat, oder kam das dann so durch den Schulwechsel und die Pubertät? diese Wut Erinnerst du dich daran?

Speaker 2:

Also in der Grundschulzeit hatte ich das, glaube ich, noch nicht. Da war ich ich, da hatte ich Freunde auch. Ja, ich war anders, aber ich hatte halt wirklich mich mit ganz vielen aus der Klasse immer mal getroffen und war beliebt, und ich hatte oft so das Gefühl, weil das auch dann so die Leute waren, die ich mir ausgesucht habe. Ich bin so lange gut genug, bis jemand anders kommt. Also, das war halt so, aber das haben die Leute tatsächlich bis heute. Also das lag dann nicht unbedingt an mir, sondern die wohnen ja dann noch im Ort, wenn ich die sehe, die strahlen das immer noch aus, wenn man sich mit denen unterhält und wenn man das beobachtet. Die reden mit jemandem, drehen sich rum und reden mit dem Nächsten, weil dann ja, das hat nicht zusammengepasst, ich habe mit den Leuten da einfach nicht zusammengepasst.

Speaker 2:

Ich bin auch heute super vorsichtig, mit wem ich viel zu tun habe. Ich bin einerseits super naiv, und bei jedem Menschen laufe ich erst mal freudestrahlend hin hey, schön, dich kennenzulernen, und ich freue mich, du bist ein Mensch, und ich mag dich, wie du bist. Aber sobald ich merke, das passt nicht, dann ist der Mensch für mich auch erledigt. Also, tiefere Beziehungen brauche ich lange, bis die funktionieren, außer, es matcht halt sofort. So war es bei meiner Frau. Die habe ich kennengelernt, und es hat gepasst.

Speaker 3:

Das ist dann die Ausnahme trotz der ADHS in einer halben Zeit eine IQ von 137 abgeliefert hast, dann bist du mit deinem Kopf halt in Sphären unterwegs, die, glaube ich, von vielen Menschen auch nicht abgeholt werden können. Weißt du, ich habe da mal einen Podcast dazu gehört.

Speaker 2:

Ich weiß gar nicht mehr, welcher genau das gewesen ist, aber es gibt ja so unterschiedliche Podcasts, wo auch nur Menschen sprechen, die sehr hochbegabt sind nirgendwo richtig zugehörig fühlen, weil die Themen, die einen interessieren, die können die anderen irgendwie nicht begreifen, und die Sachen, über die, die sich unterhalten, die sind viel zu trivial und langweilig, und wohin mit sich? ne, das ist schon auffällt, ich denke, halt um unglaublich viele Ecken. Und so ein Beispiel dafür ich war bis jetzt dieses Jahr in der Mainzer Fasnacht aktiv, also bei uns hier ist ja Fasnachtbühne Comedy quasi, und hab da auch auf großen Bühnen gespielt. Also das ist auch so ein Ding, was sich durchzieht bei mir. Ich hab immer ganz oft gesagt, das kann ich auch, das kann ich auch, und es hieß immer ja von wegen Beweis, mal so ungefähr.

Speaker 2:

In dem Fall hab ich's bewiesen. Ich hab als Teenie schon gesagt, das, was die da im Fernsehen können, kann ich auch. Und dann hab ich auch da vor 2.000 Leuten auf der Bühne gestanden. Aber ich mache halt dann Wortwitze und spiele mit der Sprache und bin hintersinnig. Und dann guckt man da in so einen Raum, wo 900 Leute sitzen, die was mir natürlich super gefällt auch alle besoffen sind, weil hier wird getrunken, ist ja klar. Also, die sind alle zumindest angetrunken und man guckt in leere Gesichter, die nicht verstanden haben, was ich gerade will, und dann gehe ich von der Bühne, alle hinter der Bühne klopfen mir auf die Schulter und sagen was für ein geiles Ding. Geiler Vortrag, so intelligente Witze. Schade, dass es Publikums nicht versteht. Der Nächste geht hoch und erzählt da kommt ein Pferd in die Bar und sagt der Barkeeper, warum denn? und der ganze Saal brüllt vor Lachen. Das ist das, was mir immer wieder vor Augen geführt hat, dass mein Kopf irgendwie anders tickt.

Speaker 3:

Und diese Einsamkeit, das sind ja mehrere Facetten, die dadurch relevant werden. Also das eine ist dieses, sich nicht so richtig zugehörig fühlen. Das andere ist, dass nicht richtig aufgenommen werden durch die anderen, weil warum denn, wenn der uns immer nur signalisiert, wir sind dem zu blöd, oder wenn der immer nur Sachen erzählt, die wir gar nicht richtig begreifen? das hat ja auch wieder zwei Seiten Einsamkeit, noch hinzu Einen Frust. Also du versuchst es ja trotzdem hinzukriegen, und es funktioniert nicht. Und wenn dir das niemand begreiflich machen kann, und wenn da nichts da ist, ich verstehe, dass das da eine Wut kommt. Du bist ja auch noch geärgert worden. Also das, was du berichtet hast über dein Mobbing, das, was da so im Klassenzimmer stattgefunden hat, da gab es wahrscheinlich auch außerhalb des klassenzimmers auf dem pausenhof dinge oder die der stadt gefunden haben. Waren die nur verbal, oder gab es auch körperliche themen?

