Mehr Einsatz Wagen - Der Podcast
Wir nehmen Sie mit auf eine Reise durch bahnbrechende Technologien im Gesundheitswesen! Als Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) präsentieren wir unseren neuen Podcast "Mehr Einsatz Wagen", den wir in Zusammenarbeit mit den HealthCare Futurists (www.healthcarefuturists.com) produziert haben.
In unserem Podcast zeigen wir, wie digitale Technologien die Transformation des Gesundheitswesens in Deutschland vorantreiben.
Mit unserem mobilen Studio im HealthCare MakerMobil (www.healthcaremakermobil.com) reisen wir quer durchs Land, um uns ein Bild davon zu machen, wie es um die Digitalisierung des Gesundheitswesens in Deutschland steht. Wir sprechen über Chancen und Risiken der digitalen Transformation und suchen gemeinsam nach Lösungen für eine zukunftsfähige Medizin.
Wir treffen Vertreterinnen und Vertreter aus der Politik, Wissenschaft, Apotheken- und Ärzteschaft, Patientinnen und Patienten sowie Start-Ups. Wir besuchen Menschen, die uns verraten, was im Gesundheitswesen nicht funktioniert, wie sie an Veränderungen arbeiten und wie ihnen die neuen Technologien helfen.
Abonnieren Sie noch heute unseren Podcast und erleben Sie eine Reise in die Zukunft der Medizin!
Für Kommentare nutzen Sie gerne unsere Social-Media-Kanäle oder senden Sie uns eine E-Mail an MehrEinsatzWagen@healthcarefuturists.com
Mehr Einsatz Wagen - Der Podcast
Mehr Einsatz Wagen Folge 82: Verantwortung und Grenzen der Freiheit - Daten der Demokratie mit Barbara Prainsack
Demokratie ist keine Diktatur der Mehrheit.
Sie ist ein System, das Freiheit nur dann sichert, wenn Minderheiten geschützt, Risiken geteilt und Verantwortung gemeinsam getragen werden.
In dieser Folge sprechen wir über die schwierigen Grenzfragen demokratischer Gesellschaften:
Wie viel Selbstverantwortung kann und darf man Bürgerinnen und Bürgern in der Gesundheitsversorgung zumuten?
Wann ist staatliche Fürsorge ein legitimer Eingriff in die Freiheit – und wann eine notwendige Investition in sozialen Frieden?
Ausgehend vom Gesundheitssystem geht es um Solidarität jenseits von Nullsummenlogik, um Verschwendung statt Rationierung, um Prävention, Vorsorge und die Frage, warum demokratische Entscheidungen nicht allein über Mehrheiten legitimiert sind.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf dem Umgang mit Daten:
Warum persönliche Gesundheitsdaten kein Eigentum sind, das man verkaufen sollte.
Warum „Datenspende“ der falsche Begriff ist.
Und wie ein Ansatz der Datensolidarität helfen kann, medizinischen Fortschritt, gesellschaftlichen Nutzen und individuellen Schutz miteinander zu verbinden.
Unsere Gästin Barbara Prainsack – Politikwissenschaftlerin, Vorsitzende der Europäischen Gruppe für Ethik – verbindet politische Theorie, Gesundheitspolitik und gesellschaftliche Praxis wie kaum jemand sonst.
Hör rein und diskutier mit uns, warum die Zukunft unserer Demokratie vielleicht dort beginnt, wo wir es am wenigsten erwarten: bei der Art, wie wir füreinander sorgen.
Schreibt uns Eure Kommentare gerne an MehrEinsatzWagen@healthcarefuturists.com und vernetzt euch mit uns auf unseren Social Media Kanälen.
Also Demokratie ist keine Diktatur der Mehrheit?
