
Dienstags im Koi - der Podcast von kulturmanagement.net
Im Podcast "Dienstags im Koi" bespricht die Redaktion von Kultur Management Network einmal im Monat aktuelle Kulturmanagement-Themen. Julia Jakob, die Chefredakteurin des Magazins, und Kristin Oswald, die Leiterin der Online-Redaktion, teilen darin ihre Gedanken zu Entwicklungen im Kulturbetrieb.
Seit der Pandemie arbeitet das Team von Kultur Management Network vor allem im Homeoffice. Nur der Dienstag ist der feste Bürotag und das bedeutet auch: Wir gehen zum Mittagessen ins Koi7, unser Weimarer Lieblingsrestaurant. Der Name Koi7 geht auf das altgriechische Wort Koine zurück, das gemeinsame Sprache bedeutet. Dazu passend besprechen wir im Koi7, was gerade in der Welt und im Kulturbetrieb passiert. Was läge also näher, als einen Podcast danach zu benennen?
Wie unsere Mittagspausen im Koi7 ist auch der Podcast ein Plausch, hier zwischen Jule und Kristin, hin und wieder begleitet von unserem Chef Dirk Schütz oder anderen Teammitgliedern. In den bisherigen, vor allem textgebundenen Formaten der Redaktion gab es keinen Platz für diese Gespräche. In "Dienstags in Koi" teilen Jule und Kristin ihre jahrelangen Erfahrungen und ihr Wissen über den Kulturbereich, ordnen aktuelle Themen ein und geben Einblicke in ihren Redaktionsalltag. Zudem veröffentlichen wir im Podcast Interviews, die die Redaktionsdamen mit Kulturschaffenden führen. Damit ist "Dienstags im Koi" einer der wenigen redaktionellen, spartenübergreifenden Kulturmanagement-Podcasts.
Unser Podcast “Dienstags im Koi” und die redaktionellen Inhalte auf unserer Website sind für unsere Hörer*innen und User*innen kostenlos. Dennoch braucht all das viel Liebe und Zeit. Deshalb freuen wir uns über jede finanzielle Unterstützung. Dafür habt ihr zwei Möglichkeiten:
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Ein Podcast der KM Kulturmanagement Network GmbH.
Dienstags im Koi - der Podcast von kulturmanagement.net
Folge 20: Tagungsfrühling
In Folge 20 von Dienstags im Koi plaudern Kristin Oswald, Philipp Krechlak und Dirk Schütz über ihren prall gefüllten „Tagungsfrühling“: Von Orchestertag bis Museumsbund, von Inthega bis Classical:Next. Was hat inspiriert, was gestört, und wo gab es die besten Pausen? Zwischen Transformation, Demokratisierung und Community Arts geht es um kluge Formate, hitzige Debatten und überraschende Begegnungen. Wer braucht eigentlich noch Podien, wenn es Kneipenquiz gibt?
Rückblick Jahrestagung Deutscher Museumsbund 2025: https://www.kulturmanagement.net/Themen/Rueckblick-Jahrestagung-Deutscher-Museumsbund-2025-Wann-wird-s-mal-wieder-richtig-Demokratie,4776
Rückblick Tagung Community Arts am Theater 2025: https://www.kulturmanagement.net/Themen/Rueckblick-Community-Arts-am-Theater-Wie-partizipative-Praxis-Kulturarbeit-veraendern-kann,4775
Deutscher Orchestertag: https://www.deutscher-orchestertag.de/dot-2025/willkommen
Relevanzmonitor Kultur: https://liz-mohn-stiftung.de/projekt/relevanzmonitor-kultur/
Jahrestagung Deutscher Museumsbund: https://www.museumsbund.de/programm-jahrestagung-2025/
Connected Audience Conference: https://www.iktf.berlin/tagungen/connected-audience-2025/
Inthega Kongress: https://www.inthega.de/inthega-kongress-2025/
London Transport Museum: https://www.ltmuseum.co.uk/
Classical:Next: https://classicalnext.com/
Community Music Konferenz: https://www.konzerthaus-dortmund.de/de/landingpage/community-music-konferenz-2025
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Folge 20: Tagungsfrühling
[Kristin Oswald]
Herzlich willkommen, liebe Hörende, zu dieser 20. Folge unseres Plauschs von Dienstags im Koi, dem Podcast von Kulturmanagement.net. Mein Name ist Kristin Oswald und ich freue mich sehr, heute wieder mit Philipp Krechlak und Dirk Schütz zusammensitzen zu können. Es ist Juli und passend zum Wetter draußen sprechen wir heute über den Tagungsfrühling, denn natürlich waren wir in unserer Redaktion auch in diesem ersten Halbjahr wieder auf sehr vielen Tagungen, auch wenn Dirk mich gerade schon dahingehend korrigierte, dass zumindest die Intega-Tagung ja gar nicht im Frühjahr stattfand.
[Dirk Schütz]
Im Sommer und war es schon extrem heiß.
[Kristin Oswald]
Es war der heißeste Tag.
[Dirk Schütz]
Ja, unfassbar.
[Kristin Oswald]
Und in diesem Jahr haben wir nicht nur die Freude, dass Philipp unsere Redaktion unterstützt, sondern dass wir mit Philipp auch einen Tagungsorganisator unter uns haben und damit im Vergleich zu unseren anderen Tagungsfolgen heute auch nochmal anders über organisatorische Fragen, Formatfragen und so weitersprechen können. Und damit steigen wir auch gleich ein, denn Philipp organisiert den Deutschen Orchestertag, auf dem Dirk auch zu Gast war. Was war denn das Thema in diesem Jahr?
[Philipp Krechlak]
Das Thema in diesem Jahr war, also hallo zusammen erstmal, das Thema in diesem Jahr war „Klasse Klassik, Orchester für alle?“. Und ich würde sagen, unter diesem wortspielerischen Titel haben wir uns über die verschiedenen Spielarten und über die verschiedenen Felder, auf denen Transformation stattfinden kann oder Transformation stattfinden sollte, von Orchestern, aber auch von Musiktheatern, von Opernhäusern angeregt, ausgetauscht. Wir haben zum Thema Transformation in der Digitalisierung, Transformation in Richtung nachhaltiger, also ökologisch nachhaltiger Betrieb diskutiert. Wir haben darüber gesprochen, wie verschiedene Institutionen, Orchestern und Ensembles eben miteinander kooperieren und Synergien erzeugen können, statt einfach nur, wenn es um Sparzwänge geht, wenn es um von außen aufgepfropften Anforderungen des Sparens geht, nicht nur quasi im eigenen Silo zu denken, sondern auch gemeinsam. Das ist so ganz grob die Zusammenfassung des Deutschen Orchestertags aus meiner Sicht. Wenn man Organisator einer Konferenz ist, dann kriegt man meist nicht ganz so viel mit, was auf der Konferenz selbst passiert, weswegen ich auch dankbar bin, dass ich bei der Konferenz auch einfach ganz viel mit den Referent*innen zusammen die Sessions, die Keynotes im 1 zu 1 als Sparing Partner wochen- oder monatelang vorbereite und da ziehe ich im Prinzip schon sehr viel für mich raus und kriege dann aber gar nicht so ganz mit, wie es dann auf der Konferenz selber ankommt und was da die Ergebnisse sind. Vielleicht kann da auch Dirk ein bisschen berichten, was deine Erkenntnisse, deine Erfahrungen oder welche Sessions du besucht hast, gewesen sind.
[Dirk Schütz]
Ja, kann ich machen. Also generell kann ich ja schon mal sagen, gar nicht mal nur weil Philipp jetzt bei uns gerade mitarbeitet, sondern ich bin immer gerne auf dem Orchestertag, weil das Programm wirklich, was ich immer schätze, eine rote Linie hat. Das thematisch geht das wirklich über die Tage so gut durch, dass man sich gut orientieren kann. Das baut aufeinander auf. Dann trifft man natürlich sehr viele Leute auch aus ganz unterschiedlichen Bereichen im Orchester, sind sowohl wirklich Top-Führungskräfte dabei als auch Verantwortliche aus Abteilungen oder Bereichen, zum Teil auch Mitarbeitende, die sich mal informieren oder reinschnuppern wollen. Also wirklich breites, spannendes Publikum, mit dem man dann ins Gespräch kommen kann, plus dann auch noch die Einblicke, die man in die einzelnen Aufgabenbereiche, Herausforderungen von Orchestern bekommt und gleichzeitig auch mal sieht, was gibt es auch immer wieder für Dienstleisterinnen und Dienstleister für den Orchesterbereich, die auch immer auf der Tagung sind. Also es ist wirklich ein buntes, breites Programm, wo man ziemlich viel Input ziehen kann.
[Kristin Oswald]
Und wie steht es denn nun um die Transformation, Philipp?
[Philipp Krechlak]
Naja, sie ist im Gange. Sie passiert an den einen oder anderen Orten. Das merken wir auch daran, wenn wir immer auf der Suche nach Praxisbeispielen sind. Also ich glaube, das ist was, was zumindest für unsere Zielgruppe, aber da könnt ihr natürlich auch gerne von euren Zielgruppen später von den Konferenzen berichten, enorm wichtig ist, dass Leute aus der Praxis, ich sage mal Peers, erzählen, was denn so gerade passiert oder passieren sollte. Das hat noch mal viel mehr Wirkmacht. Dann wird es viel ernster genommen von den Leuten, die auf die Konferenz gehen, wenn das die eigenen Leute erzählen.
Und deswegen kann ich, glaube ich, auch gut meine Frage, die ich eigentlich direkt stellen wollte, anschließen, weil ich eigentlich so ein bisschen aus dem Werbeblock Deutscher Orchester rausgehen wollte. Und zwar haben wir ja unsere Konferenz begonnen mit einer Keynote von Professor Ayad Al-Ani, einem Transformationsforscher, der sich insbesondere aufs Digitale fokussiert hat, der, ich sage mal, Kultur interessiert, kulturnah ist, aber von seinen Gedanken her schon ziemlich abstrakt und ziemlich grundsätzlich auf die Gesellschaft abzielt. Und ich sage mal, nicht nur eine Ecke weiterspinnen kann, sondern auch zwei oder drei. Also auch ein bisschen Zukunft zu denken im Sinne von einer Überforderung. Und ich habe jetzt auch gerade schon gesagt, dass so die Erwartungshaltung, die ich so ein bisschen fühle bei meinen Leuten, die zu meiner Konferenz kommen, ist, okay, ich möchte was Handfestes mit nach Hause nehmen. Ich brauche die Dinge A, B, C, die ich dann direkt am nächsten Tag in meinem Büro umsetzen kann und diese grundsätzlichen Dinge, vor allem von jemandem, der nicht den Stallgeruch hat, dass die, ich sage mal so, sehr kontrovers aufgenommen werden.
Oder was ist da dein Eindruck gewesen von der Keynote von Professor Al-Ani und falls du auch in der Session gewesen bist zu Kultur, Neubauten, zu Smart City in der Session?
