Dienstags im Koi - der Podcast von kulturmanagement.net

Folge 23: Kulturvermittlung

Julia Jakob, Kristin Oswald, Dirk Schütz, Olivier Marchal Season 1 Episode 42

In dieser Folge fragen Kristin Oswald und Dirk Schütz, wie Kulturvermittlung 2025 junge Zielgruppen wirklich erreicht, jenseits klassischer Programmarbeit. Sie diskutieren über Relevanz, Empowerment und Kompetenzerwerb. Klar ist: Vermittlung bedeutet Teilhabe, Dialog und Rückkopplung in die Häuser, nicht bloß Angebote „für Kinder“. Kulturvermittlung muss von Anfang an in Programm und Organisationsentwicklung mitgedacht, evaluiert und alltagsnah verankert werden.

KMN Magazin Ausgabe 185 von Oktober 2025 „Status quo der Kulturvermittlung“: https://www.kulturmanagement.net/dlf/bdebf67d74d6dc9b94e6845cb2c4459f,8.pdf

KMN Magazin Ausgabe 141 von Februar 2019 „Kulturvermittlung“: https://www.kulturmanagement.net/dlf/3b8d15b1913f4dda53dcbb4ef2cf8517,4.pdf

Herrenberg-Urteil: https://www.bbk-bundesverband.de/beruf-kunst/beruf-kuenstlerin/herrenberg-urteil

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Ihr hört Dienstags im Koi, der Podcast von Kulturmanagement.net mit Christin Oswald und Julia Jakob im monatlichen Gespräch über die Kulturwelt. Hallo und herzlich willkommen zur 23. Plauschfolge von Dienstags im Koi, dem Podcast von Kulturmanagement Network.

Mein Name ist Kristin Oswald und heute bin ich ganz allein mit Dirk Schütz, unserem Geschäftsführer. Ich glaube, das erste Mal in der Geschichte unseres Podcasts, dass Dirk und ich diese Folge allein aufnehmen. Wir hoffen, dass wir sie natürlich trotzdem gut bewältigen. Und ich sage mal so, was zu sagen haben wir ja eigentlich immer. Das war ja noch nie unser Problem.

Dirk: Genau, es wird schon nicht langweilig zu zweit.

Kristin: Heute möchten wir uns mit dem Thema Status quo der Kulturvermittlung beschäftigen. Denn diesem Thema haben wir auch die letzte Ausgabe unseres Magazins gewidmet, die im Oktober veröffentlicht wurde. Und wie zu jeder Magazinausgabe versuchen wir in der zugehörigen Podcastfolge nicht nur wiederzugeben, was im Magazin steht, sondern vielleicht auch auf Aspekte einzugehen, die uns in der Redaktion oder in der Firma auch in Verbindung mit dem jeweiligen Thema beschäftigen und das Ganze noch mal so ein bisschen größer einzuordnen, während im Magazin ja meist die Beiträge eher für sich stehen. Und jetzt haben Dirk und ich gerade in der Vorbereitung der Folge einmal geschaut und festgestellt, dass die letzte Ausgabe unseres Magazins zu Kulturvermittlung tatsächlich schon sechs Jahre alt ist. Die war nämlich im Jahr 2019, seitdem es einiges passiert. Pandemie, diverse Kriege, Krisen und andere Dinge. Dirk, hast du denn das Gefühl, dass sich seit 2019 in der Kulturvermittlung so aus unserer Außenperspektive viel verändert hat?

[Sprecher 1]

Ja und nein. Also ja, weil du hast ja diese ganz unterschiedlichen Einschläge auch in der

Gesellschaft genannt. Und da gab es natürlich, gerade wenn ich an die Corona-Zeit denke, sehr

viele Initiativen der Kulturvermittlung, weil das Publikum nicht mehr in die Häuser kommen

konnte und man versucht hat, auf digitalem Wege die Menschen zu erreichen.

Hat auch in etlichen Einrichtungen wirklich spannende Projekte losgetreten, hat experimentiert,

aber vieles von dem ist irgendwie wieder eingeschlafen. Und der Weg zurück zum Analogen

und zum Publikum vor Ort hat irgendwie, ich weiß nicht, ob das eine Amnesie ist, aber hat

vergessen lassen, dass man eigentlich auf den digitalen Wegen auch weiter Menschen

erreichen sollte, vor allem deswegen, weil gerade junge Leute sich, was das Thema

Information, Nachrichten und so weiter betrifft, ausschließlich nur noch online und in Social-

Media-Kanälen, anderen Kanälen informiert. Also auch dort nur noch erreichbar ist.

Und das ist ein echtes Problem, was ich sehe. Natürlich gibt es weiterhin auch die ganz

klassischen Vermittlungsangebote, die man allerorten dann auch sieht, also die klassischen

Führungen, die Angebote für Schulklassen, für Kinder, für Jugendliche, was auch immer. Aber

es hat sich halt nicht so entwickelt, wie man jetzt hätte denken können, als das in der Corona-

Zeit eben losgegangen ist und wo man gedacht hätte, okay, jetzt kommen so analoges,

Digitales gleichberechtigt daher und es löst sich vielleicht auch stärker noch in Richtung

Digitalität auf.

Das hat sich irgendwie nicht eingestellt. Gleichzeitig ist interessant, dass es eben auch mehr

Forschung dazu gibt. Das IKTF, unsere Kolleginnen und Kollegen aus Berlin, gibt es, ich weiß

gar nicht, wann das gegründet wurde, aber die ersten Publikationen sind so, glaube ich, 2020

erschienen.

[Sprecher 2]

Ja, ich kann es auch nicht aus dem Kopf sagen.

[Sprecher 1]

Und die haben ja mit ihren Monitoring, mit ihren Berichten und mit ihrem Schauen auf Publika

und Nicht-Publika doch sehr, sehr viel Pionierarbeit geleistet, nicht nur in Berlin, sondern auch

für alle Bundesländer oder auch deutschlandweit. Da gibt es immer wieder sehr spannende

Ergebnisse. Es gibt verschiedene andere Monitore, die wiederum auch ganz interessant zu

lesen sind, weil sie Futter geben für gerade große Branchenverbände, dass doch Kultur so

wichtig sei und dass Kultur von allen gewollt und gemocht wird.

Was aber ganz häufig sehr undifferenziert und auch unreflektiert vermittelt wird, weil diese

Monitore zum Teil auch in der Tiefe eine ganz andere Sprache sprechen, als das die Verbände

vielleicht dann mit ihren Äußerungen vermuten lassen. Und natürlich sucht sich jeder das raus,

was für ihn am passendsten ist. Aber ganz viele Dinge, gerade was Kulturangebote,

Kulturnutzung und auch den Kulturbegriff an sich betrifft, müsste man eigentlich viel, viel

stärker detailliert reinschauen, weil das sehr spannende Ergebnisse gibt und auch zeigt, dass

das, was man so immer unter klassischen Kultureinrichtungen versteht, eben doch nicht mehr

der Hauptfokus ist und gerade bei jungen Leuten nicht.

Die haben andere Zugänge zur Kultur, andere Kulturformate, andere Kulturanbieter, die ihnen

wichtig sind und manche vielleicht sogar, die man gar nicht aus klassischer Sicht unter Kultur

subsummieren würde. Wenn ich gerade so auch in diese ganze Influencer-Geschichte

reindenke. Und das ist halt auch gefährlich, weil die Einrichtungen sich damit auch ein bisschen

schön denken und dann vielleicht auch sich darauf ausruhen, dass man immer noch so eine

hohe gesellschaftliche Akzeptanz ist, die aber eigentlich permanent erodiert.

Und was mir auch ganz wichtig ist, wir waren ja in Basel beim Fachverband und da ging es ja

auch um Diversität und das ist ja auch ein Thema, was unbedingt und ganz stark verlinkt ist mit

Kulturvermittlung auch. Dort ist auch ganz klar geworden, dass man mit den klassischen

Denken Publikat zu erreichen, so gar nicht mehr weiterkommt, sondern dass man über ganz

andere Dinge nachdenken muss. Über wie man zum Beispiel relevanter wird für bestimmte

Bevölkerungsgruppen oder auch für jüngere Menschen, dass eben ganz andere

Wertvorstellungen auch da sind, dass andere Freizeitvorstellungen da sind, andere Formen der

kulturellen Betätigung und Äußerung da sind.

Also das hat das gezeigt und hat auch gezeigt, wie schwierig es in Zukunft werden kann, wenn

man nämlich nicht die Leute an Kultur heranführen kann, gerade junge Leute nicht, weil das

sind eben auch die zukünftigen Entscheider in Stadtparlamenten und Entscheiderinnen in

Stadtparlamenten, in politischen Ämtern und so weiter, die dann eben im Zweifelsfall nicht pro

Kultur entscheiden, weil sie gar keinen Bezug dazu haben.