Speaker 2:

also es war halt mehr so ein ausgrenzend ding. Also ich glaube, die waren sich tatsächlich zu schade dafür, so Sachen zu machen, wie mich mit Papierkügelchen zu beschießen. Solche Geschichten. Das gab es dann in der Oberstufe mal so Geschichten von anderen Leuten noch, die dazu kamen, die bei mir in der Klasse, das war mehr so ein Wir zeigen dir, dass du nicht gut genug bist, zu uns zu gehören. Thema So ausgrenzen, alleine sein, alleine lassen, mist erzählen über mich und so Geschichten. Da lief eher das. Es war wie gesagt, wenn ich heute höre, was manche Leute für Mobbing-Geschichten erleben, dann war das, was ich erlebt habe, objektiv gesehen relativ harmlos. Für mich war es schlimm. Es ist eben ja.

Speaker 3:

Es ist nicht harmlos.

Speaker 2:

Es ist mein Leben Richtig, ich will nichts anderes haben. Es war halt so, ja, aber es war tatsächlich selten extrem übergriffig. Es war mehr so ein Versuch, bloßzustellen oder auszugrenzen solche Geschichten. Und das war dann im Prinzip das Hauptproblem eigentlich, dass ich immer so im Einzelkämpfer-Modus für mich unterwegs war. Ich habe immer versucht, kontakte zu knüpfen, und es hat nicht funktioniert. Und was tatsächlich für mich? ja, ich werde das nicht als Ausrede benutzen, ich werde es nicht als Schutz benutzen vor Strafe oder sowas, aber ich habe ADHS, ich kann es nicht.

Speaker 2:

Das war für mich immer die Begründung. Es wurde mir ganz oft als Ausrede ausgelegt. Ich höre bis heute von Leuten den Satz ja, du bist Mr. Ausrede Nummer eins no-transcript. Ich muss gucken, ob das richtig ist, was ich mache, damit ich funktionieren kann. Und es ist bestimmt ein ungesundes muster, was ich noch von damals habe, aber das ist einfach so. Ich hinterfrag alles, und das benenne ich aber auch, weil ich ganz früh entschieden habe offenheit und transparenz ist der schlüssel zum erfolg, und wenn es jetzt nicht funktioniert, vielleicht irgendwann. Ich will offen damit umgehen. Wenn ich in ein Team reingehe, dann sage ich von Anfang an ey, ich habe ADHS. Wenn ich mal meinen Stift irgendwo liegen lasse, seht es mir bitte nach. Das mache ich nicht, um euch zu ärgern, sondern nur, um euch zu nerven.

Speaker 3:

Also ich kann nichts dafür. Das ist ein sehr guter Satz.

Speaker 2:

Und das ist halt einfach. das war für mich halt von Anfang an der Schlüssel, weil ich höre immer wieder ja, so viele hadern mit der Diagnose, und ja, ich wünschte mir, ich hätte es nicht in gewisser Weise, Aber gleichzeitig, und so schwer mein Leben phasenweise war, ich bin der, der ich bin, und das ist so ein Teil von mir, Ich brauche das auch. Also, ich könnte mir nicht im Ansatz vorstellen, wie es wäre, nicht um diese 5000 Ecken zu denken. Ich weiß nicht, wie oft ich meine Frau zum Lachen gebracht habe mit irgendwelchen total unsinnigen Zusammenhängen die sie zum Glück versteht wo sie sich völlig kaputt lacht, weil sie sagt wie kommst du da drauf? Hätte ich das auch, wenn ich ADHS nicht hätte? Und das war mir schon relativ früh klar, dass das einfach ein Teil von mir ist. Ich sehe das als große Belastung und große Einschränkung und bei Gott nicht als Superkraft. Also diesen Scheiß möchte ich wirklich nicht mehr hören. Dieses ADHS ist eine Superkraft. Das finde ich so übergriffig.

Speaker 2:

Ja, das finde ich auch so, aber es ist halt ein Teil von mir, und ich ja, ich habe zwei wunderbare Kinder, ich habe eine tolle Frau, ich lebe gerade meinen Traum als Referent, ich darf Leute unterstützen. Das könnte ich nicht, wenn ich das nicht hätte, und von daher bin ich damit relativ im Reinen. Wenn Das könnte ich nicht, wenn ich das nicht hätte, und von daher bin ich damit relativ im Reinen, wenn nur diese blöden Wutausbrüche nicht wären. Also dieses Impulskontrollthema, das könnte ich wirklich gerne weghaben, weil so ein Thema ich suche irgendwas und weiß, wo es sein müsste, und da ist es nicht, und ich finde es nicht. Also da könnte ich wirklich hier die ganze Wohnung kurz und klein hauen, und das bis heute.

Speaker 2:

Und das würde ich gerne loswerden, aber alles andere ist halt da.

Speaker 3:

Ich weiß nicht mehr, wie ich jetzt auf den Gedanken gekommen bin, gerade vom Mobbing, aber es war eine wilde Reise. Du hattest das auch vorher schon mal berichtet, dass deine Eltern das auch so gemacht haben. Also dieses Schutzschild ADHS, das habe ich vorher schon mal so ein bisschen rausgehört. Also dieses Schutzschild ADHS, das habe ich vorher schon mal so ein bisschen rausgehört.