[Dirk Schütz]
Ja, war ich, also für mich sind solche Inputs immer interessant, weil ich mich halt auch gerne mit solchen Themen beschäftige. Er hat halt wirklich einen sehr weitgehenden Vortrag gehalten, was Transformation der Gesellschaft bedeuten kann mit dem Digitalen. Bis hin, dass tatsächlich auch die Frage sich stellt, ob es noch Staaten gibt oder ob es andere Staatenkonstruktionen gibt. Also, ob die Staatenkonstruktionen, die wir jetzt haben, die Nationen sich nicht auflösen und sich neu ordnen, um zum Beispiel solche Oligarchie unternehmen. Also, dass jetzt beispielsweise die Firma Meta oder die Firmen Konstrukte von Elon Musk oder Peter Thiel nicht die neuen Staaten werden, die dann ihre Einwohnerinnen und Einwohner haben, die sich online dem Ganzen zuordnen. Bis hin, dass man sogar auch oder er auch darüber berichtet hat, – das kam so ein bisschen auch stärker aus der Architektur heraus – welche Gedanken sich Menschen dazu machen, wie sich Gemeinschaft in Zukunft konstituieren wird. Also, sowohl physisch als auch im digitalen Raum und wie stark sich das verändern kann. Und das durch diese Digitalisierung und die Schaffung neuer Produktionsmittel und auch der Übergabe von Verantwortung quasi auf KI zum Beispiel Menschen in Zukunft wohl immer stärker in die Lage kommen könnten, Aufgaben abgenommen zu bekommen, die sie eben sonst in so einer Gemeinschaft untereinander haben müssen und damit eigentlich auch in eine Situation kommen könnten, wo sie wieder viel unabhängiger von einer Gesellschaft wie der heutigen werden könnten und dadurch regionalere, kleinere Gemeinschaften bilden könnten, die autark für sich auch leben könnten. Bis hin, dass sich dann eben sogar solche Gemeinschaften über das Internet gemeinsam finden könnten und dann so eine Art quasi Staaten gründen könnten. Und dass es jetzt schon Entwicklungen gibt, wo gerade Auswandererländer versuchen, ihre Bürgerinnen und Bürger digital stärker bei der Ansicht zu binden, weil die das Land verlassen haben, irgendwo in der Welt leben, aber als Staatsbürgerinnen und -bürger immer noch interessant sind oder noch ans Land gebunden sein sollen und man da eben Lösungen findet, wie man die weiter auch als Teil der Gesellschaft einer bestimmten Nation halten möchte.
Das klingt sehr abstrakt, aber was ich daran interessant fand, war eigentlich, dass man darüber nachdenken kann: Was sind denn eigentlich Ankerpunkte in der Gesellschaft der Zukunft und wie kann denn dann Kultur und Kunst darauf in Zukunft reagieren? Und es gibt ja auch spannende künstlerische Arbeiten zu solchen Themen. Einerseits, was KI und die Entwicklung, die Transformation mit KI betrifft. Andererseits, wie man solche bestimmten Konstruktionen, Gedankenwelten oder auch Institutionen infrage stellen kann und verändern kann. Und letztendlich für Kulturanrichtungen oder in dem Fall von Orchestern heißt es eben auch, wie wird sich denn unser Publikum zum Beispiel ändern? Wie wird sich unser Zuspruch aus Geldgebern, Verantwortlichen, beispielsweise einer Kommune verändern in Zukunft? Oder wer wird auch Einfluss nehmen darauf, wie Kultur in Zukunft finanziert wird? Wer das noch konsumiert oder nicht? Und wen man erreicht oder nicht? Und das sind, glaube ich, Fragen, die zwar mit einer großen Fallhöhe irgendwo da diskutiert und andiskutiert wurden, aber die doch ziemlich gut zum Nachdenken anregen und von denen man dann auch sehr viel herunterbrechen kann, wenn man das möchte. Klar ist für viele im Orchesteralltag sind für viele andere Themen irgendwie interessant. Oder die wollen sich eben über andere Dinge austauschen. Aber diese Entwicklungen gehen ja nicht an den Einrichtungen und an den Orchestern vorbei. Also man sollte sie schon im Blick haben und schon erst recht, wenn es darum geht, argumentativ auch mit den Entscheiderinnen und Entscheidern der Zukunft auch auf Augenhöhe noch weiter reden zu können. Denn die beschäftigen sich auf jeden Fall mit solchen Dingen.
Und da gibt es alle möglichen Entwicklungen, die eben auch Einfluss auf Gesellschaften haben. Und wenn wir gerade sehen, die Diskussionen um Oligarchien, um den Einfluss von sehr mächtigen, reichen Menschen, die auch eigene Vorstellungen von Gesellschaftsmodellen haben, die eben nicht gerade nah an demokratischen Vorstellungen sind, dann hat das sehr, sehr viel Impact für Entwicklungen, die auch auf Orchester durchschlagen können und über die man nachdenken soll.
[Philipp Krechlak]
Das hast du für meinen Geschmack viel zu reflektiert und viel zu gut erinnert von diesem Vortrag und von dieser Session, die berichtet, die jetzt ja schon drei Monate her ist. Ich möchte dazu ergänzen, dass ich glaube ich immer wieder, also insbesondere jetzt auch Herrn Al-Ani, bewusst eingeladen habe in dem Wissen, dass er eine sehr hohe Flughöhe hat und dass er auch von manchen als Störfaktor wahrgenommen wird. Ich wollte ihn nicht einfach als Provokateur um der Provokation willen einladen, aber es ist schon auch wichtig zu denken: Was gebe ich meinen Konferenzteilnehmenden mit, was sie jetzt vielleicht nicht dann direkt morgen oder nächste Woche umsetzen können? Sondern im Prinzip sitzen ja in meinem Konferenzpublikum ja vielleicht auch dann die Entscheider in fünf oder in zehn Jahren und dass man auch denen im Prinzip so ein bisschen Gedanken für den Hinterkopf mitgibt. Das ist so ein bisschen so der Wunsch, dass irgendwie ein bisschen was hängen bleibt, auch wenn es aufs Erste erst mal relativ negativ oder sehr kontrovers aufgenommen wird.
[Dirk Schütz]
Und das nehme ich nicht so wahr, also dass es negativ ist, aber alle anderen nehmen es so wahr und ich nehme es aber nicht so wahr, weil etwas Entscheidendes dort nicht passiert. Und das ist mir wieder aufgefallen. Es gab tatsächlich dann in der Session, wo es um die Smart Cities ging, einen Disput mit Prof. Al-Ani und dem Publikum, aber den gab es deswegen, weil er, der sich ja auch sehr stark so positioniert, dass er versucht, Wissenschaft auch zu vermitteln, also im Sinne von Wissenschaftskommunikation, dann doch nicht so sehr aufs Publikum zubewegt hat und umgekehrt das Publikum auch überhaupt nicht verstanden hat, was sein Punkt war. Ich weiß nicht mehr genau, woran sich dieser Disput festgemacht hat, aber es war so, dass beide Seiten nicht aufeinander zukamen, weil beide Seiten nicht bereit waren, sich in die Gedankenwelt und Situation des anderen hineinzubewegen oder nochmal nachzufragen, sondern dann sind ganz schnell zwei Fronten entstanden. Er ist natürlich auch so ein smarter, manche würden sagen vielleicht auch arroganter Typ, der dann das auch ein bisschen weggelächelt hat und das hat natürlich einige im Publikum auch nochmal motiviert, noch ein bisschen aggressiver zu werden. Aber das ist eben nicht aufgelöst worden, weil beide Seiten gar nicht in den Dialog gekommen sind.
Und da sind wir bei etwas ganz Entscheidendem, was mir immer wieder bei den Tagungen auffällt: Die Möglichkeiten, inhaltlich gemeinsam in den Dialog zu treten, die fehlen ganz oft bei Tagungen und denen müsste man mehr Raum geben. Ihr versucht natürlich ein sehr breites Angebot inhaltlicher Art zu haben, man kann da ja auch auswählen, man hat verschiedene Angebote gleichzeitig, manche sind auch sogar, das fand ich sehr gut, wiederholt worden für diejenigen, die vielleicht das eine verpasst haben und sich dann für was anderes entscheiden wollten, konnten das dann aber trotzdem noch erleben. Das fand ich super. Aber die Pausen heben diesen Bedarf an Dialog nicht auf, weil du dann raus bist aus dem inhaltlichen Input, sofort das mit anderen Dingen vermengst und inhaltlich nicht dranbleibst. Also ich will sagen, ich fände es gut, wenn man vielleicht ein, zwei Formate hätte, wo man einen inhaltlichen Input direkt in ein dialogisches Format bringt. Damit meine ich aber nicht Podiumsdiskussion, sondern wo das Publikum direkt dialogisch mit eingebunden wird. Das funktioniert mit Moderation nur sehr schwer. Es gibt verschiedene Modelle, die man dann nehmen kann, aber das fände ich immer spannend und interessant.
Was ich auch noch gut erinnere, war für mich – ich war ja nicht nur Zuhörender, sondern auch Beitragender; am Samstag hatte ich auch eine kleine Aufgabe: bei der Thinkstage haben wir gemeinsam diskutiert. Es gab drei kurze Inputs und ich konnte unseren Stellenmarkt und die Angeboten vorstellen, die wir für Arbeitgebende oder für Orchester in dem Fall, anbieten, bis hin, dass man bei uns auch inhaltlich thematische Dinge bearbeiten lassen kann, zum Beispiel auch über unsere Themenbörse für Abschlussarbeiten. Und auch da hatten wir eine ganz interessante Diskussion, weil ihr vom Orchestertag ja auch mit einem studentischen Team aus Hamburg darüber nachdenkt, wie ihr da Dinge weiterentwickeln könnt. Und da gab es ganz fruchtbare Diskussionen, gerade wenn es um Mentoring ging, das war eines der Themen, und da habe ich ja selber auch Erfahrungen mit gemacht und habe das auch mitgeben können, was, glaube ich, für die Studierenden ganz interessant war.
Und dann am Sonntag, an dem Hauptveranstaltungstag, jetzt von den inhaltlichen Inputs, fand ich zum Beispiel sehr interessant den Vortrag zum Relevanzmonitor Kultur. Da habe ich mich innerlich ein bisschen aufgeregt, weil der tatsächlich einem als Rezipienten recht tendenziös vorkommen kann. Da wurde dann vorgestellt, was so die Ergebnisse sind, und irgendwie waren dann alle beruhigt, weil halt so hohe Zahlen und Zuspruchs Zahlen dort herauszulesen sind. Aber die große Kritik von mir – die ist ganz leicht auch vom Publikum gekommen, aber man konnte da nicht stärker einsteigen – war, dass der Kulturbegriff eigentlich in der Befragung sehr breit war, was dazu führt, dass Branchenvertretungen, sowohl vom Orchesterbereich als vielleicht auch vom Bühnenbereich oder Museumsbereich, dann da herauslesen und argumentieren können, dass es so einen extrem hohen Zuspruch für Kultureinrichtungen gibt, der da gar nicht drin steht. Denn die Leute, die dort geantwortet haben, haben einen sehr breiten Kulturbegriff für sich beansprucht und auch vermittelt. Und das kann nämlich vom Clubbereich, Festivals bis zum soziokulturellen Event, was auch immer sein. Aber in der Befragung, das was institutionell ist, wird verengt auf die großen typischen Institutionen. Damit wird die breite Zustimmung zu Kultur oder die breite Definition von Kultur und Nutzung von Kultur fälschlicherweise komplett auf die Institutionen übertragen, was nicht stimmt. Ich glaube schon, dass der Kulturbegriff sich dahingehend auch gewandelt hat, dass viele Nutzende auch außerinstitutionelle Angebote stärker im Blick haben und Nutzen und für sich mit Kultur in Verbindung bringen. Und da auch ein Defizit rauslesbar ist für die Institutionen, die es nicht schaffen, bestimmte Bevölkerungsteile per se sowieso nicht anzusprechen. Das kennt man aus großen Publikumsforschungen, dass es eben doch immer nur der kleine Teil der Gesellschaft ist, der dann wirklich hardcore nutzend ist. Aber all diese Outreach, Publikumsentwicklungsprogramme und so weiter, die bringen eigentlich relativ wenig, um neue Nutzende irgendwie heranzuziehen. Das liegt aber auch daran, dass man nicht darauf eingeht, was tatsächlich als Kultur begriffen wird von diesen Menschen und ob man da nicht anschlussfähiger werden kann oder dort auch Angebote machen kann. Bis dahin, dass es darum geht, auch raus aus den Institutionen hin zu den Menschen zu gehen und in deren Umfeld die erstmal wieder an sowas heranzubringen. Und vielleicht, gerade wenn es bei einer Kommune ist, auch in Stadtteile zu gehen oder außerhalb der Stadt zu gehen oder in die ländlichen Räume, um da Leuten zu begegnen, die das dann schon dankbar annehmen, aber die nicht unbedingt jetzt das perfekte, top-designte Konzertangebot haben wollen, sondern vielleicht ein bisschen mainstreamigeren Zugang haben möchten, was aber nicht schlecht ist.