[Sprecher 2]

Und es sind ja auch die zukünftigen Mitarbeitenden, also oder eben nicht, je nachdem, ob sie es

sind oder nicht, genau, aber jetzt hast du schon ganz viel angeschnitten und ich glaube, was

das schon gezeigt hat und was die Gemengelage ja nicht gerade einfacher macht, ist, dass

Kulturvermittlung mit wahnsinnig vielen Bereichen zusammenhängt in der Kulturarbeit, also

Publika, Erschließung von neuen Publika, auch viel, glaube ich, auch sagen wir das Image, das

Image von Kultureinrichtungen, die Wahrnehmung, der Bildungsaspekt, der mit Kultur immer

auch verknüpft ist und vielleicht auch die Frage, Thema Influencer, was ist eigentlich Kultur

heute? Also was heißt das eigentlich für Leute? Wie definieren wir das?

Ich muss gerade daran denken, dass ich, ich ignoriere mal, lasse mal die Details außen vor,

aber dass ich las, es ging um Oper, dass eine gewisse Opernaufführung mit einer sehr

bekannten Opernsängerin nicht ausgebucht gewesen wäre und in den Kommentaren darunter

sich eine unglaublich elitäre Haltung fand, dass es ja nicht sein könne, dass Leute diese

Opernsängerin nicht kennen und dass das ja ein eklatanter Bildungsmangel sei.

Und ich finde das ja immer so weltfremd, weil ich mir dann denke, also wie viele Leute kennen

tatsächlich Opernsänger oder halten das für einen Bildungsaspekt? Genau, also will sagen, es

hängt einfach wahnsinnig viel mit Kulturvermittlung zusammen und natürlich auch und daran

geknüpft vielleicht auch die Frage, also was ist eigentlich Kulturvermittlung? Was meint das?

Und das ist auch eine Frage, die im in dem Magazin durchaus immer wieder aufgemacht wird,

weil sie ja ganz viel auch damit zu tun hat, wie Kultureinrichtungen sich selbst wahrnehmen.

Also ist es die Frage, will ich Wissen über kulturelle Inhalte an Leute bringen und an was für

Leute so oder geht es mir beispielsweise auch um Dinge wie Empowerment, wie

Kompetenzerwerb? Geht es mir beispielsweise auch darum, die individuelle, die persönliche

Kreativität von Menschen zu fördern, ihnen damit Ausdrucksmittel an die Hand zu geben, um

sich mit sich selbst und der Welt um sie herum auseinanderzusetzen?

Und ich glaube, im ganz klassischen Sinne ist es sehr oft noch das Erstere, also eher der

Bildungsaspekt, der mit Kulturvermittlung verbunden ist und eben ganz stark bezogen auf

Kinder. Also oft ist es ja eben Pädagogik, Museumspädagogik, Theaterpädagogik und so weiter.

Das hängt natürlich immer auch ein bisschen mit der Sparte zusammen und mit der Art, ich

sage mal, mit der Art der Kulturform.

Wenn ich natürlich im Museum eine Ausstellung habe, dann kann ich eine Führung durch die

Ausstellung und damit im Prinzip durch das Kulturprodukt selbst machen und damit

Vermittlung direkt in diesem Rahmen anbieten, eben auch für Erwachsene. Während ich das

bei anderen Kulturformen, die vielleicht eher darstellend sind, eher vor oder nach einer

Aufführung oder außerhalb in separaten Räumen und so weiter stattfindet. Aber gefühlt sind

die Zielgruppe schon primär Kinder.

Also abgesehen von Führungen im Museum, was auch nachvollziehbar ist aus den Gründen,

die du gesagt hast. Man weiß das inzwischen. Also man wird nicht 60 und liebt auf einmal das

Theater oder die Oper oder die klassische Musik, sondern wenn man es aus der Kindheit nicht

kennt, dann kommt man tendenziell auch in älteren Jahren schwerer ran.

Gleichzeitig muss man aber auch sagen, na ja, aber die Leute werden halt immer älter. Und gibt

es denn nicht doch Möglichkeiten oder haben wir eigentlich schon alle Möglichkeiten

ausgeschöpft, um irgendwie Kultureinrichtungen, so wie wir sie verstehen, um sie dann doch

da ranzuführen, also um dann Vermittlungsformate zu etablieren, auszuprobieren, die sich

eben an Erwachsene richten oder an bestimmte Gruppen von Erwachsenen. Und das ist halt,

also das ist ganz spannend.

Das spielt auch im Magazin, in der Ausgabe nur eine geringe Rolle. Und das ist auch was, was

mir immer wieder auffällt, wenn wir über, also ich denke viel über das Thema

Medienkompetenz, gerade bei Erwachsenen nach Social-Media-Kompetenz,

Nachrichtenkompetenz, da sind die Kinder mitunter weiter.

[Sprecher 1]

Ja, gar keine Frage. Also ich habe jetzt auch ein bisschen geschmunzelt. Umgekehrt könnte man

hier darüber auch sinnieren, ob wenn die Menschen älter werden, damit auch die Zeit, wo sie

keine Kultureinrichtung besuchen, auch länger wird.

[Sprecher 2]

Aber vielleicht auch genau die Zeit, in der sie Kultureinrichtungen besuchen, weil sie was ist.

[Sprecher 1]

Wenn sie diesen Kontakt hatten und wenn sie den Wert dessen für sich auch natürlich erkannt

haben. Und da sind wir wieder beim Thema Relevanz. Wenn wir auf die Kinder schauen und das

Spannende bei uns im Team ist ja, wir sind ja alle Eltern, haben fast alle Kinder und in

unterschiedlichstem Alter.

[Sprecher 2]

Also alle Teammitglieder über 30 auf jeden Fall.

[Sprecher 1]

Ja, und haben natürlich ganz unterschiedliche Erfahrungen, wie auch Kinder herangeführt

werden oder nicht herangeführt werden. Wie das dann auch im Unterricht zum Beispiel

verankert oder eben auch nicht verankert ist. Also es ist interessant, dass es immer Angebote

für Kinder gibt.

Da kommt aber kein Nachhall, da kommt kein Reflektieren. Da ist nichts, wo man sagt, damit

wird etwas gemacht. Es ist einfach wie ein Event.

[Sprecher 2]

Ja.

[Sprecher 1]

Und das ist aus meiner Sicht nicht nachhaltig. Und es ist auch nicht eingebunden dann, wenn

die Kinder zum Beispiel in den Theater gehen, in den Deutschunterricht oder zum Beispiel, was

man mit Sprache machen kann, was man mit Geschichten erzählen machen kann und so

weiter. Wenn es um Musik oder Konzert oder Theater geht, dann auch nicht in den

Musikunterricht, wo die Kinder dann vielleicht auch mal herangeführt werden an die

unterschiedlichsten Formen, die es da gibt.

Warum werden in Opern überhaupt Arien gesungen? Ja, was soll das? Und so weiter.

Also es gibt sehr, sehr viele Anknüpfungspunkte, die sowohl in den Kultureinrichtungen selbst

nicht vermittelt werden, wahrscheinlich können auch in der kurzen Zeit, sie machen zumindest

Angebote, aber andererseits dann eben auch keine Arbeit damit stattfindet, dann in den

Bildungseinrichtungen, in denen die Kinder einfach weitergebildet werden und ausgebildet

werden. Und das finde ich ein großes Problem. Dann sehen wir auch immer wieder

Diskussionen, die wir zusammenführen.

Welche Angebote gibt es zum Beispiel für Eltern, die kleine Kinder haben? Nicht viele. Erinnere

dich an den Fachverband.

Wir haben dort eine Kollegin kennengelernt, die an einem großen Haus versucht hat,

Babykonzerte zu etablieren und drei Jahre lang versucht hat, dort Menschen oder die

Menschen in der Einrichtung dazu zu bewegen, Angebote für Babys und Eltern zu machen und

es dann über einen Umweg geschafft hat, an einem Event für das Haus, das mal umsetzen zu

können und plötzlich ist sie in die Bude eingerannt worden und das ganze Format wurde dann

auch richtig etabliert und ist ganz erfolgreich.

Da werden wir ja sicher auch in den nächsten Monaten dazu auch mit der Person nochmal hier

im Podcast auch reden. Aber das ist so, und da kommt eben dann dazu, dass man zum Beispiel

dann eben Elternkonzerte oder Elternangebote um elf Uhr morgens macht, wo die Frage dann

ist, soll ich jetzt dafür mein Kind aus dem Kindergarten nehmen? Oder was mache ich jetzt

eigentlich?

Da trifft vieles nicht zusammen und was ich glaube, was da ein ganz wichtiger Grund ist, und

das ist wirklich traurig eigentlich, dass immer noch zu wenig mit den Menschen, die in die

Einrichtung kommen sollen, gesprochen wird, was sie eigentlich in die Einrichtung bringen

würde, dass sie mitbeteiligt sind auch an der Entwicklung von Formaten, an der Entwicklung

von Ausstellungstheater, was auch immer angeboten und so weiter.

Sondern es ist immer noch so, ist an den Häusern, da gibt es halt Konsumenten, für die machen

wir was, für die denken wir uns was Schlaues aus. Blöd, wenn die das nicht verstehen oder nicht

mögen. Naja, dann haben wir wenigstens ein bisschen experimentiert, aber auch mit dem

Experiment wird dann ja wiederum nichts gemacht.

Also wird da nicht drüber reflektiert oder mit den Peergroups irgendwie gesprochen und so

weiter. Also das ist nach so, so vielen Jahren und Jahrzehnten des Themas Kulturvermittlung für

mich eigentlich ein erschütterndes Ergebnis, dass wir immer noch über solche Sachen reden

müssen. Da gibt es wohltuende Ausnahmen und auch Einrichtungen, die das wirklich toll

machen und ganz tolle Programme haben, sehr integriert in ihre Gesamtarbeit.

