Kapierfehler - Neurodivergenz und Schule

119 - Hol' dir Unterstützung bei der EUTB - Kim

Corina Elfe Season 2 Episode 69

Niemand bereitet uns darauf vor, wie brutal Formulare, Fristen und Telefonate sein können, wenn das Nervensystem ohnehin am Limit läuft. Wir sprechen offen darüber, wie ADHS, Autismus, chronische Schmerzen und Maskieren den Alltag verengen – und warum die ergänzende, unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) so oft der fehlende Hebel ist. Unabhängig finanziert, kostenfrei und peergeführt zeigt die EUTB, wie Teilhabe konkret wird: passende Anlaufstellen, kluge Antragstaktik, realistische Strukturen und echte Entlastung.
Die Studie zum Thema chronische Schmerzen bei ADHS heißt:
Correlation between attention deficit/hyperactivity disorder and chronic pain: a survey of adults in Japan

Hierüber findet man die Beratungen:
https://www.teilhabeberatung.de/beratung/beratungsangebote-der-eutb

Und hier die Infos zu ADHS/ Pflegegrad – um sich auf ein Gespräch mit dem medizinischen Dienst vorzubereiten, oder auch einfach für eine Selbsteinschätzung für sich / Angehörige/Kinder.
https://adhs-deutschland.de/adhs-recht/pflegegrade-bei-adhs

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Liebe Grüße,
deine Corina

SPEAKER_00:

Please take out the exercise book on page 38. Unit 4. Let's do something fun. Let's start questions with short answers. Matching the channel.

SPEAKER_01:

Guck mal den Himmel an, der sieht geil aus.

SPEAKER_00:

Number two. Do Jay and Luke often visit museums? Who wants to answer this one? Hey you. Please answer the next question. Hello. Hey, you wake up!

SPEAKER_01:

Gut, heute sprechen wir über etwas, das abgekürzt EU TB heißt, und das empfehle ich ganz gerne als etwas, wo man sich Unterstützung holen kann, als neurodivergente Person zum Beispiel. Und das Ganze lassen wir uns jetzt mal von Kim erklären. Also für was zum Beispiel diese vier Buchstaben EUTB eigentlich stehen und was denn eine EUTB eigentlich ist.

SPEAKER_04:

Ja, die ergänzende, unabhängige Teilhabeberatung ist das. Dafür stehen die Abkürzungen und das ist genauso, wie der Name sagt. Also wir sind ergänzend im Sinne von ergänzend zu medizinischen Angeboten, zu städtischen Angeboten, zu Behörden. Wir sind unabhängig, das heißt, wir kriegen direkt die Förderung vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Also wir sind nicht vom Versorgungsamt oder sonstigen Behörden, dem Landesverband oder ähnlichem abhängig, sondern wir beraten halt ausschließlich im Sinne der Ratsuchenden, die zu uns kommen. Und Teilhabe heißt Teilhabe an der Gesellschaft für Menschen mit Behinderungen, Menschen, die von Behinderungen bedroht sind, Menschen, die generell Einschränkungen in der Teilhabe haben, wo ja auch sehr viele neurodivergente Menschen generell drunter fallen. Und die Beratung ist eben bei uns immer eine Peer-Beratung. Und Peer-Beratung heißt, Peers sind Menschen mit ähnlichen Erfahrungen, also Menschen mit Behinderungen, Menschen mit Neurodivergenzen, die mentale Probleme hatten. Die Leute alle machen eine Peer-Beratera-Ausbildung und arbeiten dann eben als Peer-Berater, dass man eben auf Augenhöhe und aus der eigenen Erfahrung heraus eben mit den Menschen spricht und eine Beratung anbietet.

SPEAKER_01:

Mega cool, danke dir. Super Erklärung. Das freut mich sehr, dass du da direkt alle Begriffe einmal aufgemacht hast. Also hi Kim, schön, dass du heute da bist.

SPEAKER_04:

Ja, schön da zu sein.

SPEAKER_01:

Wir haben über Insta geschrieben und zwar ging es auch so um die Frage, wo bekommt man eigentlich Unterstützung? Was kann man eigentlich tun, wenn man Diskriminierung erfährt und wenn einem zum Beispiel keine Nachteilsausgleiche gewährt werden und wo kann ich mich hinwenden? Und ich habe tatsächlich in meinen Fortbildungsangeboten und auch hier im Podcast, glaube ich, schon häufiger die EUTB auch genannt, aber ich hatte bisher noch keinen Kontakt zu einer EUTB, weder als betroffene Person noch jetzt aus dieser Position, in der ich aktuell bin. Das heißt, ich bin super dankbar, dass wir da heute auch mal drüber sprechen können. Du sagtest, das ist immer eine Peer-Beratung, und damit bist du ja selbst auch offensichtlich irgendwie von Behinderung bedroht oder behindert oder chronisch-psychisch krank und somit eben auch bedroht, irgendwie in eine Behinderung fallen zu können. Inwiefern trifft das auf dich zu?

SPEAKER_04:

Ja, also ich habe als Erwachsene mit Anfang 30 spätdiagnostiziert die ADS-Diagnose bekommen und dadurch einfach im Laufe meines Lebens so ein schönes Päckchen an Depressionen, Angststörungen, so ein paar halben Burnouts angesammelt und bin dann letztes Jahr relativ kurz in einen sehr, sehr intensiven Burnout gerutscht und habe in Folge dieses Burnouts oder in diesem Burnout auch festgestellt, dass da jetzt sehr viele Teile frei geworden sind, deutlicher geworden sind, die halt auch auf den Autismus hindeuten. Also ich gehe davon aus inzwischen, dass es ein autistischer Burnout war und habe auch sehr viel von anderen Menschen, die diese ADHS-Doppeldiagnose haben, inzwischen auch das Feedback bekommen, die mir halt nahelegt haben, dass das auf mich auch zutreffen könnte. Seh mich da auch, also so sage ich mal, der Klassiker, plus einfach das, was man so ansammelt, wenn man hypermobil ist, Gelenkverschleiß, chronische Schmerzerkrankungen, seit ich 14 bin, sage ich mal, so eine starke Körperspannung und so weiter. Also so dieses Full Package, was man sich so abholt, wenn man halt erst sehr spät diagnostiziert oder undiagnostiziert durchs Leben kommt, das bringe ich halt mit.

SPEAKER_01:

Der Klassiker leider, ja. Und das ist so vielen überhaupt nicht bewusst, glaube ich, wie diese Komorbiditäten und dieser Stress, der halt einfach auch dadurch ständig gegeben ist, dass man halt nicht berücksichtigt wird, dass man sich anpassen muss und anders funktionieren soll, als man eigentlich funktioniert. Und was das natürlich für Auswirkungen hat, auch auf den Körper. Also wir nennen das so gern psychosomatisch, aber am Ende des Tages hat es natürlich damit zu tun, dass man ständig über der eigenen Belastungsgrenze trotzdem weiter funktioniert. Das ist schon krass.

SPEAKER_04:

Ja, total. Auch diese, ich sag mal so, diese chronische, dieser chronische Schmerzkomplex ist halt auch was, was einfach bei Ärzten, gerade auch bei autistischen Frauen, ja auch oft einfach untergeht, weil man es einfach nicht so zeigen kann. Bei mir ist das jetzt erst ernst genommen worden, so richtig im Laufe diesen Jahres, wo ich einfach durch den Burnout nicht mehr so stark maskieren konnte. Und wenn man dann tatsächlich vor Schmerzen beim Arzt in Tränen ausbricht, kriegt man plötzlich ganz schnell die Überweisung im Schmerzzentrum.

SPEAKER_01:

Ja, man muss weiter.

SPEAKER_04:

Vorher wurde man halt einfach, ne, nicht so, es wird halt nicht gesehen, es wird nicht gehört. Und irgendwie versucht man da durchs Leben zu kommen, ohne so richtig unterstützt zu werden, weil man einfach auch selber gar nicht versteht, was mit einem so groß ist. Und jetzt so über die letzten, ja ich sag mal, Monate bin ich auch immer mehr auch gerade über Instagram, über die Bubble, auch auf Leute gestoßen, die wirklich auch genau diese Kombination auch haben. Dieses ADHS plus chronische Schmerzen, hypermobile Sachen, dass einfach diese ganzen Sachen sich gegenseitig bedingen, plus diese ganzen Immunsystem-Dinge mit Allergien, mit Asthma, mit Schilddrüsenerkrankungen und so weiter. Also die Zusammenhänge sind ja wirklich krass, aber es gibt einfach noch nicht die Studien, die einfach, ich sag mal, wirklich Kausalitäten feststellen, sondern es sind im Moment ja alles Korrelationen. Dass so diese gesamtsystemischen Körpersachen einfach da sind, zusätzlich zu der Neurodivergenz. Ich glaube, so richtig die Gründe findet man im Moment noch nicht so richtig raus dafür.

SPEAKER_01:

Also ich mag mich jetzt nicht weit aus dem Fenster lehnen, aber ich glaube jetzt gerade in meiner Recherche mit diesen vielen Studien, die ich mir da angeschaut habe, eine gefunden zu haben zum Thema chronische Schmerzen bei ADHS und Autismus. Und da hat sich, soweit ich das noch in Erinnerung habe, gezeigt, dass die der Zusammenhang mit der ADHS eben okay, ich habe es jetzt gerade kurz nachgeschaut, Kim und ich haben ganz kurz eine Pause gemacht und es gibt tatsächlich eine Studie, ich werde mir das jetzt aufschreiben, dass ich die verlinke. Die kann man sich gerne anschauen. Das ist eine japanische Studie und da ging es darum, dass über 4000 Schmerzpatienten untersucht wurden hinsichtlich ihrer Neurodivergenzen und es wurde eben diese Korrelation herausgefunden, und zwar, dass es eine Korrelation gibt zwischen chronischen Schmerzpatientinnen und ADHS und eben keine Korrelation zwischen Schmerzpatientinnen und Autismus. Und für mich war das eine Information, die mich so ein bisschen irritiert hatte, weil ich dachte, hä, für mich waren immer die Schmerzpatientinnen, waren für mich immer die AutistInnen. Aber viele sind ja, wie du eben schon selbst sagtest, auch doppelt diagnostiziert, also AutistInnen mit ADHS und dann kann es auch einfach durch die ADHS-Komponente kommen, weil so wurde das zumindest in dieser Studie jetzt mal herausgefunden. Okay, gut. Also du bist quasi spätdiagnostizierte ADHS-Lerin und hast natürlich einige Komorbiditäten wie die meisten Menschen, die spätdiagnostiziert sind, leider. Und so kamst du dann auf die Idee, dich beruflich da auch irgendwie mit dem Thema zu zeigen, oder? Wie bist du dazu gekommen, für die EOTB zu arbeiten?

SPEAKER_04:

Das ist tatsächlich so ein bisschen per Zufall gekommen. Also ich hatte mich für den Bereich interessiert, da gab es aber keine Stelle. Und dann bin ich tatsächlich über eine andere Stelle, wo ich freiwillig dann Kreativkurse gemacht habe. Bin ich dann quasi als Nachrückerin in so eine Peer-Beraterausbildung gekommen, weil jemand anders abgesprungen war. Und dann hatte sich tatsächlich das so ergeben, dass dann wirklich mit Abschluss dieser Ausbildung gerade genau jemand bei uns in der EOTB ausgeschieden ist. Und dann konnte ich da direkt anfangen. Also ich glaube, das ist immer noch so ein bisschen, dass es dann irgendwie Karma ist.

SPEAKER_01:

Ja, manchmal soll es genau so sein. Wie cool.

SPEAKER_04:

Genau.

SPEAKER_01:

Okay.

SPEAKER_04:

Ja, und also was ich halt auch super finde, einfach für mich, also ich bin da jetzt auch nur mit 20 Stunden beschäftigt. Ich könnte mir aktuell nach dem Burnout auch nicht mehr vorstellen. Es ist auch schon an der oberen Grenze so von der von der Belastung her. Aber da ist es einfach so, wenn ich einfach weiß, ich habe sehr schlechte Tage, zum Beispiel mit den Schmerzen und mir geht es da nicht gut, dann kann ich das mit meinen Kolleginnen und Kollegen abklären und zum Beispiel dann Homeoffice-Tag machen. Oder man kann sich natürlich auch immer, wenn irgendwas ist krank melden, man kann mal früher nach Hause gehen, wenn es einem nicht gut geht. Oder auch sagen, okay, mir helfen halt zwischendurch auch Homeoffice-Tage, wo ich halt auch nicht mit den Öffis in die Stadt muss und wieder zurück, sondern einfach im Homeoffice dann eine Videoberatung einfach mache an dem Tag und ansonsten recherchiere, E-Mail schreibe, Backoffice mache. Und ja, tatsächlich ist es da so, dass da wirklich halt auch die Inklusion dann eben auch gelebt wird. Das ist das Schöne.

SPEAKER_01:

Das wollte ich jetzt gerade fragen, ne? Also, weil wenn ihr alle Peers seid, dann müsstet ihr ja tatsächlich das auch, also auch Verständnis dafür haben, dass jemand ausfällt und dass halt jemand auch kurzfristig ausfällt und unplanbar ausfällt. Und das ist etwas, was ihr dann gut hinbekommt, ja. Also ja, genau.