Und das ist eben in dieser Studie, das habe ich jetzt wieder so lange ausgeholt, das ist in der Studie für mich wirklich ein Fehler, dass man dann anfängt zu diskutieren, dass es immer noch 75 Prozent der Bevölkerung sagt, ja, wir brauchen diese Kulturinstitution. Nein, das stimmt so nicht. Und da muss man sich wirklich Gedanken machen, und da macht man es sich natürlich von den Branchenverbänden, in der PR-Arbeit ist das nachvollziehbar, aber es hilft denen halt auch nicht, weil die öffentliche Diskussion und auch die nicht-öffentliche Diskussion einfach in eine andere Richtung geht, und da muss man dabei sein, darauf eingehen, da muss man sich anders positionieren, neue Wege finden, um da einfach auf der Höhe der Zeit zu sein.
[Philipp Krechlak]
Du hast jetzt irre viele anknüpfungswerte Gedanken da jetzt reingepackt. Einer, wo sowohl Kristins als auch meine Hand sofort nach oben gegangen sind, ist die richtige Balance bei Konferenzen, bei Tagungen zu finden zwischen Inputs, also dem, was vorgefertigt und vorgeplant ist, was ja eigentlich auch meine Aufgabe ist, aber auch Freiraum zu geben, dass die Leute in einem moderierten oder strukturierten Prozess auch interaktiv ihre Erfahrungen mit einbringen können. Ich hatte ja mal in einer Feedback-Runde vor zwei Jahren – und das trifft einen dann als jemand, der sehr begeistert nach Inhalten Ausschau hält und eben Leute, Themen, Referent*innen sucht, dann so ein bisschen hart, aber ich versuche es mit Humor zu verarbeiten – da hatten wir das Feedback in einer mündlichen, ich sag mal, Fokusgruppenrunde, wo jemand gesagt hat, ja, das Wichtigste am Deutschen Orchestertag sind die Pausen. Also dieser kollegiale Austausch, das Up-to-date halten und dieses auch nochmal weiter diskutieren. Und da frage ich jetzt auch dich, Kristin, wie das bei den Museumstagungen, auf denen du so bist, schwingt auch so ein bisschen dieses mit, die Leute wollen reden, lass sie reden, gib das Vertrauen, dass da vernünftige, konstruktive Sachen bei rumkommen. Und vielleicht auch wieder als mich als Konferenzorganisator gesprochen, lass ein bisschen mehr los.
[Kristin Oswald]
Ja, und das ist natürlich total schwer. Ich meine, ich habe selber schon Konferenzen organisiert und man begeistert sich für das Thema, man will irgendwie super viel abbilden. Das ist ganz klar und ich glaube schon, dass es auch dankbar aufgenommen wird. Also gerade das, was du am Anfang gesagt hast, Philipp, mit die Leute brauchen auch die Beispiele. Das ist ja was, was wir in der redaktionellen Arbeit auch immer sehen. Wenn ich immer nur auf der theoretischen Ebene über Kulturmanagement und was muss sich verändern spreche, dann hilft das zum einen nur bedingt, weil man gar nicht versteht, wie man es dann spezifisch machen kann. Und man kann es halt auch leicht abtun. Also das ist immer mein Eindruck, wenn jemand so einen theoretischen Vortrag hält und sagt, die Mindsets müssen sich ändern und die Strukturen müssen agiler werden. Und dann kommen die Leute und sagen, ja, geht bei uns halt nicht. Wenn du aber ein praktisches Beispiel hast, an dem du zeigen kannst, doch, es geht, dann hilft es, diejenigen zu überzeugen, die vielleicht eher kritisch sind oder die denken, es geht nicht. Es hilft als Inspiration, als Anstoß. Deswegen versuchen wir das in der Redaktion sehr stark immer, auch praktische Beispiele zu finden und nicht Sachen nur zu theoretisieren. Und ich glaube, praktische Beispiele auf Tagungen sind ja auch der Aufhänger für die Gespräche, die folgen. Das Problem ist ein bisschen, dass die Gespräche, die folgen, sehr, wie soll ich sagen, unmoderiert und unkonzentriert folgen, was ja okay ist. Ich gehe in die Kaffeepause, ich sehe Leute, die sehe ich halt nur einmal im Jahr, die mag ich gerne. Ich möchte mich mit denen unterhalten, vielleicht auch über halbprivate Sachen unterhalten, was ja auch okay ist. Man kann ja schlecht sagen, wir sind ja auf einer Tagung, redet auf keinen Fall über eure Kinder. Aber ich habe das Gefühl, dass der konzertierte Raum für das Gespräch zum Tagungsthema manchmal ein bisschen fehlt.
Beim Museumsbund definitiv auch. Dieses Jahr Museumsbundtagung passend zum Thema in Chemnitz – doppelt passend, weil Chemnitz ja nicht nur Kulturhauptstadt ist, sondern auch eine der AfD-Hauptstädte in diesem Land. Und das Thema war Museen und Demokratie. Genau genommen war der Titel Museen stärken Demokratie. Aber in Anschluss an das, was Dirk gesagt hat, ob man das beweisen kann, ist doch mal eine ganz andere Frage. Riesengroße Tagung. Es waren dieses Jahr vor Ort und online zusammen 1.000 Teilnehmende. Also total relevantes Thema, gerade für die kleinen Museen. Wir können auch noch mal darüber reden, wie das im Orchester- und Theaterbereich ist. Aber im Museumsbereich ist Thema Angriffe von der AfD ein Riesending. Gerade in den kleinen, regionalen, kommunalen Museen, wo du 30% AfD-Anteil im Kommunalrat hast. Und die dann halt wirklich kommen und sagen, was weiß ich, wir setzen hier die Direktorin ab, weil sie uns nicht passt – ist schon passiert. Wir streichen euch die Fördermittel für eure Jugenddemokratieprogramme. Viele Museen sind ja Vereine, also zweifeln wir an, ob das, was ihr macht, wirklich gemeinnützig ist. Das passiert im Museumsbereich sehr oft, was damit zu tun hat: Wir reden über 7000 Museen in Deutschland. Im Vergleich zu, ich weiß nicht, ein paar hundert Theatern und weniger Orchestern. Es ist einfach eine Riesenmasse an Institutionen. Von daher ist es kein Wunder. Aber es ist also offensichtlich ein Thema, was irgendwie die Museumsleute bewegt.
Die Museumstagungen vor Ort sind immer voll. Das heißt, die in einen konzentrierten Austausch zu kriegen, ist halt schon schwierig. Also kriegt ihr irgendwie 800 Leute dazu, dass sie fokussiert über ein bestimmtes Thema reden. Dennoch empfinde ich es bei den Museumsbundtagen so, und ich war ja in den letzten 15 Jahren auf fast allen, es gibt einen unheimlich großen Austauschbedarf. Und die sind sehr diskussionsfreudig. Also da ist es oft so, dass nach den Podien, und ich mag eigentlich die Podien beim Museumsbund, aber danach wird es eben immer für das Publikum geöffnet. Und dann stehen oft aus dem Publikum wirklich die auf, die fundierte und fundamentale Kritik auch äußern.
[Philipp Krechlak]
Ja, kann ich dir sagen warum. Mir fällt ganz oft, dass auf den Podien die Betroffenen nicht sitzen.
[Kristin Oswald]
Genau, und das war in diesem Jahr auch ein ganz großes Thema. Zum einen war es so, dass dann, also es gab mehrere Themen, die innerhalb des Oberthemas abgehandelt wurden. Das eine waren eben Angriffe auf Museen, also antidemokratische Angriffe auf Museen. Das zweite war die Frage, was können Museen tun, im Sinne der Demokratie, Vermittlung in ihrer inhaltlichen Arbeit. Und das dritte war Demokratisierung von Arbeitsstrukturen in Museen. Und gerade dieses dritte Panel, das war also, es war total spannend.
Zum einen muss man sagen, der Museumsbund bemüht sich wirklich seit vielen Jahren, immer wieder neue Formate in diese Konferenzen einzubringen. Also die haben eine hauptamtliche Geschäftsstelle, aber einen ehrenamtlichen Vorstand und dann die verschiedenen Arbeitsgruppen und Arbeitskreise. Und die sind wirklich unheimlich bemüht und das ist auch gut. Also es gibt jetzt immer dieses Fish-Bowl-Format, was ich zum Beispiel total mag. Einfach, ich habe ein Podium und dann öffne ich das Podium und jede*r aus dem Publikum, der*die teilnehmen möchte an der Diskussion, geht aufs Podium, setzt sich auf den freien Platz und wird Teil. Das finde ich sehr schön, das funktioniert auch gut. Und dann haben die jetzt auch immer so Formate, wo die Gruppendiskussionen oder Workshops machen und sagen, okay, wir wollen uns jetzt hier zum Beispiel mit der Frage beschäftigen, wie könnt ihr euch auf Angriffe vorbereiten. Und dann machst du das eben in Gruppe. Und gleichzeitig merkt man aber auch, dass dieses, also was du gesagt hast, zum einen auf dem Podium sitzen oft Museumsleitungen oder auch Vertreter aus der Kulturpolitik. Also dieses Jahr war es durchaus auch Kulturpolitik, aber große Häuser. Wenn ich aber über Demokratie und Angriffe rede, dann brauche ich die kleinen Häuser. Und wenn ich über Demokratisierung von Strukturen rede, dann brauche ich eben nicht die Leitungsebene, sondern die Mitarbeitenden.
Dahingehend war es total spannend. Es gab das erste Mal ein Nachwuchsforum. Das heißt, es gab vorher einen Call an Volontär*innen und junge Museumsschaffende, ihre Ideen, praktische wie theoretische, einzureichen und vorzustellen. Ich fand es gut, dass sie es gemacht haben, aber ich fand es ein bisschen schade, dass es wieder so getrennt war. Du hast die Panels, da sitzen die ganzen Leitungen und dann hast du ein Panel und da dürfen die Jungen auch mal was sagen, anstatt die einfach mit den Leitungen zusammen dahin zu setzen. Was aber spannend war, das war das einzige Panel, das sich dezidiert mit der Demokratisierung von innen beschäftigt hat. Alle, die vorgetragen haben – aber es ist natürlich auch der Auswahl der Vorbereitungsgruppe sicher geschuldet haben bestehende Strukturen auf ganz vielen Ebenen kritisiert. Also sie haben zum Beispiel gesagt: Es ist schon total schwer, bei uns eine Arbeitsgruppe zu gründen, weil das dann vielleicht schon gar nicht anerkannt wird. Also ich fand das spannend, diese jungen Menschen, die denken, glaube ich, sehr viele in ähnliche Richtungen. Die wollen Diversität, Offenheit, Partizipation, Transparenz, Antiklassismus, Antidiskriminierung, solche Dinge. Und dann kriegen sie die Möglichkeit, vielleicht im Rahmen eines Volontariats was umzusetzen und stoßen trotzdem an diese internen Grenzen, stehen aber dann auf dem Podium und sagen das auch. Und sagen, also an diese Grenzen bin ich dabei gestoßen und es stört mich.