Das tun auch viel stärker mit Beteiligungsprozessen arbeiten. Gar keine Frage. Aber in der

Masse, in der Fläche passiert das halt viel zu wenig.

Und das liegt natürlich auch daran, dass diesen Thema finanziell und personell eben auch nicht

die Aufmerksamkeit gegeben wird, die es haben sollte. Und wenn man mal schaut, rausgeht

aus dem Kulturbereich, also was Unternehmen alles tun, um die Bedürfnisse ihrer

Konsumenten kennenzulernen, die einzubinden, die sogar selbst als Prosumenten

miteinzubinden, die entwickeln sogar selber die Produkte, die die Firmen dann verkaufen und

gewinnorientiert dann verkaufen. Dann muss man sagen, also warum schaut man sich dort

nicht mal Dinge ab?

Also auch in Basel ist mir sofort in den Sinn gekommen, zum Thema Relevanz, ja, warum

kaufen Jugendliche eben bestimmte Schuhe? Oder warum folgen sie bestimmten Menschen im

Internet? Oder warum sind gewisse Produkte so relevant in ihrem Leben?

Ja, dass sie wirklich den ganzen Lifestyle bestimmen und, und, und. Und da sich mal Gedanken

auch darüber zu machen, welche Rolle da auch Kunst spielen kann, auch Kultur spielen kann,

das fände ich sehr, sehr lohnenswert und spannend. Und verstehe ich nicht, warum sich

darüber niemand Gedanken macht.

[Sprecher 2]

Naja, und ich meine, es ist halt immer punktuell. Also wie du sagst, es ist ja auf verschiedenen

Ebenen immer punktuell. Einerseits, klar, ist es irgendwie schön, ein Babykonzert zu haben,

aber ein Babykonzert ist ja noch keine Kulturvermittlung, sondern es ist einfach ein

Programmformat für Kinder.

Also du kannst halt auch mit Kindern in die Kindervorstellung ins Theater gehen, wenn du das

möchtest. Aber das ist ja noch nicht automatisch Kulturvermittlung. Deswegen die Frage, was

will eigentlich Kulturvermittlung im Gegensatz zur Programmarbeit?

Ja, also will ich dann eben noch zusätzliche Informationen aufbereiten oder will ich die

Teilnehmenden bei der Reflexion unterstützen oder was auch immer? Also das ist ja schon eine

Frage, die man für sich klären muss. Und dennoch ist es ja so, nur weil ich einmal an so einem

Format teilnehme, was auch immer es sein mag, also mag es der Workshop im Theater sein

und das kann ja auch ein Workshop zur Ausdrucksform oder was auch immer sein.

Aber wenn es eben eine einmalige Sache ist, dann ist natürlich die Nachhaltigkeit, die

Langfristigkeit damit keinesfalls gesichert. Und klar ist es ein Problem, das, sage ich mal, auch

wiederholend zu machen oder umfangreicher zu machen. Wenn du sagst, beispielsweise mit

Schulen, so wie viele?

Also es gibt einfach auch nicht die Zeit im Unterricht, damit die Kinder, keine Ahnung, über

Monate einmal die Woche in meine Einrichtung kommen und mit mir was machen können. So

das ist ja alles verständlich. Dennoch ist die Frage, und die kann ich nicht beantworten,

inwieweit es die Bemühungen gibt.

Und es ist natürlich auch die Frage, wie ist das eigentlich mit der Evaluation? Also wenn wir

dann über Wirkungsforschung reden, dann sind wir ja noch mal in einem ganz anderen

Bereich, der natürlich extrem schwierig ist. Aber das Punktuelle hat natürlich genau damit zu

tun.

Und das sprechen wir ja auch in der Magazinausgabe immer wieder an, dass es einfach, sagen

wir mal, im finanziellen Gesamthaushalt der Organisation ist halt die Vermittlung

wahrscheinlich, vermute ich, in den meisten Fällen ein eher kleiner Bereich. Also es wird einfach

nicht im Vergleich zur Programmarbeit natürlich deutlich geringer. Es ist sehr oft noch immer

eigentlich eher von außen angedockt.

Also das heißt, durch FreiberuflerInnen, es ist das, was häufig als erstes gestrichen wird, weil es

eben nicht, weil wenn du eben nicht die festen Stellen hast, sondern nur die freien, oder das

halt primär auf einer Projektebene passiert, na ja, dann kann ich das halt auch am leichtesten

streichen. Und ich stimme dir absolut zu, und das sagen auch die Beiträge im Magazin, es fehlt

sehr stark immer noch an der Rückwirkung eigentlich in die Häuser hinein. Und da haben wir

sehr schöne Beispiele im Magazin.

Also wir hatten zum Beispiel von Wenke Marderbacher, die in Dänemark in einem Museum

arbeitet und im Prinzip in ihrem Beitrag erklärt, dass dort Ausstellung und Vermittlung

eigentlich eins ist. Also dass es gar nicht getrennte Aufgabenbereiche sind. Und dass dieses

klassische, wir machen eine Ausstellung und hinterher soll die Vermittlung mal gucken, was sie

dazu macht, dort eben längst nicht mehr so ist, sondern dass immer mitgedacht wird.

Was nicht heißen soll, dass es das in Deutschland nicht auch gibt, das will ich nicht sagen, aber

sie sagt eben schon, dass sie merkt, dass im skandinavischen Raum, im Dänemark diese

Grundeinstellung dem gegenüber einfach eine ganz andere ist. Oder eben das Thema

Transformation und die Frage, wie kann eigentlich Vermittlung transformativ auch in die

Einrichtungen hinein wirken? Das ist natürlich auch ein Riesenthema.

Und genau, Irina Müller-Pruzowitsch hat darüber geschrieben, sie ist ja auch Professorin für

Musikvermittlung. Und sie macht eben auch ganz klar, dass im Prinzip VermittlerInnen genau

das können, was sich halt von Kultureinrichtungen auch erhofft wird, was auch erwartet wird

von Kultureinrichtungen. Also sie können, die arbeiten dialogisch, die kennen ihre Zielgruppen,

die kennen die Fragen, die an sie gestellt werden, vielleicht auch die Bedarfe, die die Leute

haben, die wissen, wie man aktuelle Themen und, ich sag mal, kulturelle Themen auch

zusammenbringt, wie man Rücken baut, wie man partizipative Formate schafft, wie man mit

einer Offenheit auch einfach an Leute rangeht, anstatt mit der Frage, was will ich denen sagen?

Eher mit, was wollen die von mir wissen oder was kann ich denen geben? Also diese

strukturelle Verankerung, und über die reden wir ja nun schon seit mehr als zehn Jahren, dieses

Reinwirken, sagen wir, in die Programmarbeit vor allem, ist, glaube ich, immer noch, also ich

würde behaupten, in den Museen vielleicht noch eher als in anderen Bereichen, aber doch nicht

so stark gegeben.

Und das zeigt sich ja dann auch wieder, wenn wir auf die Arbeitssituation gucken. Also wir

haben zwei Beiträge zur Arbeitssituation von KulturvermittlerInnen, einmal die Studie vom

Netzwerk Junge Ohren und ein Interview, das ich geführt habe mit Anja Hoffmann und Jens

Bordloff zur Situation in Museen. Und ich meine, es ist doch total erstaunlich, dass es im Prinzip

zur Arbeitssituation von KulturvermittlerInnen exakt eine Studie gibt, zur aktuellen, nämlich die

vom Netzwerk Junge Ohren, und dass alles andere irgendwie Schätzungen, Vermutungen,

Wahrnehmungen, Erfahrungsbasiert sind.

Und dass aber diese eine Studie für den Musikbereich, und die schließt eben nicht nur

irgendwie Orchester ein oder Konzerthäuser, sondern auch das ganze Thema Musikschulen,

Kunstschulen zum Beispiel, dazu wissen wir ja gar nichts, dass die eben ganz klar sagen, die

Situation ist enorm schwierig und wird natürlich noch schwieriger, einerseits durch das

Herrenberg-Urteil, das sich ja auch im Museumsbereich tatsächlich auf die freien Kräfte

zunehmend auswirkt.

Das heißt, Vermittlung kostet die Institutionen jetzt mehr, ob es die Institutionen und die

VermittlerInnen wollen oder nicht. Gleichzeitig schrumpfen die Gelder. Du siehst es an den

Musikschulen so, die Nachfrage ist viel höher, also als das was angeboten werden kann.

Also das heißt, wir sind da einfach in einer strukturell ganz schwierigen Situation aus. Wir

haben eigentlich die Leute, die wir brauchen, um öffentliche Kultureinrichtungen so zu

verändern, wie es von vielen Seiten gewünscht ist. Aber wir integrieren die Leute eigentlich nur

bedingt in die Programme oder in die strategische Arbeit oder gar nicht.

Wir bezahlen sie schlecht, wir streichen entsprechende Ansätze und kommen wir dann

irgendwie im schlimmsten Fall wieder dahin, wo wir vor 25 Jahren waren.