Genau. Das Mehrheitsprinzip, hier halte ich's mit Kelsen, das Mehrheitsprinzip ist ein Mittel zum Zweck, nämlich um sicherzustellen, dass so wenige Menschen wie möglich hinsichtlich ihrer Freiheit nicht im Einklang mit der Regierung stehen. Also das Mehrheitsprinzip ist ein Instrument, das sicherstellt, dass möglichst wenige Menschen sozusagen ihre Repräsentantinnen nicht gewählt haben in der Regierung. Und das ergibt sich aus der Freiheit, das ergibt sich aus der Gleichheit, das ergibt sich aus den Bedürfnissen, die Menschen haben. Und das ist jetzt eine Rechtfertigung dafür auch, oder ich sag's nochmal anders, das Mehrheitsprinzip nicht zum Selbstzweck zu erheben, schützt uns auch davor, die Interessen der Mehrheit vor die schützenswerten Interessen von Minderheiten zu stellen. Hier muss es gesamtgesellschaftlich demokratisch legitimierte kollektive Willensbildung geben. Das war jetzt ein sehr sperriger Begriff, aber das bedeutet, hier muss es im Rahmen der Verfassung, auf der Basis von Gesetzen, hier müssen hier auf beiden Seiten, müssen hier Guardrails, wie sagt man Guardrails?
Führungsschienen?
Genau, Grenzen und Schienen eingezogen werden. Und ich habe jetzt auch gesagt, es geht um schützenswerte Interessen von Minderheiten. Wir können hier Bezug nehmen auf Ethik-Kodizes und auf wissenschaftliche Werke darüber, was man für ein gesundes erfülltes Leben braucht. Aber wir können auch uns beziehen auf die jeweiligen Verfassungen in den Ländern, um uns zu überlegen, was die schützenswerten Interessen der Minderheiten sind. Und ich würde hier sagen, das Recht auf Überleben ist natürlich ein schützenswertes Interesse einer Minderheit.
Das Recht mit einem grünen Auto mit 180 auf der Autobahn zu fahren, ist kein schützenswertes Recht einer Minderheit. Auch wenn ich jetzt nicht sage, dass ich da dagegen bin. Aber wenn die Mehrheit große Probleme hat und wenn die Mehrheit große Kosten tragen muss, weil eine kleine Minderheit das tut, ist das kein schützenswertes Recht, das geschützt werden muss. Aber das ist schwierig bei den Debatten zur Demokratisierung, dass man häufig dann hört, naja, das Beste wäre ohnehin eine pure direkte Demokratie, in der alle immer über alles abstimmen. Hier wird dann oft die Schweiz genannt als Beispiel. So einfach ist das auch in der Schweiz nicht. Aber es wird dann häufig nicht dazu gesagt, dass Demokratie immer eine, also die, the rule of the people, mich fällt das alles auf Deutsch jetzt nicht ein, Demokratie ist immer die Herrschaft des Volkes unter dem Schutz von Minderheitenrechten. Und das muss man natürlich auch bei Bürgerbeteiligung und bei der Demokratisierung unterschiedlicher oder der demokratischen Kontrolle immer im Kopf behalten.
Wenn wir jetzt mal den gemeinsamen Bundesausschuss angucken, ich weiß, Hot Topic. Da gibt's ja dann, da sitzen ja die sogenannten Bänke zusammen, die dann aus Vertretern der Krankenhäuser, der Ärzte, der Krankenkassen, aller Beteiligten im Gesundheitswesen bestehen und der Patienten. Patienten haben kein Stimmrecht, da gibt's gutes Für und Wider, warum die kein Stimmrecht haben.
Wie stellt man sicher, dass der gemeinsame Bundesausschuss einen demokratischen Ausgleich schafft? Stell dir vor, da gibt's eine Erkrankung, da sind wir ja gar nicht so weit weg, die zum Beispiel über Gentherapie heilbar ist, aber siebenstellig kostet.
Da könnte man ja sagen, ja, aber für diesen siebenstelligen Betrag, den die 500 Leute, die in Deutschland diese Erkrankung haben, die wir da ausgeben, könnten wir noch ein paar Krankenhäuser bauen oder wir könnten andere Therapien einführen. Wie stellt man sicher, dass dieser Interessensausgleich demokratisch erfolgt?