SPEAKER_04:

Wir sind ein Team aus drei bei uns, jetzt sage ich mal, eben im Standort. Wir haben noch ein paar Nebenstandorte und auch einzelne Ehrenamtler, die auch noch mitmachen. Aber wir drei untereinander können uns eigentlich so weit auch vertreten, dass eben auch Ausfälle möglich sind, wenn es jetzt einem nicht gut geht. Und wir sind halt auch unterschiedlich aufgestellt, also bei mir eben mit der Neurodivergenz und diesen Komorbiditäten. Eine andere ist mehrfach körperlich behindert. Und ein anderer Kollege ist zum Beispiel so aus diesem Bereich mentale Gesundheit, Psychoseerfahrung und so weiter. Und so sind wir halt immer als Team unterschiedlich aufgestellt. Und das ist dann auch was, was wir in unsere in die Beschreibung von unserer EOTB-Beratungsstelle einfach mit reinnehmen können. Da kann man halt so Schlagworte reingeben und danach können dann eben Ratsuchende auch suchen. Wenn jetzt jemand wirklich sagt, ich will mich hier informieren, kennt sich irgendwer auch aus mit ADHS oder mit Autismus, dann kann man das in diesen Beratungsfin halt eingeben und dann werden einem halt die Stellen ausgespuckt, die da das als Stichpunkt angegeben haben. Ich habe es mal getestet, die Neurodivergenzen sind sehr mau besetzt. Also es kann halt auch sein, genau, es kann halt auch sein, dass man sich an so eine Beratungsstelle wendet und die Leute einfach da in dem Bereich keine Ahnung haben, weil es halt einfach viel einfach auch auf körperliche Behinderungen oder taub, stumm, blind und so weiter halt geht. Und dann muss man einfach schauen, okay, passt das dann für mich, dass ich halt die allgemeinen Infos für mich habe und zu den örtlichen Sachen gute Infos bekomme. Oder gucke ich dann einfach deutschlandweit, ob ich jemanden finde, der vom Profil her passt und frage da halt an. Also wir dürfen eben auch deutschlandweit beraten. Wir müssen nicht örtlich beraten. Wir können natürlich lokale Tipps dann nicht weitergeben oder die helfen dann nicht. Aber einfach so allgemeine Informationen rund um Neurodivergenz und was man so machen kann, die können wir halt auch an andere rausgeben.

SPEAKER_01:

Und wie groß ist dann die Anfrage? Also wenn du sagst, Neurodivergenz ist jetzt eher mau besetzt, wenn man das so sucht. Übrigens, da gibt es dann irgendeine Maske, mit der man das suchen kann? Kannst du den Link dann mir schicken? Dann würde ich den nämlich unten reinsetzen. Ja, perfekt.

SPEAKER_04:

Es gibt eine Homepage, wo man einfach suchen kann nach Beratungsangeboten und da kann man einfach Stichworte angeben. Und dann werden einem alle Beratungsstellen ausgespuckt, die eben diese Stichworte enthalten. Genau.

SPEAKER_01:

Okay. Und wenn du jetzt sagst, da gibt es gar nicht so wahnsinnig viele, die jetzt zu ADHS zum Beispiel oder zum Autismusspektrum Beratungen anbieten, bei dir wird das ja angeboten, also du wirst ja dann aufgeführt. Hast du dann viele Anfragen oder nicht so viele?

SPEAKER_04:

Tatsächlich nicht viele. Also es ist wirklich so, das ist eigentlich auch so ein Problem tatsächlich von uns, dass die Ratsuchenden einfach nicht zu uns finden. Also die meisten Leute wissen einfach nicht, dass es uns gibt. Ich wusste das auch nicht. Ich hätte zum Beispiel für meinen Reha-Antrag für letztes Jahr unheimlich gerne jemanden gehabt, der diesen furchtbaren Antrag mit mir zusammen macht. Weil das ja gerade was ist, was ADH Esler einfach so diese Anträge ausfüllen und sich so Sachen einfach, Sachen anstoßen, sich mit so auch unangenehmen gesundheitlichen Themen auseinandersetzen. Das ist ja gerade schwierig. Und das ist halt was, was eben diese Beratungsstellen auch machen, selbst falls sie sich jetzt nicht mit Neurodivergenz auseinandersetzen oder besonders gut auskennen. Man kann halt gemeinsam sich trotzdem hinsetzen und dann zum Beispiel so einen Antrag auf Schwerbehinderung gemeinsam ausfüllen. Also da unterstützen einfach alle Stellen bei, wenn es um Schwerbehinderung geht, wenn es um Pflege geht, ob für die eigene oder eben auch für Kinder oder auch für Eltern, für andere Angehörige. Wenn es um Themen geht wie Bewo, betreutes Wohnen, finde ich missverständlich benannt ein bisschen. Also ich kenne zum Beispiel viele aus der neurodivergenten Community, die zum Beispiel jemanden haben, einen Bewo-Betreuer haben, und das ist dann einfach jemand, der ein oder zweimal die Woche kommt und je nachdem, wo die Problemlagen liegen, einfach im Alltag unterstützt. Also zum Beispiel die Papiere und Rechnungen mit einem durchgeht und dafür sorgt, dass das erledigt wird oder der den Alltag mit einem plant oder der mit einem mal zusammen die Bude aufräumt und ein bisschen Ordnung einfach ins Leben, für dringend Alltagsstruktur, jemand, der mit einem Essensplan erstellt und mit einem gemeinsamen Einkaufen geht. Also einfach, da wird einfach geguckt, was braucht man im Alltag, um besser teilhaben zu können, um besser durch den Alltag zu kommen und dann kommt jemand und unterstützt einen dabei. Das ist zum Beispiel auch was, was vielen gar nicht bekannt ist.

SPEAKER_01:

Muss ich da irgendwas für tun? Also außer mich an die Beratungsstelle wenden und Glück haben, dass ich jemanden finde, der sich damit auskennt, aber jetzt mal unabhängig von dieser Barriere, die es ja gibt?

SPEAKER_04:

Also man braucht eine entsprechende psychiatrische Diagnose. Also zum Beispiel, wenn man jetzt ADHS und Depressionen hat oder Autismus oder andere Sachen oder eben auch die Diagnose von einer körperlichen Behinderung, die einfach belegt, dass man Unterstützung braucht. Und dann geht man einfach zu einem Bewo-Anbieter in der Region, der eben auch dafür Betreuung anbietet. Und mit dem zusammen erarbeitet man dann quasi so eine Art Katalog. Das geht dann an die Eingliederungshilfe. Also im Endeffekt, man hat durch den Bewo-Anbieter selber eben die Unterstützung, quasi einmal den Bedarf zu formulieren gemeinsam. Das geht dann an die Eingliederungshilfe und die bewilligt dann in einem bestimmten Umfang eben diesen Bewo-Anbieter und dann kommen die Leute dann zu einem nach Hause.

SPEAKER_01:

Wow, okay. Nee, wusste ich nicht. Dass das. Okay, und dieses Bewo ist aber jetzt nicht an die EUTB gekoppelt, sondern ihr könnt halt helfen dabei, zum Beispiel so einen Kontakt herzustellen, beziehungsweise ein Formular dazu auszufüllen oder so Anträge zu stellen, die in diese Richtung gehen.

SPEAKER_04:

Genau, also wir sind da auch in einer Lotsenfunktion, dass wir einfach dann gucken, welche Anbieter gibt es in der Region, wo haben wir vielleicht auch von Ratsuchenden besonders gutes Feedback zu bekommen und können dann Empfehlungen aussprechen oder eben auch die Bewo-Anbieterliste rausgeben und einfach da den Kontakt herstellen oder eben auch generell die Leute überhaupt zu der Idee bringen, dass Bewo was für sie sein könnte. Weil wenn ich selber nach betreutem Wohnen gucke, dann fühle ich mich da nicht angesprochen bei den Sachen, die da im Internet bei der Caritas oder so stehen. Das passt ja für mich überhaupt nicht. Das ist in der Formulierung nicht auf neurodivergente Menschen ausgelegt einfach. Und das ist halt schade, wenn Menschen, gerade welche, die alleine leben und einfach sehr strugglen in ihrem Alltag, einfach dann durch Unwissen einfach auch keine Unterstützung in Anspruch nehmen.

SPEAKER_01:

Ja, ich kann mir das ehrlich gesagt sehr gut vorstellen, dass es einigen Menschen den Alltag erleichtern würde. Also gerade das Thema, das du angesprochen hattest, merkt man halt auch gleich, wo so, dass du weißt, wo so die Hauptschwierigkeiten liegen, aber das Organisatorische hinzubekommen, ja, also wirklich an alle Rechnungen zu denken und den Papierkram zu erledigen und keine Fristen zu verpassen und dass dann da halt jemand einen dabei unterstützt, daran zu denken. Es reicht ja manchmal auch schon, wenn jemand einfach nur dran denkt und einen erinnert und sagt, komm, jetzt mach das mal und nicht, dass da wieder irgendwas passiert oder so. Und also finde ich mega, dass es sowas gibt. Und ich bin mir relativ sicher, dass es wenige wissen, dass es das gibt. Also beides. Euch und eine Stelle.

SPEAKER_04:

Ich glaube, dass man eben nicht, dass man eben auch nicht schwerst körperlich behindert sein muss oder in einem Alter, in dem man dringend Pflege benötigt, um sowas halt in Anspruch auch zu nehmen. Sondern dass man auch, sag ich mal, halbwegs funktional und maskiert durch die Welt kommt. Und trotzdem ist es ja oft so, dass gerade dann der Alltag zu Hause so zusammenbricht, dass man so dieses Bild auf der Arbeit aufrechterhalten kann und da teilweise auch top organisiert ist oder selbst noch organisatorische Fähigkeiten hat, die richtig gut sind. So ging es mir zum Beispiel in der Vergangenheit immer. Ich habe auch schon, ich habe sehr viele Jobs gemacht schon und habe auch Events und Weiterbildungen organisiert und da komplette Strukturen und Prozesse für aufgebaut. Und wenn ich nach Hause komme, dann schaffe ich es vielleicht noch mehr was zu kochen und dann der Rest des Lebens versinkt im Chaos.

SPEAKER_01:

Ja, korrekt. Genau so ist es. Genau so ist es. Ah ja, das ist auf jeden Fall super interessant. Also wusstest du selbst von der Arbeit, die in der EUTB gemacht wird, bevor du diese Peer-Beraterausbildung gemacht hast?

SPEAKER_04:

Also tatsächlich, ich habe es auch quasi per Zufall erfahren, dass es das überhaupt gibt. Tatsächlich auch über meine ADS-Community, wo gefragt wurde, wo ich denn hin will, und dann hatte ich tatsächlich gesagt, dass ich so, dass halt wirklich so mein Traumberuf eigentlich wäre, neurodivergente Menschen zu beraten und zu empowern, weil ich das quasi hobbymäßig schon immer so mache. Und dann wurde mir gesagt, ja, da gibt es tatsächlich was und melde dich doch mal da. Und darüber habe ich jetzt erfahren, dass es sowas überhaupt gibt.

SPEAKER_01:

Vor allem zu einem Zeitpunkt, zu dem du genau sowas ja auch für dich gebraucht hättest. Also wenn du sagst, du warst da gerade noch so selber in deinem Burnout, das wäre ja eigentlich ein Zeitpunkt, wo du auch jemanden gebraucht hättest, um keine Ahnung, Bewerbungen zu schreiben, Kontakt aufzunehmen zu unterschiedlichen Stellen und so weiter. Also so hört sich das für mich an, dass das auch eine Form der Unterstützung in genau diesen Bereichen ist.

SPEAKER_04:

In meinem Fall war es tatsächlich so, ich habe also zum einen, ich lebe mit meinem Mann zusammen, der mir immer eine sehr, sehr große Stütze auch in solchen Situationen war. Und was mir sehr gut durch die Zeit geholfen hat, war tatsächlich auch meine Ergotherapeutin. Also man kann halt auch mit ADHS vom Allgemeinen Medizinern oder von entsprechenden Fachärztinnen halt auch Ergotherapie verschrieben bekommen. Und da muss man ein bisschen gucken, dass man jemanden findet, der Ahnung hat. Aber wenn man tatsächlich den Jackpot kriegt und jemanden bekommt, der zum Beispiel auch selber ADHS hat, das ist wirklich, das ist dann wie ein Coaching. Also das war für mich halt einmal die Woche, später alle zwei Wochen, einfach so Wiederaufbauen, radikale Akzeptanz, so Selbstwert von Leistungen entkoppeln und so weiter. Also bei mir hat es schon in Therapie Richtungen ein bisschen gekratzt, weil ich einfach zu der Zeit auch noch keine Therapie hatte wegen Wartelisten. Und hat mir aber extrem geholfen, einfach Dinge anzugehen. Einfach alleine durch Accountability. Ich konnte mir aussuchen, was gebe ich mir als Hausaufgabe. Und wenn ich die Hausaufgabe nicht geschafft habe, haben wir danach auseinandergenommen, woran es lag. Um dann sicher zu gehen, dass es dann bis zum nächsten Mal klappt. Also das ist wirklich auch, wenn man sich in der Region was findet, wo jemand halt auch sich mit auskennt mit ADHS, dann ist auch diese Ergotherapie eine super Stütze. Da gäbe es eine kleine Zuzahlung zu, aber wenn man es jetzt vergleicht mit, ich habe gar keine Hilfe oder ich bezahle einen Stundenlungen für Coaching, dann ist das gut verträglich.