Und die Diskussion im Anschluss an dieses Panel war definitiv die lebendigste auf der ganzen Tagung, obwohl die immer wirklich lebendig sind. Aber dann ist auch spannend, wenn Leute im Publikum aufstehen und sagen, – und ich denke das so oft, weil das einfach, glaube ich, so einen so großen Teil von öffentlichen Kultureinrichtungen betrifft – naja, ist ja schön, ihr tragt alle irgendwie Demokratie nach außen vor euch her. Und sobald wir nach innen auf die Strukturen gucken, gibt es das halt einfach nicht so. Und das stimmt, also das muss man einfach sagen. Und die eine Moderatorin erzählte: „Wir haben also diesen Call für dieses Nachwuchsforum ausgeschrieben. Und es stand dezidiert drin, bitte stellt uns Ideen für Demokratisierung in den Strukturen vor. Und die allermeisten Einreichungen richteten sich aber auf Demokratievermittlung oder Partizipation vom Publikum.“ Und dann fragte sie quasi theoretisch, naja, müssen wir daraus ableiten, dass Museen in ihren Strukturen schon so verkrustet sind, dass selbst die jungen Leute gar nicht Demokratie denken können? Und es meldete sich halt einer aus dem Publikum und sagte: Ja. Schlicht und einfach. Ja, es ist so.
So, jetzt habe ich super viel geredet. Was ich eigentlich sagen wollte, ist, diese Diskussionen, die dann an die Podiumsdiskussionen folgen, sind unheimlich fruchtbar, weil du dann die Leute hast, die eben nicht in den vorbildlichen Häusern arbeiten, die nicht auf der Leitungsebene arbeiten, sondern die, die quasi die Probleme haben. Und ich habe immer das Gefühl, es werden zu wenig auch die Probleme thematisiert. Also man stellt sich dann hin und sagt, wir haben ein Strukturmodell gemacht und einen Change-Prozess mit unseren fünf Mitarbeitenden und jetzt ist alles super demokratisch. Und dann kommt die nächste Person und sagt, ja, in unserem Haus gibt es 120 Leute. Wir haben eine Direktion, die will alles alleine entscheiden. Oder auch, wir haben ganz viele Mitarbeiter, die wollen gar nichts verändern. Was soll ich denn jetzt machen? Also das fehlt so ein bisschen.
Und einen Satz noch dazu. Ich war dann kurz danach auf der Connected Audience-Konferenz vom Institut für kulturelle Teilhabeforschung. Und die gehen das halt ganz anders an. Die sagen halt, unser Programm ist so, es gibt gemeinsame Panels. Da sitzen alle zusammen im gleichen Raum und diskutieren. Also dann gibt es Impuls-Session, da wird gefragt: Wie sind eure Erfahrungen zu dem Thema? Es gibt ein Best-Practice-Beispiel. Das wird ausführlich vorgestellt für 20 Minuten und dann wird eine Stunde gearbeitet. Also dann diskutierst du eine Stunde, dann erarbeitest du was eine Stunde, dann probierst du ein Modell aus, was die vorstellen für eine Stunde. Und dann gehst du da ganz anders raus. Klar hast du da eine kleine Gruppe, vielleicht 15, 20 Leute. Aber du tauchst halt ganz anders da ein, auch in dieses Ausprobieren. Ein Beispiel war, glaube ich, das Transport Museum of London. Richtig geil, was die machen, auf ganz vielen Ebenen. Und die haben erzählt, was sie für ein Wirkungsmodell haben. Also, dass sie quasi, wenn sie neue Sachen entwickeln, das in fünf Stufen tun, aber mit der Wirkung anfangen. Und eben erzählt haben: Wir überlegen uns, was ist die Wirkung, die wir erreichen wollen? Und dann überlegen wir rückwärts. Okay, was für Leute, was für Wege, wie kommen wir da hin? Und dann ist der letzte Schritt: Was ist also das passende Format? Und nicht andersrum. alle fangen ja immer an mit, naja, dann machen wir ein Konzert oder dann machen wir eine Ausstellung oder machen wir einen Workshop oder whatever. Und dann haben wir aber in so kleinen Gruppen uns zusammengesetzt, uns für irgendein Haus aus dieser kleinen Gruppe eine Wirkung überlegt und das dann durchdefiniert. Und dann kannst du damit in dein Haus zurückgehen. Das ist natürlich ein ganz anderes Modell, als wenn ich zehn Minuten Podiumsdiskussionen habe, weil eh alle Referent*innen überziehen. Und dann gehe ich in die Pause, sehe die Leute, die ich einmal im Jahr sehe und quatsche halt mit denen über die Kinder, was auch fein ist, aber einfach nicht für die Tagungsteilnahme dasselbe mit sich bringt. Und klar habe ich auf der Connected Audience viel weniger Beispiele kennengelernt als normalerweise. Aber trotzdem ist es super bereichernd, einfach, weil du trotzdem mit den Leuten in Kontakt kommst. Du redest halt nicht nur mit den Leuten, die du kennst, weil du wirst in so eine Gruppe mit fünf Leuten geschmissen, die du noch nie gesehen hast. Und dann redest du mit denen, was ja etwas ganz anderes ist, als wenn ich in der Pause mich mit denen zusammenstelle, die ich kenne.
[Dirk Schütz]
Das löse ich immer gerne mit dem Word-Café-Format. Also das ist für mich eh mit das passabelste Modell, gerade weil eben Podium, Fischbowl den Nachteil haben, dass man zwar teilnehmen kann, aber sich meistens nur Menschen melden und dann zu Wort kommen, die da auch kein Problem mit haben. Also die das auch für sich klar artikulieren können oder die auch gerne Öffentlichkeit haben. Während du in solchen Konstruktionen wie dem Word Café alle, selbst die, die ungern reden, zu Wort kommen lässt. Und die haben auch das Gefühl, dass sie dann tatsächlich teilgenommen haben und beigetragen haben. Und da entsteht eine andere Dynamik mit Gruppen. Und da kannst du sogar auch sehr, ich arbeite eh immer nie mit dem ganz klassischen Modell, sondern passe das ständig auf die Dinge an, die ich brauche. Und da kann man ganz gute hybride Dinge machen, die wirklich genau das Problem auffangen, dass du wieder in die Pause müsstest oder dass nicht alles mit einmal erschlagen werden kann.
Und weil du gerade sagst, dann hast du gar nicht so viele Beispiele vermittelt bekommen, aber hast intensiver an dem einen gearbeitet. Vielleicht kann man ja auch tatsächlich mal überlegen, ob man in den Sessions, die man anbietet, auch überlegt, was nehme ich denn mit? Was ist die Wirkung der Session? Oder was ist der Input der Session, die ich besuchen kann? Und dass ich daraufhin dann entscheide, wo ich hingehe.
[Kristin Oswald]
Ja, und auch hinterher. Ich finde, das fehlt oft so ein Fazit.
[Dirk Schütz]
Und du brauchst auch nicht tausende Beispiele. Das ist ja, je mehr Beispiele du hast, umso schwieriger wird es wieder, das anschlussfähig zu kriegen. Sondern vielleicht ist es dann in der Vorstellung dessen, was angeboten wird, also wie eine Art Werbung für das, was du besuchen kannst und was du da mitnehmen kannst, dass du dann eben auch für dich entscheiden kannst, okay, ist das für meine jetzige Situation jetzt in den Herausforderungen, in den Problematiken, besser und passt das besser oder nicht?
[Philipp Krechlak]
Bei der Connected Audience Konferenz, diese Deep Dive Sessions, sag ich mal, wo man sich wirklich vertieft an der Sache, was ich auch super spannend, super toll finde. Und ich glaube, vorher habe ich so diese Balance finden, ein gutes Konferenzprogramm gestalten zwischen Input und Interaktivität oder Eigengestaltung. Und vielleicht ist noch eine andere wichtige Balance, oder deren man sich bewusst sein muss die Spannbreite zwischen Tiefe und Breite für ein Thema. Und ich habe jetzt bei drei Konferenzen mitgemacht. Einerseits bei der Classical Next, und das sind meine Perspektiven dann auch ganz andere gewesen. Da bin ich quasi ein mini kleiner Teil, der auf die große internationale Kunstmusikszene schaut. Beim Deutscher Orchestertag ist meine Perspektive: Ich interessiere mich ganz konkret in meinem beruflichen Leben für die Deutschen Orchester. Also da will ich gerne alles und möglichst viel mitnehmen. Und dann habe ich jetzt ja im Juni noch bei einer Konferenz hier in Mannheim Community Arts am Theater teilgenommen, was für mich aus meiner Perspektive, der sich für Orchestermanagement interessiert, dann schon ein super nischiges, nerdiges Thema ist. Vielleicht bin ich da auch ein bisschen zu viel Allesfresser und schlechter Kritiker, aber ich meine, ich freue mich auch einfach grundsätzlich, in der Breite über Entwicklung in der internationalen Klassikszene inspiriert zu sein. Und dann ist es auch total okay für mich, dass diese Sachen nur angetatscht sind oder nur ganz gestriffen werden und ich habe dann die Verantwortung für mich habe zu sagen, okay, hier und dort muss ich nochmal Kontakt austauschen, hier muss ich quasi selber in die Nachbereitung gehen oder selber in die Tiefe gehen, dass im Prinzip diese Konferenz, die Classical Next, nur der Anfang von Beschäftigung mit Thema X oder Y ist. Und am anderen Ende des Spektrums ist dieses super Nerd-Thema Community Arts am Theater, wo ich wirklich das Gefühl hatte, beziehungsweise jetzt danach habe, dass ich da echt gut und umfangreich zum aktuellen Stand in deutschen Theatern oder der freien Szene eben ausgestattet bin, wo ich das Gefühl habe, okay, das reicht für mich ganz persönlich. Jetzt wird natürlich eine Musikvermittlerin oder eine Theaterpädagogin, die mit mir auf dieselbe Konferenz gegangen ist und die einen ganz anderen beruflichen Interesse oder Perspektive und schon Vorwissen hat, sagen, nee, das war mir alles zu flach, das ist ja viel zu sehr in die Breite gegangen. Aber das ist einfach nochmal schön zu sehen, von, ich sage mal, dem ganz großen internationalen zu einer deutschsprachigen Orchesterkonferenz und dann zu dieser Musikvermittlungs- oder Theaterpädagogikkonferenz zu gehen.