Das ist eine sehr schwierige Frage, auf die ich keine einfache Antwort habe. Ich würde zwei Dinge allerdings schon sagen zu diesem Fall. Erstens, oder drei Dinge. Erstens hängt es zum Teil davon ab, wie kosteneffektiv das wäre. Das kann man schon berücksichtigen. Wenn es jetzt darum geht, dass es, also im Fall von Solgensma zum Beispiel, dass es bei Kindern dann lebenslange Heilung bringt, dann ist das ein völlig anderes Argument, als wenn der marginale Nutzen dieser sehr teuren Therapie sehr gering ist. Das kann man nicht und das machen ja die, das wird ja bereits mit einbezogen in die Bewertung.
Und dann kommt es natürlich auch, also das Zweite wäre zu sagen, dass wir wegkommen müssen von diesem Nullsummenspieldenken, dass man sagt, wenn wir da irgendwas brauchen, müssen wir es woanders wegnehmen. Ich möchte nicht eine
Meinung vertreten, die sagt, das Geld ist eh genug da und Geld für alles und alle und es ist alles wunderbar, Aber es gibt viele Bereiche, in denen wir verschwenden und es sollte die Priorität, sollte unsere Priorität sein, Verschwendung einzuzäumen und Verschwendung zu verringern und nicht primär einfach aufzurechnen und zu sagen, wenn wir jetzt dort ein Kind mehr retten sozusagen, dann müssen wir dort fünf alte Menschen sterben lassen. Ich spitze es jetzt absichtlich so zu. Also es ist sehr häufig kein Nullsummenspiel. Es gibt ja einige Bewegungen mittlerweile in der Welt, Too Much Medicine oder alle diese Bewegungen, die versuchen, Verschwendung im Gesundheitssystem zu verringern.
Die sind natürlich sehr unterschiedlich, aber was die alle gemeinsam haben, ist, dass sie versuchen, medizinische Interventionen, die die Menschen auch nicht wollen oder nicht brauchen, einzusparen. Man kann sehr, sehr viel damit einsparen. Es geht damit nicht, ich meine nicht rationieren, das meinen die auch nicht, sondern die meinen zum Beispiel das Problem, die möchten zum Beispiel das Problem angehen, dass der Unterschied zwischen, also die Zahl der Menschen, die gerne zu Hause sterben möchten und die tatsächlich zu Hause sterben, riesiges. Und dass, wie wir alle wissen, häufig in der allerletzten Lebensphase sehr viele Kosten entstehen, die manche Menschen wollen und auch kriegen sollen, die viele aber gar nicht wollen. Und das Enttabuisierung, die Enttabuisierung des Sterbens zum Beispiel, das ist eine Möglichkeit auch, um Kosten zu reduzieren. An einem Ort, wo es niemandem schadet, weil wir würden es ja dann jenen, die bis zur letzten Minute diese Interventionen noch wollen, wenn wir es hoffentlich auch geben können. Nur denen, die es nicht wollen, denen drängen wir es nicht auf. Es gibt ein wunderbares Buch von Sharon Kaufmann, Ordinary Medicine, die beschreibt das im amerikanischen Kontext. Aber einige Dinge sind doch auch übertragbar. Die Frage, ob man eine Leistung finanziert bekommt, eigentlich entscheidet, ob die Leistung erbracht wird. Da fragt man gar nicht die Patientin, ob sie in dem und dem Alter noch eine Organtransplant, eine besonders invasive medizinische Intervention möchte.
Sie hat ursprünglich zuerst über Organtransplantationen gearbeitet, deswegen war das jetzt in meinem Kopf. Aber man kann sozusagen Geld einsparen und Kosten einsparen, indem man dort reduziert, wo es nicht wehtut und wo wir sehr viel verschwenden. Man kann auch Kosten einsparen, indem wir mehr Aufmerksamkeit und mehr Ressourcen in Richtung Prävention lenken. Und auch Gesundheitsselbstwirksamkeit.
Das spart uns früher oder später Kosten. Also man kann sehr vieles, und da können Bürgerräte und Expertinnen aus unterschiedlichen Bereichen, aus dem Bereich der Gesundheitsökonomie, Ethik, Klinik, Wenn die gemeinsam sich so eines Problems annehmen, kann man relativ gute Lösungen erzielen. Auch wenn ich für den gemeinsamen Bundesausschuss keine perfekte Lösung habe, den völlig demokratisch zu gestalten.