Speaker 2:

Wenn jemand sich zum Beispiel über dich beschwert, hat eine Lehrkraft, dass deine Eltern sich dann hingestellt haben und gesagt haben halt mal, der hat eine ADHS-Diagnose und ist hochbegabt, und das hatte ja offensichtlich bei der einen oder anderen Lehrkraft auch gereicht, um das zumindest zu akzeptieren oder zumindest von dem Standpunkt wegzukommen, dass du nichts auf dieser Schule zu suchen hättest. Das war so das, was du vorher berichtet hast. Also, was soll denn passieren? Einen Stempel, dass ich einen Nerv habe, habe ich sowieso schon. Ob ich dann einen Stempel, der einen Nerv mit Diagnose, oder okay, jetzt ordnen wir das anders ein, das kann ja eigentlich nur Vorteile bringen, und wenn nicht, dann bin ich halt nicht am richtigen Ort.

Speaker 3:

Aber du warst schon der Einzige, wahrscheinlich in deiner Klasse, mit einer ADHS-Diagnose oder Mit einer Diagnose ja, Ich oder.

Speaker 2:

Hattest du noch weiter Mit einer Diagnose? ja, ich spreche von der Diagnose. Entweder war ich der Einzige mit einer Diagnose, oder ich war der Einzige, der offen darüber gesprochen hat. Ich war bei vielen Dingen der Einzige. Ich glaube tatsächlich, dass, wenn ich das heute sehe, aus meiner beruflichen Sicht, dass viele in meiner Klasse generell im leben falsch unterwegs waren. Wir hatten in der oberstufe irgendwann oder im doch oberstufe haben wir immer im sportunterricht hochsprung gemacht, und ich war der einzige rechtsfuß von 30 Leuten im Sport, der Einzige, der mit rechts abgesprungen ist. Wenn man sich jede Sportart der Welt anguckt, sind die, die mit links abspringen, die Ausnahme. Das heißt, die ganze Klasse war auf der falschen Seite unterwegs, weil sie entweder kein Gespür hatten dafür, was eigentlich ihr Thema ist, oder weil sie so Mitläufer waren, weil der eine Coole hat sich da hingestellt dann gehen wir da auch hin, als wir Badminton gespielt haben, oder generell.

Speaker 2:

Ich war in der Klasse der einzige Linkshänder. Statistisch gesehen müssen es mehr gewesen sein. Das heißt, wie viele davon sind umerzogen worden unbewusst, weil automatisch jeder? das ist ja auch ein Thema in der Kita. Wir legen die Stifte immer auf die rechte Seite hin, wenn wir Rechtshänder sind. Das passiert immer noch unbewusst, und deshalb glaube ich, dass da eine ganze Menge unterwegs waren, deren Eltern halt nicht so hingeguckt haben, deren Eltern vielleicht Angst hatten, dass ihr Kind kaputt ist. Und wie gesagt, was ich meinen Eltern in Anführungszeichen vorwerfen kann, ist, dass ich keine Medikamente gekriegt habe und dass es vielleicht ein bisschen zu viel war mit dem Ding. Aber ich nehme lieber dieses zu viel und dafür nicht die Medikamente, als dass ich es gar nicht gehabt hätte. Von daher glaube ich, dass da einige Kandidaten unterwegs waren, die das definitiv auch hatten, die nicht diagnostiziert waren, und das waren dann diejenigen, die in der Oberstufe eben dauerhaft gekifft haben, weil dann mal Ruhe im Kopf ist.

Speaker 2:

Ich habe es noch nie probiert, es soll helfen. Aber da waren tatsächlich einige dabei, die haben, wenn man da so abends dann mal zusammensaß so ein paar Mal war ich ja dann abends irgendwo mit dabei, aus welchen Gründen auch immer aber die haben dann halt tatsächlich gesagt, ist das eine Ruhe? Aber die haben dann halt tatsächlich gesagt, ist das eine Ruhe? Und heute denke ich mir ja nachvollziehbar, wenn die tatsächlich ADHS hatten, so chaoten wie die waren, zumindest ADS. Also gibt es ja nicht mehr das so, aber zumindest den Typus können die durchaus gehabt haben.

Speaker 3:

Ich war aber halt der Einzige, wo es bekannt war, und das macht natürlich dann auch zum Mobbingopfer. Ja, das war ja genau das, was ich dadurch noch fragen wollte. Also, wenn du der Einzige warst, der so eine Diagnose hatte, dann warst du ja schon jemand mit einem Stempel in Anführungsstrichen, und das ist immer eine gewisse Gefahr, die in so einer Gruppendynamik mit einer Klasse dazu führen kann, dass eben auch Mobbing entsteht. Das ist einfach so.

