Kapierfehler - Neurodivergenz und Schule

117 - Ablehnungs - und Kritikdysphorie - Corina

Corina Elfe Season 2 Episode 67

Ich freue mich darüber, deine Erfahrungen mit RSD im Alltag oder in der Schule zu lesen - schreibe gerne ein Kommentar, so dass wir uns darüber austauschen können.

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Liebe Grüße,
deine Corina

SPEAKER_00:

Also, einen wunderschönen guten Morgen wünsche ich euch allen. Ja, einen wunderschönen guten Morgen. Wir sind ja jetzt zusammengekommen, um heute ein bisschen etwas über RSD oder wie wir es auch auf Deutsch sagen, Ablehnungs- und Kritikdysphorie zu sprechen. RSD heißt übersetzt Rejection Sensitive Dysphoria oder Dysphoria. Es ist eine Dysphorie, die sich aufgrund von Kritik ergibt und die mit einem Gefühl der Ablehnung einhergeht. Was hat das Ganze hier in diesem Podcast zu suchen? Es hat hier sehr viel zu suchen, weil es ein Phänomen ist, das vor allem im Zusammenhang mit ADHS, aber auch im Zusammenhang mit Autismus sehr oft beschrieben wird. Es geht darum, dass eine Kritik, egal welcher Art, ein Gefühl auslöst. Und zwar das Gefühl, abgelehnt zu werden, nicht gemocht zu werden. Und jetzt bitte ich euch alle einmal ganz kurz, euch in eine Situation hineinzuversetzen, die ihr alle kennt, wo einfach nur Gefühle einen körperlichen Schmerz auslösen. Zum Beispiel ganz, ganz starker Liebeskummer. Ja, da kennt ihr das. Ihr kennt das, also vielleicht nicht alle zu 100 Prozent. Ich kann mir vorstellen, dass es hier Menschen gibt, die das unterschiedlich intensiv gefühlt haben in ihrer eigenen Zeit. Aber da ist es auch so, dass wir uns so stark abgelehnt und so wenig geliebt fühlen von der Person, die uns entweder gar nicht liebt oder gerade verlassen hat oder uns einen Korb gegeben hat, dass sich das in einem körperlichen Schmerz zeigen kann. Und genau das passiert in einem ADHS-Gehirn, wenn eine Form von Kritik geäußert wird. Es kommt ganz drauf an, glaube ich, und so wird es auch gerne formuliert, wie viel Kritik eine Person in ihrem Leben schon bekommen hat. Aber man weiß ja auch, dass ADH-SlerInnen ganz vorne an der Spitze stehen, was so Kritik angeht, schon alleine in diesen gesamten gesellschaftlichen Diskursen. Überlegt mal, wie oft darüber gesprochen wird, dass doch jetzt jeder ADHS haben möchte und dass ADHS da doch nur ihre Diagnose haben wollen, um eine Ausrede zu haben, um faul sein zu dürfen und sich nicht mehr anstrengen zu müssen. Und ach, kann ich also unzählige Zeitungsartikel alleine aus den letzten zwei Jahren raussuchen mit Überschriften, die eine Form der Kritik an ADH-Slern darässt, dass man wirklich als ADH-Slerin merkt, wow, was soll das? Warum eigentlich? Wir müssen uns hier nochmal versuchen, zurückzuversetzen in ein Kindergehirn, weil wichtig bei einem Kindergehirn ist einfach, dass das Thema Zugehörigkeit ein Grundbedürfnis ist, und zwar eines, das uns das Überleben sichert. Als Kinder sind wir nicht alleine überlebensfähig. Wir sind darauf angewiesen, einer Gruppe zu, also zu einer Gruppe dazuzugehören. Das sichert unser Überleben. Und wenn wir das Gefühl haben, wir gehören nicht dazu und jemand möchte uns da nicht haben, dann ist das lebensbedrohlich. Das heißt, es entstehen automatisch dann auch Überlebenskämpfe, die leider überhaupt nicht rational sind, sondern ganz, ganz viel mit diesen Emotionen zu tun haben. Also Kinder, die sich konstant abgelehnt fühlen, Kinder, die sich konstant nicht zugehörig fühlen, geraten in einen emotionalen Stress, in dem sie leider nicht mehr mit Vernunft oder mit guten Argumenten oder sonst irgendetwas gelenkt werden können, sondern wo sie einfach durch ihre Emotionen gesteuert sind. Und genau deswegen möchte ich heute über RSD sprechen, also über diese Kritikdysphorie, weil sie in der Schule eine sehr, sehr große Rolle spielt. Ich habe von euch ein paar Nachrichten bekommen und ich habe versucht, das Thema Ablehnungs- und Kritikdysphorie in der Story