[Sprecher 1]

Ja, und was wir ja noch gar nicht besprochen haben, wie viel Vermittlungsarbeit auch

ehrenamtlich gemacht wird. Also ich habe vorhin, als wir gerade über die Kinder geredet

haben, darüber nachgedacht, wie viel Vermittlungsarbeit eigentlich Eltern, die das dann auch

gerne machen oder das auch für die Entwicklung ihrer Kinder für wichtig halten, machen und

wie viel man denen auch Unterstützung geben könnte, damit sie das eben auch noch besser

machen können. Und dann eben auch, wie viele Menschen in dem Wunsch, dass eben

kulturelle Angebote auch in ihrer Region da sind, vor allen Dingen eben auch in der Fläche, im

ländlichen Raum, da haben wir ja jetzt ja auch gerade letztens ein Magazin zugemacht, wie viel

ehrenamtliche Arbeit da reinfließt.

Ich bin morgen zum Beispiel wieder in einer Kleinstadt in Thüringen. Ich sitze ja seit drei Jahren

in einer Jury, die Kulturfördervereine in Thüringen auszeichnet, die besonders gute Arbeit

machen. In diesem Jahr ist Kulturvermittlung das Hauptthema.

Und es ist extrem spannend zu sehen, wie in kleinsten Initiativen wirklich wahnsinnig viel Arbeit

geleistet wird. Und jetzt könnte man natürlich sagen, ja, vielleicht ist das wissenschaftlich nicht

a state of the art, aber darum geht es gar nicht, sondern die schaffen es, kulturelle Inhalte zu

vermitteln als einen absolut wesentlichen und wichtigen Bestandteil ihres gesellschaftlichen

Lebens, ihres Bürgerinnen- und Bürgerdaseins vor Ort, weil sie einfach wissen, wenn das nicht

mehr da ist, dann ist das ganze Gemeinschaftsleben tot.

Und natürlich äußert sich das auch in ganz unterschiedlichen Dingen. Da sind nicht nur

Lesungen und Konzerte dabei, da sind auch Dialoge oder sind auch Märkte oder was auch

immer gehört damit dazu. Da sind wir wieder bei dem Thema breiter Kulturbegriff.

Aber die Leute engagieren sich wahnsinnig viel. Das sind auch irre Arbeitsstunden, die da

reinfließen. Und wo die Leute wirklich nicht nur Dinge erhalten, sondern auch versuchen,

näherzubringen, was für bestimmte Arbeitstechniken das zum Beispiel sind, erhalten sogar

auch diese handwerklichen Fähigkeiten, bauen Bibliotheken dazu.

Auf letztes Jahr haben wir dazu in Pösneck eine ganz tolle Initiative ausgezeichnet, die halt nicht

nur alte Druckmaschinen und das alte Druckereiwesen bewahrt haben, sondern tatsächlich

auch eine ganz, ganz starke Vermittlungsarbeit gemacht haben, eine wahnsinnige Bibliothek

aufgebaut haben und diese Handwerkskenntnisse vermittelt haben. Und so machen das Leute

in Kirchen, zu Orgeln, zu alten Friedhöfen, zu alten Schlössern, die es ja hier in Thüringen auch

zuhauf gibt, wo sie sich tagtäglich engagieren und das nicht nur erhalten, sondern tatsächlich

auch über die Geschichte forschen, die Geschichte vermitteln, Menschen an bestimmte Dinge,

Lebensweisen heranführen, an kulturelle Hintergründe und, und, und. Also das auch und das

passiert noch zusätzlich nebenbei zu der professionellen Arbeit in den Häusern, die, wie du

eben sahst, ganz häufig auch freiberuflich gemacht werden.

Ich habe auch gerade mal geguckt, es gibt gar keinen Bundesverband der Kulturvermittler.

[Sprecher 2]

Eine Museumspädagogik.

[Sprecher 1]

Genau, es gibt dann spartenbezogen Dinge oder es ist in der Soziokultur oder in anderen

Dingen eingebettet, aber da gibt es sozusagen auch gar keinen Branchenverband, der da

irgendwie auftreten kann und die Belange der KulturvermittlerInnen auch annoncieren kann

und dafür auch Lobbyarbeit machen kann. Und letztendlich, noch mal, also aus meiner Sicht ist

das auch ein Leadership-Gap, wenn Kulturvermittlung nicht von den Leitungen des Hauses als

ein wesentlicher Teil der Arbeit gesehen wird. Denn das wäre so, als würde ich einfach was vor

mich hin produzieren, weil ich denke, es gibt Leute, die das mögen, aber...

[Sprecher 2]

Na, was heißt, es wäre so, es ist ja so.

[Sprecher 1]

Und dann hoffe ich mal, dass das gebucht und besucht wird, aber auch, was davor und was

danach passiert und wie man die länger auch an sich binden kann, das ist dann noch mal eine

andere Frage. Das steckt dann vielleicht wieder im Marketing oder der Social-Media-Arbeit. Und

auch das ist dann wiederum blöderweise nicht miteinander verzahnt.

Ja, und das kann man gar nicht begreifen, weil, wie gesagt, wenn man außerhalb des

Kulturbereichs schaut, ist das alles integrativ miteinander verwoben. Muss auch so sein. Ja, weil

sonst kannst du auf einem Markt gar nicht bestehen.

Und vielleicht ist das eben das große Dilemma, dass der Kulturbereich nur in Teilen ein Markt

ist oder nach Marktmechanismen funktioniert, was ich nicht damit sagen will, dass ich das

ändern will. Ganz und gar nicht. Aber wenn schon so viel Geld auch da reinfließt, dann erwarte

ich eigentlich auch, dass die Häuser über solche Dinge nachdenken und sie verändern.

Und klar, reden wir jetzt gerade über schwindende Budgets oder auch Einschnitte in Budgets.

Aber wenn ich mir manche Budgets angucke, auch von Kommunen, von den einzelnen

Einrichtungen, dann sind die so komisch zum Teil aufgebaut. Dann wird unfassbar klar, fließt

viel Geld in das Personal.

Das kann man auch so nicht ändern. Man könnte höchstens sagen, dann investiere ich es in das

Personal, was vielleicht auch eine Zukunftsentwicklung irgendwie vorantreiben kann oder

Schule ist dafür. Aber es gibt eben Häuser, die dann sehr viel Geld für die Produktion haben

oder für die Ausstellungs, für die Opern, für die Konzertproduktion und ganz minimales Budget

für Marketing zum Beispiel.

Oder Kommunikationsarbeit oder Dialogarbeit oder was auch immer. Und da kann man auf

jeden Fall, glaube ich, auch ansetzen und diese Verhältnisse ein bisschen neu austarieren und

sagen, okay, dann nehme ich eben aus meinen Produktionsetats, die manchmal wirklich

aberwitzig sind, Dinge heraus und stecke sie ganz bewusst in die Vermittlungs- und in die

Kommunikationsarbeit, weil sie vielleicht auch das Produkt mit besser machen, mit leichter

annehmbarer, anschlussfähiger, verlängerbarer, was auch immer.

[Sprecher 2]

Ich glaube, es ist schon oft noch der Gedanke, dass eigentlich das Produkt, das Programm für

sich spricht.

[Sprecher 1]

Funktioniert aber nicht, wenn du gar keine Ahnung hast und du gar keinen Hintergrund

mitbringst.

[Sprecher 2]

Ich glaube aber, dass es eine Einstellung ist, die in vielen, also gerade im künstlerischen

Bereich, sehr stark vorherrscht, dass es für sich spricht und für sich sprechen soll. Nun gibt es

auch dazu keine Studien wie zu so vielem, aber ich weiß zum Beispiel aus der

Wissenschaftskommunikation, da gibt es ja einen Forschungszweig, der sich nur der

Wissenschaftskommunikation erforscht und der zum Beispiel seit Langem gezeigt hat, dass

sich Wissenschaftskommunikation vom intellektuellen Anspruch her eigentlich primär an

diejenigen wendet, die schon ein hohes Vorwissen mitbringen. Korrigiere mich, aber mein

Eindruck ist, das können wir eins zu eins auf die Kultur übertragen. Um auf die Opernsängerin

zurückzukommen, wenn das Marketing, was ich mache, primär quasi die Sängerin beinhaltet

und ich kenne die nicht, dann spricht mich das natürlich auch nicht an.

Das heißt, man hat vielleicht die Idee, dass es inhaltlich aus sich selbst heraus spricht, was man

durchaus sicherlich auch hinterfragen kann oder zumindest sich überlegen kann, ob es denn

tatsächlich so ist, dass die Denkprozesse, die auch mit der Programmarbeit zusammenhängen,

dann durch das Produkt selbst sichtbar werden oder ob es nicht auch der Denkprozess ist, den

man auch teilen sollte. Untertitel im Auftrag des ZDF für funk, 2017 Wie genau ihr uns

unterstützen könnt, erfahrt ihr in der Podcast-Beschreibung und in den Show Notes.