Wie viel Selbstverantwortung ist denn den Bürgerinnen und Bürgern, was die Medizin angeht, zuzutrauen? Ich spitze es noch ein bisschen zu. Wenn ich über der Beitragsbemessungsgrenze verdiene in Deutschland, kann ich mich entscheiden, ob ich mich freiwillig gesetzlich versichere oder ob ich mich privat versichere. Wenn ich das nicht tue, dann bin ich automatisch eine gesetzliche Versicherung. Ich bin noch nicht dahinter gekommen, warum das so ist. Es soll jetzt auch nicht Gegenstand der Frage sein. Aber es scheint ja so zu sein, dass der Staat, der sich um meine Daseinsfürsorge kümmert, sehr fürsorglich, da ein plutokratisches Element eingebaut hat. Und eingangs haben wir das ja auch gesagt, ich habe Familie in den USA, die können das System nicht verstehen, dass wir zwangsversichert sind grundsätzlich. Sondern die sagen, ich bin stolz darauf, dass ich nicht versichert sein muss. Also es ist wieder so diese Umkehrung der Werte, die wir da haben. Aber jetzt, wie viel Demokratie ist dem Individuum in Bezug auf die Gesundheit zuzutrauen? und zuzumuten vielleicht auch.
Es ist dem Individuum in einer idealen Welt die Verantwortung für die Gesundheit sehr weitgehend zuzumuten. Aber wir leben nicht in einer solchen idealen Welt. Es ist nicht realistisch zu erwarten von einer Person, die nicht genug Geld hat, um ihre monatlichen Kosten zu bestreiten, dass sie sich versichern wird. Ob uns das gefällt oder nicht. Es gibt bei allen Risk-Pooling-Systemen, wie auch bei einer Gesundheitsversicherung, natürlich die Regel, dass umso mehr Menschen, gerade auch gesunde und reiche Menschen, Teil dieses Systems sind, umso besser ist es für die Allgemeine. Das ist eine zwangsweise Umverteilung, die man jetzt von einer liberalen Sicht her kritisieren kann, weil man sagen kann, dass sie uns natürlich bestimmte Dinge vorschreibt, aber man kann auch so einen Schritt zurückgehen und etwas demütiger sein und sagen, naja, mir schreibt es etwas vor, aber vielen anderen ermöglicht sie was. Und ich profitiere ja auch davon, dass es anderen etwas ermöglicht, weil es ist ja nicht so, dass es den Reichen, um das jetzt wieder zuzuspitzen, vollkommen wurscht sein kann, wenn rundherum die Leute keinen Zugang zur Gesundheitsversorgung haben. Das macht ja mit einer Gesellschaft insgesamt auch etwas. Das ist ja auch eine Investition in sozialen Frieden, in eine Umwelt, in der andere Menschen würdig leben können.
Es ist eine kurze Zwischenfrage. Das ist dann wahrscheinlich auch die Raison, die hinter dem Oberlandesgericht Hamburg-Urteil steht, seinerzeit Signal Iduna gegen Novartis, wo es darum ging, dass das Pharmaunternehmen gesagt hat, wir zahlen euch keinen Zwangsrabatt, weil ihr seid ja auch ein auf Gewinnerzielungsabsicht orientiertes Unternehmen, also das private Krankenversicherung, wir sind das auch als pharmazeutisches Unternehmen und wir zahlen diesen durch das SGB V, aber installierten Zwangsrabatt nicht an euch. Dann ist das abgeurteilt worden und in der Begründung steht drin, dass die privaten Krankenversicherungen insofern systemrelevant sind, das Wort systemrelevant wurde nicht verwendet, aber dass sie insofern systemrelevant sind, als durch die Abrechnung mit privaten Versicherungen Ärzte sich Gerätschaft zulegen können, die sie sonst nicht hätten, wenn sie die Patienten nicht hätten und damit könnten auch die nicht privat versicherten Patienten nicht von diesen Gerätschaften profitieren. Das war die Begründung, was ja gewissermaßen so ein ordnungspolitischer Salto Mortale ist, aber das, was Sie sagten, steckt gewissermaßen dann da drin.