ein bisschen aufzugreifen. Und ich habe gemerkt, ich werde dem Thema nicht gerecht und ich müsste da ein bisschen intensiver drüber sprechen, weil viele Fragen gekommen sind, die tatsächlich ganz viel damit zu tun haben. Und ich würde sagen, dass sehr viele Probleme, die sich so irgendwie mit Verhalten ergeben in der Schule, wenn es also darum geht, dass jemand sich aufmüpfig verhält oder provokativ verhält oder sich nicht anpasst und die ganze Zeit in einer Hypervigilanz ist, also in so einem unkonzentrierten, unfokussierten Zustand, dass wir ganz häufig eigentlich vergessen zu erkennen, dass eine ganz wichtige Grundvoraussetzung für jedes Kind ist, dass es sich zugehörig fühlt, sich sicher fühlt, dass das Nervensystem in einem Zustand ist, in dem Sicherheit als Grundvoraussetzung nötig ist. Und ja, ich lese euch jetzt hier gerade mal eine Nachricht vor, die ich bekommen habe und die ich auch im Rahmen meiner Fragenrunde von Samstag oder Freitag aufgreifen sollte. Also nach langem Überlegen wollte ich mal was fragen. Wir warten seit drei Wochen auf ein Elterngespräch mit unserem Mathelehrer, da wir der Meinung sind, dass er unserem Kind, dass er unser Kind hinten runterfallen lässt. Sie ist vom Charakter nicht einfach, ist schnell impulsiv. Sie selber sagt, sie kommt mit ihm nicht zurecht. Er gibt ihr keine Hilfestellung, wenn sie was nicht versteht. Sie muss ihn wohl schon mehrfach gefragt haben, ob er ihr das Thema nochmal erklären kann. Sie hat es nicht verstanden. Von ihm kommt dann immer nur, musst du ins Buch schauen. Klar, der Ton macht die Musik, aber er weiß auch, dass sie in Mathe das ein oder andere Problem hat. Sie möchte es lernen, aber stößt immer nur auf Abneigung. An der letzten Arbeit hat sie eine Vier geschafft. Anstatt sie dafür zu loben, schrieb er einfach nur, es haben dir nur drei Punkte gefehlt für eine 3. Er weiß auch im Voraus, welche Schüler welche Noten schreiben in den Arbeiten. Hast du eine Idee? Wie kann ich meine Tochter motivieren, wieder im Unterricht Spaß zu haben? Und hier haben wir jetzt mehrere Aspekte, die aufgemacht werden. Der eine Aspekt ist Mathematik, als ein Fach, in dem jemand sowieso schon Schwierigkeiten hat. Das heißt, hier ist ja die Gefahr, sehr groß, sehr viel Kritik zu bekommen. Ein zweites ist, dass jemand vielleicht schnell impulsiv wird und dass diese Impulsivität als eine negative Eigenschaft wahrgenommen wird. Weil nicht verstanden wird, dass das, wenn man verzweifelt ist, wenn man emotional gefordert ist, wenn es einem nicht so gut geht, also wenn wir gerade in so einem Überlebensmodus sind, in dem wir uns gar nicht mehr so richtig selber einfangen können, nicht mehr selber gut regulieren können, in dem also das häufiger vorkommt. Also Impulsivität, dass sich nicht gut regulieren können, emotional oder auch mit den Handlungen, das wird ja immer dann schlimmer, wenn ich in einem gestressten Zustand bin. Und dann haben wir hier eine Person, die offensichtlich auf die Frage, ob sie unterstützen kann, wenig reagiert oder sagt, lies doch selber oder gar nichts sagt. Und dann schafft diese Schülerin vielleicht mal eine Note, die für sie wirklich eine gute Note ist. Und auch hier wird jetzt nicht das mit einer gewissen Anerkennung ausgeteilt, sondern es wird dann ein Kommentar hingeschrieben, das jetzt nicht so gut zuzuordnen ist. Also was soll das heißen mit diesen, die haben noch drei Punkte gefehlt? Soll das heißen, ey, wie geil, guck mal nur noch drei Punkte, dann hättest du sogar eine 3 geschafft? Oder soll das heißen, guck mal, du warst wieder nicht gut genug? Jetzt ist es halt die vier. Blöd, ne? Also mit drei Punkten mehr wärst du eine 3 gewesen. Das weiß man vielleicht nicht. Vielleicht ist dieses Kommentar so oder so gemeint gewesen, aber wenn man halt alles zusammenzählt und wenn man jetzt das RSD mit berücksichtigt, dann haben wir leider das Problem, dass wir diese Schülerin demotivieren. Und wenn ihr das jetzt häufiger