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Folge 23 Teil 2

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[Sprecher 2]

die man erreichen möchte oder vielleicht noch nicht erreicht, eben gleich einbinden kann. Also

ich weiß noch ganz genau, eine Kollegin von mir hat mal erzählt, das war bestimmt schon 20

Jahre her, dass sie am Smithsonian Institute eine Ausstellung zu indischer Kunst gemacht

haben und wirklich Menschen aus der Stadt, aus der Umgebung eingebunden haben, um eben

diese Ausstellung vorzubereiten. Und haben dann eben danach gefragt, wie sie einfach mit

indischer Kultur in Verbindung sind oder was sie mit Indien verbinden, was sie erwarten

würden, wie das aussehen soll und haben das gemeinsam mit diesen Leuten kuratiert und das

war ein Riesenerfolg.

Und ja, also klar gibt es sicherlich in Deutschland auch Beispiele dafür, aber entweder sie

werden nicht gut genug kommuniziert oder auch in der Szene nicht ausreichend bewirtigt und

besprochen.

[Sprecher 1]

Du hast halt dasselbe Problem im Prinzip. Also es gibt partizipative Formate, gibt es auch

immer mehr, aber du hast natürlich wieder das Problem, dass die partizipativen Formate

immer punktuell sind. Also dann lade ich mir die Jugendlichen mit Migrationshintergrund oder

Fluchterfahrung ein und mache mit denen eine Ausstellung oder ein Theaterstück oder was

auch immer.

Das ist eine einmalige Sache und das war es dann. So, dann wird die Beziehung nicht wirklich

weiterhin gepflegt, was sicherlich auch mit Zeit und Ressourcen zu tun hat, keine Frage. Und es

spielt eben wieder auch nicht ins Haus zurück, sondern es ist immer etwas Einmaliges.

Und dann wundert man sich, wie es früher bei Social Media war, dann wundert man sich,

warum einem danach dann diese Gruppe nicht die Türen einrennt, weil man und das ist ja eine

Frage und die wird tatsächlich auch im Magazin gestellt. Nämlich ist es denn überhaupt

realistisch davon auszugehen, dass Kulturvermittlung Menschen zu Publika macht? Weil ich

sage mal, wenn ich in ein Theaterpädagogisches Programm gehe als Kind und ich finde das

spannend, dann habe ich ja aber dadurch noch nicht Theater erlebt.

Also heißt das Format ist ja das vielleicht im Museum noch ein bisschen anders. Aber gerade im

Darstellenbereich ist ja das das Format der Vermittlung ein so anderes als das Format des

Programms, dass es ja nur weil mir das eine gefallen hat, gar nicht automatisch heißt, dass mir

das andere gefällt oder gar, weil ich eben eins einmal toll fand, dass ich das andere dann

dauerhaft besuche. Also dass ich dann mein Leben lang ins Theater gehe, weil ich als Kind am

Fünf-Theater-Workshops teilgenommen habe.

Das ist ja überhaupt keine automatische Gegebenheit.

[Sprecher 2]

Auch diese Sachen sind meistens nicht miteinander verlinkt. Und wenn du jetzt sagst, wenn ich

schon mal Leute durch eine Vermittlungsarbeit erreiche, wir haben ja eben gerade festgestellt,

dass sehr viel ehrenamtliches Engagement auch in dem Bereich ist. Ja, warum mache ich dann

nicht Leute gleich oder entwickle ich nicht Leute zu Botschaftern, arbeite mit denen und auch

die können wieder in ihren Szenen mit ihren Leuten da arbeiten.

Und so kann ja dann etwas entstehen, was sich immer weiter ausbreitet. Aber wenn ich in viele

Kommunen auch schaue, sehe ich eben auch, dass zum Beispiel große Theater, große Museen

dann eben auch nicht mit kleineren Initiativen, mit kleinen Theatern, mit Jugendtheatern, mit

wem auch immer zusammenarbeiten. Das existiert alles nebeneinander, ist überhaupt nicht

miteinander verzeihend.

Du weißt nicht, ob das Publikum von einem kleinen Kinderschauspiel irgendwann mal von dem

großen Schauspielhaus das Publikum wird. Oder nicht vielleicht sogar dann dem kleinen

Theater treu bleibt, weil sie sagen, diese Produktion finde ich für mich viel spannender, weil es

ganz andere Themen aus dem Leben irgendwie nimmt. Dann muss ich jetzt nicht, was weiß ich,

die große Theaterliteratur irgendwo sehen und so weiter.

Oder dann eben auch diese kleinen Theatergruppen an Schulen oder die privaten Vereine, die

irgendetwas machen. All das ist auch irgendwie nicht miteinander verzeihend und alle

versuchen immer das Gleiche und richten sich vielleicht sogar auch noch an ähnliche

Zielgruppen, kommen aber auch gar nicht auf die Idee, gemeinsam da Dinge zu machen. Und

da ist eben auch viel Potenzial, was auf der Strecke bleibt.

[Sprecher 1]

Ja, also ich glaube, das gilt ja auf ganz vielen Ebenen. Und ich glaube, man macht es sich da

auch ein bisschen zu leicht, wenn man immer sagt, die Häuser wollen ja nicht oder die Leute

wollen ja nicht. Ich glaube, man will schon sehr viel.

Und ich meine, wir haben für das Magazin, für den Call for Papers so viele Einreichungen

bekommen, was ja schon von Leuten, die im Prinzip sagen, wir machen hier ein tolles Format,

ich würde das gern anderen vorstellen. Das heißt, man merkt schon, da ist was in Bewegung.

[Sprecher 2]

War aber auch nicht aus allen Sparten.

[Sprecher 1]

Nee, genau, das wollte ich gerade sagen. Aber kleiner Teaser, liebe Hörende, wir haben

natürlich nicht die Hälfte aller Einreichungen einfach abgelehnt, sondern in der

Auseinandersetzung ist uns aufgefallen, dass man das Thema eigentlich, also dass man diese

Vermischung von Themen, dass wir uns bemühen wollen, die ein bisschen zu trennen. Und das

heißt, in einer Ausgabe, in einer Magazinausgabe im nächsten Jahr werden noch einige der

eingereichten Themen dann präsentiert von den AutorInnen.

Aber es zeigt irgendwie, da ist was in Bewegung. Also da passiert viel. Genau, aber wie du

sagst, also die Mehrheit der Einreichungen und jetzt auch der Beiträge, die wir dann für diese

Ausgabe ausgewählt haben, beschäftigen sich mit den beiden Bereichen Museum und Musik

und mit Orchestermusik, gar nicht mal breiter Musik und auch nur so was wie Musikschulen,

auch nur am Rande im Rahmen der Studie des NJO.

Und das fand ich auch ganz spannend. Das eine, dass es fast nur diese zwei Spaten waren und

zum anderen fast nur Frauen, die eingereicht haben und die am Ende dann auch geschrieben

haben und tatsächlich sagen sowohl die Studie als auch das Interview zum Museumsbereich,

das ich geführt habe, dass Vermittlung ist immer noch ein sehr, sehr stark weiblich geprägter

Bereich, auch für die Kultur. Und die ist ja an sich schon recht weiblich, überdurchschnittlich

noch mal weiblich.

Und ich habe über die Spaten eigentlich seitdem ziemlich viel nachgedacht und habe mich

gefragt, woran das liegt. Und ich weiß die Antwort nicht. Also, liebe Hörende, wenn ihr die

Antwort wisst, sagt es mir bitte.

Liegt es beispielsweise daran, dass im Theaterbereich nichts passiert? Weiß ich nicht. Kann ich

nicht sagen.

[Sprecher 2]

Nee, würd ich so nicht sagen.

[Sprecher 1]

Was ich aber spannend fand, und das liegt sicher auch an unserem Zuschnitt, ist, dass es

primär der öffentliche Kulturbereich war. Und dann habe ich mich gefragt, wie ist das eigentlich

so bei anderen Kulturbereichen mit der Vermittlung? Also, ich meine, klar, wenn wir an die

Soziokultur denken, die Soziokultur ist im Prinzip eine Kulturform der Vermittlung, würde ich

sagen.

Also ist eben weniger festgelegt auf bestimmte Kulturformen, sondern die Idee ist Vermittlung,

aber eher wieder im Sinne von, wie ich es vorhin gesagt habe, Empowerment.

[Sprecher 2]

Teilhabe.

[Sprecher 1]

Teilhabe, Kompetenzweitergabe, solche Dinge. Das heißt, da gibt es in dem Sinne keine

Trennung von Programmarbeit und Vermittlungsarbeit. Und dann habe ich gedacht, aber wie

ist das denn so im Bereich Film?

Im Bereich Literatur, im Bereich, darüber sprechen wir ja auch immer mal, Musical. Also wenn

wir jetzt Musical sagen, wir als nicht das, was an öffentlichen Theatern stattfindet, sondern

eben sowas wie Stage Entertainment oder den Schaubereich uns angucken. Was ist eigentlich

mit diesen Kulturformen, die die Leute ja sehr stark auch zu Hause konsumieren?

Also Kino ja, aber ich sage mal, Film, auch Serie, Buch, ist ja doch etwas, was sehr stark zu

Hause stattfindet. Und dann dachte ich, na ja gut, also das gibt es schon. Also es gibt schon

Vermittlung, aber ich glaube, das ist aus mehreren Gründen anders gelagert.