[Kristin Oswald]
Also ich meine, wir sind redaktionell dahingehend in der sehr guten Situation, dass wir wahnsinnig viele Konferenzen besuchen. Also ich sage mal im Vergleich zu anderen, es hat ein bisschen abgenommen. Also wenn ich überlege, früher hatte ich Phasen, da war ich in sechs Wochen auf sechs Konferenzen. Aber ich glaube, die durchschnittlichen Kulturschaffenden besuchen vielleicht zwei im Jahr, weil sie es einfach gar nicht schaffen. Und dann ist natürlich schon die Frage, wenn ich mich zwischen all dem, was ich zur Auswahl habe, für zwei entscheiden muss, oder wenn mir das wirklich den Mehrwert bringen soll, was ist es dann? Also ist es dann der Input für mich? Und ich finde, Input ist etwas, das kriege ich halt im Zweifelsfall auch woanders. Also das kriege ich vielleicht bei uns oder in den Zeitschriften also die Beispiele. Oder ist es eben die Möglichkeit zu haben, zum Beispiel auch mal mit Expert*innen drüber reden zu können, okay, ich habe hier folgendes Problem. Was ratet ihr mir? Also ist es die Möglichkeit quasi, muss ich eben das selber nachbereiten? Oder habe ich schon so eine Art Nachbereitung in der Konferenz mit drin? Und klar kriegst du nicht irgendwie die internationalen Entwicklungen des Konzertbereichs mit so einem Workshop-Format so überein, dass alle alles mitkriegen können. Also das geht einfach nicht.
Ich weiß, ich kann es gleich nochmal erzählen, bei der Classical Next wahrscheinlich super viele Panels. Ich glaube, das ist auch immer eher themenoffen als sehr themenfokussiert. So, das kannst du ja nicht alles mit Workshops verbinden. So, wie willst du das machen? Dann machst du halt zwei Wochen Konferenz, was vielleicht auch nett ist. Aber ich glaube, es ist der Ausgleich. Also man braucht schon, wie ich schon gesagt habe, diesen Input, auch als Impuls, um dann mit den anderen darüber reden zu können. Aber vielleicht ist auch die Frage, wie viel von diesen großen Konferenzen wir brauchen? Brauchen wir jedes Jahr die große Museumsbundtagung zum Beispiel? Oder reicht die alle zwei Jahre und dann macht man mehr wie so eine, weiß ich nicht, vielleicht so eine Museums-, wie so eine Messe oder sowas, also wo du einfach mehr guckst, was machen denn alle gerade so in der Breite? Weil so wichtig wie das Thema Demokratisierung ist, aber vielleicht beschäftigen sich halt andere Museen im Moment mit ganz anderen Sachen und denen fehlt dann wieder irgendwas zu ihrem Thema. Also ich meine, es ist total schwer, so ein bisschen wie mit Studiengängen, am Ende zu sagen, was ist jetzt das Richtige, allgemein oder nicht allgemein oder speziell oder beides oder wie auch immer. Ich glaube, es braucht wahrscheinlich alles irgendwie.
[Dirk Schütz]
Naja, man darf ja auch nicht unterschätzen, für viele, also einerseits das, was du erzählst, Philipp, ist wirklich ein Privileg. Also für viele, ne? So viel Input zu bekommen, in so unterschiedlichen Bereichen, unterschiedlichen Tiefen, das würden sich, glaube ich, sehr, sehr viele Kulturschaffende oder auch Mitarbeitende in der Kultur wirklich mal wünschen, haben allerdings weder die Zeit oder kriegen oft auch nicht die Zeit frei von ihren Arbeitgebenden oder haben auch gar nicht die Mittel dafür, weil auch da nach wie vor das große Problem ist, dass das einfach von vielen, vielen auch eigenfinanziert wird, wenn sie auf irgendwelchen Tagungen sind, was für mich wirklich eine Katastrophe ist. Also es müsste einfach ein viel größeres Bewusstsein auch bei den Einrichtungen sein, dass man seinen Mitarbeitenden Budgets zur Verfügung stellt, um an sowas teilzunehmen, weil das ja auch so viel Mehrwert über den Inhalt hinaus bietet. Es ist so eine wichtige Funktion, dass die Leute sich einfach auch mal wieder physisch begegnen. Das ist ja wie ein Klassentreffen. Alle begegnen sich und freuen sich, dass sie sich einmal im Jahr wieder sehen
Und dann habt ihr beim Orchestertag natürlich, das muss ich mal auch als großes Lob noch sagen, auch wenn das jetzt komisch klingen könnte, aber diesen Quiz, den, ihr mal habt am Ende dieses Kneipenquiz, das ihr jetzt eingeführt habt. Ich habe jetzt beide Kneipenquiz mitgemacht. Man muss dann einfach für die Zuhörenden sagen, am Abend gibt es dann eine Veranstaltung, wo man locker beieinandersitzt und auch gern was trinkt und es auch eine schöne Barsituation gibt und dann sitzt man zusammen am Tisch und genau das, was wir eben gesagt haben, also eher dialogisch, aber in einer sehr spielerischen Art und Weise. Es gibt dann ein Quiz, wo man dann, ich weiß noch, letztes Jahr, als das rauskam, haben viele gesagt, oh Gott, ein Quiz, Mist, was soll ich denn da machen? Da blamiere ich mich nur, weil ich nichts weiß, aber es war völlig egal. Die Leute sind dann so schnell da reingekommen, dass es dann richtige Battles zwischen den einzelnen Teams, die sich da gefunden haben und da haben sich zum Teil eben völlig fremde Leute in einem Team gefunden und gemeinsam inhaltlich sehr anspruchsvolle – muss man wirklich sagen, das ist ganz toll gemacht von den Leuten, die das vorbereiten, auch inhaltlich auf die Tagungen abgestimmt, auf den Inhalt der Zielgruppen abgestimmt – dann wirklich tolle Quizaufgaben, die man da lösen kann mit viel Spaß und dann kommt man sich unglaublich viel näher, hat einen guten Kontakt zu vielen verschiedenen Leuten, die man nicht kennt und das in einer absolut gelösten, lockeren, tollen Atmosphäre. Es gibt sogar noch Preise für die, die das brauchen, und das fängt das auch auf und lenkt das auch nochmal in eine andere Bahn, diese Art Klassentreffen, weil man dann nochmal in einer ganz anderen Atmosphäre sich begegnet.
[Philipp Krechlak]
Also diese abendlichen sozialen Aktivitäten, die gibt es jetzt auch schon, es gibt seit zwei Jahren das Quiz, davor war es, dass man sich selber musikalisch betätigt hat, wenn man den ganzen Tag theoretisch über Musik und Orchestermanagement spricht. und eben einfach diese lockere Atmosphäre. Das ist schon auch was, was wichtig ist, würde ich sagen, grundsätzlich, weil was eine Konferenz ja abgesehen von Inhalten – sei es eben durch vorgegebene Referent*innen oder durch die Teilnehmenden selbst zu fachlichen Themen – eben dieses, jetzt verwende ich ja doch den Begriff, Netzwerken oder kollegiale Freundschaften aufbauen, um da sich auch irgendwas zu schaffen, was stabilisiert oder was man für den Hinterkopf hat, wenn es dann wirklich mal fachlich, wenn die Konferenz zu Ende ist und wenn es dann in die restlichen 363 Tage des Jahres geht. Und das kannst du natürlich als Organisator nicht steuern oder vorgeben, aber du kannst es zumindest mal erleichtern und ermöglichen. Und natürlich, wenn du die Leute versuchst, ins Gespräch zu bekommen, sei es abends eine lockere Runde oder in diesen interaktiven Sachen oder durch Pausenzeiten, wo man zufällig Leuten begegnet, das ist schon auch was, was Wichtiges.
Und da habe ich dieses Jahr bei der Classical Next tatsächlich glaube ich fast zum ersten Mal eine Konferenz gehabt, wo ich mehr in den zufälligen, wirklich spannenden Begegnungen hängen geblieben bin, als in Sessions gegangen zu sein. Gar keine Kritik an den Session-Inhalten, aber es waren dann doch so Menschen, die mir begegnet sind, die ich schon lange irgendwie ein bisschen, ich sage mal halbwegs verfolgt habe über Social Media oder über Artikel oder einfach von denen ich weiß, dass ich mit denen gerne mal sprechen und mich austauschen würde, wo dann einfach auch so ein, für mich so eine Erkenntnis gewesen ist, der gar nicht glaube ich jetzt irgendwie in die Classical Next Nachbereitung oder Nachbetrachtung eingeht. Das ist nicht messbar, diese Leute zu treffen. Und ja, der Deutsche Orchestertag ist natürlich als relativ kleine Konferenz mit ungefähr 200 Teilnehmenden schon auch ein, du hast es gesagt, eben ein Klassentreffen und auch eine Community, die sich da bildet und gerne wiedersieht. Und dennoch habe ich da jetzt ja auch den Anspruch zu sagen, okay, das sollte sich auch eben dieser Wohlfühl-, dieser Community-Gedanke, der soll eigentlich auch was für mehr Menschen sein, der soll nicht was Elitäres sein, der soll nicht was Exklusives sein. Ich meine, die Thematik, jetzt bohre ich wieder bei mir in der eigenen Wunde, ist ja auch, dass wir seit ein paar Jahren uns nicht nur für das Orchestermanagement geöffnet haben, sondern auch für die Orchestermitglieder und dass wir uns da echt schwer tun, die so anzusprechen, dass da Leute interessiert sind, aus was für Gründen, ob die jetzt quasi in unserer Struktur oder Kommunikation sind und oder in dem, wie Orchestermitglieder in Deutschland auf Fortbildung schauen und oder an ganz anderen Gründen. Das kann ich jetzt nicht beurteilen, aber auch da gibt es noch ein paar Bretter zu bohren.
[Dirk Schütz]
Ja, aber erstens glaube ich, das ist eine Frage der Zeit und des Konzepts. Also wir hatten vorhin schon, dass man die Betroffenen auch stärker mit in die Podien holt. Also ich würde die auf jeden Fall empfehlen, dann tatsächlich auch Leute aus den Orchestern oder aus den Admin-Bereichen oder aus dem Orchesterbüro, wen auch immer, dort mit auch mal auf die Podien zu holen, damit die auch aus ihren Erfahrungen sprechen können. Das fand ich dann wiederum auch so spannend bei dem Vortrag von Beat Fehlmann, den ich ja schon jetzt ewig lange kenne und auch ganz viele Dinge von dem, was er tut, weiß. Aber trotzdem war es für mich nochmal spannend, seine Diskussion, das war ein Dialog über sein Modell in Ludwigshafen, nochmal zu hören, weil genau dort eben auch rauskam, dass natürlich viele das, was er macht und was dort passiert ist, feiern, aber dass es eben auch nicht so einfach ist und dass es auch nicht jede*r mitträgt und dass es natürlich auch viele Widerstände gibt und viele Menschen erst mal mitgenommen werden müssen und man auch nicht alle mitbekommt, sondern manche auch verliert. Und das sind so Dinge, die braucht man auch, damit man nicht immer so Best-Practice-Modelle so konsumiert wie boah, krass, bei denen ist das so toll gelaufen, bei uns nicht. Nee, es läuft eben nirgendwo toll, sondern es gibt überall immer Anfangsschwierigkeiten oder auch Endschwierigkeiten oder mittendrin Schwierigkeiten und irgendwelche Dinge können nicht bis zur Gänze dann umgesetzt werden, was auch immer. Aber dass man sich darüber eben auch mal ein Bild macht und das auch vermittelt bekommt, das finde ich gut.