passiert, dann wird sie mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit irgendwann gar kein Interesse mehr daran haben, in Mathematik auch nur im Ansatz etwas zu erreichen oder sich in irgendeiner Weise zu engagieren, um dort vielleicht doch noch positiv wahrgenommen zu werden. Und ich gehe jetzt mal ganz kurz drauf ein, was denn das jetzt mit so einem ADHS-Gehirn macht. Also wir haben jetzt zum Beispiel irgendeine kleine Form der Kritik. Die könnte sein, die anderen haben das jetzt inzwischen auch verstanden. Ich kann mir jetzt nicht schon wieder Zeit nehmen, um dir das jetzt nochmal extra zu erklären. Das ist vollkommen egal, dass die Lehrkraft damit vielleicht sagt, ja, ich müsste eigentlich zeitlich weitermachen oder ich kann ja jetzt nicht, weil die anderen alle schon weiter sind oder keine Ahnung. Zwischen den Zeilen kommt die Kritik heraus, die da heißt, du bist am langsamsten, die anderen haben es alle schon gecheckt und du nicht und deswegen musst du jetzt alleine klarkommen. Und diese Kritik, die wird jetzt im Gehirn der Schülerin ein Gefühl erzeugen, nämlich, und das weiß man, dass eben genau das in einem ADHS-Gehirn passiert. Das Gefühl, das jetzt entsteht, heißt Ablehnung. Das Kind hat nicht das Gefühl, die Lehrkraft gibt mir jetzt hier gerade ein neutrales Feedback oder die Lehrkraft, die ist jetzt hier gerade überfordert und ich habe da jetzt gerade keinen Platz, sondern das Gehirn merkt jetzt oder denkt jetzt, diese Lehrkraft mag mich nicht. Und diese Lehrkraft möchte mich auch nicht unterrichten. Diese Lehrkraft möchte eigentlich am liebsten gar nicht, dass ich hier bin. Und ich bin nicht so wichtig wie die anderen. Die anderen sind alle viel wichtiger. Das sind jetzt alles so Themen, die jetzt plötzlich losgetreten werden. Und dann können wir uns wieder dieses Gefühl, dieses Liebeskummergefühl vorstellen. Das ist nicht nur ein Gedanke, der da jetzt kommt und ein schlechter Selbstwert, sondern das tut förmlich weh. Das ist eine Ablehnung, die weh tut. Und darauf reagieren viele Kinder mit einer emotionalen Reaktion. Entweder sind sie eingeschnappt oder vielleicht gehen sie auch in eine Verweigerung, also in so eine Verweigerungshaltung. Oder sie werden tatsächlich wütend, traurig oder gehen, ziehen sich zurück, geben sich auf. Und egal wie, diese starken Emotionen führen dazu, dass das sich selbst regulieren leider eben nochmal ein bisschen schwerer wird und dass sie dann vielleicht im nächsten Schritt nochmal impulsiver reagiert als sowieso schon. Also wenn jemand schon Schwierigkeiten hat mit einer Impulsivität, dann ist es leider so, dass Kritik und das nicht adäquat Reagieren auf eine Anfrage, dass das jetzt diese Impulsivität zum Beispiel verstärken könnte. Und dann haben wir zunehmend ein Problem. Und da gehe ich jetzt tatsächlich nochmal kurz auf die Menschen ein, die nicht so sehr gemocht werden in ihrer Klasse, wo es quasi starke ADHS-Symptome gibt, die irgendwie die ganze Klasse stören und die Lehrkräfte auch, und jeder versucht dann die ganze Zeit die zu unterdrücken und dann werden sie aber immer mehr und immer mehr. Da gab es auch ganz viele Fragen. Da gibt es so einen Junge in der Klasse und egal wie wir versuchen, den einzufangen, es wird immer nur noch schlimmer. Ja, und da kommt jetzt eben das RSD. Es ist eigentlich egal, wie ich die Kritik verpacke, die Kritik, die wird auch zwischen den Zeilen rausgelesen, die wird auch vor allem in Vergleichen herausgelesen. Die Kritik wird in Kollektivstrafen rausgelesen, die Kritik wird rausgelesen, wenn man ignoriert wird, wenn man schlechter behandelt wird, wenn man der Einzige ist, der nicht drangenommen wird oder wenn man der Einzige ist, der keine Idee einbringen darf. Das sind alles so Dinge, über die man das schon merkt, dass man für sein Sein kritisiert wird und anders behandelt wird. Und all das erzeugt das Gefühl von Ablehnung. Und wenn wir dann sauer sind oder uns wundern, dass jemand eher