Einerseits, weil das glaube ich schon in vielfacher Hinsicht eher selbst für sich spricht. Also

wenn ich ein Buch lese, klar muss ich es auch ans Lesen herangeführt werden. Aber wenn ich

einmal irgendwie zum Lesen gekommen bin, dann lese ich ein Buch allein und dann erschließe

ich mir das Buch.

Tendenziell, vielleicht gehe ich mal zu einer Lesung oder in einem Buchclub. Aber grundsätzlich

ja. Aber dann habe ich eben Thema Social Media, Booktalk, Riesenthema, Millionen von jungen

Menschen gucken sich BuchinfluencerInnen gerade auf TikTok an.

Das hat ja auch den Buchmarkt komplett verändert, weil dann so einzelne AutorInnen auch so

hochkommen, wahnsinnig groß werden. Und das gab es schon vor Booktalk beispielsweise auf

YouTube. Ich habe in der Pandemie mit jemandem gesprochen, der einen Literaturkanal auf

YouTube hat und dort Literaturvermittlung macht.

Und da gibt es ganz verschiedene, also relativ viele Leute, die das aber auch sehr

niedrigschwellig machen, ohne dass es jetzt irgendwie banal wäre, aber die versuchen, das

sehr lebensnah zu machen. Und es gibt eben so was wie Gruppen, Facebook-Gruppen, Discord-

Gruppen, was weiß ich, zu Büchern. So, das heißt, die Leute tauschen, die Vermittlung findet da

in so einer Mischung aus Community und AutorInnen statt.

Die AutorInnen geben irgendwie Infos rein, sei es über einen Blog oder über ihre eigenen

Kanäle oder über die Verlage. Und die Community vernetzt sich aber so miteinander, diskutiert

darüber, tauscht sich darüber aus. Das ist ja was, was wir in der Hochkultur oder in den

öffentlichen Kulturbereich weniger stark haben.

Also man hat zwar durchaus eine gewisse Fankultur, wenn ich jetzt wieder an die

Opernsängerin denke, aber sie ist eben nicht so miteinander vernetzt und so auf Austausch

angelegt. Und ich wollte sagen, bei Filmen und Serien ist es ja ähnlich. Also du redest mit

deinen Freunden oder mit Leuten irgendwie online, die das auch lesen, du holst dir da deine

Information.

Man ergänzt auch die Information, die eine weiß das, der andere weiß das und so. Und das hat

aber auch dadurch, glaube ich, für die Leute eine ganz andere Relevanz. Es ist einfach was

anderes, wenn ich in eine Museumsführung gehe oder wenn ich mich zu Hause ...

Und ich stehe ja dazu, ich bin ja bekennender Fantasy-Fan. Und auch ich bin jemand, der, wenn

ich eine gute Buchreihe lese, gucke, gibt es da eben Gruppen zu oder Communities, wo ich

reinlesen kann, gibt es Hintergrundinformation, gibt es Materialien, ich lese Blogs und

Wikipedia-Artikel und Beiträge und weiß ich nicht was alles. Und dann ist ja die Frage, aber wie

kann ich das jetzt übertragen?

Na, auf den Theaterbereich beispielsweise oder auf den Museumsbereich. Heißt es dann in

dem Sinne, dass ich Vermittlung vielleicht auch mehr in die Hände der Leute ein bisschen

geben muss? Natürlich.

Dass ich denen auch die Möglichkeit geben muss, sich vielleicht darüber auszutauschen, sich

über die Vorstellung auszutauschen, über die, die sie gerade gesehen haben, sich darüber

auszutauschen, was bedeutet vielleicht Musik für dich, was bedeutet Musik für mich? Also das

ist so ein bisschen dieses ... Aber das ist natürlich schwierig, sag ich mal, das irgendwie zu

animieren.

Aber klar, und dann hast du halt ... Aber gleichzeitig da, sag ich mal, sind die Berührungspunkte

dann mit den KünstlerInnen selbst in gewisser Weise natürlich weniger. Zu sagen, also wie oft

kann ich zu einer Lesung gehen, zu einer Buchlesung von Büchern, die mir wirklich am Herzen

liegen?

Das kann ich ja nicht zehnmal, wenn es zehnmal hintereinander aufgeführt wird. Sondern das

passiert eben im Zweifelsfall, was weiß ich, einmal alle fünf Jahre oder je nachdem, wo ich da

hingehe. Aber ich will sagen, also die Ausrichtung ist eine andere, aber die Vermittlung hat

dann auch eine andere Form.

Und ich finde das ganz spannend, weil das, was du sagst, das Thema Relevanz, damit ja ganz

eng verbunden ist. Ich lese ja Bücher auch nicht nur zur Unterhaltung, sondern es macht ja

auch was mit mir.

[Sprecher 2]

Also wenn du das anschaust ... Also erst mal, die neuen Medien und die neuen Kanäle, die es

gibt, bieten unglaublich viele Möglichkeiten. Ja, das muss man erst mal feststellen.

Dann ist die nächste Frage, was ist denn so schlimm daran, wenn man nicht immer die Hoheit

an der Diskussion hat? So, und Relevanz gerade im Influencer-Bereich entsteht ja eben gerade

dadurch, dass die Diskussion demokratisiert wird und eben ganz viele Leute vielleicht dann

auch als Expertinnen und Experten wahrgenommen werden zu Themen, die dich betreffen.

Aber dann wird immer noch über dich geredet und wird über dich sich ausgetauscht.

Und du bist vielleicht als Thema im Mittelpunkt. Und das kann doch nur gut sein. Und so

entstehen ja auch Trends.

Also es gibt ja rauf und runter Trends, wo du denkst, wo kommt denn das jetzt her oder was ist

denn das jetzt? Noch nie gehört, weil die Leute das selbst zu einem Trend machen. Das wird

natürlich marketingmäßig vielleicht noch unterstützt.

Aber manche Dinge ploppen einfach auch so auf, weil sich Communities untereinander

irgendwie darüber informieren und dann das toll finden und darüber schreiben. Und so

entsteht natürlich eine wahnsinnige Aufmerksamkeit, die eben Dinge auch pushen kann. Und

solche Dinge, wie du gerade gesagt hast, sich mal anzuschauen und gucken, was kann man

denn davon lernen?

Was kann man denn da übertragen? Und was macht denn Sinn? Ohne dass man jetzt sagt, ich

muss unbedingt InfluencerInnen einbinden und einladen, dass die über mich schreiben.

Ja, die schreiben im Zweifelsfall vor allem über Dinge, die sie selber interessieren. Und dann

muss ich eben mal darüber nachdenken, wie komme ich denn dazu, dass ich interessant für die

bin? Und das ist halt eine wichtige Arbeit.

Aber dazu muss ich eben auch schon mal offen sein, mich in diese Dinge reinzubegeben oder

mit diesen Menschen mich zu unterhalten oder ihnen auch Infos zu bieten oder auch

anschlussfähig für die zu werden. Auch zu gucken, wie ich meine Dinge vielleicht da auch mit

reinbringen kann. Und manchmal sind es eben auch die Mitarbeitenden, die in solchen Kanälen

sind, als Fan und als Mitgestalter, Mitdiskutantinnen.

Und dann muss das nicht immer von oben dirigiert sein, sondern man muss auch mal gucken,

ob man nicht aus den Interessen der Einzelnen wirklich auch noch mal eine

Kommunikationsstärke entwickelt. Und letztendlich, was ja auch wichtig ist, was wir ja auch in

unserem Magazin zeigen wollten, wir wollen ja gar nicht daherreden, dass alles im Argen ist in

der Kulturvermittlung. Es gibt so viel Potenziale und so viele tolle Projekte und so viele tolle

Initiativen und Erfahrungen und so viele tolle Menschen vor allem auch.

Es geht einfach darum zu gucken, wie kann ich das noch stärker eben für meine

Weiterentwicklung oder Transformation nutzen? Und das öffnet auch neue Wege und Türen

und eben auch neue Möglichkeiten. Und das ist natürlich dann tatsächlich auch eine Frage der

Leitungsebene, die sowas erkennen und verankern muss und sowas auch vor allem leben

muss.

Also es kann nicht ein Projekt sein, es kann auch nicht sein, wir machen mal, sondern das muss

schon strategisch verankert sein und mit dem Gedanken verbunden sein, wohin führt uns das,

wohin soll es uns auch führen? Oder wollen wir uns vielleicht auch mal auf den Weg begeben,

erst mal offen für ein Ergebnis und schauen, was wir dabei lernen können, was wir für Fehler

machen, was wir aber für tolle Dinge auch machen und etablieren können. Und was können

wir, wenn wir das dann evaluieren und immer weiter fortführen, auch daraus für uns

mitnehmen, um uns dann eben in eine völlig neue Richtung oder auch weiterzuentwickeln?

Und das ist ja auch ein Gedanke, den wir mit dem Magazin gehabt haben.

[Sprecher 1]

Naja, und gleichzeitig, wenn du aber mal schaust, also wie wenig Menschen wirklich auf

Leitungsebene von Kultureinrichtungen denn einen Vermittlungshintergrund haben. Also ich

weiß, ich habe das, glaube ich, schon so oft erzählt, aber ich erzähle es auch immer wieder

gerne, dass ich damals auf meiner ersten Bundesvolontärstagung des Deutschen

Museumsbundes einen Museumsdirektor sagte, naja, wenn sie nicht promoviert sind, dann

bleibt ihm halt nichts anderes übrig, als in die Vermittlung zu gehen. Und das sagt so viel, das

ist über zehn Jahre her und das sagte damals schon so viel, dass im Prinzip, auch wenn du aus

der Vermittlung kommst, du ja kaum wirklich die Direktion oder eine Führungsposition in einer

Kultureinrichtung bekommst.