Und was ihr dann eben auch noch hattet auf dem Orchestertag, dann doch auch trotzdem noch inhaltliche Dinge, die ihr mitgegeben habt, die spannend waren, ob das jetzt von Frank Tentler die Sachen zu KI waren oder dass man sich auch noch mal Gedanken gemacht hat, was Smart Places und Smart Cities ausmacht, wobei ich das ganz lustig fand, weil so ungefähr das Fazit bei dem Einstiegsvortrag war, baut mal eine Aussichtsplattform oder nutzt an eurem Haus irgendwie eine Aussichtsplattform, das ist jetzt der heiße Scheiß. Das fand ich schon irgendwie sehr amüsant, aber letztendlich geht es ja erst mal überhaupt darum zu gucken, bei all diesen Bauten, die auch jetzt gerade geplant diskutiert werden und so weiter, dass einem auffällt, dass bei ganz vielen Häusern, die jetzt renoviert, neu gebaut, was auch immer werden sollen, eben tatsächlich immer noch nicht darüber nachgedacht wird, dass die multifunktional werden, sondern nur noch monofunktional sind. Und das ist so unfassbar, das kann man wirklich nicht begreifen. Da werden aus Skandinavien die tollen Beispiele gezeigt von den Häusern, wo in einem Parkhaus noch eine Bibliothek und dieses und jenes und Restaurants und was nicht alles und Sportmöglichkeiten zusammentreffen und das ist völlig normal, das finden alle toll. Aber dann guckst du auf die ganzen großen Projekte, die gerade geplant, gebaut, diskutiert werden und dann ist es einfach nur eine Wieder-so-Nutzung wie vorher, nichts anderes. Und das finde ich unfassbar in der heutigen Zeit, bei all den Diskussionen, die wir haben, und auch so ignorant gegenüber der Gesellschaft, und zwar wirklich der breiten Gesellschaft, nicht der Gesellschaft, die sich dann in den Häusern wiederfindet. Das ist mir ein absolutes Rätsel, wie man da so ignorant sein kann.
[Philipp Krechlak]
Kristin, wenn ich dich im Vorgespräch richtig verstanden habe, dann sind unter anderem die Tagung des Deutschen Museumsbundes ja, ich sag mal benannt, so Museum und dann wird ein beliebiges Passwort eingesetzt wie Demokratie oder im nächsten Jahr Diversität, die sich vielleicht auch teilweise sehr ähneln, überlappen. Und da wäre jetzt noch meine Frage, weil ja diese Konferenzen ja üblicherweise immer auf denselben Gegenstand blicken, also vielleicht auf Orchester oder auf die internationale Kunstmusikszene oder eben auf deutsche Museen oder im deutschsprachigen Raum die Museen, inwiefern sich da eine Wiederholung oder Überlappung oder vielleicht sogar im positiven Sinne gesagt eine Fortführung von Diskussionen ja eigentlich gar nicht verkehrt oder sogar positiv ist. Insbesondere wenn man Leute hat, die jetzt ich sag mal zehn Jahre lang jedes Jahr auf die Konferenz gehen, dann wird es vielleicht für die entweder öde oder ein Gedanke verfängt irgendwann langsam. Und natürlich gibt es auch die Leute, die nur alle vier Jahre mal zu einer Konferenz kommen, also die man ja auch betrachten muss, aber für die das dann total neu ist, wo es total okay ist im Prinzip immer die gleichen Wiederholungsdiskussionen zu haben.
[Kristin Oswald]
Also beim Museumsbund ist es nicht so, dass die aufeinander aufbauen, also wissentlich, das es jetzt heiß, letztes Jahr haben wir ja da und darüber gesprochen und dieses Jahr sprechen wir da und darüber. Ich glaube, das ist auch wirklich schwierig, wenn du eben im Vorjahr da nicht dabei warst und das Beispiel nicht kennst, natürlich werden die publiziert ganz oft in verschiedenen Medien, die vom Museumsbund erscheinen immer im Bulletin vom Museumsbund selbst. Bei manchen, wenn wir Tagungspartner sind, publizieren wir auch mal Vorträge. Bei wissenschaftlichen Tagungen gibt es vielleicht einen Tagungsband oder eine YouTube-Aufzeichnung oder whatever. Verschiedene Möglichkeiten.
[Dirk Schütz]
Aber man könnte das ja mal machen, dass man zum Beispiel sagt, was hat sich denn in der letzten Tagung getan? Man kann sich das Thema in der Community weiterentwickeln. Was hat es denn für Auswirkungen gehabt? Was hat es denn losgetreten? Das kann man ja als Fazit mal mit aufnehmen. Fände ich super spannend. Weil mir fällt immer beim Museumsbund auf, man könnte die Tagung auch Museum und Fragezeichen nennen.
[Kristin Oswald]
Ich möchte gar nicht auf den Museumsbund rumhacken.
[Dirk Schütz]
Das will ich auch nicht.
[Kristin Oswald]
Die macht gute Tagungen.
[Dirk Schütz]
Aber man könnte es auch mal offener gestalten.
[Kristin Oswald]
Ich muss sagen, ich tue mich mitunter wirklich schwer mit diesen sehr spartenspezifischen Tagungen. Ich verstehe das. Und ich weiß, dass unglaublich viele Kulturschaffende nur oder vor allem zu Tagungen zu ihrer eigenen Sparte gehen. Ich finde, dann könnte ich zumindest in der Tagung zu meiner eigenen Sparte auch Beispiele aus anderen Sparten vorstellen. Ich finde, man bleibt halt sehr oft dann doch so im eigenen Dunstkreis. Und das fällt mir beim Museumsbund auf. Letztes Jahr. Ich habe schon wieder vergessen, was das Thema letztes Jahr war. Ich weiß aber noch, dass letztes Jahr die Keynote von einer Mitarbeiterin des Bundesverbands Soziokultur, glaube ich, war. Also auf jeden Fall Soziokulturverband. Und dass sie sich im Prinzip hingestellt hat. Und das fand ich so geil. Ich weiß, es ging da auch schon irgendwie um Partizipation und Zusammenarbeit mit Gruppen und weiß ich nicht. Und sie sagte, es ist total spannend, dass die Museen denken, sie müssten das erfinden. Und gar nicht wissen, wie sie Sachen machen sollen, die die Soziokultur seit 20 Jahren macht oder 40 Jahren oder wie auch immer. Und beim Museumsbund ist mir das dieses Jahr wieder sehr stark aufgefallen. Nicht nur, weil es um Demokratie ging und natürlich Demokratievermittlung, die Soziokultur auch schon sehr lange macht. Sondern weil auf den Panels, wenn ich das richtig erinnere, keine einzige Person von der Gedenkstätte stand oder saß. Und ich mir denke, aber, ich meine, Museum und Demokratie. Dann ist halt Gedenkstätten, die sind halt die, die das machen, die sich damit beschäftigen, die sich inhaltlich damit beschäftigen, die sich in der Vermittlungsarbeit damit beschäftigen. Einfach schon immer. Oder auch jüdische Museen, das habe ich auch gedacht. Ich meine das jüdische Museum Frankfurt, die gehen mit ihrem Museumskoffer in die Schulen und reden mit Schüler*innen über Diskriminierung, über Rassismus. Also nicht mal nur über Antisemitismus, über die Erfahrungen der Schüler*innen in der Gegenwart und was sie als Museum denen auch mitgeben können, um damit umzugehen. Wo ich sagen würde, Gedenkstätten und Museen, die solche Vermittlungsansätze haben, ja, die stärken Demokratie auf jeden Fall. Aber die waren halt nicht auf diesem Podium. Und das finde ich dann immer so ein bisschen, wo ich denke, na ja, auf einem Museumsbundtagung Gedenkstätte zu erwarten, finde ich jetzt nicht so fancy. Geschweige denn die Soziokultur zu haben oder von mir aus jemanden zu haben, der Community Arts am Theater macht, um dann mal zu zeigen, so wie ist eigentlich, wenn wir gemeinsam hier ein Theaterprogramm mit Jugendlichen erarbeiten, was ist daran eigentlich Demokratie? Und das ist immer, dass man kocht so in seinem eigenen Saft und dann guckt man und stellt fest, ach, in meinem Umfeld gibt es dazu ja gar nichts. Das ist bestimmt total schwierig, obwohl es natürlich total viel dazu gibt. Also meiner Wahrnehmung nach ist das eigentlich auf fast allen spartenspezifischen Tagungen so.
Und gleichzeitig, wenn du auf die spartenübergreifenden Tagungen guckst, zum Beispiel vom Fachverband Kulturmanagement, da gehen super viele eben nicht hin, weil da nicht Museum oder Orchester oder Theater draufsteht. Also ich tue mich da unheimlich schwer mit, weil ich es auch nicht so richtig verstehe. Also hängt es eben damit zusammen, ich darf nur auf eine Tagung im Jahr und dann gehe ich eben zu der von meinem Spartenverband? Oder ist es einfach dieses, ich weiß gar nicht, was andere machen, deswegen kommt die Info gar nicht zu mir, weil ich eben nur den Newsletter von meinem Spartenverband bekomme? Also ich möchte nicht unterstellen, dass irgendwie die Leute dann ignorant sind, aber ich finde es einfach etwas, was mir sehr stark auffällt.
[Dirk Schütz]
Das bildet genau das ab, was du im Kulturbetrieb in jeder Kommune siehst. Selbst dort tauschen sich die Häuser nicht groß aus. Also ein Theater tauscht sich nicht mit dem Museum oder mit der Bibliothek oder dem Archiv oder wem auch immer aus. Und im besten Falle sind sie bei einem Kulturentwicklungsplan zusammengefasst, aber haben trotzdem nichts miteinander zu tun, das ist schon sehr, sehr eigenartig.
[Kristin Oswald]
Jetzt wüsste ich aber trotzdem noch gerne von Philipp und von Dirk, ich kann auch noch was dazu sagen, was waren denn trotzdem so inhaltliche Themen, die Philipp vielleicht bei der Classical Next, und Dirk war ja auch bei der Inthega, die wir noch gar nicht besprochen haben, so inhaltlich hast du so zwei Highlights, Philipp, von der Classical Next, wo du sagst, das fand ich ein total gutes Beispiel, also inhaltlich wirklich Beispiel, inspirierend?
Okay, Philipp muss überlegen, ich kann anfangen. Soll ich anfangen? Bei der Museumsbundtagung, also es wurde, wie gesagt, sehr viel gesprochen über, wie gehen wir mit Angriffen um. Ich fand es gut, dass da immer wieder die Handlungsebene betont wurde, also zu sagen, okay, Leute, ihr habt ein Museum, ihr habt ein Problem, ihr müsst gucken, dann macht ihr folgendes: Erstens mal, ihr guckt euch erstmal eure grundlegenden Dokumente an. Seid ihr ein Verein, ist es die Satzung, ist es ein Stiftungszweck, ist es irgendwie das kulturpolitische Grundsatzpapier, was auch immer. Ihr guckt euch also bitte alle eure Dokumente einmal an, im Hinblick auf die Frage, seid ihr angreifbar, oder wie schützt ihr euch? Beispielsweise auch Stellenausschreibungen, fand ich total spannend, um zu gucken, was steht denn da drin, was die Aufgabe ist, im Hinblick zum Beispiel auf Demokratieförderung oder bestimmte Kompetenzen, damit ihr euch darüber wieder absichern könnt, wenn ihr Dinge macht. Oder sowas wie eine Hausordnung. Also schreibe ich zum Beispiel in der Hausordnung, dass ich zwar Räume vermiete, aber nur an Gruppen, die demokratische Werte vertreten? Und dann habe ich damit eine Basis zu sagen, sorry, aber der AfD-Parteitag, der findet halt bei mir nicht statt, weil ich habe da eine Hausordnung. Also auf sowas zu achten und zu sagen, bereitet euch vor, grundsätzlich, also macht jedes Museum, jedes Theater, auch Orchester, sollte eigentlich ein Training mit der mobilen Beratung gegen rechts machen, ein Parolen Training, eine Vorbereitung, was passiert, wenn ein Shitstorm kommt. Einfach, ich habe es einmal durchdekliniert und dann habe ich es für die nächsten zehn Jahre. Das fand ich gut, dass sie es immer wieder betont haben.