SPEAKER_01:

Ja, absolut. Und die Unterstützung durch die EOTB, also durch die Beratungsstellen, ist das grundsätzlich eine kostenlose Unterstützung oder kostet mich das dann etwas als jemand, der diese Beratung in Anspruch nimmt?

SPEAKER_04:

Ne, die EOTB ist immer kostenfrei. Genau, also alle Beratungen, die wir machen, sind kostenfrei. Ich mache es auch ein bisschen so teilweise, je nach Klienten, dass ich einfach auch so ein bisschen Accountability Management mache, wenn sie es wünschen. Also zum Beispiel, wenn jemand den Antrag mit mir angefangen hat und noch was fertig machen muss, noch was raussuchen muss zu Hause, dass wir gemeinsam nochmal einen Zeitraum vereinbaren, wo ich nochmal nachhacke per E-Mail, ob es tatsächlich erledigt wurde, ob es rausgegangen ist und so weiter. Und das wurde mir auch als hilfreich halt gespiegelt. Also wir machen jetzt auch Coworking-Sessions für die ADS-Community oder ADHS, Audi HS-Community, wo wir einfach sagen, okay, komm vorbei, wir können dann diese Anträge gemeinsam machen in einer kleinen Gruppe, einfach, dass man in dieses Thema mal reinkommt und das einfach auch mal anpacken kann. Weil ich im Endeffekt die Problemlagen, die sind so oft überschneidend. Und gerade auch dieses, also wenn Menschen zu mir kommen in die Beratung, einfach auch dieses Teilen von Erfahrungen und auch verstanden werden, ist für die Menschen super, super wertvoll. Und wenn es dann eine kleine Gruppe auch ist und alle zusammen einfach quasi fast dieselben Probleme haben, das kann einen einfach auch stärken. Dass man einfach merkt, ich bin damit nicht alleine. Und ja.

SPEAKER_01:

Voll. Das ist ein Riesen, hat einen Rieseneffekt, finde ich, wenn man weiß, man ist damit nicht alleine. Also ich meine, das ist der Social Media Effekt. Das ist, denke ich, auch genau das, was zum Beispiel Content CreatorInnen wie ich halt machen. Es geht uns ja überhaupt nicht darum, jemanden zu diagnostizieren oder jemandem zu erklären, was da medizinisch alles gemacht werden kann und was da medizinisch nicht gemacht werden kann, sondern es geht eben darum, diese Community herzustellen und ein Gefühl zu geben, von du bist nicht allein. Es geht anderen genauso. Und ich habe jahrelang gedacht, dass ich halt einfach nur zu faul bin oder nicht gut genug bin oder keine Ahnung. Und jetzt lerne ich durch das, was andere so berichten, dass das nicht die richtige Erklärung dafür ist. Und am Ende des Tages geht es dann nicht darum, mich zu entschuldigen dafür. Ich habe nämlich jetzt gerade erst einen Zeitungsartikel gelesen aus dem Spiegel, der wurde mir zugeschickt und da hat es mich ganz geschüttelt. Da hieß es dann, es will jetzt jeder eine Diagnose haben, weil man gerne einen Freifahrtschein haben möchte, eben nicht mehr funktionieren zu müssen. Und mich ärgert das, weil ich mir denke, du hast halt einfach überhaupt keine Ahnung, was so die Hauptbelastung ist von uns. Wirklich nicht. Ich glaube, da hat wieder irgendjemand Neurotypisches leider ein Urteil gefällt, ohne die Lebensrealität mit einzubeziehen.

SPEAKER_04:

Ja, neurotypisch oder undiagnostiziert neurodivergent, der sich extrem zusammenreißt und des anderen nicht gönnt, dass sie gut zu sich sind. Ich glaube, das sind die, die noch am härtesten sind mit uns Neurodivergenten, die es nicht kennen oder die sich selbst nicht eingestehen und den anderen eben diese, sag ich mal, Erleichterung im Sinne der Selbstakzeptanz, im Sinne des, wie kann ich mein Leben gestalten, dass es mir besser geht, die das den anderen irgendwie nicht gönnen, weil sie haben es ja auch irgendwie, sie müssen es ja auch sich erkämpfen.

SPEAKER_01:

Ja, oder ich kann so unglaublich gut maskieren und das macht mir auch total Spaß. Und ich weiß zwar, dass ich Neurodivergent bin, aber ich bin halt so ein Hochleistungs-Nurodivergenter und deswegen erwarte ich, dass das alle anderen auch sind. Auch das gibt's. Naja, also es gibt da einige Varianten auch innerhalb des Spektrums, das ist mir vollkommen klar.

SPEAKER_04:

Ja, also Hochleistungs-Nurodivergenta, das war bei mir tatsächlich dann auch mit den Medikamenten ein Thema. Also als ich dann die Diagnose bekommen habe und dann angefangen habe, Medikinär zu nehmen. Ich war total hin und weg, wie krass, funktional ich dann plötzlich auf der Arbeit war und wie gut alles geklappt hat und wie leicht mir alles von der Hand geht. Und das hat aber dann über die Monate auch dazu geführt, dass ich wirklich dann abends einfach immer einen absoluten Crash hatte. Dann haben wir andere Medikamente durchprobiert und so weiter. Aber im Endeffekt ist es tatsächlich so, da muss man wirklich auf sich aufpassen. Also ich glaube, ich hätte ohne KDHS-Medikamente es wahrscheinlich nicht geschafft, mich innerhalb von sieben Monaten sehr effizient in einen extremen Burnout zu arbeiten. Ich glaube, ich hätte sonst ein bisschen länger gebraucht.

SPEAKER_01:

Ja, das hast du sehr schön gesagt. Das ist halt das Problem, wenn man Medikamente nimmt und keinerlei Psychotherapie und keinerlei Reflexionen des Verhaltens und so weiter, weil dann passiert genau das. Und das ist, glaube ich, auch das, was man von Kindern ganz viel erwartet, dass sie die Medikamente bekommen und danach dann einfach laufen, dass es dann einfach zu funktionieren hat. Und nur weil die noch verhältnismäßig viele Ressourcen haben, mal so, heißt es nicht, dass das eine gute Idee ist. Kim, Entschuldigung, ich habe dich gerade unterbrochen. Du hattest gerade angefangen, noch was zu sagen, ne?

SPEAKER_04:

Ja, also für mich war das auch nochmal so ein krasser Moment, auch so dieses Thema Pacing zum einen, weil wir einfach, also gerade auch wenn wir Medikamente nehmen, aber auch sonst, sind wir auch einfach so krass leistungsfähig. Dass wir einfach in zwei Stunden das leisten können, was andere an acht Stunden Tagen leisten. Und wir hören aber nach den zwei Stunden nicht auf, sondern wir versuchen halt den Rest des Tages auch noch diese volle Leistung zu bringen. Also, dieses 100% geben habe ich erst vor kurzem verstanden, dass das für normale Menschen heißt, ich gebe dann bei der Arbeit so 60% vielleicht, weil ich ja noch den Rest vom Tag habe und da ja auch noch Energie brauche und mich dann darauf konzentrieren kann. Und für mich heißt es aber, ich gebe 100%, ich gebe jede Sekunde auf der Arbeit oder da, wo was von mir erwartet wird, 100%. Und bin damit im Endeffekt für den Tag mit meiner Energie schon im Minus zur Mittagspausenzeit. Und dieses, das zu verstehen, dass einfach dieses gute Leistung bringen, heißt, wenn man 60% gibt, über einen Tag verteilt, dann ist das eine gute Leistung. Das muss ich auch überhaupt erstmal verstehen.

SPEAKER_01:

Boah ja. Und wie arbeitet man eigentlich überhaupt mit 60 Prozent? Ich weiß das ehrlich gesagt gar nicht. Also ich glaube, es sind am ehesten so die Tage, die so vor sich hin trotten, wo ich so das Gefühl habe, oh Gott, das ist ein ZR-Altag, weil es ja auch super langweilig ist, man das so langsam macht. Aber das ist ja was, was jetzt gerade ein ADHS-Gehirn nicht so gut kann. Also dieses Problem mit der Aufmerksamkeit, die quasi gezielt auf eine Sache zu richten und das dann aber nur zu 60 Prozent, wie soll das gehen? Also, dieses Gehirn kann entweder überall gleichzeitig unterwegs sein und lustige parallele Sachen machen, aber dann halt nicht vertieft mit einer Sache beschäftigt sein. Oder es ist vertieft mit einer Sache beschäftigt und ich glaube, dann gehen auch nur 100 Prozent. Das ist dann so dieser Hypofokus. Es ist schon eine Herausforderung und es wird auch immer eine Herausforderung bleiben, mit einem ADHS-neurodivergenten Gehirn nicht in einen, also jetzt zumindest mal, was den Fokus angeht, nicht in einen Burnout zu laufen. Und bei einem autistischen Gehirn geht es unter Umständen, wenn man es irgendwie schafft, den Rahmen so zu verändern, dass man halt nicht in eine heillose Überforderung kommt und eine Überlastung des Systems. Aber ich glaube, da lässt sich jetzt vielleicht das Setting noch eher so anpassen, dass man vielleicht ein bisschen runterfahren kann und ein bisschen langsamer machen kann. Das ist, glaube ich, bei einer reinen ADHS schwerer möglich, kann ich mir vorstellen. Es ist so dieses Alles oder nichts. Ich funktioniere, dass ich funktioniere nicht. Und wenn ich funktioniere, dann muss ich voll, weil sonst geht mein Gehirn wieder irgendwo anders hin.

SPEAKER_04:

Tatsächlich, bei mir ist es seit dem Burnout so, dadurch, dass die Kapazitäten halt so runtergefahren sind, kann ich das gar nicht so lange aufrechterhalten. Also wenn wir dann zum Beispiel morgens eine intensive Beratung haben und das kann dann auch schon mal zwei Stunden dauern, so ein Beratungsgespräch, auch dann plus Anträge und so weiter, dass ich dann weiß, okay, ich brauche dann jetzt wirklich eine Pause, eine richtige Mittagspause mit was essen, mit ich habe eine Yogamatte in meinem Büro liegen, die ich dann ausrolle und so ein bisschen Übungen mache, das einfach auch im Liegen und so, dass man nicht von irgendwo gesehen wird, dass man halt auch das Gesicht mal einmal komplett glatt werden lassen kann, entspannen kann und so weiter. Und dass es dann eben an dem Tag auch dann vielleicht noch Anrufe gibt und man so eine Kurzberatung am Telefon macht oder Termine ausmacht, dass man noch E-Mails schreibt, aber dass ich dann zum Beispiel nach so einer Zwei-Stunden-Beratung am Vormittag nicht am Nachmittag nochmal so eine Zwei-Stunden-Beratung mache. Weil das habe ich einfach gelernt aus den vergangenen Monaten, dass das für mich einfach auf Dauer nicht aufrechtzuerhalten ist. Dass man da halt wirklich dann eben so, dadurch, wie man sich seinen Tag gestaltet, einfach auch so ein Pace hat, der einfach gesund ist für einen.

SPEAKER_01:

Ja, bin ich voll bei dir. Also das heißt, die Arbeit unterbrechen und dem Gehirn dadurch eine Pause bieten und dem System, dass es, schätze ich mal, nahezu die einzige Möglichkeit. Zeitlich begrenzen, sich weckerstellen, wie auch immer. Und ansonsten rauscht man halt dadurch oder kämpft die ganze Zeit damit, eben nicht ins Tun zu kommen. Das ist ja die, das haben eben auch viele, das muss man schon auch sagen. Und auch das ist anstrengend. Naja, gut, also ich wüsste jetzt ganz gerne, was bei dir passiert ist, nachdem du die Diagnose bekommen hast. Weil meiner Erfahrung nach gucken wir dann gerne so in unsere eigene Schulzeit zurück. Und mich würde total interessieren, ob es Themen gibt aus deiner eigenen Schulzeit, über die du nochmal nachgedacht hast, nachdem du die ADHS-Diagnose bekommen hast.

SPEAKER_04:

Also grundsätzlich tatsächlich das, was auch viele berichten, dass wirklich erstmal so eine Riesenerleichterung einfach da ist. Weil einfach bevalidieren ist, dass es da ein tatsächliches neurologisches Problem und eine Erklärung auch für gibt und es eben keinen Charakterfehler von Faulheit, von Unzuverlässigkeit und so weiter einfach ist. Und auch ich habe immer ein Problem gehabt wegen Mathe, dass ich mich immer wegen Mathe dumm gefühlt habe, weil ich einfach da eine Schwäche habe und ich brauchte tatsächlich einen Master of Science-Abschluss, um damit offiziell negieren zu können und sagen zu können, hey, ich kann zwar keinen Dreisatz, aber irgendwie habe ich einen guten Master of Science bekommen. Ich kann nicht dumm sein, das ist mein Beweis.