Ja. Ja. Also es ist eine, man muss es als das bezeichnen, was es ist, es ist ein Bekenntnis, das hier rechts, also mit rechtlichen Instrumenten durchsetzbar ist, es ist ein Bekenntnis dazu, dass wir Risiken teilen wollen. Und dass wenn man Teil eines Staates ist in dem Fall oder Teil eines Gesellschaftssystems ist, dass man dann Teil dieses Systems ist und aus diesem profitieren kann oder in diesem System netto beiträgt.
Das sind wir ja wieder beim Kriterias eigentlich, also bei Sokrates, oder? Da er ja sagt, ich bin nach den Gesetzen dieses Staates aufgewachsen und jetzt hat er mich zum Tode verurteilt und deswegen ziehe ich das jetzt auch durch.
Ja, genau. Und das ist deswegen sehr gut, weil ja gerade, ich kenne das Argument von amerikanischen Kollegen ja auch, die dann sagen, na ja, warum akzeptieren das die Europäer einfach, dass sie da zwangsverpflichtet werden? Aber die sehen das, weil es bei ihnen anders ist. Die sehen bestimmte Dinge, die für uns in den USA anders und befremdlich sind, sehen die nicht. und gerade in den USA, wenn ja auch sehr, sehr große Einschnitte in die Freiheit ganz selbstverständlich auf sich genommen, dass man nicht mit einer Bierflasche in der Öffentlichkeit sein darf, dass man an bestimmten Orten als Sexualstraftäter bezeichnet wird, wenn man im Freien uriniert. Also alle diese Dinge.
Dass man im Fernsehen kommt, wenn man verurteilt ist. Also das mit Bild und Namen.
Ja, also es gibt sehr große Einschnitte in etwas, was wir vielleicht als harmlos oder als Freiheitsrecht sehen würden, die Menschen an anderen Orten selbstverständlich akzeptieren und umgekehrt. Aber letzten Endes bleibt es das, was ich gesagt habe. Natürlich ist es ein Einschnitt in die Freiheit der Menschen, der aber, das ist jetzt meine persönliche Überzeugung, das sage ich jetzt nicht als Wissenschaftlerin, sondern als Bürgerin, die aber deshalb gerechtfertigt ist, weil mein größerer Beitrag es vielen anderen ermöglicht, gesünder und menschenwürdiger zu leben. Mir ist es das wert. Idealerweise hätten wir eine Debatte, die das auch zeigt, die auch zeigt, wie eigentlich sehr, sehr viele Menschen davon profitieren, dass wir hierzulande nicht sehr viele unversicherte Menschen haben, die erst zur Krebsversorgung, also zur Krebstherapie gehen, wenn es schon sehr weit fortgeschritten ist, weil sie keinen Zugang zur Prävention und zur Frühtiagnose haben, was ja nicht nur mit dem Gesundheitssystem zu tun hat, sondern auch mit den Arbeitnehmerrechten, dass viele Leute ja nicht mal frei bekommen, um Arzttermine wahrzunehmen.