noch mehr Symptome zeigt, dann haben wir das nicht verstanden, um was es geht. Also ein Kind, das von sowohl Lehrkräften als auch MitschülerInnen die ganze Zeit gespiegelt bekommt, dass es nicht in Ordnung ist, so wie es ist. So ein Kind wird sich nicht besser verhalten können, in Anführungsstrichen dieses Besser bitte sehen. Also angepasster verhalten können, wenn wir damit nicht aufhören. Und jetzt kommt ganz oft dieses, ja, aber ich muss das doch sagen, der darf doch nicht machen, was er will. Niemand hat gesagt, er darf machen, was er will. Natürlich darf er nicht machen, was er will. Aber ihr habt ja gemerkt, dass das, was ihr da tut, eben nicht hilft. Ihr habt ja gemerkt, wenn ihr kritisiert, wenn ihr das die ganze Zeit beobachtet, wenn ihr das irgendwie die ganze Zeit versucht, mit irgendwelchen Methoden klein zu kriegen, wenn es immer erwähnt wird, wenn man immer wieder schnauft oder der schon wieder oder keine Ahnung oder auch einfach nur wegläuft. Das Kind merkt das und das hat es ja auch nicht besser gemacht. Es hat es ja immer nur noch schlimmer gemacht. Wie kriegen wir, also die erste Frage wäre vielleicht, warum sollten wir diesen Teufelskreis, der immer schlimmer wird, weil wenn wir emotional unstabiler werden durch zu viel Kritik, dann werden die Symptome auch immer mehr werden und wenn das Umfeld dann immer gleich darauf reagiert, dann wird auch immer mehr Kritik kommen und dann werden die emotionalen Schleifen immer enger und immer schneller und es wird immer schneller und immer heftiger und immer mehr reagiert. Also schon allein deswegen ist es wichtig, aus diesem Teufelskreis ausbrechen zu wollen. Aber das ist nur das Symptom. Das Symptom, das immer schlimmer wird. Was wir als zweites berücksichtigen sollten, ist, was denn langfristig mit dem Kind passiert oder mit dem Jugendlichen. Dieses Kind oder diese Jugendliche wird langfristig mit dem Selbstwert zu kämpfen haben. Und nicht nur ein bisschen, sondern sehr. Das zeigt sich darin, dass eben bis zu 80 Prozent aller ADH-Slerinnen und Autistinnen mit Angststörungen und mit Depressionen zu kämpfen haben. Weil sie einen ganz kleinen Selbstwert haben und weil sie eben nicht lernen, dass sie okay sind, wie sie sind. Das ist ein großes Problem. Das kann dazu führen, dass sich eine Person auch komplett selbst aufgibt. Dass die Person sagt, ist doch gerade egal. Spielt doch sowieso keine Rolle, wie ich mich benehme oder ob ich Freunde habe oder ob ich überhaupt was lerne oder ob ich überhaupt was kann. Und wenn jemand davon überzeugt ist, dass es keine Rolle mehr spielt, dann wird es richtig schwer für das Umfeld, die Person wieder einzufangen. Das kann ich euch mal gleich sagen. Denn dann sind wir irgendwann über einen Punkt hinweg, was das Thema Vertrauen angeht, dass wir über die Pubertät hinweg zum Beispiel dann auch von einer Entfremdung sprechen können. Also dass die jugendliche Person sich überhaupt nicht mehr einfangen lässt, keine Beziehung mehr zulässt zu Erwachsenen, sondern nur noch zu Gleichaltrigen. Und das wird dann richtig schwer. Denn ihr wisst, dass gerade Jugendliche wirklich extrem darauf angewiesen sind, also ADHS-LerInnen extrem darauf angewiesen sind, emotional unterstützt zu werden von Erwachsenen, obwohl sie auch ihre Freiheiten brauchen, genauso wie alle anderen. Aber das darf auf jeden Fall nicht passieren. Und genauso sollte es doch auch nicht passieren, dass nur weil man eben neurodivergent ist, man sich sein Leben lang mit psychischen Erkrankungen rumschlagen muss. Und dann kam gestern, also dann kam auch die Frage, ob man das jetzt mit Medikamenten zum Beispiel in den Griff kriegen kann. Und ich möchte dazu wirklich sagen: Ich finde, genau da haben wir eigentlich das große Problem, nämlich dass es sich mit Medikamenten sich einfangen lässt. Weil das Umfeld nämlich gar nichts an sich ändert. Obwohl das Umfeld für die Symptomatik mindestens genauso verantwortlich ist wie das Kind selbst. Die