SPEAKER_01:

Krass, ne?

SPEAKER_04:

Das hat es irgendwie gebraucht, um das auszugleichen, was ich da seit der Kindheit mit mir rumschleppe, an sich unzulänglich fühlen irgendwie.

SPEAKER_01:

Und hast du das auch raus aus deinem System seitdem, dieses Gefühl, nicht gut genug zu sein?

SPEAKER_04:

Tatsächlich überwiegend. Also ich habe immer lange gesagt, dass ich sehr gut kompetent wirken kann. Inzwischen glaube ich, dass ich auch überwiegend tatsächlich kompetent bin. Und in den Bereichen, wo ich einfach was nicht weiß oder mir unsicher bin, dann kommuniziere ich das halt transparent. Und das kommt einfach gut an. Wenn man einfach ehrlich ist und sagt, ah, da bin ich mir nicht ganz sicher oder da könnten wir da und da, das sind die Experten dafür. Oder halt auch einfach, ich habe im Juni erst angefangen, ich muss meine Kollegin fragen, hatte ich noch nicht den Fall. Das kommt immer so weit an. Also ich glaube, ja, das hat sich so ein bisschen aufgelöst, aber so diese innere Angst vor irgendwie Fehlern, was falsch machen, die ist irgendwo immer noch leicht mit dabei.

SPEAKER_01:

Gut, die Angst, Fehler zu machen, die werden wir wahrscheinlich, also die ist ja so ganz oft total internalisiert in einem neurodivergenten Menschen. Also ich weiß nicht, warst du in Ordnung, wie du gewesen bist als Kind oder hat man dir aus deinem Umfeld heraus jetzt eher gespiegelt, dass du nicht so in Ordnung bist?

SPEAKER_04:

Also ich glaube, wenn ich so vergleiche mit vielen Lebensgeschichten von anderen Neurodivergenten, habe ich es da eigentlich ganz gut gehabt. Also ich hatte auch wirklich eine schöne Kindheit mit einem harmonischen, auf sich liebenden Elternpaar. Wir hatten eine richtig schöne Kindheit und gleichzeitig sind halt einfach viele so Vorfälle einfach mit immer mal wieder Kritik oder das einfach sehr auf das Negative einfach geschaut wird. Es wurde immer gesagt, es ist nicht wichtig, was wir für Noten haben. Das war aber irgendwie immer so ein innerer Leistungsanspruch, schon immer von mir aus. Bei dir. Ja. Also auch, dass ich immer auch gut sein wollte in der Schule und mich sehr, sehr angestrengt habe. Und dann aber auch sowas wie, ja, Mathe war da nicht, dann musste danach Hilfe und so weiter. Also es wurde dann halt nicht so sehr auf die Stärken geguckt, weil da funktioniert es ja, sondern dann wurde halt da geguckt, wo es halt nicht funktioniert. Und das macht natürlich ja auch was mit einem. Also nicht im Sinne von Kritik oder dass gesagt wurde, das ist schlecht und das muss besser werden, sondern einfach, dass auch meine Eltern mir einfach helfen wollten. Weil die auch gemerkt haben, wie sehr mich das einfach belastet, dass ich da nicht gut bin.

SPEAKER_01:

Und in der Schule oder in Vereinen und bei FreundInnen und so weiter, wie war das da? Warst du da auch einfach genau in Ordnung, so wie du warst, oder hast du da irgendwo in einem Feld gelernt, dass irgendwas komisch ist?

SPEAKER_04:

Also ich hatte immer nicht so viele Freunde, aber die waren dann immer sehr eng. Also ich habe vor allem in der Grundschule immer Jungs auch als Freunde gehabt. Das war dann für mich ganz hart, als dann so auf der weiterführenden Schule das so anfing, dass Mädchen blöd waren. Da ist für mich so mein Freundeskreis fast zusammengebrochen dran. Da wurde es dann schon schwieriger. Und dann habe ich aber so eine kleine Gruppe für mich auch gefunden an Mädels, mit denen wir einfach super klargekommen sind. Ich glaube, wir waren auch alle neurodivergent oder zumindest im Randbereich, sag ich mal. Wir sind dann aber auch diejenigen, die dann auch gemobbt worden sind. Also das fing so mit so 13, 14 oder so in dem Alter halt an. Wir hatten mehr so schwarze Klamotten, das war so diese Manga-Visual K-Phase, auch so ein bisschen Richtung Gothic. Und dann kamen halt auch so Sprüche später, dann so, ja, da letzte Reise sind die Selbstmordgefährdeten oder dass selbst irgendwie ein blöder Fünfklässel einem entgegenläuft und so Satanisten oder so, also so blöde Sachen einfach.

SPEAKER_01:

Ich weiß genau, ich weiß genau, um was es geht. Es ist aber halt auch wieder so typisch, oder? Da kann man mal direkt sagen, es ist eigentlich der Klassiker. Dass also sowohl das schwarze Animemäßige irgendwie interessant war und dass man sich da irgendwie exzentrisch geschminkt, gekleidet vom Stil her verändert hat und da irgendwie so ein bisschen ausleben konnte. Und aber auch, dass genau diese Vorurteile dann genannt werden und irgendwie plötzlich zu einer größeren Barriere werden, als die Neurodivergenz alleine. Dass man einfach durch das Äußere und durch die Art und Weise, wie man sich da als Gruppe identifiziert, plötzlich zum Problem gemacht wird.

SPEAKER_04:

Aber weil ich da auch dann geguckt habe, dass ich aus dem Umfeld rauskomme. Also ich habe dann nach der 10. Klasse gewechselt vom Kleinstadtgymnasium auf ein städtisches Gymnasium in einer großen Stadt. Da habe ich nämlich auch direkt schon gesehen, bei so einem, ich habe hier immer diese Vortreffen, dann so in der 10. Klasse, wo dann halt alle für die Oberstufe dahin kommen, habe ich schon gesehen, okay, mehrere Jungs mit Band Shirts und Lederjacken und Mietenarmbändern, check, da sind mehrere Mädels mit blauen Haaren, check. Das heißt also, da bin ich einfach direkt am ersten Tag mit meinem Outfit, mit dem ich früher gerne in der anderen Schule auch gegangen wäre, mich aber nicht getraut habe, bin ich einfach direkt mit meinem Ich, so wie ich es haben will, einfach aufgeschlagen und habe meine Gruppe gefunden. Geil, sehr cool.

SPEAKER_01:

Okay, aber das ist ja doch ein recht ungewöhnliches Bild, das du so zeichnest, dass du eigentlich bis in die Pubertät hinein relativ wenig auffällig warst. Ich meine, wobei viele waren nicht so wahnsinnig auffällig, aber auch für dich selbst nicht so ein Leidensdruck da gewesen wäre, dass du sagst, na, ich werde irgendwie als was komisches, als was anderes wahrgenommen und kann es nicht so richtig greifen. Also zumindest hört sich es nicht so an. Das kam dann quasi in der Mittelstufe durch diese Clique und durch das etwas exzentrischere Äußere und das Mobbing, das dadurch eingesetzt hat.

SPEAKER_04:

Ja, ich hatte davor, also ich sag mal, so diese klassischen Züge konnte man halt auch in der Grundschule schon sehr stark merken. Also ich hatte zum einen so ein krasses Gerechtigkeitsbewusstsein, das sind auch Sachen, die meine Mutter mir teilweise auch erzählt hat im Nachhinein, dass ich einfach dann immer mich im Zweifel auf die Seite von den Gemobbten oder den Schwachen gestellt habe, selbst wenn das für mich dann nicht so optimal war. War immer Lehrerliebling, weil ich halt auch einfach Spaß am Lernen hatte und einfach auch immer mich für Fairness eingesetzt habe. Und gleichzeitig war ich aber auch eine von den Rabauken und habe mich auf dem Schulhof halt geprügelt. Das ist aber irgendwie bei den Lehrern nicht so angekommen.

SPEAKER_01:

Wenn sie einen mögen.

SPEAKER_04:

Ja. Also das ist so als, ich sag mal so, die wilde Seite habe ich tatsächlich sehr viel außerhalb der Schule halt auch ausleben können mit durch den Wald strömern und auf Bäume klettern und sowas alles und viel mit Jungs unterwegs sein. Und in der Schule war es dann teilweise halt so ein bisschen dieses verträumte, klassisches Schriftbild mangelhaft.

SPEAKER_03:

Ja.

SPEAKER_04:

Aber ich bin halt da nicht so stark aufgefallen, weil ich einfach, weil mir wichtig war, auch eine gute Leistung zu bringen. Viele Themen fand ich einfach auch interessant und war dann einfach sehr engagiert. Und ich hatte auch Glück, dass ich Lehrer hatte, die damit umgehen konnten oder Lehrerinnen, dass ich auch mal so ein bisschen aufmüpfig war, also auch im Religionsunterricht oder so, dass die halt echte Diskussionen führen konnten, dass da hätte ich sonst echt Probleme bekommen.

SPEAKER_01:

Ja, verstehe. Ja, nur diese große Angst, die kommt ja zu einem großen Teil, da sind wir jetzt gerade hergekommen, von diesem Gefühl von Angst und dass die einfach immer noch da ist irgendwie. Und die hat man ja als neurodivergenter Mensch häufig aus der Kindheit kommend, weil man eben weiß, wenn ich die Kontrolle abgebe über mein Verhalten und über mich, dann können Sachen passieren, die in meinem Umfeld als komisch, als andersartig, als gefährlich, als schlecht bewertet werden. Und deswegen muss ich mich die ganze Zeit kontrollieren und habe auch immer so ein bisschen Angst davor, dass irgendwas passiert, was die Selbstkontrolle, was die Selbstkontrolle irgendwie in Gefahr bringen würde, sodass ich dann halt vielleicht, keine Ahnung, plötzlich ein Verhalten zeige oder mich zu stark freue, und plötzlich aber durch das, dass ich mich freue und wie ich mich freue, wieder als was komisches geframed werde. Und dieses ständige Reflektieren, wie verhalte ich mich jetzt eigentlich, was denkt mein Umfeld jetzt über mich, was könnte denn jetzt passieren, sodass ich mich irgendwie komisch verhalte, das macht halt einfach krank. Und diese Muster wieder aus sich rauszukriegen, also ich merke das, ne? Ich versuche hier wirklich demaskiert durch die Welt zu gehen. Aber das Thema, das sitzt so tief. Das ist unglaublich. Also das ist einfach Teil der Identität irgendwie.

SPEAKER_04:

Ja, und ich merke auch ganz stark, dass so dass es halt im Jugendalter extremer geworden ist. Weil da halt auch wirklich dieses, ich kann mich halt vorher nicht dran erinnern, aber ich weiß auf jeden Fall so im Alter von so 14, wo dann diese extremen Schmerzen und Verspannungen einfach in diesem Schulter-Nackenbereich angefangen haben. Also seit die ich, wo ich halt quasi seitdem einfach diesen Bereich komplett hart habe. Und mir halt dann gesagt wurde, ja, dann musst du halt Sport machen, wenn du Rückenschmerzen hast, das übliche. Aber ich glaube, dass das tatsächlich so dieses, auch dieses Acht, dieses immer auf Achtsein, immer auf der Hut sein und immer irgendwie auch so schutzmäßig sich so die Schultern hochzuziehen und zu gucken, so ein bisschen sich zu ducken, was kommt da jetzt.

SPEAKER_01:

Also siehst du das im Zusammenhang mit dem Mobbing, das du erlebt hast? Oder insgesamt im Zusammenhang mit der Pubertät und mit so einem Angststörgefühl, das da irgendwie in dir drin war?

SPEAKER_04:

Ja, ich glaube beides und aber auch generell in der Familienentwicklung, da war es auch eine Phase, wo es meiner Mutter auch sehr schlecht ging. Und da hat einfach so quasi, dann war auch zu Hause einfach sehr viel, sehr viel Unruhe emotional. Das ist ja auch bei Erwachsenen, die halt undiagnostiziert, neurodivergent sind und überlastet sind. Das ist halt, da ist halt die emotionale Regulation halt auch einfach nicht gut. Das ist einfach so, das kenne ich ja von mir selber auch so. Ist für mich auch einer der Gründe, weshalb ich auch überhaupt gar keine Kinder möchte. Weil ich einfach weiß, ich brauche einfach so viel Zeit für mich, um mich selbst zu regulieren und dafür zu sorgen, dass es mir gut geht, dass ich einfach diese zusätzlichen Kapazitäten für noch ein anderes Wesen, für das man ja die ersten Jahre ja auch 100% verantwortlich ist und wo man auch selbstbestimmt wird von, dass ich mir das überhaupt nicht vorstellen kann für mich, von den Kapazitäten her. Also auch schon vor dem Burnout, dass ich einfach so vor einigen Jahren einfach gedacht habe, nee, das wäre, glaube ich, für mich und meine mentale Gesundheit eine richtig schlechte Idee, zu kriegen.