Das ist ja das Solidaritätsprinzip, das ja auch wissenschaftlich für Sie sehr relevant ist, wo Sie ja auch viel dazu gearbeitet haben. Was ich mit Studierenden immer gern diskutiere, wenn es um den Freiheitsbegriff geht und die demokratischen Freiheiten, ist ja folgender Gedanke. Und der ist hier vielleicht ja auch nicht fremd, weil ich habe mich erkundigt, Sie stehen fürs Bürgergeld, oder nicht für das unabhängige Grundeinkommen. Und jetzt, ich diskutiere das immer gern mit Studierenden, ich sage dann, okay, stell dir mal vor, wir zahlen jedem Menschen ein unabhängiges Grundeinkommen. Davon muss er aber sich um alles kümmern. Ja, muss auch seine Krankenversicherung abschließen und, und, und. Ja, wir kümmern uns da nicht drum, der kriegt jeden Monat diese Überweisung und der kann natürlich dann Geld zur Seite legen und sagen, ich überweise das in meine Krankenversicherung, dann habe ich auch meine Krankenversicherung, der kann aber auch sagen, mir egal, ich fliege zweimal im Jahr auf Malle und bringe das auf den Ballermann durch. Und im Schadensfall dann muss ich ja zusehen, was passiert. Dann hätten wir ja aber auch das, was in Amerika ist, dass Mülltonnen brennen und dass es No-Go-Areas gibt, gated communities und so weiter. Aber die Frage, die ich dann immer habe an die Studierenden ist, was meint ihr, wie würden die Leute damit umgehen? Würde ein erkläglicher Anteil an Menschen sagen, ja, deferred compensation, ich lege das zurück, hau es nicht jetzt auf den Kopf, weil ich weiß, dass ich vielleicht mit 60, 70, 80 eine Krankenversicherung brauche. Selbst wenn ich es jetzt mit 20 nicht brauche, weil ich mich im Saft stehen fühle. Was meinen Sie, wie wäre das hier, wenn man so etwas machen würde?
Also erstens wäre so ein Grundeinkommen, wie Sie es gerade beschrieben haben, für mich ein Horrorszenario. Also ich bin ja keine bedingungslose Befürworterin des bedingungslosen Grundeinkommens, sondern ohne jetzt da zu weit ins Detail zu gehen, also ich halte die Diskussion um ein bedingungsloses Grundeinkommen als neues Fundament eines Sozialstaates für relevant. Das sollte aber so gering sein, wie es nur sein muss, so gering wie möglich sein, weil wir natürlich die Bedürfnisse der Menschen, die Grundbedürfnisse der Menschen idealerweise anders abdecken, wie zum Beispiel durch gute öffentliche Infrastrukturen und so weiter.
Wenn es jetzt dieses Horror-Szenario gäbe, das Sie beschrieben haben, dann glaube ich, würde das, also würde ein großer der Menschen
von bestimmten Versicherungsleistungen absehen. Wir wissen, also wir wissen einerseits, weil es ja mittlerweile gute Daten zu bedingungslosen Geldzahlungen gibt, allerdings hauptsächlich aus dem globalen Süden, dass das Vorurteil, dass die Leute das alle verrauchen und versaufen, um das mal so zu formulieren, das nicht zutrifft. Also die meisten Menschen investieren dieses Geld klug. Also die geben es aus für besseres Essen, für Bildung und so weiter und so weiter. Es gibt natürlich auch ihnen unintendierte Konsequenzen, dazu kann ich was sagen, wenn sie das möchten. Aber die Daten auch aus der Entwicklungsforschung zeigen, dass bedingungslose Geldzahlungen im Großen und Ganzen erfolgreich sind. Also dass man nicht Grundbedürfnisse nur durch Sachleistungen abdecken soll, sondern auch durch Geldzahlungen. Das ist im Großen und Ganzen ein Erfolgsprojekt. Man kann allerdings diese Ergebnisse nicht natürlich ohne weiteres auf den globalen Norden umlegen, weil es ja völlig andere Systeme gibt und so weiter. Was wir aber schon auch wissen, ist, dass viele Menschen aus unterschiedlichen Gründen nicht gut vorsorgen. Und hier zu sagen,
der Staat nudgt sozusagen, die Bevölkerung, in dem bestimmte Vorsorgeleistungen
entweder vorgeschrieben sind, also verpflichtend sind, oder dass es eben einen Anreiz gibt, hineinzuoptieren, indem man zum Beispiel rausoptieren muss, aktiv. Das halte ich für, also das ist jetzt wieder eine eigene politische Überzeugung und keine wissenschaftliche Aussage, das halte ich für positiv, weil wir wissen, dass viele andere das ansonsten aus unterschiedlichen Gründen nicht machen würden, weil sie zu jung und zu unerfahren sind, weil es Presentism gibt, auch es gibt ja diese Present Bias. Viele Menschen, also wir sind psychologisch so gestaltet, dass wir die Bedürfnisse, die wir jetzt haben und in der näheren Zukunft, dass wir denen Priorität geben über die Bedürfnisse in 20 Jahren. Das heißt, es gibt, wir sind so beschaffen als Menschen, dass wir manchmal Hilfe dabei brauchen, etwas klügere Entscheidungen zu treffen und wenn es hier Institutionen gibt, die uns
minimalinvasiv dabei helfen, ist das sicher gut. Dass manche über diese minimalinvasive Hilfe rausgehen, ist auch zutreffend und da können wir uns natürlich überlegen, ob die
Riskpooling-Systeme, ob die sozialen und ökonomischen Sicherungssysteme, die wir heute haben, für Gesellschaften im 21. Jahrhundert passend sind. Darüber können wir uns natürlich unterhalten.