Also je nachdem natürlich, wie das Gremium das wieder ausschreibt und so weiter und so fort.

Es kommt auch wieder auf die Sparte an. Im Museumsbereich gibt es das durchaus, wenn auch

selten, weil auch da natürlich, sagen wir immer, die wissenschaftliche Qualifikation durchaus

höher bewertet wird.

Aber ich sage mal, eine Theaterintendanz mit einem Hintergrund oder mit einer primären

Berufserfahrung in der Theatervermittlung oder in der Pädagogik, gibt es das?

[Sprecher 2]

Also es gibt ja Geschäftsführungen, zum Beispiel der Berliner Philharmoniker, die natürlich

einen Medienhintergrund haben. Also es gibt schon noch Beispiele, wo Leute aus der

Kommunikation, ja, aus der Kommunikation, ja. Ja, aber auch da zähle ich jetzt die Vermittlung

zum Beispiel dazu, die dann in Führungspositionen kommen und auch die Geschicke von

Häusern bestimmen können.

Aber es ist tatsächlich, wie du sagst, sehr selten. Letztendlich ist das sowieso eine Entwicklung

oder ein Zustand, den wir in Europa zumindest auch haben, und in Deutschland ganz

besonders, dass das ExpertInnen-Dasein immer sozusagen der Weg oder der Garant für eine

Führungsaufgabe ist, was zum Teil völlig widersinnig ist, weil diese Leute in ihren Themen

wirklich top sind, was aber noch lange nicht heißt, dass die Menschen führen können, Visionen

entwickeln können, Strategien entwickeln können, in Netzwerken kommunizieren können und

so weiter und so fort.

Also das ist ein Riesenunterschied. In der Corporate-Welt sieht man das auch ganz, ganz

deutlich, gerade im deutschen Ingenieurswesen, wie viele Ingenieurinnen und Ingenieure da

Führungskräfte werden und aber überhaupt keine Ahnung von Führungen haben. Und in

Amerika, Nordamerika, das eben auch völlig normal ist, dass eben vermittlungsorientierte

Menschen vor allem Führungsaufgaben innehaben, die dann eben die Expertinnen und

Experten zusammenführen und zu Höchstleistungen bringen und Unternehmen entwickeln

und so weiter.

Das ist schon, da ist auch so ein bisschen, das stellt uns unsere eigene kulturelle Entwicklung,

gesellschaftliche Entwicklung so ein bisschen das Bein. Aber das kann man ja ändern.

[Sprecher 1]

Ja, aber dann müsstest du ja sagen, wenn wir das jetzt mal runterbrechen, dann müsstest du ja

in der Organisation quasi über die künstlerische Leitung eine strategische Leitung drüber

setzen, wenn du es so willst.

[Sprecher 2]

Ja, es gibt ja solche Konstrukte und die sind nicht häufig, die sind eher selten und brechen

natürlich zum Teil, wenn ich jetzt ans Theaterwesen denke, mit den Vorstellungen dessen, was

ein Intendant oder Intendantin ist als Bild. Wie kann es sein, dass da jemand, der

wirtschaftliche Entscheidungen trifft, noch über denen steht? Wir haben es ja jetzt zum Teil

schon geschafft, dass die beide auf Augenhöhe agieren können, was nicht immer gut

funktioniert, aber manchmal eben doch auch schon.

Aber das ist absolut noch nicht der Fall. Und die Person, Intendantin, Intendant strahlt eben

immer noch über alles, genauso wie sie eben die Person Direktor, Direktorin in anderen

Einrichtungen, Museen, wo auch immer, alles überstrahlt. Und wenn du Glück hast, hast du

jemanden, der toll kommunizieren kann, die Leute begeistern kann, die Leute mitziehen kann.

Das sind manchmal aber auch Leute, die in der Szene nicht so gut angesehen sind.

[Sprecher 1]

Ja, ich habe die ganze Zeit an Max Holler hingedacht. Aber er ist so der, wo immer gesagt wird,

wie kann das sein, dass da ein Kulturmanager da steht, ein nicht promovierter Kulturmanager

da steht, im Museum leitet. Der hat ja nicht mal Kunstgeschichte studiert und der hat dieses

Museum so vorangebracht in seiner Zeit.

Und ich meine, ist dann halt irgendwie Direktor des Museum of Fine Arts, glaube ich, in San

Francisco geworden und dann des MoMA. Also, wo man sagen muss, da hat die Deutschen, die

schlagen die Hände vor die Augen und wissen nicht, was sie mit so einem sollen. Und

international ist er einfach der gefeierte Museumsstar.

Also, da sieht man einfach, wie unterschiedlich das ist.

[Sprecher 2]

Ja, ja. Und ja, das sagt ja viel auch über die Kulturszene an sich aus, nach wie vor in

Deutschland. Da ändert sich auch was.

Also, das ist ja das Spannende und auch das Interessante und Schöne zu sehen, dass eben auch

viele junge Menschen in diesen Bereich tatsächlich auch reinkommen, in

Führungsverantwortung kommen, die eben doch eine andere Denke haben und auch Dinge

verändern. Ob das jetzt geteilte Führungsmodelle sind, ob das eben tatsächlich Menschen sind,

die aus der Kommunikationsvermittlungsarbeit kommen, dann eben an der Spitze von Häusern

sind und so weiter. Oder kann man nur hoffen, dass sich das auch viel, viel stärker noch

durchmischt und auch verändert, gerade weil eben auch heute in den Kultureinrichtungen

noch mal ganz andere Herausforderungen sind.

Also, ja, ich kann ja inhaltlich wirklich top sein, aber im Moment sind in der Gesellschaft so viele

andere Themen extrem im Vordergrund, mit denen muss ich umgehen können. Und da bin ich

vielleicht nicht immer mit meiner inhaltlichen Top-Ausrichtung gut aufgestellt.

[Sprecher 1]

Ich fand das ganz spannend. In Basel wurde ja bei der Jahrestagung vom Fachverband

Kulturmanagement im Vorfeld der Jahrestagung haben ja Birgit Mandl, also die Uni Hildesheim

und die Uni Basel Franziska Bräuning eine Umfrage gestartet zum Thema Transformation im

Kulturbetrieb. Und die Ergebnisse haben sie in Basel vorgestellt.

Es waren über 1.000 Teilnehmende an der Umfrage. Und ich sage mal, es war jetzt in der Breite

gar nicht so überraschend. Aber was für mich jetzt hier gerade passt zu dem, was du sagst, sie

haben quasi, eine der Fragen war, welche der folgenden Herausforderungen finden sie im

Moment als besonders relevant oder Themen für ihre Arbeit?

Und dann war da eben Diversität, Nachhaltigkeit, politischer Wandel, gesellschaftliche

Spaltung, dies, das, jenes. Und das Interessante war, es stach keins raus. Und es waren auch

immer mehrfach Antworten möglich.

Und sie meinten, und das ist halt wirklich dieses Thema. Du kannst heute nicht sagen, das ist

das eine Thema, sondern alle Themen, die auf dieser Liste standen, mit denen wir uns auch viel

beschäftigen, die sind für die meisten Kulturinstitutionen gleichrangig. Und das ist natürlich

eine extreme Überforderung auch, wenn ich mit fünf, sechs gleichrangig relevanten Themen

auf einmal umgehe und die alle irgendwie bearbeiten soll.

Und gleichzeitig glaube ich aber auch, um zurückzukommen zum Thema Kulturvermittlung,

dass das für ganz viele von diesen Themen eine große Rolle spielt. Vielleicht nicht für alle. Also

wenn ich jetzt an Nachhaltigkeit denke, wenn man mal von Nachhaltigkeitsbildung absieht, ist

das Verhältnis von Kulturvermittlung und nachhaltiger Kulturarbeit im Sinne wirklich der

ökologischen Nachhaltigkeit, hat die Kulturvermittlung jetzt vielleicht nicht die größte Relevanz

im Vergleich zu, was weiß ich, zum Beispiel dem Programm.

Aber bei so vielen anderen Punkten eben, Diversität in der Gesellschaft, Erwartungen, politische

Entwicklung, auch politische Ausrichtungen in der Gesellschaft, auch die ganze Frage, und das

wissen wir ja alles nicht, was für politische Haltungen haben eigentlich Leute, die in

Kultureinrichtungen gehen oder in verschiedene Sparten gehen? Wie repräsentieren wir

eigentlich auch Leute, deren Haltung uns vielleicht nicht gefällt? Oder wie holen wir die ab?

Oder was machen wir mit denen? Oder was auch immer. Da spielt ja alles Kulturvermittlung

irgendwie rein.