Speaker 2:

Aber auch das Thema Mobbing. Auch da kann ich einen Schluss draus ziehen, der bis heute ein Glücksfall in meinem Leben ist. Irgendwann, nachdem ich dem anderen Kerl dann die Nase gebrochen hatte, war das vorbei. Also, da hatte ich dann meine Ruhe in dem Ding. Scheinbar habe ich mir dann Respekt erarbeitet, keine Ahnung der ist. Dann kurz darauf hat er die Schule gewechselt, und dann hat sich das so ein bisschen verlaufen. Dann gab es aber andere Mobbing Opfer, und bei uns waren zwei Schulen parallel, und dann irgendwann ging das los. Da war ein Junge auf der Parallelschule, der war auch hochbegabt, hat zwei Klassen übersprungen, das heißt viel jünger als die anderen, kräftig, und wir sind zusammen im Zug gefahren, und dann wurde dem immer irgendwas zugerufen, der wurde immer gemobbt, und ich war so in dieser Gruppe dabei von denen, die gerufen haben. Also, ich habe so am Anfang mitgemacht, war halt dabei, und irgendwann nach einer Zeit habe ich gesagt okay, ich habe jetzt keinen Bock mehr darauf, ich gehe jetzt einfach mal zu dem hin und unterhalte mich mit dem. Das ist heute mein bester Freund.

Speaker 3:

Ach, guck mal Da war dann jemand, der mit deinem Intellekt klar gekommen ist.

Speaker 2:

Der da geklickt hat. Ja, das siehst du mal, wir sind da auf einer Wellenlänge, also wir verstehen uns da, und gleichzeitig sind wir beide praktische Intelligenzler, sage ich mal. Also, ich hatte in der Stufe gerade nachdem ich in der Oberstufe wiederholt habe, hatte ich auch einen, der Mensa-Mitglied ist und sonst was, also definitiv da auch unterwegs. Mit dem konnte ich überhaupt nichts anfangen, der war so durchgeistigt und so philosophisch und intelligent. Oh Gott ey, ich bin Praktiker, ich will praktisch was umsetzen und will nicht über irgendwelche Theorien diskutieren. Von daher Intelligenz alleine reicht nicht. Aber das war halt dann so das Fazit für mich aus diesem Ganzen, dass ich das selbst erlebt habe, dass ich da an dem Punkt war Moment, der kriegt ja gerade das ab, was ich auch abgekriegt habe. Ne, da habe ich aber gar keinen Bock drauf. Und dann konnte ich das zum Glück umwandeln, und das hat sich sehr gut gefunden.

Speaker 3:

Voll schön, das freut mich jetzt. Und ihr wart dann. ihr wart nicht an derselben Schule, sondern der war an einer anderen Schule, hast du gerade gesagt, Eine, die so nebentran war. Genau die teilen sich das Schulgelände, die Gebäude sind nebeneinander, quasi. Ganz früher war das mal Jungenschule, mädchenschule. Deshalb sind die so nebeneinander Und hattet ihr zur selben Zeit Pause, sodass ihr euch dann auch auf dem Pausenhof treffen konntet, oder war das dann so?

Speaker 2:

Die Pausenhöfe waren nicht verbunden, und zu der Zeit hatten wir eine neue Schulleitung, die aus unserer Schule Fort Knox gemacht hat. Da durften dann nicht mal die Oberstufler, die unter 18 waren, das Schulgelände verlassen, weil nebendran unser Gymnasium heißt am Römerkastell, da ist so eine Ruine von so einem Römerding, und da wurde halt mit Drogen gedealt am Wochenende abends, und deshalb durften die Schüler unter der Woche morgens da nicht Pause machen. Also, es war so, das waren dann so die Regelungen. Wir durften da nicht. Aber wir sind halt zusammen im Zug, haben uns dann öfter gesehen, wenn wir gleichzeitig Feierabend haben, haben zusammen im Tennisverein dann gespielt, und halt eben online. Das ging über ICQ, wer das noch kennt, von damals ging das dann. Das heißt, da hatten wir dann unseren Kontakt Und am Wochenende die LAN-Partys und sowas.

Speaker 3:

So einer war es dann.

Speaker 2:

Ja voll. Ich bin bis heute leidenschaftlicher Gamer.

Speaker 3:

Ich war mit Leuten befreundet. Also, ich würde auch sagen, das sind alles Menschen, die neurodivergent sind auf irgendeine Art und Weise, aber die waren auch immer auf ihren land parties. Das war deren ding. Meint es nicht? aber ja, ist halt so. Zu deiner wut du sagst, die begleitet dich bis heute. Du glaubst, du hast früher keinen guten umgang damit gelernt, gelernt, wie also? eigentlich habe ich noch zwei Fragen Wie bist du damit umgegangen, wenn du dann geärgert wurdest? Ich glaube, die Antwort schon zu kennen. Aber wenn dich da jetzt irgendjemand getriezt hat, komische Sachen zu dir gesagt hat, na na na, was warst du für ein Typ von deiner Reaktionsweise darauf?