Bei den Beispielen ging es viel so um partizipative Sachen mit der Stadtgesellschaft oder dem Publikum oder auch eben um sowas wie, man stellt museale Berufe mal im Museum aus, fand ich gut. Was ich aber am spannendsten fand, war das Beispiel aus Dresden. War es das, ich glaube, war es das Japanische Palais? Steht in meinem Tagesrückblick, da findet ihr es im Detail. Die haben ein Bürgerforum Museumsentwicklung gemacht und über das Bürgeramt der Stadt Dresden 3000 Leute angeschrieben und gesagt, passt auf, wir wollen hier so einen partizipativen Museumsentwicklungsprozess machen, wollt ihr mitmachen? Wir machen zwei Wochenenden, ihr kriegt das bezahlt. Und darauf haben sich dann so und so viele zurückgemeldet und aus denen haben sie eine repräsentative Gruppe gebildet und haben die eingeladen. Und mit denen haben sie zwei Wochenenden, glaube ich, gearbeitet über das Thema Museum. Also wie sollten wir als Museum uns verändern? Mit dieser repräsentativen Gruppe aus der Stadtgesellschaft, haben die also durchs Museum geführt, ein bisschen in die Museumsarbeit eingeführt und dann gesagt, okay, was stört euch? Was wollt ihr anders sehen? Die Stiftung Gedenkstätte Andreasstraße in Erfurt hat das auch gemacht, aber mit Jugendlichen und die Referentin hat betont, die Jugendlichen haben dann, die haben auch so ein Festival gemacht, die haben dann quasi ihre Ideen präsentiert gegenüber auch Kulturpolitik und den Gedenkstättenmitarbeitenden in verschiedenen Gruppen. Und sie meinte das Eigenartigste war, dass diese Leute, denen das präsentiert wurde, die waren gar nicht überrascht darüber, dass die Jugendlichen wirklich gute Vorschläge entwickelt haben, sondern die waren überrascht darüber, dass Jugendliche überhaupt eine fundierte Meinung zur Museumsarbeit haben können. Also das spricht irgendwie schon Bände. Diese zwei Beispiele, wo wirklich gezeigt wurde, wir haben uns mit denen zusammengesetzt, die haben Sachen entwickelt, wir haben das alles dokumentiert und gucken jetzt, dass wir das in die Museumsarbeit übertragen, fand ich sehr gut, weil es mehr ist, als wir machen ein Vermittlungsprogramm. Nichts gegen Vermittlungsprogramme, aber es setzt eben viel mehr an den Grundfesten an. So viel vielleicht zum Museumsbund.
Philipp, ist dir was zur Classical Next eingefallen?
[Philipp Krechlak]
Ja, danke fürs Nachdenken lassen. Ich versuche es auch mal mit Beispielen zu unterfüttern. Ich glaube, was ich sehr schön fand, es waren aber eher weniger Sessions als, ich sage mal, Ausstellungs- oder Präsentationsformate. Ganz konkret ein Projekt aus London, Philharmonia, das Virtual Orchestra. Also erst mal nur vordergründig ein ganz simples VR-Projekt, wo sie in Bibliotheken gegangen sind, also vor Ort in die Communities gegangen sind, an Plätze, wo eigentlich kein Orchester stattfindet, aber da dann eben Kinder und Jugendlichen, allen, die vorbeigekommen sind, die Möglichkeit gegeben haben, natürlich in sehr hoher Audioqualität und auch Videoqualität ein Orchester zu demonstrieren und zu zeigen, wie es sich anfühlt, im Saal zu sitzen, zuzuhören und auch inmitten der Reihen zu sitzen. Solche Projekte gab es natürlich auch schon an der einen oder anderen Stelle, aber wie das Ganze dann begleitet, vorbereitet, nachbereitet wurde – und in London und Großbritannien ist ja die Situation wirtschaftlich eine andere – wie man nicht den Druck hat, solche Sachen als ich sag mal Konzert Befüllung zu nutzen, sondern als wirkliche Musikvermittlung oder Musikbegeisterung. Genau, wie sie dann ohne Druck, denn im Nachhinein noch gesagt haben: Und hier übrigens, wenn ihr kommen wollt, dann seid ihr herzlich eingeladen zu unseren Konzerten. Und dass das dann auch manche Leute eben wahrscheinlich auch ohne diesen Druck, das jetzt machen zu müssen, dann doch gemacht haben. Das war sehr schön.
Und von da aus ein bisschen weiter rausgezoomt, war es schön zu sehen, wie viele Menschen sich weltweit mit viel Liebe und Herzblut Gedanken dazu machen, wie sie Musik, die sie selbst lieben, um die sie sich aber auch beruflich kümmern, den Menschen und der Gesellschaft zugänglich zu machen. Und dabei aber auch nicht zu sagen, die wird euer Leben besser machen, sondern auch einfach eine Neugierde, eine Begegnung auf Augenhöhe an den Tag zu legen einfach viele schöne andere Verpackungen als einfach nur eben die Verpackung Konzert zwei Stunden am Abend in der Philharmonie zu finden. Also das war ganz toll, dass es da wirklich viele und auch sehr berührende Ergebnisse und Möglichkeiten und Lösungen gegeben hat.
Und die andere ist sogar noch weniger eine Session, eine inhaltliche Erfahrung gewesen, weil ich dieses Jahr ganz viel eben auch – also die Classical:Next ist nicht nur eine Konferenz, sondern da gibt es auch ganz viele Showcases und sie hat auch einen ziemlich großen Messebereich, wo sich teilweise Länder präsentieren mit der Musik oder den Komponist*innen ihres Landes, ihrer Region, aber auch natürlich dann viele Firmen, Service, DienstleisterInnen für die Musikwirtschaft – und da habe ich ganz viele tolle Gespräche geführt, auch aus der Perspektive raus, dass ich nicht jemand da bin, der sich auf dieser Konferenz, auf dieser Messe selber verkaufen oder promoten muss. Und ich bin auch nicht das Ziel von solchen, ich möchte dir mein Produkt verkaufen. Also ganz vielleicht wollen die Leute noch sagen, okay, kann ich vielleicht mal auf deiner Konferenz irgendwie inhaltlich was beisteuern. Also ganz raus bin ich nicht. Aber aus diesem relativ neutralen Standpunkt betrachtet, war es sehr schön zu sehen, wie viele Leute da engagiert sich Gedanken drum machen, wie man Orchester, das Format Konzert, Klassik, im weitesten Sinne Kunstmusik anreichern kann. Ja, sie müssen davon wirtschaftlich leben, aber da ist schon auch Feuer und Enthusiasmus dabei. Nicht nur irgendwas zu verkaufen, sondern auch überzeugt zu sein davon, dass diese Produkte, sei es eine Verwaltungssoftware im Hintergrund von einem Theater oder eine neue Art, irgendwie über Landesgrenzen hinweg zusammenzuarbeiten, wie die Leute an den Sinn oder ich glaube auf Neudeutsch würde man sagen Purpose wahrscheinlich, an den wirklich Glauben, an den Value, ja.
[Kristin Oswald]
Okay, bevor ich Philipp zum Beispiel Community Arts am Theater frage, was er ganz toll fand, frage ich Dirk nach der Inthega.
[Dirk Schütz]
Ja, das knüpft auch an das, an was Philipp gesagt hat, dass es bei der Inthega eben auch eine Messe gibt. Also Inthega, vielleicht für die, die es nicht wissen, ist eigentlich eine Konferenz zur Gastspielbranche. Genau, und für mich war es schön, dass ich da mal sein konnte. Ich wollte das auch unbedingt mal besuchen und erleben. Die Messe habe ich jetzt nicht erlebt, aber die war wohl sehr erfolgreich, weil auch sehr viele Anbieterinnen und Anbieter da waren und sehr viele Menschen da zusammengetroffen sind. Das war in Bielefeld, mitten in der heißesten Woche, glaube ich, die es da im Juni gab. Oder war es im Juli sogar? Ja, es war Anfang Juli, erste, zweite Juli. Und das heißt, es gibt immer eine Messe, wo sich die Veranstalter über neue Entwicklungen, neue Trends informieren, die einkaufen können und diejenigen, die eben etwas anbieten können, dort mit den Veranstaltern zusammentreffen, mit Theatergruppen, Regisseure und was auch immer.Und das war wohl so groß wie noch nie, laut Aussage von Bernward Tuchmann, dem Geschäftsführer von der Inthega.
Und ich war dann am Mittwoch, am 2.7., noch bei der Fachtagung, die daran anschließt. Und wo dann zwar nicht ganz so viele Teilnehmer sind, aber trotzdem auch sehr viele von der Inthega vor Ort waren, was für mich schön war, weil ich auch mal gesehen habe, wer bewegt sich da, was sind das für Leute, was haben die für Themen. Und das war sehr bunt gemischt an den Angeboten. Auch die hatten versucht, das, was wir vorhin besprochen haben, dieses Problem, dass man sich manchmal gar nicht austauschen kann, auch aufzuheben, indem sie gesagt haben, passt auf, wenn irgendein Thema, irgendein Panel euch nicht passt. Wir haben hier runde Tische, wo ihr euch finden könnt und gemeinsam einfach ein Thema aufbringen könnt, anbieten könnt und dann mit anderen diskutieren könnt, was auch ganz gut genutzt wurde. Und ich habe mich gefreut, die Eingangsveranstaltung war ein kleiner Dialog, also ein Podiumsdialog, interessanterweise zwischen Claudia Schmitz, der Geschäftsführerin und Direktorin des Deutschen Bühnenvereins, und Dorothee Starke, die noch wiedergewählte Präsidentin von der Inthega, die beide darüber diskutiert haben, welche Rolle Kultur in unserer Gesellschaft spielen wird. Und das aus diesen unterschiedlichen Perspektiven, weil natürlich der Bühnenverein viel stärker Häuser in Kommunen, auch große Häuser vertritt und die Inthega viel mehr die Veranstaltenden, die auch im ländlichen Raum an Orten, wo kein Dauerbetrieb, kein immer da seiendes Theater oder Ähnliches und Orchester, das sind eben die Leute, die in der Inthega versammelt sind und sehr viel Arbeit, sehr viel Kulturangebot realisieren und anbieten im ländlichen Raum und dafür sorgen, dass da auch eine Kulturversorgung stattfindet. Und das, fand ich ein ganz spannendes Zusammentreffen von diesen beiden Seiten, die auch jetzt gemeinsam mehr machen möchten, was ich auch super finde. Also es wird wohl mehr Austausch zwischen den beiden Branchenvertretungen geben und man möchte da auch gucken, wie man auch politisch stärker gemeinsam agieren kann, was ich auch sehr gut finde, gerade wenn es auch um Lobbyarbeit geht.
Was mir auch gefallen hat, und ich habe so zwei, drei unterschiedliche Sessions besucht, einmal sehr hardcore veranstaltungsorientiert, weil ich Personal gelesen hatte, da ging es darum, welche Personen brauchst du eigentlich für einen Veranstaltungsbetrieb, was spannend war, weil du natürlich auch mal darüber informiert wurdest, welches Know-how, welche Fähigkeiten, welche Ausbildungshintergründe die Leute brauchen, wo du die findest, wie du die suchst, wie du die auch ansprichst und was passiert, wenn du die nicht hast. Also wirklich so klassisches: Achtung, da sind auch Fallstricke und bitte passt auf dies und jenes auf. Und da gab es natürlich auch immer wieder Wortmeldungen, wo Leute dann auch noch mal, entweder die neu in der Branche waren oder die auch alte Hasen und Häseinnen waren, dann Dinge nachgefragt haben, also richtig greifbare Informationen.