SPEAKER_01:

Ja, und das ist auch gut, dass man das inzwischen auch einfach so reflektieren darf, dass wir so weit sind, dass man als Frau überhaupt mal auf die Idee kommt, sich diese Gedanken zu machen. Das ist ja auch nicht selbstverständlich, dass man sich da, dass man sich diese Frage überhaupt stellt. Also und auch da wieder Social Media macht es halt auch möglich, Menschen zu sehen, die aktiv darüber sprechen, was Mutterschaft mit ihnen macht und warum sie vielleicht keine Mutter werden wollen. Oder, und ich finde das wichtig, weil das auch anzuerkennen und zu sagen, ich bin gefährdet, das nicht gut hinzubekommen vielleicht, oder ich bin gefährdet, es so gut hinzubekommen, dass ich dabei auf der Strecke bleiben werde. Und deswegen weiß ich dann nicht, ob ich dann noch für meine Kinder da sein kann. Und deswegen lasse ich das lieber. Ist eine total legitime Entscheidung. Es ist übrigens genauso legitim, das einfach zu entscheiden, weil man nicht möchte. Auch das, ja. Aber ich wollte nur das jetzt in dem Kontext gerade einmal nochmal betonen. Wenn du sagst, deiner Mutter ging es nicht gut, als du in der Pubertät warst, wie alt warst du da ungefähr?

SPEAKER_04:

14.

SPEAKER_01:

Also ich meine, ich weiß natürlich nicht, wie alt deine Mutter zu dem Zeitpunkt gewesen ist, aber es ist ja auch nicht selten, dass dann so die Perimenopause schon irgendwie eine Rolle spielt, dass also hormonelle Veränderungen bei menstruierenden, so sagen wir es jetzt einfach mal, dass hormonelle Veränderungen, kleinere Schwankungen oder eben geringere Konzentrationen in den Hormonen Östrogen und Progesteron einen immensen Einfluss haben auf die psychische Gesundheit und auf die Stabilität. Und das zeigt sich. Und das ist so krass, wenn das mit der Pubertät auch noch korreliert, wo man eigentlich eine sehr stabile Elternperson braucht, die da diese Stimmungsschwankungen auch ertragen kann, die das Kind mit nach Hause bringt. Also wow.

SPEAKER_04:

Und es waren halt tatsächlich auch vom Zeitpunkt der Überschneidung her tatsächlich auch zwei pubertierende Jugendliche im Haushalt.

SPEAKER_01:

Genau. Ja, und das ist überhaupt nicht selten. Ich möchte das wirklich auch mal betonen, weil gerade bei neurodivergenten Menstruierenden, da haben wir das Problem, dass die noch ein bisschen früher unter Umständen, weil sie ihr ganzes Leben lang im chronischen Stress unterwegs waren, weil sie ihr ganzes Leben lang schon über einen überstrapazierten Körper hatten und deswegen auch das Hormonsystem unter Umständen schon ein bisschen früher schlapp macht, dass die früher in die Perimenopause gehen und dass sich das zeigt. Und das ist nicht selten, dass das genau gleichzeitig kommt mit der Pubertät der Kinder.

SPEAKER_04:

Ich hatte den Test tatsächlich jetzt auch den Bluttest gerade erst letzten oder vorletzten Monat. Also ich rausche auch gerade in die Perimenopause rein, mit ist auf jeden Fall eine 3 noch vorne dran. Na, siehst du. Und ich merke schon, dass es einfach hart. Also die eine schlimme Woche im Monat sind jetzt plötzlich zwei schlimme Wochen im Monat und die zwei guten Wochen im Monat sind zwei okay Wochen im Monat. Also irgendwie, ja, es ist eine kleine Veränderung eigentlich nur und das ist auch noch nicht so stark zu sehen an den Hormonen, aber man sieht, da sind Veränderungen und die kicken richtig rein.

SPEAKER_01:

Und dann kommt ja noch das Problem dazu, das habe ich ja auch mal hier besprochen mit Daniela, dass eben die Hormonersatztherapie gerade bei einem neurodivergenten Gehirn auch Schwierigkeiten erzeugen kann. Also wir kriegen es vielleicht gar nicht so gut eingestellt, als dass es uns dann damit wirklich viel besser geht. Und es ist einfach so, als neurodivergente Person hast du da auch wieder ein Thema, das halt einfach wenig Beachtung gefunden hat. Ich meine, als Frau ja sowieso bist du ja sowieso nicht so ein wichtiger Mensch, aber als neurodergente Frau halt erst recht nicht.

SPEAKER_04:

Da habe ich schon Glück, dass meine Ärzte mich einfach als relativ junge Frau da auch auf Anhieb ernst genommen hat und direkt den Bluttest halt auch da angestartet hat. Weil ich kenne viele, denen es halt auch so geht, die dann irgendwie, weiß ich nicht, Mitte 30, Anfang 40 sind und dann sagen die Frauenärzte oder Frauenärzte, ja, eigentlich muss ich nicht stemmen, die Frauenärzte sagen dann in der Regel, nee, ist noch zu früh.

SPEAKER_01:

Ja, ist bei mir genauso gewesen. Und ich bin einfach dankbar. Ich glaube, ich habe sie schon mal genannt hier, mit Helen Sange, die die Praxis obenrum, unten rum hat in Berlin und ich wohne nicht in Berlin, aber sie macht halt mit mir Online-Sprechstunden und Blutabnahme kann ich bei meinem Hausarzt machen und sie wertet das aus. Und das ist halt also genial, weil sie sich spezialisiert hat auf queere und neurodivergente Menschen und dadurch halt einfach eine Fachperson ist, die halt in dem Bereich toll ist. Also ich habe sie auch schon mal hier eingeladen und sie hat auch ja gesagt, aber wir sind halt zwar neurodivergente Menschen und kriegen es nicht gebacken, einen Termin auszumachen. Kommt noch irgendwann. Sie kommt noch irgendwann und wir sprechen über dieses Thema. Okay. Aber guck mal, wie interessant, oder? Jetzt ist dein Leben ins Wackeln gekommen, Pubertät ja sowieso schon, aber dann hast du dich äußerlich verändert und das hat plötzlich was in deinem Umfeld verändert und hat Reaktionen hervorgerufen. Und dann ist auch so eine Stabilität, so eine emotionale Sicherheit, wo du vorher sagtest, die war in deiner Kindheit irgendwie immer gegeben, die ist da auch so ein bisschen ins Wanken gekommen. Und das ist eine prägende Zeit insgesamt und immer noch. Wie sah denn das Mobbing aus? Also, wenn du darüber sprechen möchtest, was wie ist man so mit euch umgegangen?

SPEAKER_04:

Also, ich sage mal so von dem, was ich gehört habe, was es so an Mobbing-Erfahrungen gibt, war es halt relativ harmlos. Also wir haben halt blöde Sprüche bekommen, irgendwer hat mal von uns die Spielkarten mal genommen und durch die Gegend geworfen, dass wir die alle aufheben mussten oder sowas, aber wir sind nie irgendwie körperlich angegriffen worden oder sowas und wir sind auch nicht massiv psychisch irgendwie fertig gemacht worden. Also insofern war immer so ein bisschen Adi Außenseiter da oder die Satanisten oder was auch immer, so blöde Sprüche, aber das hat sich tatsächlich noch in Grenzen gehalten. Aber es war einfach immer, es hat schon sehr, sehr stark dieses Gefühl von nicht dazugehören, anders sein, falsch sein - einfach schon schon sehr stark verstärkt. Und da war dann halt auch dieses, gerade diese Manga-Anime-Szene, wenn man dann auf so Conventions war oder sowas alles, das war dann halt wiederum ein krasser Kontrastprogramm, das war ja totaler Safe Space dann im Vergleich. Da sind, glaube ich, auch einfach die Neurodivergenten.

SPEAKER_01:

Ich wollte gerade sagen, ich glaube, ich glaube fast, das ist, eigentlich könnte man es wahrscheinlich umbenennen zu Neurodivergente Treffpunkt. Lass uns mal alle treffen und hey, damit wir uns mögen, müssen wir erstmal zeigen, wie komisch wir alle sind, um uns zu identifizieren.

SPEAKER_04:

Ja. Also ich habe immer meinen Platz gefunden, quasi in diesen Randgruppen dann auch später. Also es ist zum einen halt so Rollenspiel, Runden, früher Vampire, dann ganz lange bis auch heute noch DSA, Pen ⁇ Paper-Rollenspiel, dann die Metal-Szene. Da war ich halt sehr, sehr lange drin, beziehungsweise ich bin auch bis vor, bis letztes Jahr auch noch auf Festivals gegangen oder ich gehe auch ab und zu auf Metal-Konzerte, höre aber inzwischen tatsächlich weniger. Weil ich einfach merke, so vom Nervensystem her passt das nicht so gut. Aber in der Vergangenheit hat mir das immer extrem viel gegeben. Also so gerade im Jugendalter, so diesen ganzen Weltschmerz und Wut und was da alles so in einem ist, dann halt über diese Musik halt rauslassen zu können. Ich habe sogar vor der Bio-Abi-Klausur, war ich dann mit Kopfhörern auf dem Klo und habe geheadbanked. War danach dann, hatte danach diese ganze Spannung raus und so dieses elektrische und ich kann nicht mehr, ich drehe durch, war dann komplett weg, war ich total ruhig.

SPEAKER_01:

Das heißt, du konntest dich körperlich ein bisschen regulieren über diese Bewegung, die du da in dieser Musik-Richtung gefunden hast.

SPEAKER_04:

Ja, inzwischen ist mein Nacken nicht mehr so happy mit Hasmaking, also ich versuche es zu vermeiden. Das ist halt Hypermobil, je älter mal wird, desto anfälliger wird man ja für alles Mögliche, das eine Hypermobilität, wann hast du die so richtig wahrgenommen? Ich habe tatsächlich das schon in der Jugend, wurde mir das schon gesagt, aber so richtig was gemacht wurde halt nie. Was ich halt gemerkt habe, ist schon immer, dass ich halt bei Sachen wie Yoga und sowas halt aufpassen muss, dass ich nicht überstrecke. Die letzten Bundesjugendspiele konnte ich dadurch vermeiden, dass ich mir die Kniescheibe rausgedreht habe beim Üben und die auch selber wieder eingerenkt habe. Und das ist halt ein Zeichen für Hypermobil. Normalerweise muss dieses Einrenken dann noch gemacht werden und so und die ist einfach wieder reingeflutscht und das so dieses typische Wabliege. Und was ich tatsächlich auch wirklich empfehlen kann, allen einfach nochmal zu gucken, wie halte ich denn meinen Stift, wenn ich schreibe. Weil malen war bei mir zum Beispiel exzessiv regulierend, schon immer schon als schon im Kindergarten, habe ich ganz exzessiv hier gemalt. Und ich habe jetzt tatsächlich schon einen Verschleiß, als hätte ich Arthrose mit Mitte 30 schon vorne im Zeigefinger gelenk, weil einfach dieses Überstrecken so gefährlich ist, wenn man das immer macht. Also da einfach mal gucken, es gibt auch Schreibhilfen, es gibt Stifte, die bestimmte Formen haben, es gibt andere Möglichkeiten, ein Schiff zu halten. Das wäre cool gewesen, wenn das als Kind erkannt worden wäre. Ich habe immer viel Druck gehabt, alle Kullis durchgedrückt, also alle Füller irgendwann zerdrückt gehabt, auch wenn ich so Kalligrafie schreiben gemacht habe, irgendwann haben die nicht mehr funktioniert, weil ich mit zu viel Druck gearbeitet habe. Und dass da einfach mal drauf geguckt wird, dass man einfach diese Fingergelenke nicht fehlt. Belastet, um da nicht vorzeitigen Verschleiß zu kriegen, weil das ist. Ich bin jetzt auf Filzstifte und sowas umgestiegen, weil ich einfach mit diesen Aquarellstiften gar nicht mehr malen kann, habe ich immer Schmerzen mit. Das hat sehr schade.

SPEAKER_01:

Und hast du das dann Los-Elas-Syndrom? Also ist das tatsächlich auch diagnostiziert oder weißt du halt einfach, du hast hypermobile Gelenke und musst halt aufpassen.

SPEAKER_04:

Ist nicht diagnostiziert, ist hinsichtlich der anderen Issues mit Bindegewebe, wo auch Herz mit reinspielt und so weiter und so fort, wäre es naheliegend. Aber durch diese Muskelversteifung, die ich zusätzlich halt auch habe, ist halt ansonsten diese Hypermobilität gar nicht so stark zu sehen. Weil ja irgendwann der Körper dann mit Steifwerden dagegen arbeitet. Sodass mir zum Beispiel auch eine Orthopädin einmal gesagt hat, ja, sie sind ja nicht hypermobil, weil ich ja meinen Daumen nicht bis ans Handgelenk klappen kann.