Verantwortung trägt aber das Kind und tragen die Eltern. Also würde das Umfeld nicht mit so viel Kritik und mit so viel Unverständnis reagieren auf bestimmte Symptome, dann käme es gar nicht so weit, dass es ständig zu diesen harten Störungen kommt. Und das Umfeld ist aber nicht bereit dazu, etwas daran zu ändern. Also muss das Kind jetzt in eine Medikation gehen. Und dann hoffen wir einfach, dass dieses Nehmen der Medikamente funktioniert, dass das Kind das wirklich verträgt, dass es dem Kind damit gut geht und dass dann die gewünschten Symptome, die also weg müssen, damit meine ich gewünschte Symptome, dass die dann durch die Medikation wirklich in den Griff gekriegt werden und dann erst reagiert das Umfeld positiver und dann natürlich wird der Kreislauf auch unterbrochen. Aber jetzt mal ganz ehrlich, dass ADHS-Medikamente Leben retten, dass ADHS-Medikamente die durchschnittliche Lebenszeit von ADHS-Lerinnen deutlich verlängert, dass sie Suizidraten senken, dass sie Komorbiditäten unwahrscheinlicher machen, dass sie dazu führen, dass die Menschen weniger suchtkrank werden. Das sind alles Dinge, die für sich sprechen. Das heißt, eine Medikation ist bei einer ADHS wirklich sinnvoll in Betracht zu ziehen. Und dafür brauchen wir Fachpersonen, die uns wirklich gut beraten und die uns auch bei einem Einschleichen der Medikamente, also bei einer Eingewöhnung, sag mal, wie heißt das denn? Egal, also beim Finden der richtigen Dosierung und so weiter, Eindosierung heißt es wahrscheinlich, dass uns da jemand wirklich professionell zur Seite steht und unterstützt. Das steht komplett losgelöst von diesem Thema, dass jemand Schwierigkeiten hat in der Schule. Weil es geht um die eigene Gesundheit, es geht um die eigene psychische Gesundheit und es geht um die eigene, um den Selbstwert und um das, was aus mir werden kann, wenn ich Medikamente nehme versus wenn ich sie nicht nehme. Aber dass das Umfeld nur bereit dazu ist, jemandem das Gefühl von Zugehörigkeit zu geben, weil sich jemand neurotypischer verhält, das ist ein Unding meines Erachtens. Und ich finde, das darf ein Kind auch nicht lernen. Ich finde, dass ein Kind nicht lernen darf, nur weil ich die Medikamente nehme und nur weil ich unter der Medikation mich anders verhalte, gehöre ich dazu. Versteht ihr, was ich meine? Ich finde, das ist ein entscheidender Unterschied zu dem, wie es eigentlich sein sollte, nämlich dass die Medikamente für mich da sind, weil ich unter der Medikation gesünder aufwachsen darf, mit einem besseren Selbstwert und mit besseren Chancen, alt zu werden. Das ist der Grund, weshalb ich Medikamente nehmen sollte. Weil ich lerne als Kind, wie ich bestimmte Themen in den Griff bekomme. Das ist der Grund, weshalb ich Medikamente nehmen sollte und nicht damit mein Umfeld mich akzeptiert. Aber natürlich funktioniert das. Also na klar kann es genau das unterbrechen. Es kann schon sein, dass ein Kind, das jetzt Medikamente nimmt, plötzlich aufgrund der Medikation ein anderes Verhalten zeigt, dass das Umfeld deswegen weniger kritisch auf das Kind reagiert, weniger Negatives rückmeldet und dass das Kind aus diesem Grund in eine entspanntere Haltung kommt und dann eben insgesamt weniger Symptome auftreten. Ja, natürlich. Ich finde, dass es nicht richtig ist. Ich finde, das Umfeld sollte sich zumindest auch mal anstrengen. Und dann kommen gleich wieder Leute und sagen, ja, aber das Umfeld erträgt das ja auch die ganze Zeit. Halt mal, ertragen ist nicht anstrengend. Sich anstrengen bedeutet, dass man sich wirklich mal damit auseinandersetzt, was eigentlich bei dem Kind jetzt zum Beispiel los ist. Mein Hund meint, er muss jetzt gerade im Bett rum. Warten wir mal, bis er sich gelegt hat. Okay, so. Also es ist nicht sich anstrengen, wenn man erträgt, dass sich jemand schlecht verhält. Und mit dem Schlecht, das Schlecht bitte wieder in Anführungsstrichen setzen. Aus einer neurotypischen Bewertung heraus schlecht verhalten. Das ist