Bei dem zweiten Panel, das fand ich sehr interessant, das hat mich zwar überfordert von der Art und Weise, wie es gestaltet war, weil es ein riesiger runder Tisch war, also es saßen gefühlt 50 Leute an einem runden Tisch, und da gemischt Leute aus Gastspielhäusern und aus der freien Szene. Und da war für mich interessant zu sehen, was das für Anbieter sind oder wer da die freie Szene ist und was die da so machen. Und da gab es dann Beispiele aus unterschiedlichen Bundesländern, wo die Kooperationsmodelle vorgestellt und auch erzählt haben, wie Förderbedingungen zum Beispiel in den Bundesländern unterschiedlich sind, und wo die angesetzt haben in dem einen Bundesland, wo man da vielleicht auch Ideen für das nächste kriegt. Das fand ich ganz interessant in dem Austausch. Und auch, dass die gemeinsam miteinander geredet haben, und man kannte sich auch offensichtlich in verschiedenen Konstellationen.
Und zum Schluss habe ich mir, auch wenn ich das jetzt schon mehrfach gehört habe, weil ich auch nochmal sehen wollte, wie ist denn die Resonanz dann vom Publikum auf diesen Vortrag, nochmal was zur künstlichen Intelligenz angehört mit einem Professor von einer privaten Hochschule. Was für mich trotzdem wieder spannend war, weil ich nochmal ein paar andere Sachen kennengelernt habe, wo auch über die Entwicklung von KI gesprochen hat, wo dann aus dem Publikum heraus immer wieder auch Rückmeldungen kamen, wer eigentlich was schon nutzt und wozu. Und das war für mich überraschend, dass es doch da auch ganz schöne Heavy-User gibt, die auch schon sehr erfahrenen Dingen sind. Und für manche war es eben dann auch wiederum Neuland, aber es war trotzdem so ein Panel, wo sowohl die Erfahrenen sich wiederfinden konnten als auch die, die jetzt Einsteigerinnen und Einsteiger sind. Also wirklich eine gelungene Veranstaltung, die es sich wirklich lohnt, mal zu besuchen. Auch vielleicht beim Verantwortlichen von Kommunen, kleineren Kommunen, die dort auch mal schauen, was da stattfindet. Und wie gesagt, diese Kooperation zwischen Bühnenverein und Inthega finde ich sehr interessant und auch sicher lohnenswert, wenn da beide stärker miteinander kooperieren, sich austauschen.
[Kristin Oswald]
So, Philipp, erst Dienstag, Dirk und ich wollen ins Koi.
[Philipp Krechlak]
Ja, dann mache ich es kurz. Mir hat am allermeisten an der Konferenz Community Arts im Theater gefallen, dass sie stattgefunden hat. Das ist, glaube ich, ganz wichtig für diese doch noch relativ neue – zumindest mal in Deutschland gesprochen, ich glaube in UK ist es einfach schon viel länger und viel intuitiver drin – für diese Spielart von und mit Theater der Community Arts, dieses Einbeziehen von den Menschen da draußen, nicht nur für, sondern auch mit denen Theater zu machen und zu entwickeln und mit denen Theater zu verändern. Also ganz schön, dass da eine Szene getroffen hat, ausgetauscht hat und sich selber vergewissert hat, dass man nicht ganz alleine ist. Klitzekleine Klammer auf: Es waren sehr viel Personen aus dem Schauspiel, aus dem Jungtheater-Bereich da, Oper, Tanz, Orchester hat mir ein bisschen gefehlt. Ich hoffe, dass die sich alle noch zurückgehalten haben, weil es ja vom 27. bis zum 29. August am Konzerthaus Dortmund eine Community-Music-Konferenz, also noch mal nischiger oder noch mal nerdiger, eine Konferenz gibt und da dann alle kommen werden von den städtischen, von den staatlichen Opernhäusern und Konzertorchestern.
Das ist so der ganz große Punkt, dass sie stattgefunden hat und eine ganz persönliche Facette war noch, es gab dann eine, ich nenne es jetzt mal Workshop, aber im Prinzip hat er einfach nur daraus bestanden, dass ein, ich sag mal, mobiler Getränkestand, dass an dem Chai serviert wurde von Bassam Ghazi, der Regisseur und Dramaturg am Schauspiel Köln ist und der über diese Trink-, diese Teekultur, Beziehungen geschaffen hat und ins Gespräch gebracht hat. Also dieses ganz, jetzt verwende ich den blöden Begriff, niedrigschwellige Begegnen oder bedingungslose oder ziellose Begegnen mit dem Publikum, selbst der Begriff ist falsch, sondern einfach mit den Menschen da draußen. Das war eine ganz schöne Erfahrung.
[Dirk Schütz]
Kurze Frage dazu, waren dort Vertreterinnen und Vertreter von der Kulturpolitik, kommunalen Kulturpolitik auch dort? Weil das fände ich extrem wichtig.
[Philipp Krechlak]
Ja, die waren tatsächlich auch da, Kulturverwaltungen und auch ein bisschen Kulturpolitik, wobei da der Fokus eher gewesen ist auf Mannheim oder auf Baden-Württemberg. Ansonsten war es schon auch wirklich deutschlandweit und auch, ich sage mal, international, dass da Leute angereist sind. Es ist eine Kooperation gewesen zwischen dem Nationaltheater Mannheim beziehungsweise dem Stadtensemble da und dem Zentrum für kulturelle Teilhabe Baden-Württemberg. Also da gab es auch schon diesen Willen und diese Neugierde, da die Leute und die Szene zusammenzubringen.
[Kristin Oswald]
Ja, ist ja ganz spannend, weil die Connected Audience-Konferenz beschäftigt sich nicht nur mit Publikum, sondern eben mit Connected Audience, das heißt auch mit dem Thema Communities und die macht das Institut für kulturelle Teilhabe-Forschung. Also man sieht die Überschneidung. Das Beispiel, was mir unheimlich gut dort gefallen hat, war eben dieses Museum of Transport in London. Weil was machen die? Die machen, wie soll ich das sagen, eine Art Berufsvorbereitung, wenn man so will, für Menschen aus der Arbeiterschicht. Das heißt Leute, die eigentlich nicht so Museumspublikum sind, aber eben auch Leute, die... Also da ist ja auch das Thema Klassismus, Aufstieg, also Arbeiterkind und dann vielleicht ins Studium oder wie auch immer. Und die bieten also Programme an, wo sie dezidiert Kinder aus Arbeiterfamilien Berufe kennenlernen lassen, Berufe vorstellen lassen, wo es auch darum geht um Erkennen von eigenen Kompetenzen zum Beispiel. Und das fand ich total spannend, weil das ja reine Community-Arbeit ist. Also das ist ja reines, ich gebe der Community was. Klar können die als Museum, das sich irgendwie mit Transport beschäftigt, natürlich Berufe in vielerlei Hinsicht, sage ich jetzt mal rein fachlich, zum einen abdecken, weil es sie im Museum gibt. Weil auch im Museum gibt es ja immer Handwerksberufe. Du hast verschiedene Arten von Wissenschaftler*innen, Vermittlung und so weiter und so fort. Aber natürlich auch Berufe, mit denen sich das Museum quasi thematisch beschäftigt. Aber ich fand das total spannend, dass sie gesagt haben, wir sehen uns hier als Ort, der Leuten irgendwie hilft, in ihren beruflichen Weg zu starten. Und nicht nur im Hinblick auf Praktika oder Volontär*innen, also für sich selbst oder für die Museumswelt, sondern wirklich zu sagen, nee, wir wollen denen helfen, ihren eigenen Weg zu finden, ihre Kompetenzen zu erkennen, Berufe kennenzulernen und sich so Visionen zu erschaffen für was kann ich eigentlich tun beruflich im Leben. Und das fand ich einfach total toll.
Und gleichzeitig daran geknüpft, – also Connected Audience, eine internationale Konferenz, es waren wirklich Leute, ich glaube, von allen Kontinenten da – zu sehen, dass dieses Thema Communities, alle, die in diesem Bereich arbeiten, dieselben Probleme haben. Oder fast alle. Und gerade, ich sag mal, in den westlichen Ländern das Problem der Anerkennung in den Häusern, das ist überall so. Also Anerkennung von Community-Arbeit in Museen ist in den USA genauso nicht strukturell so fest verankert, wie man es vielleicht denkt, wie irgendwie in UK oder in Frankreich oder eben bei uns zugegebenermaßen. In Südamerika zum Beispiel, da ist es doch nochmal anders. Und was damit einhergeht mit der Anerkennung innerhalb der Häuser, ist natürlich auch Finanzierung und strukturelle Fragen. Und die immer wieder sagen, Community-Arbeit ist Beziehungsarbeit. Ich mach mal ein Theaterstück oder eine Ausstellung, damit ist es halt nicht getan. Gerade wenn du langfristige Sachen machen willst. Bei dem Museum of Transport ist es zum Beispiel so, dass die Leute auch über mehrere Stationen durchs Museum laufen. Dann gibt es zum Beispiel, wenn du dich für ein Programm bewirbst und du wirst nicht genommen in dem Museum, dann wirst du aber automatisch zum Beispiel, kannst du dann an einem anderen Programm teilnehmen, wo du dann beispielsweise im beratenden Beirat des Museums bist. Und dann läuft die Beiratsarbeit über drei Jahre, wobei die sich dann immer austauschen. Also die, die schon drei Jahre dabei sind, gehen raus. Dafür kommen aber Leute aus dem nächsten Jahr schon rein. Also die Gruppen setzen sich jedes Jahr neu zusammen. Und die können selber entscheiden, auch was für Themen sie dann da bearbeiten wollen und sowas. Also dass die wirklich diese Bindungsarbeit machen, über mehrere Jahre aufeinander aufbauen. Leute dann auch, glaube ich, die Möglichkeit haben, dann zum Beispiel in Praktika im Museum überzugehen. Und die wirklich Community-Arbeit an ganz vielen Stellen versuchen und das eben als Daueraufgabe verstehen und nicht sagen: Wir haben jetzt hier neun Monate Projektförderung und da machen wir mal was und danach geht nicht nur die Community-Arbeit wieder flöten, sondern auch die Person, die es gemacht hat, geht dem Haus wieder flöten und damit das Wissen und institutionell verändert sich einfach nichts. Aber ich fand dieses Beispiel ganz toll nicht nur in Hinblick auf die Frage – also in Museen ist es ja immer: Welches fachliche Wissen wollen wir, dass Leute es haben. Also ich will, dass Leute was über, keine Ahnung, Goethe wissen, also sag ich denen was über Goethe. Sondern die Frage: Was können wir geben, was für Leute wirklich ein Mehrwert ist, zu denken aus den Bedarfen, die es gibt. Das fand ich ganz toll, das war wirklich ein unheimlich gutes Beispiel.
So, ihr Lieben, jetzt haben wir wahnsinnig lange miteinander gesprochen. Das freut mich auch, aber man erwartet uns im Koi bestimmt schon. Von daher wünschen wir nicht nur Philipp eine gute Mittagspause, sondern wir hoffen natürlich auch, dass es für unsere Hörenden vielleicht ganz gut war, in etwa anderthalb etwas über die, ich glaube es waren sechs, Tagungen dieses Frühjahrs zu hören. Und natürlich freuen wir uns, wenn ihr auch das nächste Mal wieder dabei seid, wenn es heißt: Dienstags im Koi.