[Sprecher 2]

Wobei ich dir daher sagen muss, also zum Thema Nachhaltigkeit, ökologische Nachhaltigkeit ist

ja nur ein Teilaspekt von Nachhaltigkeit. Da gibt es schon sehr, sehr viele Aspekte der

Nachhaltigkeit, wo die Kulturvermittlung absolut anschlussfähig ist und auch sogar wichtige

Arbeit leistet. Aber was ich da an dem, was du jetzt auch gesagt hast, auch immer interessant

finde, ist, es ist schon auch interessant, wie Kultureinrichtungen ständig auf das Agenda-Setting

reagieren müssen, weil ja ständig neue Buzzwords irgendwie aufblobben, die megawichtige

Themen sind, die die ganzen Häuser umwerfen können.

Und ich glaube, es ist eben auch eine wichtige Aufgabe von Leitungspersonal herauszufiltern,

was von diesen gesellschaftlichen Trendthemen ist denn wirklich für mein Haus relevant? Wo

setze ich einen Fokus drauf und wo nicht? Was betone ich mehr und was nicht?

Wie kann ich mich vielleicht, manche nutzen das ja auch, um sich im gesamten Angebot noch

mal anders zu positionieren und was nutze ich nicht? Und da hilft eben tatsächlich dann auch

häufig gar nicht nur die inhaltliche Expertise, sondern dann braucht man auch andere Dinge.

Und was ich bei Basel angesprochen hast und auch die Studien angesprochen hast, eben

interessant finde, ich habe eine extreme Erwartungshaltung eben auch an die Einrichtungen,

die ausbilden, dass sie das, was sie dort erforschen, dann auch in ihre Curricula verankern und

den Menschen mit auf den Weg geben, damit sie diese Herausforderungen eben auch

annehmen können und da Lösungen herbeiführen können und auch gut gerüstet in die Arbeit

gehen.

Und ich weiß, dass in den Studiengängen nicht mit Fingerschnips alles geändert werden kann,

aber wenn ich mir die Curricula ansehe und dann schaue, was in den Studien eigentlich an

Fähigkeiten und an Themen herausgearbeitet wird, da matcht nicht viel miteinander. Und das

hoffe ich eben, dass das auch, und das erwarte ich eigentlich auch vom Fachverband, dass da

eben stärker auch eine Diskussion losgeht, wie können wir das, was wir auch erforschen,

tatsächlich auch in dem Bereich, wo wir eben tatsächlich Fähigkeiten vermitteln, auch

integrieren und umsetzen und dann eben dafür sorgen, dass sich diesen Problem für Eltern

eben auch angenommen wird.

[Sprecher 1]

Na ja, und sogar noch mal einen Schritt weiter gedacht, wenn wir jetzt an Kulturvermittlung

denken, wie wirst du denn eigentlich Kulturvermittler oder Kulturvermittlerin? Ich meine, es

gibt so wenig Studiengänge, die darauf spezialisiert sind, nicht mal nur die Kulturmanagement-

Studiengänge, noch stärker, wir reden so oft drüber, die künstlerischen Studiengänge, die

geisteswissenschaftlichen, kulturwissenschaftlichen Studiengänge, wo du das eigentlich gar

nicht hast, wenn du nicht, sagen wir, Pädagogik in einer Form mitstudierst, wenn du, was weiß

ich, das kann ja von Geschichte auf Lehramt, über frühkindliche musikalische Bildung, was auch

immer, sein.

Das heißt, der Bedarf ist sehr hoch und wie zum Beispiel Anja Hoffmann mir im Interview zum

Museumsbereich sagte, ihr Gefühl ist, es gibt eine extrem starke Professionalisierung in den

letzten Jahren. Es gibt wahnsinnig viele Weiterbildungen, klar, die du machen kannst, aber ich

glaube, sehr oft fängt es eben trotzdem an mit, ich weiß nicht, ich habe Lust darauf. Und sie

erklärte eben auch, dass es zum Beispiel im Museumsbereich sehr oft so ist, dass etwa, wenn

Mütter nach der Elternzeit wieder in den Beruf kommen wollen oder sich beruflich in die Kultur

orientieren, sie damit oft anfangen, dass sie ein paar Stunden der Woche nebenbei im Museum

Führung machen.

Was ich gar nicht irgendwie negativ bewerten möchte, weil sie oft auch von den Museen

geschult werden, aber es heißt, ich komme eben eigentlich in die Kulturvermittlung nicht

primär direkt über einen professionellen Weg, will sagen, über eine Ausbildung, sondern oft

eigentlich anders oder weil ich in einem total kleinen Haus arbeite, wo es überhaupt keine

Abteilung dafür gibt und alle das mitmachen. Und die Frage, wie dann die Professionalisierung

stattfindet, ist ja dann auch noch mal dahingehend relevant, weil wenn wir über all diese Dinge

reden, wie Partizipation, wie Kompetenzorientierung, darüber haben wir noch gar nicht

geredet.

Das ist in dem Beitrag von der Klassikstiftung drin. Wir hatten ja mit Hannah auch ein Gespräch

dazu zum Fach der KI und Kultur. Also die ganze Frage vermitteln wir nur quasi Wissen oder soll

Kultur nicht auch viel stärker Kompetenzen vermitteln, Quellenkritik, kritischer Blick auf Dinge,

die einem begegnen und so weiter und so fort.

Ja, aber da brauche ich halt auch die Professionalisierung bei den VermittlerInnen und auf

dieser Ebene. Und wenn ich die nicht habe, dann bleibe ich da ja auch auf dem Status quo am

Ende, auf dem ich halt heute bin. Also ich glaube, die Motivation ist aber sehr, sehr groß, das zu

tun.

Und ich glaube, das Magazin zeigt auch sehr stark, dass man sich all dieser Dinge bewusst ist.

Und gerade mit KI ist das ja jetzt noch mal viel größer geworden. Und die Frage, was müssen

eigentlich Leute können?

Was brauchen eigentlich Leute jenseits des Wissens über Goethe? Und wie können wir ihnen

das geben? Aber ich glaube, das in den Häusern wirklich zu etablieren.

Und das fiel mir damals bei Corona so stark auf, dass man so hilflos war und auf einmal sagte,

also Museum, jetzt habe ich nicht mehr mein Objekt oder jetzt habe ich nicht mehr meine

Aufführung. Jetzt weiß ich gar nicht, was ich machen soll mit den Leuten. Das, was du vorhin

gesagt hast, ihnen etwas an die Hand geben, Eltern etwas an die Hand geben für zu Hause, was

auch immer.

In diese Kompetenzrichtung zu kommen, Hintergrundwissen mitzugeben, zu erzählen, wie

machen wir eigentlich unsere Kunst? Sich selbst vielleicht als Influencer zu verstehen und sich

zu fragen, jenseits von reinem Marketing. Also es gibt, glaube ich, noch sehr, sehr viel Potenzial

nach oben.

Und das hat auch viel mit Mindset einfach.

[Sprecher 2]

Ja, und da kann ich nur hoffen, dass wir mit der Arbeit, die wir machen, dazu beitragen können,

das zu verbessern. Vielleicht auch Role Models auch noch mal stärker in den Vordergrund zu

bringen, auch mal zu zeigen, wie solche Wege in die Vermittlung zum Beispiel sind oder wie

man das professionalisieren kann oder was es auch für Spaß macht. Das dürfen wir ja auch

nicht vergessen.

Vermittlungsarbeit ist ja auch eine ganz tolle Arbeit. Und mit Menschen da zu arbeiten, ist was

ganz Wunderbares. Es müsste eben einhergehen auch mit der Anerkennung der Arbeit, gerade

was auch die Anstellung und die Finanzierung dieser Stellen betrifft.

Und da können wir nur unseren Beitrag leisten, indem wir einerseits darüber reden oder eben

auch veröffentlichen dazu und eben in den Netzwerken, in denen wir sind, auch die Leute zu

pushen, da stärker Entwicklung voranzutreiben und dann auch unseren Lesenden, Hörenden

zu vermitteln, in dem Fall auch, wie wichtig das ist und was das auch für die Häuser bedeuten

kann, wie die die voranbringen kann.

[Sprecher 1]

Ja, wir hoffen natürlich, dass uns das gelungen ist mit dieser Folge. Und klar, wir konnten jetzt

in einer Stunde etwa sechs Minuten nicht das Thema Kulturvermittlung einmal aus allen

Aspekten und in Tiefe beleuchten. Falls ihr noch Anmerkungen, Beispiele und so weiter habt,

ihr wisst, meldet euch gern bei uns.

Falls ihr VermittlerInnen kennt, die in Führungspositionen sind, schreibt uns gerne und wir

stellen sie vielleicht mal bei uns vor. Schaut in das Magazin, dort gibt es noch viel mehr zu

lesen, als Dirk und ich jetzt in kurze ansprechen konnten. Und wie gesagt, bleibt gespannt.

Im nächsten Jahr gibt es eine weitere Magazinausgabe, die daran anknüpft und sich dem

Thema kulturelle Teilhabe widmen wird. Denn das ist das Thema, das wir quasi aus den

eingegangenen Papers so ein bisschen rausgezogen haben und festgestellt haben, dass das

zwar eng verwandt, aber irgendwo doch nicht deckungsgleich ist und dem wir uns dann im

nächsten Jahr noch mal widmen werden. Von daher bleibt uns treu und wir freuen uns, wenn

ihr auch beim nächsten Mal wieder dabei seid, wenn es heißt, dienstags im Koi.

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