nicht sich anstrengend. Sich anstrengen würde heißen, ich möchte, dass dieser Mensch genauso ein Teil der Gruppe ist. Und ich versuche zu schauen, wo denn eigentlich seine individuellen Probleme sind. Und ich versuche ihn dabei so zu unterstützen, dass er gut klarkommt hier und dass er sich hier wohl fühlt und dass es ihm gut geht. Und das ist das, was ein Umfeld tun sollte. Und jetzt gebe ich euch hier noch einen kleinen Hinweis, wie man auch aus diesem Teufelskreis austreten kann. Und zwar treten wir aus mit Anerkennung aus. Weil das ADHS-Gehirn genauso intensiv auf Anerkennung reagiert, wie es auf Kritik reagiert. Und zwar wirklich. Auf Kritik reagiert es ganz intensiv mit diesem Schmerz, den ich vorher schon beschrieben habe, den kann man sich so wie so ein Liebeskummerschmerz vorstellen. Und zwar geht er in Richtung Ablehnung. Diese Person möchte nicht, dass ich da bin. Dieses Umfeld hasst mich. Ich bin zu schlecht für dieses Umfeld. Ich gehöre hier nicht hin. Was habe ich mir eigentlich gedacht, dass ich mir das zutrauue, weil jetzt irgendjemand mir irgendeine Kritik an den Kopf geworfen hat? Okay, darum geht es. Ein ADHS-Gehirn kann mit Euphorie ganz intensiv auf Anerkennung reagieren. Und das ist der Schlüssel, das ist der Weg daraus. Jetzt kommt natürlich wieder, ja, aber wenn sich jemand so verhält, wo kann ich denn dann Anerkennung geben? Ja, also erstens finde ich es traurig, ich finde es wirklich sehr traurig, dass wir nicht lernen, wie wir jemandem Anerkennung entgegenbringen können, unabhängig von seiner Leistung. Das ist leider etwas, was wir sehr wenig lernen. Aber ich gebe euch mal ein paar Tipps mit, wie das geht. Wir müssen ja immer gar nicht sagen, das hast du toll gemacht, das hast du brav gemacht, wir sind ja keine Hunde. Wir können doch auch einfach irgendwelche Themen, die uns in irgendeiner Art und Weise verbinden, als Punkte nehmen, über die wir Anerkennung aussprechen. Also zum Beispiel können wir sagen, wow, mir gefällt deine Frisur, die du heute hast, oder ich liebe dein Mäppchen oder geil, was hast denn du für schöne Stifte? Zeig mal her. Was ist denn das eigentlich für ein cooler Nagellack? Oder was für eine Serie schaust denn du eigentlich gerade an? Was beschäftigt dich eigentlich gerade? Das nennt sich Beziehung. Und über Beziehung, und da überleg doch einfach mal, für was gebt ihr denn Freundinnen, Freunden, guten Bekannten, für was gebt ihr denen denn Anerkennung? Was tun die oder wie auch immer? Ich bin dafür übrigens, dass wir das äußere, also Körper, rausnehmen. Ich finde, eine Frisur ist was anderes, vor allem wenn sie eben sehr individuell ist. Sagen wir, jemand hat buntes Haar oder irgendeine besondere Frisur sich gemacht oder trägt irgendwelches besonderes Make-up oder irgendeinen ganz besonderen Schmuck, das sind Dinge, die kann ich erwähnen. Aber nicht den Körper. Darum geht es nicht. Ich finde, Körper sollten wir rauslassen, weil das einfach ein sehr sensibles Thema ist und auch hier möchte, also ich finde, Körper sollten wir einfach nicht bewerten, weder im Positiven noch im Negativen. Aber wenn jemand zum Beispiel Stifte sammelt oder bestimmte Figürchen dabei hat oder irgendwas mit den Nägeln macht, was interessant ist, bunte Nägel hat oder ja, ganz egal, irgendeinen bestimmten Stil, eine bestimmte Musikrichtung, irgendwas. Das können wir alles zum Anlass nehmen. Und das ist Anerkennung. Das ist Anerkennung, wenn ich sehe, dass da jemand sich ausdrückt, sein Interesse ausdrückt, seine Persönlichkeit ausdrückt über bestimmte Dinge. Das muss ich auch nicht übertreiben. Aber das sind Kleinigkeiten. Und diese Kleinigkeiten, die geben einer Person, die so emotional ausgehungert ist, ein ganz intensives Gefühl von da sieht mich gerade jemand. Mich mit meiner Persönlichkeit, mit meinen Interessen, mit dem, was für mich wichtig ist, werde ich gerade gesehen. Und das erzeugt ein Gefühl von Euphorie. Und diese Euphorie, die kann sich ganz intensiv