Speaker 2:

Ich glaube, ich war da tatsächlich sehr ambivalent. Das hing wirklich extrem vom Kontext ab. Entweder, ich bin richtig sauer geworden und habe den angeschrien, aber das war eher die Ausnahme, dass ich das rauslassen konnte. Ich glaube, häufig habe ich versucht, das ja kognitiv irgendwie aufzulösen und irgendwas zu erzählen und zu erklären oder so in verhandlungen zu gehen. Das weiß ich, wie ich das erklären soll, oder ich hab's halt in mich rein gefressen, kannst ja eh nicht ändern, und zwei Minuten später, ich hab's dann vergessen. Also, tatsächlich ist das bis heute. Ich hab's öfter mal gehabt mit Leuten, dass ich die irgendwie sehe, und im Moment, den kenn ich doch, ach hi, schön, dich zu sehen, und der guckt mich an, wie, was ist denn los? Und dann sagt mir jemand seit wann redet ihr denn wieder miteinander? Ihr hattet doch einen Riesenstreit, also solche Geschichten. Ich habe das dann einfach vergessen. Ich kann bis heute mir nicht merken, wenn irgendwas ist. Ich merke mir das einfach nicht.

Speaker 2:

Das ist nicht emotional abgespeichert, wenn jemand gemein zu mir ist oder ich mich da über jemanden ärgere, Ich bin dann kurz sauer. Ja, aber ich bin halt zu null Prozent irgendwie nachtragend. Das liegt mir fern. Deshalb kann ich immer so schlecht irgendwas beitragen, wenn es dann um so Meckerrunden geht oder so. Also nicht, dass ich das will, aber wenn sich dann alle über irgendwen beschweren ich finde den eigentlich ganz nett, und irgendwann fällt mir dann so das eine oder andere ein. Aber das tatsächlich ja, da habe ich meinen Speicher scheinbar relativ schnell gelöscht, oder ich packe es halt in irgendeine Schublade, von der ich noch nichts weiß, die ich vielleicht irgendwann noch finden muss, und da sage ich bewusst muss, weil ich will sie nicht finden.

Speaker 3:

Das war natürlich für die Leute, die dich geärgert haben, war das natürlich super, weil du dann ja nicht nachtragend warst. Aber ich kann mir vorstellen, dass du so wie du das jetzt berichtest, wahrscheinlich ein bisschen häufiger das irgendwie versucht hast, das auszublenden und weggesteckt hast, dass du irgendwie versucht hast, auszublenden und weggesteckt hast Und das nicht dann so rausgelassen hast.

Speaker 2:

Und mich würde jetzt halt noch interessieren als Zweites Mir fällt gerade noch was ein. Ich weiß, dass ich oft wohl wütend aus der Schule heimgekommen bin.

Speaker 3:

Ja, das wollte ich gerade fragen, dass meine Eltern das dann so?

Speaker 2:

Ich weiß noch, dass ich irgendwann Da hatten wir einen Kunstlehrer, und der hat mir eine richtig scheiß Note auf irgendwas gegeben, wo ich schon immer gesagt habe, kunst zu bewerten, das ist so ein Schwachsinn. Und dann kam der ernsthaft mit ja, ich bin heute extra um 12 Uhr aufgestanden, um das für euch doch zu benoten, vor dem Unterricht. Wir waren um drei Unterricht, also so herablassend für uns, weil wir mussten ja um sieben oder um sechs aufstehen. Und dann hat er uns das zurückgegeben, und da habe ich zu meiner Mutter tatsächlich gesagt ey, ich bring ja so, wenn ich irgendwann Zugriff auf gewisse Gerätschaften habe, dann kriegt er die zu spüren, so ungefähr. Ich will das jetzt im Podcast nicht so ausführlich erzählen, aber da war ich extrem sauer, und das war wohl, glaube ich, öfter, dass das dann, dass ich dann zu Hause da so ein Ventil hatte, das rauszulassen. Und es gibt bis heute den Trigger-Satz, der mich sofort zum Explodieren bringt.

Speaker 2:

Jetzt reg dich nicht so auf, weil ich glaube, dass mir der dann ganz oft begegnet ist. Jetzt reg dich mal nicht so auf, erzähl mal, was los war. Ja, aber ich will mich gerade aufregen, diese Wut muss ja hin, sprich mir die nicht ab. Und das ist bis heute, wenn mir das jemand sagt. Also ich hatte mal einen sehr teuren Scanner, und der hat nicht so ganz funktioniert. Und dann hatte ich meinen besten Freund über Skype dran und habe da rumgeschenkt und habe gesagt, das Ding funktioniert nicht, weil gerade Technik, ich als Informatiker da funktioniert Technik nicht, das kann ja nicht sein, regt mich da auf, will das hinkriegen und die Wut nutzen, um das hinzukriegen. Und dann sagt er zu mir jetzt reg dich nicht so auf, okay, scanner kaputt. Und dann, als ich wieder zu mir gekommen bin, war der Scanner in zwei Teile zerbrochen. Das ist halt. Ich vermute, dass ich das damals dann auch. Also ich weiß, dass ich das damals häufiger dann zu hören gekriegt habe jetzt reg dich nicht so auf, und dass das so abgesprochen wurde. Und deshalb ja mag ich den Satz nicht.