SPEAKER_01:

Okay, also ich weiß nicht, ob du es gesehen hast auf Insta, aber es gibt ein Reel, das halt wirklich auch heute noch, obwohl ich das vor zwei Monaten erstellt habe, es wird heute noch mindestens drei, viermal die Woche geteilt. Und es hat so viele Aufrufe wie kaum ein anderes meiner Videos. Und das ist eines, wo ich zeige, wie ich meinen Stift halte und was für Konsequenzen meine Stifthaltung für mich als Schülerin auch hatte. Nämlich, dass mir immer wieder gesagt wurde, ich muss meinen Stift anders halten, dass von mir erwartet wurde, dass ich den genauso halte wie die anderen und dass ich dann aber halt nicht in der Lage war zu schreiben. Und heute mit 43 halte ich meinen Stift immer noch, genauso wie ich ihn auch früher gehalten habe. Und mein Papier liegt im 90-Grad-Winkel vor mir. Wenn es gerade vor mir liegt, also so wie ein Papier vor allem liegt, dann kann ich gar nicht schreiben. Kann ich nicht. Und alleine diesen Zusammenhang zu sagen, ich habe eine Neurodivergenz und der Zusammenhang, also Menschen, die neurodivergent sind, haben häufiger hypermobile Gelenke als Menschen, die nicht neurodivergent sind. Und deswegen passiert es auch häufiger, dass ein neurodivergentes Kind im Klassenzimmer sitzt, das hypermobile Gelenke hat und dass deswegen eben auch den Stift so mit diesen eingeknickten Gelenken hält oder halt eben so eine Faust außenrum macht und so sehr krümpelig schreibt. Ja, ganz genau. Wir sehen uns jetzt gerade gar nicht so gut, weil bei mir das Thema Licht hier heute problematisch ist, aber hier knickt auch schön der Finger weg.

SPEAKER_04:

Dieser durchgeknickte Zeigefinger ist halt wirklich richtig schädlich für die Gelenke.

SPEAKER_01:

Und es sind doch in jedem Klassenzipper einige Kinder, die neurodivergent sind. Und deswegen, also das einfach mal so zu beobachten und zu sagen, okay, du musst deinen Stift irgendwie offensichtlich ein bisschen anders halten, weil deine Gelenke sind irgendwie vielleicht ein bisschen anders. Aber wir gucken mal, dass wir es hinkriegen, dass du deinen Finger nicht so überstrecken musst, ne? Oder dass hier nicht irgendwelche, weil das genauso, ne, dieses der Daumen, der dann so wegknickt, das hat bei mir zum Beispiel auch beim Gitarre spielen oder beim Flötespielen dazu geführt, dass ich hier in diesem Daumen, wie heißt das? Das hat doch einen Namen hier.

SPEAKER_04:

Sehnenscheiden, ja.

SPEAKER_01:

Ich hatte immer Sehnentscheidenentzündungen.

unknown:

Ja. Immer.

SPEAKER_04:

Ich muss auch von zu viel Stricken, von egal was ich mache.

SPEAKER_01:

Immer. Ich hatte immer Sehnentscheidenentzündungen vom Gitarrespielen, vom Flötespielen, vom Schreiben, vom Armbändchenknüpfen, vom Stricken, vom Häkeln und so weiter. Also das, ich hatte so eine Schiene, so eine Permanente, die musste ich regelmäßig tragen, weil meine Sehnen sich da ständig entzündet haben. Und ich habe auch keine Diagnose, ich brauche die auch nicht. Ich weiß, dass ich bestimmte Gelenke deutlich überdehnen kann. Aber ich habe jetzt zum Beispiel noch nie drüber nachgedacht, ob mein versteifter, harter Nacken, Rücken da irgendwas damit zu tun hat.

SPEAKER_04:

Das ist definitiv auch eine Sache. Also, dass die quasi so dieses typische Dreieck, dieses Trapez, wo man immer so hart wird, wo wir so hart werden, dass das im Endeffekt die falsche Muskelgruppe ist, um aufrecht sich zu halten. Aber das ist halt quasi ein Ausweichding von unserem Körper, um halt aufrecht zu bleiben. Also das ist halt auch zum einen das Psychosomatische, zum anderen dieses Hypermobile, einfach auch. Der Körper findet halt Wege, sich irgendwie aufrecht zu halten und das sind dann halt auch oft die falschen Muskelgruppen.

SPEAKER_01:

Das ist interessant auf jeden Fall. Naja. Du sagtest jetzt, gehen wir nochmal kurz zurück, aber wir finden immer wieder den Weg zurück. Du sagtest, du hast nicht das Gefühl, dass das Mobbing jetzt so wahnsinnig schlimm war, im Sinne von, dass da körperlich was passiert ist oder dass psychisch so ganz krass gewesen ist. Du hast nur einfach das Gefühl vermittelt bekommen, du bist komisch, anders, nicht gewollt, gehörst nicht so richtig dazu. Du sagtest aber nochmal ein Stück weiter vorne, dass du das Umfeld verlassen musstest, dass du deswegen auch die Schule gewechselt hast.

SPEAKER_04:

Ja, weil es sich einfach nicht hat sich einfach für mich nicht gut angefühlt. Ich meine, es sind noch andere Faktoren dazu gekommen, dass ich halt auch an dieser Schule keine nicht die LKs hätte wählen können, die ich wählen wollte. Also ich wollte unbedingt einen Kunst-LK machen. Und dann gibt es so in den größeren Städten gibt es halt Schulen, die kooperieren, um das halt möglich zu machen. Und das war halt dann so eine Kombination einfach, dass ich gesagt habe, okay, ich möchte mich eigentlich mich auf bestimmte Fächer konzentrieren können auch und die vertiefen und gleichzeitig aber auch aus dieser toleranten Kleinstadt wegkommen. Also da waren halt auch einfach keine anderen Leute. Also es gab einen, den haben wir als Mädels-Gruppe damals so angehimmelt, der war ein paar Jahre über uns, der lief immer in Band Shirts und mit langen Haaren und mit Flecktarnhose rum und das war irgendwie gefühlt der einzige Mensch, der irgendwie anders aus als alle anderen.

SPEAKER_01:

Das heißt, du brauchtest einfach erstmal ein diverseres Umfeld. Um dich sicherer zu fühlen.

SPEAKER_02:

Ja.

SPEAKER_01:

Also es war gar nicht so arg dieses Geärgert werden und die Sprüche, sondern mehr dieses, ich fühle mich hier irgendwie nicht repräsentiert, nicht richtig gesehen. Ich möchte gerne irgendwo hin, wo es noch andere Menschen wie mich gibt.

SPEAKER_04:

Ich glaube, das trifft es gut.

SPEAKER_01:

Also halt das Alien-Syndrom, ne?

SPEAKER_04:

Ja, definitiv, ja. Ja, auch schon früher immer mit diesem typischen, also ich habe halt lieber auch mit Lego gespielt, halt mit den Jungs in der Natur gewesen und so weiter. Also ich konnte halt mit denen, ich setze das jetzt in sehr große Anführungszeichen, weil internalisierte Mysogynie und so weiter, aber ich konnte halt mit diesen sehr mächenhaften Mädchen noch nie was anfangen.

SPEAKER_01:

Warum nicht?

SPEAKER_04:

Ich glaube tatsächlich waren mir viele Sachen zu langweilig. Also ich war halt wirklich so sehr kernig, wild, Natur und halt dann auch eher Lego als Puppen und so. Ich wollte aber halt auch immer eher bei den Jungs dazu gehören. Ich glaube, das war einfach immer mein Ding. Auch so ein bisschen aus der Kindheit raus, halt eher Papakind tatsächlich so und da so ein Bedürfnis, einfach da, da so in diese Richtung dazu zu gehören, vielleicht auch.

SPEAKER_01:

Weil ich finde das wirklich interessant, mir ging es genauso. Und ich glaube nicht, also ich habe mir da schon sehr viele Gedanken dazu gemacht. Ich glaube, dass ich als Jugendliche durchaus so dieses Pick-Me-mäßige hatte, dieses Ja, ich bin aber anders als die anderen Mädchen-Ding.

SPEAKER_04:

Ja, also kannst du von 15 bis, sag ich mal, 25 ist hundertprozentig bei mir Pick Me-Girl-Phase gewesen. So Pick Me-Girl, Metal-Szene und so weiter, die derbsten Sprüche bringen und sich mit den Jungs anlegen und so auf jeden Fall.

SPEAKER_01:

Und auch so dieses verbale Kräftemessen, wer bringt jetzt irgendwie die härteren Sprüche und die abwertenderen Sätze über die anderen? Aber ich glaube, dass es nicht grundsätzlich bei mir jetzt zum Beispiel eine internalisierte Misogynie gewesen wäre. Ich kann mir vorstellen, dass es damit zu tun hat, vielleicht, dass ich mich so wenig zugehörig gefühlt habe, also dieses Alien-Syndrommäßige, und dass ich das viel mehr auf meine Geschlechtsidentität übertragen habe, als jetzt auf mich als Mensch. Also ich habe nicht hinterfragt, ob ich ein anderes Nervensystem habe, ob ich ein anderes Betriebssystem habe und mich deswegen nicht zugehörig fühle, sondern ich habe gemerkt, ich fühle mich nicht zugehörig. Das muss damit zu tun haben, dass ich irgendwie mit den Mädchen nicht so klarkomme. Und deswegen suche ich dann lieber vielleicht bei den Jungs so den Kontakt, weil die sind ja zwar trotzdem anders, die sind ja Jungs und ich bin Mädchen, aber sie sind halt nicht jemand, mit dem ich mich so vergleichen muss, ob ich da dazu passe.

SPEAKER_04:

Also ich sag mal, ich hatte ja da damals auch dann so mit so 13, 14 meine Mädchengruppe gefunden, die halt dann so aus diesem etwas anderen Universum waren, genau wie ich. Das hatte schon gepasst, aber die haben halt auch nicht so, sage ich mal, diese in Anführungszeichen typischen Mädcheninteressen gehabt. Also wir waren da alle schon eher einfach anders gelagert, haben halt einfach über andere Themen gesprochen und so. Also, und dann ist das quasi dann fließend übergegangen. Also ich habe die Freundinnen auch über viele Jahre auch behalten, auch weiter, auch nach dem Schulwechsel habe ich auch mit einigen von denen weiter Kontakt gehabt. Und bin dann aber quasi fließend quasi in so diese Metal-Szene übergegangen. Und da ist ja auch dieses, in Anführungszeichen, nicht so Mädchenhafte, nicht das Ding, sondern halt eher so ein bisschen männlich, Prollo.

SPEAKER_01:

Gar nicht mädchenmäßig, ja. Und auch finde ich in den Rollenspielen, also doch, da gibt es dann auf jeden Fall auch Figuren, die sehr weiblich sind, die sehr, aber es sind dann doch Rollen und eben nicht so richtig Identitäten. Vielleicht kann man sich da auch noch mal ein bisschen anders reinfinden und das Exzentrische halt auf jeden Fall ausleben. Also, ja, es ist schon wirklich interessant, weil ich frage mich das, also vielleicht können wir das auch in den Kommentaren mal sammeln. Ging es euch als weiblich sozialisierte, neurodivergente Person auch so, dass ihr das Gefühl hattet, ihr könnt mit den Mädchen nicht so viel anfangen und dass ihr euch auch darüber identifiziert habt, dass ihr dann bei den Jungs gut connecten konntet, indem ihr auch euch nicht wie die anderen Mädchen verhalten habt und das auch betont habt. Weiß ich nicht, könnt ihr mir vorstellen, dass wir da nicht ganz so alleine sind.

SPEAKER_04:

Was bei mir, glaube ich, auch noch zusätzlich ein bisschen Faktor war, mir ist das aufgefallen, also ich habe, glaube ich, die Pille mit auch zu grob 14, 15 bekommen, einfach auch wegen starken Schmerzen damals. Und habe die genommen bis Mitte Ende 20. Ich glaube Ende 20, kann man fast sagen. Und habe dann gemerkt, nachdem ich die abgesetzt habe, wie sehr die mich gedämpft hat. Also so dieses emotional, in Anführungszeichen, hysterische oder so dieses stark Emotionale und diese Stimmungsschwankungen und so weiter, das ist bei mir einfach, ich habe immer gedacht, ich bin einfach so furchtbar pragmatisch und cool, aber ich war halt einfach nur gedämpft. Habe ich halt auch im Positiven nachher festgestellt, wie schön es war, halt nicht mehr so gedämpft zu sein. Also wenn man dann, weiß ich nicht, wie mit dem Auto langfährt und man sieht ja den Sonnenaufgang und dann muss ich eigentlich schon fast anhalten, weil mir schon fast die Tränen kommen, wie schön das ist, das habe ich nie gehabt. Das ist immer so runtergeregelt gewesen. Irgendwie als wäre so ein grauer Schleier quasi über der Welt gewesen auch und über meiner Gefühlswelt. Und ich glaube, das war auch nochmal so ein Turning Point, wo halt auch die echten Emotionen und halt auch die echten ADHS-Schwankungen auch im Verlauf des Zyklus halt dann halt sich auch Wahn gebrochen haben. Also es gibt ja immer so verschiedene Punkte und ich glaube, dass ich einfach sehr, sehr lange auf diesem gedämpften Level gehalten wurde und dann quasi ist in Anführungszeichen immer schlimmer geworden ist. Aber auch schöner.

SPEAKER_01:

Und dass man so plötzlich sich auch weiblicher fühlt und irgendwie dieses Zyklische auch begreift und auch begreift, was das so mit dem ganzen Leben machen kann auch.