übertragen, eben auf die Regulationsfähigkeit und damit auch auf eine Kooperationsfähigkeit und dann insgesamt eben in eine positivere Dynamik in der Gruppe. Und deswegen sind diese Methoden, wo wir zum Beispiel Beispiel versuchen wirklich jedem aus der Klasse was Positives auf den Zettel zu schreiben. Diese Methoden, die sind fantastisch. Eben gerade für ADHSlerinnen. Und da sollten wir jetzt halt wirklich als Regel machen, dass man keine körperlichen Dinge und keine leistungsbezogenen Dinge. Ich finde toll, dass du so gut in Mathe bist. Nee, versuch doch mal Charaktereigenschaften oder Interessen oder solche Dinge da drauf zu schreiben. Warme Dusche heißt das Ganze. Das kann man tatsächlich immer mal wieder machen, um auch den Blick zu lenken innerhalb der Klasse für die positiven Eigenschaften einer Person. Weil das passiert viel zu schnell, dass wir in der Schule nur bei den Defiziten sind. Eigentlich lernen wir doch alle in der Schule, was wir nicht können. Aber wir lernen wirklich sehr, sehr wenig darüber, was wir können. Und das ist traurig. Eigentlich sollte Schule ein Ort sein, an dem ich lerne, was ich kann. Und ich glaube, dass sogar diejenigen, die immer gute Noten schreiben, oft überhaupt nicht lernen, was sie besonders gut können, außer halt gute Noten schreiben. Aber warum können die eigentlich gute Noten schreiben? Was können die so gut, dass es ihnen gelingt, gute Noten zu schreiben? Das sind die Dinge, die sollten wir viel, viel mehr lernen in der Schule. Und das würde auch eben gerade unseren neurodivergenten Kindern extrem helfen, wenn wir versuchen würden, diesen Blick mehr auf das zu richten, was eine Person besonders macht, was eine Person besonders gut kann, wo eine Person sich im Besonderen einbringen kann, wo man sie im Besonderen sehen kann als ein Individuum. Und ja, das ist der Weg raus aus diesen Dynamiken. Und ich sage euch, das ist einer der allergrößten Faktoren im Umgang mit ADHS-Neurodivergenten und autistischen SchülerInnen. Weil sie ganz, ganz selten überhaupt positiv wahrgenommen werden. Und zusätzlich eben noch diese krasse Ablehnungs-, also Kritik und Ablehnungsdysphorie haben, also auch noch intensiver auf dieses nicht-positiv wahrgenommen werden reagieren. Und wir uns dadurch ständig in diesem Umfeld falsch fühlen und ständig in diesem Umfeld überfordert sind, ständig in Gefahr und Stress laufen und dadurch eben noch weniger die Fähigkeit haben, Kontrolle über uns selbst und über unser eigenes Handeln zu behalten. Und das ist einfach echt ein Zustand, der ist für niemanden gut. Vor allem nicht für die Person, die ständig in Alarmbereitschaft ist. Das ist überhaupt nicht gut. Das Ganze gilt auch in der Oberstufe. Es gilt auch bei Erwachsenen, bei KollegInnen. Auch da gibt es das. Wie oft suchen wir nach Positiveigenschaften unter KollegInnen? Also wer sich da nochmal kurz reindenken möchte, letzte Woche hatte ich über neurodivergente Lehrkräfte und chronisch-kranke Lehrkräfte gesprochen, wie viel Gutes wir tun könnten, wenn wir unseren Blick mehr auf diese Individualität, Vielfalt und vor allem aber halt auch auf die vielfältigen, besonderen positiven Dinge, die jede Person mitbringt, richten würden, statt immer zu gucken, was jemand nicht geschafft hat und wo jemand anders ist und ob das denn jetzt richtig ist oder falsch. Das würde allen so guttun. Und das würde eben auch dazu führen, dass wir insgesamt eine bessere Stimmung an der Schule hätten und unseren Stress ein bisschen gehen lassen könnten. Also deswegen gilt das Ganze auch in der Oberstufe. Und wenn es um Kollektivstrafen geht, dann merken wir vielleicht, wenn wir jetzt gerade des RSD gehört haben, dass Kollektivstrafen richtig gefährlich sind in puncto RSD, weil sie eben nicht nur auf der Ebene SchülerInnen und Lehrkraft ein Problem erzeugen, das Gefühl von Ablehnung, sondern eben dadurch, dass eine Kollektivstrafe stattgefunden hat, ja auch Einzelne dafür verantwortlich gemacht