Speaker 3:

Das war genau das, auf was ich hinaus wollte. Irgendwo muss das ja hin. Also, ganz oft sind die Familien, glaube ich, die Ventile für all das, was so am Tag so runtergeschluckt werden musste durch Masking, durch was auch immer. Die Emotionen, die da rauskommen, die sind zum Teil so heftig Ich kann das wirklich nur als Mutter von zwei pubertären Jungs sagen pubertären Jungs sagen, was da rauskommt, in welcher Heftigkeit die Sachen ausgedrückt werden, in welcher Sprache, mit was für Fantasien das verknüpft ist, was da so erzählt wird. Das ist echt manchmal so, dass ich da sitze und total überfordert bin, wirklich überfordert bin mit der Heftigkeit und all dem, was da so kommt. Und trotzdem ist mir bewusst, wie wichtig das ist, dass da ein Adressat ist, der sich das anhört, weil ja, das staut sich ja sonst an. Und so ein blöder Satz wie jetzt reg dich nicht so auf, der macht das ja gerade kaputt. Was passiert denn danach? Dann kannst du es wieder nicht loslassen.

Speaker 2:

Der macht da noch was viel Schlimmeres, der lenkt die Wut um, weil vorher, wenn ich wütend bin über was, was in der Schule passiert ist, dass ich unfair behandelt worden bin, dann bin ich sauer aufs Universum, dann bin ich sauer auf alles und jeden, aber nicht auf die Person, die gerade mit im Raum ist. Wenn die mir jetzt aber das abspricht, dann ist sie auch unfair zu mir, und dann kriegt die Person das voll ab. Und das ist halt das, was einfach der große Fehler ist, den wir als Begleitpersonen dann da machen können Wut absprechen und Wut umlenken. Eigentlich müsste das Gegenteil der Fall sein. Da müsste man eigentlich sagen okay, lass alles raus, das geht bei mir hier rein, da raus, ich habe damit nichts zu tun, ich höre mir das an, ich bin da, auch wenn es mir vielleicht wehtut, das zu hören und das schlimm ist. Aber zu wissen, dass das nichts mit dem anderen zu tun hat, kannst du das gut? Nein, um Gottes Willen überhaupt nicht, weil das ist ja wieder unser.

Speaker 3:

Problem als ADHSler? Wir lassen uns ja anstecken durch Emotionen. Wir können ja nicht gut jemanden ertragen.

Speaker 2:

Doch tatsächlich. Also sagen wir mal, das ist ein unterschiedlicher Kontext. Im familiären Umfeld hier kann ich es nicht. Mein Sohn trifft mich da auf Ebenen, da fällt es mir schwer. Wenn ich konkret bin, wenn ich merke, meine Frau ist in der Situation mit ihm und ich gehe bewusst rein, dann kann ich es. Wenn es eine bewusste Entscheidung ist, dass ich in die Situation reingehe, um ihn zu begleiten, dann kann ich es, weil dann bin ich vorbereitet. In der Kita kann ich das ohne Probleme, weil in der Kita ist für mich das ist so berufliche Identität, private Identität. Ich bin immer die gleiche Person, aber ich habe eine andere Haltung.

Speaker 3:

Andere Rolle.

Speaker 2:

Irgendwie ja andere Rolle. Genau, und im beruflichen Kontext ist für mich vollkommen klar das Kind greift gerade die Situation an, nicht mich. Das habe ich immer im Kopf in jeder Situation. No-transcript, als Papa überfordert bin und sage oh Gott, ich hätte keine Kinder kriegen dürfen mit dem ganzen Ballast, den ich habe, weil die schlimmste Sorge natürlich ist ich habe ihnen das mitgegeben Wenn ich diese Ausbildung nicht hätte, ohne dieses ganze Reflektieren und Hinterfragen und Biografiearbeit. Ich wollte mich nicht als Papa erleben. Also, ich finde nicht, was viele ADHSler sagen, adhsler sollten keine Kinder kriegen oder so. Das finde ich nicht.

Speaker 2:

Das halte ich für viel zu schwarz-weiß-denken. Aber ich glaube, wir müssen einfach so an uns arbeiten und so uns hinterfragen. Da ist die Verantwortung, die wir ADHSler haben, noch größer als von neurodivergenten Eltern, wobei auch neurotypische Eltern haben ihren Rucksack dabei und müssen auch ihre Kindheit hinterfragen, weil es hat nichts mit ADHS zu tun, ob ich als Kind zum Essen gezwungen worden bin und das nicht aufgearbeitet habe. Wir sind nur ein bisschen reizbarer vielleicht.

Speaker 3:

Ja, also gerade der Umgang mit Wut, also das ist wirklich was, was mir ganz wichtig ist, das auch noch mal transparent zu sagen. Also ich weiß, dass ich eine ganz hohe Gefühlsansteckung habe. Also ich weiß, wenn eine Person, die mir nahe steht, und ich bin nicht in der professionellen Rolle super traurig ist, dann werde ich in der Regel auch super traurig. Und wenn eine Person, die mir sehr nahe steht, und ich bin nicht in der professionellen Rolle sehr wütend ist, dann muss ich aufpassen, nicht auch wütend zu werden. Und das schirmt man ja gerne ab mit dem ey hör mal auf, jetzt so wütend zu sein, weil das ist noch so eine gewisse Form des Selbstschutzes.