SPEAKER_04:

Total.

SPEAKER_01:

Das hatte ich tatsächlich. Das hatte ich tatsächlich nur nach der zweiten Schwangerschaft. Aber bei mir war es so Pille abgesetzt und dann relativ schnell schwanger mit dem ersten. Und dann habe ich das gar nicht gehabt, so dieses zyklische Leben ohne Kinder dann. Dann waren schon direkt hier Kinder im Haushalt. Naja. Aber es ist auf jeden Fall auch ein super interessanter Aspekt, ja, mit der Pille. Das machen bestimmt auch einige schon recht früh.

SPEAKER_04:

Weil es einfach diese natürlichen Schwankungen aussetzt. Und ich glaube, das macht natürlich auch schon viel mit einem. Ich meine, ich kann natürlich auch stabilisieren, aber ich habe halt einfach, nachdem ich die abgesetzt habe, halt auch einfach gesagt, boah, ich will halt auch keine Hormone mehr nehmen. Also jetzt auch für Ausgleich und so weiter. Wir gucken jetzt mal mit Mönchspfeffer. Ansonsten wäre halt die Frage, ob man mit naturidentischen, ich glaube, Progesteron ist das dann arbeitet für zwei Wochen im Monat und so. Gucken wir jetzt einfach mal die nächsten Monate, wie sich das entwickelt. Aber ich würde jetzt zum Beispiel auch keine dauerhafte Pille mehr nehmen wollen. Weil ich einfach merke, was das mit mir gemacht hat und da möchte ich gar nicht mehr hin tatsächlich.

SPEAKER_01:

Ja, da müssen wir mal mit, also muss ich echt das Gespräch mal mit Helen jetzt abwarten, aber ich bin mir relativ sicher, dass gerade die Hormone, die so in der Hormonersatztherapie gegeben werden, ja, bioidentische Hormone sind also ganz andere, als die, die man in so einer blöden Pille bekommt als Jugendliche. Ist eigentlich abgefahren, dass man einem jugendlichen Körper da diese synthetischen, also ich unterstelle das jetzt, weil ich mich nicht gut genug auskenne, was für Hormone das konkret sind, aber man gaukelt ja dem Körper quasi ständig vor, nicht zyklisch zu sein und nicht einen Körper haben zu wollen, der in irgendeiner Weise das auslebt, was halt ein weiblicher Körper tut, nämlich Eizellen produzieren und sich auf Schwangerschaften vorbereiten und so weiter. Das ist schon interessant. Naja, also ich nehme bioidentische Hormone und kann sagen, es ist ein himmelweiter Unterschied zu dem, was man mit einer Pille nimmt. Du hattest jetzt gesagt, erst als du deinen Master gemacht hast, Master of Science, habe ich das richtig mitgekriegt. Erst da konntest du dann so sagen, okay, mein Problem mit Mathe ist jetzt für mich in Ordnung. Ich bin da jetzt quasi rausgewachsen. Das Mathe-Thema haben wir jetzt noch gar nicht so richtig aufgemacht. Also wie sieht es da aus? Wann haben sich die Mathe-Probleme eigentlich so richtig gezeigt und worin lagen die Probleme? Und ja, wie sieht es da heute aus?

SPEAKER_04:

Also, ich sage mal, das hat tatsächlich schon in einem sehr, sehr frühen Alter angefangen, weil ich durch ein älteres Geschwisterkind tatsächlich auch damit teilweise aufgezogen wurde, was natürlich auch gemein ist, wenn jemand sowieso älter ist und aber auch in dem Bereich einfach besser so. Dann ging es aber so, sage ich mal, die Grundschulzeit war so okay-ish und in der weiterführenden Schule war es dann immer super lehrerabhängig. Also ich hatte zum Beispiel mal einen Mathe-Lehrer, der war richtig gut, der war super streng. Ich habe auch immer nur dreien oder vier geschrieben, aber ich habe es verstanden. Und das war für mich eigentlich auch immer das Wichtigste, dass ich es halt verstehe, dass ich halt weiß, was ich tue. Und danach war es aber halt eine Katastrophe. Also ich muss einfach, damit ich es irgendwie, damit ich es machen kann, muss ich es verstehen. Und das ist halt bei weiterführender Mathematik in den höheren Klassen ist das einfach sehr schwierig. Beziehungsweise bei manchen Sachen, wie jetzt, sage ich mal, Trigonometrie oder so, da bräuchte man halt jemanden, der das einmal vernünftig erklärt. Und wenn das halt nicht passiert, ist dieses ganze Kind in den Brunnen gefallen. Da habe ich tatsächlich auch meine einzige Sechs meiner ganzen Schullaufbahn geschrieben. Wow! Ja, und der Lehrer war ganz überrascht und fragte: Wie ist das denn passiert beim Elterngespräch? Bin ich natürlich sofort in Tränen ausgebrochen. Ja, nee, wenn du Fragen hast, kannst du ja fragen. Aber für mich ist halt, wie soll ich denn fragen oder was soll ich denn fragen, wenn ich nichts verstehe? Wenn es eigentlich von Anfang an nochmal ganz anders und ausführlich erklärt werden müsste und einer einfach immer so im Schweinsgalopp da durchgeht, weil er halt meint, ja, nach der 10. Klasse geht ja ja alle auf verschiedene Schulen. Also müssen wir alle Themen mal irgendwie behandelt haben und aber nichts davon richtig. Und ja, das hat mir halt echt da das Genick gebrochen.

SPEAKER_01:

Wer hat eigentlich die Verantwortung dafür, wenn jemand eine 6 schreibt, das danach aufzuarbeiten, was da offensichtlich versäumt ist? Ich frage das jetzt einfach mal so in den Raum, weil. Oder auch eine 5. Also wer genau muss denn sich jetzt darum kümmern, dass die Person, die diese schlechte Note geschrieben hat, jetzt Unterstützung bekommt. Oder die Möglichkeit zumindest bekommt, zu verstehen, was da genau das Problem war und wie man das jetzt wieder aufarbeiten kann.

SPEAKER_04:

Ja, also bei mir war die Lösung natürlich, dass ich dann Mathe-Nachhilfe mache.

SPEAKER_01:

Okay. Also war die Aufgabe der Eltern, das zu finanzieren und du musstest halt noch zusätzlich zu einer Nachhilfe.

SPEAKER_04:

Theoretisch wäre das auch in der Familie gegangen, aber das ging halt gar nicht.

SPEAKER_01:

Ja, ist oft.

SPEAKER_04:

Weil da war leider so dieser saloppische Spruch nicht böse gemeint, aber ja, womit hast du denn ein Problem? Was ist das denn? Ach, ach, das ist ja ganz einfach und dann ist es bei mir einfach schon vorbei. Weil wenn es ja ganz einfach ist, dann muss ich ja dumm sein, wenn ich es nicht verstehe. Weil es ist ja offensichtlich ganz einfach und ich verstehe es nicht und verzweifle dran, dann muss ich ja dumm sein. Das ist so ein Kernthema, dieses Mathe-Nicht-Verstehen, andere finden es einfach und darüber irgendwie zu denken, dass man dumm ist. Also mein Mathe-Trauma habe ich eigentlich bis heute nicht wirklich überwunden. Aber ich konnte überwinden, dass ich deshalb denke, dass ich dumm bin. Weil ich einfach so viele Beweise in den letzten, weiß ich nicht, 15 Jahren gesammelt habe, dass ich nicht dumm sein kann. Ich kann nur halt einfach kein Mathe.

SPEAKER_01:

Ja. Ja. Und es ist jetzt halt nicht ganz so abwegig, dass du da unter Umständen eine Mathe-Schwäche hast, dass du eine Diskalkuli hast.

SPEAKER_04:

Weil das, zumindest von Tests her, also ich habe so im Rahmen nach der Reha auch nochmal so Einstufungstests gemacht, um einfach zu gucken, in welche Richtung kann die berufliche Entwicklung gehen. Und dann wird ja quasi an alles abgetestet. Und diejenige, die diese Tests ausgewertet hat, hat halt schon gesagt, also in den anderen Fächern habe ich deutlich mehr Stärken. Also ich war in sehr vielen Bereichen extrem überdurchschnittlich. Und in dem Bereich ist es aber so, dass ich halt so durchschnittlich oder etwas schwächer als der Durchschnitt bin. Also sie meinte, jemand mit einer Diskalkulier hätte da ganz anders abgeschnitten. Es ist nur einfach, glaube ich, so inzwischen, dass mein Gehirn, wenn irgendwas mit Mathe kommt, schreit und sich die Ohren zuhält.

SPEAKER_01:

Ja, gibt es tatsächlich. Also Mathe ist da auch ein besonderes Fach und das gibt es tatsächlich. Genau dieses Phänomen, das das Gehirn dicht macht, sobald auch nur irgendwas im Ansatz mit Mathe zu tun hat. Das heißt, heute hast du wenig Einschränkungen oder hast du Einschränkungen? Wie sieht es aus, wenn du bezahlst? Uhrzeiten, Zeiten. Kannst du das irgendwie erfassen?

SPEAKER_04:

Ich kann nicht gut normale Uhren lesen. Das ist einfach so. Also diese Zifferuhren, die fallen mir schwer. Also am besten sind für mich tatsächlich dann analoge Uhren und zwar im 24-Stunden-Rhythmus. Das funktioniert für mich am besten. Bezahlen ist okay-ish. In meinem Nebengewerbe habe ich einfach angefangen, dass ich nur noch mit runden Beträgen arbeite, maximal vielleicht mal mit 50 Cent Sachen, aber glatt oder 50 Cent, einfach weil die psychologische Hürde, dass es vielleicht jemand nicht kauft, weil es mit 9,99 Euro psychologisch besser wäre, kann quasi den Preis, den ich zahlen müsste, wenn ich Dinge ausrechnen muss beim Bezahlen, wenn jemand auf dem Markt ist, das ist es mir nicht wert, da ein Stück mehr zu verkaufen.

SPEAKER_01:

Also ich würde sagen, setz dich doch mal mit irgendjemandem in Kontakt, ob du nicht vielleicht doch noch irgendwie eine Diskalkulierung eine Rolle spielt. Also, also wenn du sonst weit überdurchschnittlich warst, dann kann es halt auch sein, dass dein hoher Intellekt einfach sehr viel ausgleichen kann von dem, was da sonst an der Problematik da ist. Aber auch das Thema Uhrzeiten und das hat ja jetzt mal grundsätzlich nicht unbedingt was mit der Mathematik an sich zu tun, also mit Mathematikunterricht, sodass man jetzt jedes Mal, wenn man die Uhr sieht, denkt, oh Gott, Mathe, da gehe ich jetzt in einen Traumamodus. Uns ist trotzdem schwierig und auch das Thema Geld ist trotzdem irgendwie schwierig. Also könnte jetzt durchaus bedeuten, dass selbst wenn du da jetzt nicht so weit unterdurchschnittlich bist, wie das jetzt vielleicht ein Großteil derjenigen ist mit einer Diskalkuli, dass das jetzt das Ausschlusskriterium dafür ist.

SPEAKER_04:

Das ist dann wiederum eine Sache, wo ich halt denke, mit Mitte Ende 30, wofür brauche ich das jetzt noch?

SPEAKER_01:

Das ist die große Frage. Ich glaube, man braucht so Diagnosen ja wirklich nur, wenn man immer das Fragezeichen im Kopf hat und nicht weiß, wie man das beantworten soll, oder wenn man einen Leidensdruck hat und eine Erklärung braucht dafür. Ich meine, wenn das Thema in dir keinerlei Leidensdruck erzeugt und auch nicht ständig dieses Fragezeichen da ist, dann spielt es natürlich keine Rolle. Warum denn?

SPEAKER_04:

Aber, und ich sage mal, für so dass das, was im Alltag am häufigsten tatsächlich ist, so Rezepte umrechnen oder sowas, also entweder schreibe ich es auf oder benutze mein Handytaschenrechner oder ich frage meinen Mann.

SPEAKER_03:

Ja.

SPEAKER_04:

Weil einfach ich mir selber einfach auch nicht vertraue mit dem, was ich selber dann ausrechne und so. Also so ganz einfache Sachen wie einfach nur was halbieren oder was verdoppeln oder so, das traue ich mir dann noch zu. Darf aber auch nicht zu komplex sein, das Rezept, weil sonst habe ich ja vergessen bis zum Ende, dass ich ja immer halbieren muss. Aber frag den Mann, ist bei so Mathe-Sachen eigentlich immer eine valide Option.

SPEAKER_01:

Ich habe ja hier zwei Menschen mit einer Diskalkuli zu Hause. Also ich kenne das aus der anderen, ich war ja Mathe-Lehrerin, also es ist wirklich interessant. Mir fällt Mathe nicht schwer, ich kann rechnen, Uhrzeiten lesen und Mengen erfassen und mit Geld arbeiten. Aber das so zu sehen, was für Einschränkungen eine Diskalkuli mit sich bringt und was für Glaubenssätze auch, die sich so durch den ganzen Alltag ziehen, das ist schon interessant. Und ja, also ich meine, wenn ich meinen Sohn frage, was schätzt du, wie weit ist das hier, also was wir sehen, wie weit ist das von uns weg, dann sagt er entweder, also keine Ahnung, dann sagt er, weiß nicht, fünf Meter, was jetzt mal grundsätzlich ja okay ist, dass er so in Metern denkt, aber wir sprechen von, sagen wir mal so, 50 bis 100 Meter. Also ein Gefühl für wie weit sind fünf Meter, hat er gar nicht. Und dann sage ich, nee, nee, schon ein bisschen mehr. Und dann sagt er halt 10.000. Also, null.