werden, dass es diese Strafe gegeben hat und damit eben wieder eine Form der Ablehnung aus der Gruppe heraus auf einzelne Individuen aus der Klasse gelenkt wird. Also Kollektivstrafen gehen mal so gar nicht. Und ja, das finde ich insgesamt einfach sehr, sehr wichtig. Also, das heißt, wie komme ich raus aus dem Problem? Das Kind selbst kommt da oft nicht raus. Und Eltern können das auch nur bedingt beeinflussen, weil sie eben das Umfeld nicht wirklich beeinflussen können. Also manchmal funktioniert das, weil sie dann auf eine Lehrkraft treffen, die zuhört und die wirklich ein großes Interesse daran hat, etwas zu verändern. Und dann haben wir wirklich Glück gehabt. Und das ist so das Beste, was passieren kann, weil dann die Lehrkraft aufgrund der Kontaktaufnahme durch die Eltern irgendwie was verändern kann. Aber jetzt haben wir ja gehört bei der Geschichte, die ich vorher vorgelesen habe, dass die Lehrkraft sich innerhalb von zwei Wochen immer noch nicht zurückgemeldet hat, dass die also noch nicht mal auch nur ein Ansatz an Interesse daran hat, mit den Eltern irgendetwas zu besprechen in diese Richtung. Deswegen ist tatsächlich hier das Umfeld Schule gefragt und wir Eltern können eigentlich unsere Kinder immer nur wieder versuchen, heil groß werden zu lassen, mit einem einigermaßen gesunden Selbstwert. Der ist zwar angeknaxt durch die Schule und das hat einen extrem großen Einfluss. Das wissen wir, Schule hat einen wahnsinnig großen Einfluss auf den Selbstwert. Aber wenn wir trotzdem zu Hause unterstützend sind und eben auch den Fokus weg von den Defiziten hin zu dem, was gut funktioniert, richten, dann helfen wir unseren Kindern ganz, ganz arg. Und das würde ich jetzt eben Eltern wirklich mit auf den Weg geben. Versucht wirklich diese Negativspiralen, die in der Schule stattfinden, zumindest zu Hause zu unterbrechen, indem ihr eben nicht die Themen alle nochmal aufwälzt und wieder die Defizite eurer Kinder besprecht und wieder überlegt, wie können wir es das nächste Mal besser machen, sondern stattdessen wirklich hingucken, was funktioniert gut und guck mal, egal was da steht, oder vielleicht framen wir es um und sagen, guck mal, der wollte dir ganz bestimmt sagen, dass nur noch drei Punkte gefehlt haben. Wie cool ist das denn? Du hast es jetzt echt fast geschafft, mit reizuschreiben. Dass wir unseren Kindern beibringen, das Positive zu sehen in der Kritik, das Positive zu sehen in dem, was zu Hause gut funktioniert, in dem, was im Prozess gut funktioniert, sodass sie sich bestärkt fühlen und das besser ertragen können, als wenn sie immer in dieser Schleife hängen. Das ist das, was ich euch ganz gerne mitgeben würde. Und nochmal, unsere Kinder brauchen nicht ständig ein Lob. Das finden die oft unangenehm. Sie brauchen Beziehung und sie wollen gesehen werden für das, was sie sind und was sie individuell macht. Und deswegen gilt es auch zu Hause, so diese speziellen Interessen, die speziellen Begabungen, die speziellen Dinge, die gut laufen, zu benennen und sich darüber zu freuen. Das ist das, um was es geht. Also vielleicht nehmen wir es so, wie es die Tess gesagt hat in der Podcast-Folge vor einiger Zeit. Wir sind eine Goldgräberin und suchen nach den schönen, glitzernden, kleinen, funkelnden, wunderbaren Anteilen in den Menschen. Und die betonen wir, über die bauen wir Beziehungen auf. Und dann läuft der Rest. Ja, ich wünsche euch dabei viel, viel Spaß. Und ich kann euch jetzt schon sagen, die nächste Folge, nächste Woche werde ich über die anderen Eltern sprechen. Da, ja, aber freue ich mich schon drauf. Und das war dann also jetzt noch diese Woche und dann nächste Woche und dann kommen wieder Folgen, in denen ich mich mit Menschen unterhalte. Ja, ich schicke dir ganz, ganz liebe Grüße, wünsche dir eine wunderschöne restliche Woche und ich freue mich, in den Kommentaren von dir zu lesen oder indem du mir eine kleine Nachricht schreibst. Und ja, schön, dass du da bist. Tschüss!