Speaker 3:

Die Frage ist halt nur was tut man denn bestmöglich? Also jetzt kommst du mal hier als Konfliktmanager an und erzählst uns das mal hier bitte kurz Was macht man denn als Elternteil? Weil ich glaube, viele Eltern kriegen sehr viel Wut ab von den Kindern, wenn sie nach Hause kommen. Wenn da so ein ganz wütendes Kind nach Hause kommt, und wir haben das Gefühl, okay, gleich werden wir auch wütend, weil wir das kaum noch ertragen können, was da gesagt wird, was ist so eine gute Methode? Hast du da was?

Speaker 2:

Also, was helfen kann, ist, die Wut nicht ungerichtet laufen zu lassen. Also jetzt, grundsätzlich ist zu empfehlen, drüber zu sprechen mit dem Kind, was es braucht, und das halt nicht in der Situation, wo das Kind wütend ist, sondern immer dann, wenn es woanders ist, so im Prinzip wie die Feuerwehr, wenn fünf Leute gesagt kriegen ihr seid jetzt die Feuerwehr, wann üben die? Die warten nicht drauf, bis das Haus brennt, damit sie mal ihre Sachen suchen und die Schläuche zusammen machen, sondern die machen das dann, wenn es nicht brennt. Und so müssen wir es auch machen. Das sind ja Konfliktsituationen, und wir müssen uns drum kümmern, wie wir mit denen umgehen.

Speaker 2:

Wenn sie nicht auftreten, das heißt, wenn ich weiß, okay, die Situation passiert öfter, dass das Kind wütend heimkommt, dann muss ich darüber sprechen. Wenn es nicht wütend ist, beim Abendessen, an einem Wochenende, wo es einen entspannten Tag hat, dann sagen ey, in letzter Zeit war es öfter, du warst so sauer, und ich möchte dir gern besser helfen. Was brauchst du, was können wir tun? Aber da hatte ich Kinder, die hatten echt mit Wut zu tun, und da haben wir uns eine Clementine-Waschmaschine gebaut, so hieß das. Das war eine Kiste, die war mit Schaumstoff innen ausgekleidet, schallschutzmäßig, und da konnte man seinen Kopf reinstecken und die ganze Wut reinbrüllen. Dann hat man die Tür zugemacht, die eingeschaltet, und die Clementine-Waschmaschine hat die Wut weggewaschen. Eingeschaltet, und die Clementine Waschmaschine hat die Wut weggewaschen, da konnte man sie rauslassen.

Speaker 2:

Das war ein gezielter Ort. Man kann sagen ey, wenn du das rauslassen willst und das körperlich unterstützen willst, hängt ein Boxsack auf. Das ist ja so ein ganz klassisches Ding Bewegung, irgendwas. Oder generell, um das ein bisschen räumlich auch zu trennen, dass man nicht in der eigenen Küche immer wütend ist, kann man sagen ey, ich merke, du bist gerade voll angestrengt, lass uns doch mal raus in den Wald gehen, Da kannst du auch rumschreien. Also den Raum wechseln, den Ort wechseln. Und das Wichtigste ist halt außer wenn wir dafür verantwortlich sind, für die Wut, geht die nicht gegen uns in dem Moment Sich.

Speaker 2:

Das immer wieder sagen, das sich klarzumachen, ist ein ganz, ganz großer Schritt, dass wir uns da nicht persönlich angreifen und selbst regulieren. Also wirklich, wenn man merkt, okay, das Kind ist gerade so sauer, und ich kann das gerade nicht, dann bringt es ja keinem was, wenn wir dabei bleiben, wenn wir dann auch mitsauer sind, sondern, das Kind geht nicht kaputt, wenn es mal 30 Sekunden alleine im Raum wütend ist, das geht kaputt, wenn es drei Stunden alleine gelassen wird und gesagt kriegt, ich lasse dich alleine. Oder wenn wir mitwütend sind. Aber zu sagen, ich hole uns jetzt mal was zu trinken, oder einen Raum zwischen Reiz und reaktion zu schaffen, wenn wir merken, ich gehe mit hoch vielleicht ich habe mir irgendwann antrainiert, ich gucke auf die uhr, wenn ich merke, ich gehe hoch, gucke ich auf die uhr, das ist eine bewusste handlung, und dadurch kann ich mich wieder runterfahren und da sich so was einzubauen für sich selber, ich hole uns jetzt was zu trinken, ich mache, ich mache uns mal ein tee, das mal kurz raus gehen kann, und dann ja keine Ahnung eine Atemtechnik anwenden, die 4-4-4-Atemtechnik, also vier Sekunden einatmen, vier Sekunden einhalten, vier Sekunden ausatmen, vier Sekunden draußen lassen.

Speaker 2:

Soll helfen. Das hilft mir persönlich jetzt nicht so viel, diese Technik, aber sagen viele, dass sie hilft. Woher das wohl?

Speaker 3:

kommt, dass du Sonnetechnik eher ablehnst, nach deiner Biografie Tatsächlich andere Atemtechniken helfen mir Also.

Speaker 2:

Mir hilft es einfach, die Luft anhalten Oder einfach ausatmen und Luft draußen lassen, bis es nicht mehr geht.

Speaker 3:

Das hilft mir.

Speaker 2:

Aber dieses fest abzählen, das nicht, aber solche Sachen, dass wir da einfach aus dem Moment rauskommen, um nicht mitzugehen, weil nur wenn wir ruhig sind, können wir jemanden beruhigen.