SPEAKER_04:

Das ist ganz interessant. Das ist ganz interessant, weil da ist meine Stärke tatsächlich. Also röntliches Denken ist sehr, sehr gut. Ich habe ja auch Schnittkonstruktionen und sowas gelernt. Wir haben da ja auch mit 3D-Sachen und sowas gearbeitet, auch im Studium. Und ich kann halt wirklich auch super gut auf Größen, Längen und so die klassischen 20 Zentimeter kann ich gut anschätzen oder so. Sind das 50 Zentimeter, sind das 30 Zentimeter? Oder wenn irgendwie ich ein Möbelstück sehe und man überlegt, passt das da rein oder nicht, dann bin ich bis auf wenige Zentimeter in meiner Schätzung halt richtig. Also das funktioniert wiederum ganz gut. Und auch so räumliches Vorstandsformel und Abstände abschätzen, sobald es dann aber sowas ist wie dann einparken und so. Also, ich sag mal, ich habe so meine Parklücken hier in der Straße, wo ich immer einparke und da ist einfach so ein Muscle Memory drin, dass ich da einfach immer super reinkomme. Aber wenn ich dann mal zum Beispiel in eine Lücke auf der anderen Seite rein muss oder sowas. Ah, horror. Weil einfach so dieses Umdenken im Kopf mit dem Lenken und dem Drehen und dem Rückwärts und so, das geht gar nicht.

SPEAKER_01:

Ich finde es einfach mega interessant. Ich finde es sowas einfach total interessant. Also ich meine, es muss ja alles keinen Namen haben, aber ich finde das so interessant, darüber zu sprechen, wie unterschiedlich die Wahrnehmung sein kann und was für Auswirkungen das hat denn, wie gesagt, also fünf Meter versus 10.000 Meter als ein, das könnte dieser Gegenstand, der so ungefähr 50 Meter von uns entfernt, das könnte 5 oder 10.000 Meter weg sein. Ich habe einfach keinerlei Vorstellung davon, was diese Maße eigentlich bedeuten sollen. Aber ich werfe halt mal mit Zahlen um mich. Eine kleine, eine große Zahl wird schon irgendwo dazwischen sein. Also ich finde es faszinierend. Und ja, es ist einfach interessant. Ich habe jetzt eine letzte Frage für dich, bevor du gleich noch mal was mitgeben kannst. Aber welche Farbe hat denn die Zahl 5? Tatsächlich. Und die sieben. Okay.

SPEAKER_04:

Eins und null sind weiß.

SPEAKER_01:

Ja, interessant. Also du kennst den Namen für das Phänomen, oder?

SPEAKER_04:

Ja, und es ist halt auch so ein Ding, also ich habe auch so verschiedene Tests gemacht, wo es so diese Spektren von Hyperfantasie zu A-Fantasie und so und diese verschiedenen Ausprägungen. Also ich habe halt wirklich extrem visuelles Vorstellungsvermögen. Also wenn wir über Zahlen sprechen, sehe ich die Zahlen vor meinem inneren Auge.

SPEAKER_01:

Und die Farben?

SPEAKER_04:

Dann entsprechend, also jetzt gerade wo du so einzelne Zahlen getriggert hast, habe ich die in einer bestimmten Farbe gesehen. Wenn ich aber irgendwie mir eine Rechnung oder sowas vorstelle oder mehrere Zahlen, dann ist es eher weiß, der Schrift auf schwarzem Grund.

SPEAKER_01:

Ja, super interessant. Also, weil die Frage würden jetzt wahrscheinlich die meisten Menschen einfach gar nicht beantworten und würden sagen, hä, wie? Eine Zahl soll eine Farbe haben. Aber ja, also es gibt einfach Gehirne, bei denen zu bestimmten Emotionen oder eben gerade an Zahlen häufig dann irgendwelche Farben gekoppelt sind und dann wird eine Farbwahrnehmung ausgelöst bei einer bestimmten Zahl. Das nennt sich dann Synesthie und ist eben im neurodivergenten Spektrum einfach auch ein Phänomen, das da ist wirklich interessant. Also du bringst auf jeden Fall einen ganz interessanten Strauß an unterschiedlichen Dingen mit hier. Es ist super interessant, mit dir drüber zu sprechen. Kim, wen möchtest du ermutigen? Nachdem du, ich weiß, du hörst ja auch in meinen Podcast rein, also du kennst auch so meine Zielgruppe und meine Themen. Wem würdest du wirklich ernsthaft ermutigen, sich Unterstützung bei einer EOTB zu suchen? Und mit welchen Themen konkret?

SPEAKER_04:

Also wenn jemand wirklich in seinem Alltag struggled, also wirklich sagt, eigentlich, also ich habe immer gesagt, oder wir sagen immer, wir brauchen keine Kinder und keine Haustiere, weil wir haben ein Kim. Ich bin halt Frau, aber ich bin halt auch Kind und ich bin auch Omi und ich bin auch die Katze. Also im Endeffekt, neurodivergente Menschen brauchen eigentlich in Anführungszeichen einen echten Erwachsenen oder einen Betreuer oder so, mit dem man zusammenwohnt, oder jemand Externes, der dann ab und zu mal kommt und einfach diese Sachen mit einem erledigt. Und wenn man halt sagt, okay, ich bin so jemand, wo ist der echte Erwachsene in meinem Leben und ich kriege es irgendwie nicht geschissen und ADHS-Steu, weil ich Dinge vergesse, weil ich Rechnungen nicht bezahle und Mahnungen habe oder weil ich einfach immer meinen halben Müll einen halben Kühlschrank in den Müll schmeißen muss, weil ich es einfach nicht abgearbeitet kriege, weil ich nicht sehe. Mir wird es helfen, wenn einmal die Woche jemand da reinguckt und mit mir zusammen plant, was könnte man damit noch machen oder mir hilft beim Ausräumen, weil ich mich so ekel oder so. Also einfach jemand, der Unterstützung im Alltag brauchen kann, könnte sich entweder an die IOTB wenden oder tatsächlich auch direkt an diese Bewo-Anbieter. Jemand, der über Pflege nachdenkt. Das kann zum Beispiel sein, ich sage mal, klassisch hochfunktional, in Anführungszeichen, Menschen mit ADHS, Autismus und so weiter werden wahrscheinlich keinen Pflegegrad bekommen. Es gibt aber eine Seite, den Link schicke ich dir auch mal, ich schreibe mir den Link auf. Es gibt eine Seite, die für ADHS einmal diese Pflegegrad-Module aufgeschlüsselt hat. Also quasi einmal alle Fragen aufgeschrieben hat und auch Beispiele dazu und was damit gemeint ist. Dass man sich selber einfach mal einordnen kann, hätte man da eine Chance drauf, oder eben auch gerade Eltern von neurodivergenten Kindern, ob die eventuell eine Pflegestufe einfach für ihre Kinder auch bekommen können.

SPEAKER_01:

Das heißt, man kann sich als Elternteil auch an die EOTB wenden, um zum Beispiel mal über das Thema Pflege gerade beim Kind beraten zu lassen und wie man das. Ja. Dass man auch weiß.

SPEAKER_04:

Auch für die Eltern, die eigenen, also das ist ja auch oft ein Thema, gerade so im mittleren Alter, wenn die Eltern älter werden und da auch das Thema Pflege ein Thema wird, auch da natürlich, also Grund alles, was mit Pflege zu tun hat, was mit Bebo zu tun hat. Wenn man überlegt, ob man aufgrund von einem ganzen Strauß an psychischen und körperlichen Beschwerden einfach sagt, okay, ich versuche es mal mit einem Antrag auf Schwerbehinderung, dann kann man eventuell Schwerbehinderung, vielleicht kriegt man eine Gleichstellung, selbst wenn man jetzt nicht als Schwerbehinderung gilt, dann hat man auch zusätzlichen Kündigungsschutz bei einer Gleichstellung, man hat ein bisschen Steuervorteile. Es kann auch später helfen, wenn man zum Beispiel auch irgendwann Richtung Erwerbsminderung oder sowas gehen muss, weil man einfach so hoch belastet ist, wenn man eben auch diese Schwerbehinderung anerkannt hat. Also so diese ganzen Themen, alles, was mit Teilhabe zu tun hat. Das heißt, wenn man jetzt sagt, hey, ich habe jetzt gerade meine Diagnose bekommen, Autismus, sage ich es mal im Arbeitgeber oder nicht, welche Vor- und Nachteile habe ich, wie kann ich es ansprechen? Also solche Gespräche habe ich auch schon geführt zum Beispiel. Und dann einfach gucken, passt die örtliche EOTB zu mir? Klappt das einfach so persönlich von den Peer-Erfahrungen her, können die mich beraten, können die mich vielleicht allgemein beraten und zu dem, was gerade örtlich da ist. Oder gucke ich sonst einfach, wenn es eben gerade bei mir nichts gibt in Hinsicht auf Neurodivergenz, gucke ich einfach, ob ich mir eine andere EOTB-Stelle raussuche und mich da einfach mal melde per E-Mail oder per Telefon, ob man mal eine Videoberatung, eine telefonische Beratung eine kurzung macht.

SPEAKER_01:

Super. Ja, ich kann mir vorstellen, dass es auch für viele ein niederschwelliges Angebot ist, auch um überhaupt erstmal Kontakt aufzunehmen und eben vielleicht auch Unterstützung zu bekommen, mit der vor Ort EOTB-Stelle Kontakt aufzunehmen, weil auch das ist nicht immer so einfach, wenn man telefonieren muss oder was auch immer tun muss, um da Kontakt überhaupt zu bekommen.

SPEAKER_04:

Also wir versuchen es halt wirklich auch immer in allen Stellen so barrierefrei wie möglich zu machen. Also dass es sowohl, man kann auch einfach vorbeikommen während der Öffnungszeiten, aber dann ist es natürlich so, wenn da gerade ein Termin läuft, dann kriegt man halt einfach, dann vereinbart man einfach einen Termin, dass man dann nochmal zum anderen Zeitpunkt reinkommt oder man hat Glück, dass gerade einfach die Zeit da ist. Oder eben auch telefonisch per Video, per E-Mail. Also es gibt eigentlich so verschiedene Möglichkeiten, an uns ranzukommen, dass es eigentlich für alle Neurotypen möglich sein sollte. Auch Menschen, die jetzt zum Beispiel von zu Hause nicht weg können, dann macht man halt die Videoberatung. Theoretisch gibt es auch aufsuchende Beratungen, aber da muss man einfach auch von den Kapazitäten her gucken, inwieweit das möglich ist. Also für mich wäre zum Beispiel das, einfach rein von dieser autistischen Seite her von mir einfach ein zu hoher Stressfaktor bei jemand anderem zu Hause zu sein, weil fremde Umgebung aber Video umgekehrt oder bei uns in der Stelle wäre super.

SPEAKER_01:

Und umgekehrt ist es, glaube ich, für viele, also nicht glaube ich, weiß ich, ist es für viele, vor allem autistische Menschen, auch eine große Barriere, jemanden ins eigene Zuhause zu lassen. Ja, also beide Seiten können da auch Probleme machen. Manchmal dann tatsächlich einfach besser, sich auf neutralem Boden zu treffen oder halt eben digital. Ja. Super, Kim, ich danke dir sehr. Ich danke dir auch sehr, dass du gesagt hast, wir müssen dieses Thema EOTB mal besprechen, weil du hast total recht. So wie du mir das jetzt beschrieben hast, hatte ich das überhaupt nicht auf dem Schirm. Und ich sehe das wirklich als eine super wichtige Unterstützung für auch Eltern, die auch an ihrer Elterntätigkeit, durch ihre Neurodivergenz, durch ihre psychische Erkrankung jemanden brauchen, der sie einfach mal dabei unterstützt, so Organisationsaufgaben und was auch immer für Aufgaben irgendwie geregelt zu kriegen. Also es ist tatsächlich eine sehr wichtige Arbeit, die du da machst. Und mir war es bisher noch nicht in dem Maße bewusst, wie wichtig das auch für neurodivergente und chronisch kranke Menschen ist, sowas zu haben. Also vielen Dank.

SPEAKER_04:

Ja, sehr gerne. Ich hätte es mir halt, wie gesagt, auch früher gewünscht, dass ich es gekannt hätte. Und deshalb ist es mir halt auch ein Anliegen, das einfach auch rauszutragen, dass es das einfach gibt, weil wir werden bezahlt für unsere Beratungsarbeit und es ist einfach schade, wenn es nicht so viel genutzt wird.

SPEAKER_01:

Ja, absolut. Gut, ich wünsche dir einen wunderschönen Abend und danke dir nochmal. Bis dann. Danke, dass ich da sein könnte.