Speaker 3:

Und ich denke, was auch echt wichtig ist, also dieses auch eine Grenze kommunizieren, Also das ist wirklich was, was ich nach einer gewissen Zeit mache, wenn ich auch merke, der hat jetzt schon genug über seine Wut gesprochen, und er hat sich jetzt auch schon genug in Rage geredet. Das dreht sich jetzt alles zum zehnten Mal im Kreis. Das ist besprochen, dass man dann auch wirklich nochmal verständnisvoll sagt ich habe mir das alles angehört, und ich verstehe deine Wut, und ich danke dir, dass du mir das gesagt hast. Aber ich merke, für mich ist jetzt auch eine Grenze gekommen. Ich kann mir das jetzt nicht noch länger anhören.

Speaker 2:

Und was der größte Tipp für Deeskalation also, wenn dann wirklich so der Punkt kommt, wo man merkt, okay, das Kind hat sich jetzt voll in Rage geredet und ist so richtig in Eskalation, und bei kleinen wie bei großen Menschen, das funktioniert bei allen eine Irritation schaffen. Humor und Irritation sind der größte Faktor. Also, wenn man sich es gibt so ein Gehirnmodell, das Handmodell, da ist im Prinzip die Faust, das Gehirn und die Finger sind der präfrontale Kortex, der ja der Filter ist. Wenn wir in Eskalation sind, gehen die weg, dann knallt alles direkt aufs limbische System, und wir gehen eben in diesen Fight-Flight-Freeze-Modus, und wir müssen ja diese Finger wieder zukriegen. Und das schaffen wir idealerweise mit Humor oder Irritation, also nicht, indem wir das Kind irgendwie verarschen.

Speaker 2:

Aber wenn wir eine Irritation schaffen, wenn ein Kind total rumtobt und ich anfange, ein Lied zu singen, plötzlich, das guckt mich erstmal an wie ein Auto, aber es guckt mich an, vorher ist da ja keiner zu Hause, die gucken mich an, die sind ja in Eskalation, da ist ja niemand da im kopf, und da gucken sie mich wieder an. Oder wenn ich sage, ich gehe jetzt mal kurz weg, gerade wenn das kind sagt geh weg, ich gehe weg. Und aber wenn ich wiederkommen, wie soll ich wiederkommen? als giraffe, als huhn oder als katze, dass das kind guckt mich an wie ein auto von. Wenn ich das dann auch noch mache, dann durchbreche ich diese spirale oder was auch geht. Auch geht, wenn jemand so voll am Toben ist, den ständig aufzufordern, noch mehr draufzulegen. Ja, komm jetzt, das kannst du noch lauter, das kannst du noch mehr, da geht noch mehr Wut komm. Dann ist auch irgendwann der Punkt erreicht, wo die sagen jetzt leck mich, ich bin gar nicht mehr wütend eigentlich.

Speaker 3:

Oder wo so drüber gelacht wird, über diese absolute Eskalation, die da gerade stattfindet. Das ist eine Methode, die liebe ich, Die liebe ich im Kontext Schule auch. Da darf man sich ruhig mal dran bedienen und das auch mal ausprobieren. Das ist total cool. Wirklich Funktioniert nicht immer und muss man auch mal gucken, wie die Person da jeweils darauf reagiert, wenn wir als Fachkräfte da arbeiten. Aber als Elternteil, wenn wir eine gute Beziehung haben, funktioniert das in der Regel schon.

Speaker 2:

Das ist ganz wichtig. Die Kinder dürfen sich nie verarscht fühlen Oder generell das Gegenüber darf sich nie verarscht fühlen. Das ist ganz wichtig. Es muss immer auf Augenhöhe sein.

Speaker 3:

Ja, wie krass, oder no-transcript. Trotzdem sieht man dir an, du strahlst und brennst für dein Thema, und du hast da so richtig Bock drauf, und keiner hält dich auf, und das ist einfach schön, das zu sehen. Also vielen, vielen Dank dafür, dass du jetzt einfach du bist und dich da nicht mehr zurückhältst.

Speaker 2:

Ja, danke für die lieben Worte. Ich habe auch gesagt, so nach der Didakta, jetzt haben wir uns gesehen und haben total vergessen, ein Foto zusammen zu machen.

Speaker 3:

Das hat mich voll geärgert.

Speaker 2:

Aber das holen wir beim nächsten Treffen irgendwann dann nach.

Speaker 3:

So sieht es aus ganz genau. Wir sehen uns bestimmt spätestens auf der nächsten Didakta, kann ich mir vorstellen.

Speaker 2:

Kann ich auf jeden Fall.

Speaker 3:

Kann mir vorstellen, dass wir uns vielleicht auch so mal treffen. Wir haben ja doch eine sehr große Überschneidung unserer Tätigkeit.

Speaker 2:

Achim, ich danke, dir Ich danke dir für das Gespräch, dass ich hier sein durfte.

Speaker 3:

Sehr gerne.

Speaker 2:

War mir ein Fest.

Speaker 3:

Bis bald.

Speaker 2:

Bis bald, Bis bald Tschüss. Untertitelung des ZDF 2020.