Diese Institutionen, die mich davon abhalten, Dummheiten zu machen, um das mal ganz platt zu sagen, sind auch Institutionen, die zum Beispiel verhindern, dass ich meine Niere zu Geld machen kann, wenn ich irgendwie einem Kredithai aufgesessen bin oder sowas. Ist immer wieder auch passiert in der Transplantationsklinik, dass Leute da angeklopft haben und gesagt haben, sie würden ihre Niere verkaufen. Die haben ja dann immer zu entsprechenden Schuldnerorganisationen geschickt, aber da stecken ja Schicksale dahinter und Organhandel ist ja nach wie vor strafbar. Also nur als Disclaimer für alle, die das hier jetzt hören und denken, sie hätten da jetzt ein gutes Geschäftsmodell aufgemacht. Aber ich versuche da mit den eleganten Bogen zum Thema Datenhandel. weil das Spannende ist ja, Niere habe ich zwei, kann ich eine spenden? Okay, wenn da alles passt. Daten produziere ich ja en masse. Wenn ich sie spende, habe ich sie immer noch oder jemand anderes hat sie auch.
Wie sehen Sie diesen Komplex der Datenspende, der ja meines Erachtens jetzt groß auf uns zukommen wird, weil wir über KI-Systeme und Data-Poolings und so weiter jetzt sehr schnell in die Lage kommen werden, wahrscheinlich auch veritable wissenschaftliche Ergebnisse aus Daten, aggregierten Daten abzulesen, die uns vielleicht auch Dinge erklären, die wir sonst über Longitudinalstudien von 20, 30 Jahren erst herausgefunden hätten. Ja, mein Lieblingsbeispiel ist, dass wir erkennen, wo kommt Diabetes Typ 1 her? Ja, war das vielleicht eine frühkindliche Infektion mit irgendeinem Virus, gepaart mit einem Genetic Setup? Das stellen wir fest. Wir machen eine Reihenuntersuchung der Neugeborenen, wir stellen fest, der hat das genetische Setup, der kriegt eine Impfung gegen das Virus, entwickelt kein Diabetes Typ 1 mehr. Das wäre ja großartig. Also jetzt mal, hier spricht der Arzt, weiß nicht, was das dann noch für sozio-demografische Folgen hat, aber das wäre ja großartig. Dazu müssen wir aber irgendwie an die Daten rankommen, sie speichern, sie aggregieren, sie verarbeiten und, und, und. Brauchen wir Datenhandel? Geht das?
Nein. Also wir brauchen
gute Mechanismen, um diese Daten verwenden zu dürfen und verantwortungsvoll zu verwenden. Aber das muss ja deswegen nicht gleich marktförmig werden. ich halte auch den Begriff der Datenspende für verfehlt außerhalb der postmordalen Datenspende, weil die Spende ja bedeutet, dass, also Sie haben das Beispiel mit den Nieren gebracht, man könnte auch von Geldspenden sprechen, wenn ich die Niere spende oder Geld habe ich die nicht mehr. Und das ist ja bei den Daten nicht so. Das wäre ja völlig unethisch und auch nicht, also auch rechtswidrig zu sagen, wenn ich jetzt meine Gesundheitsdaten einem Projekt spende, habe ich die nicht mehr. Dann darf ich die selber nicht mehr nutzen. Das wäre ja völlig absurd. Das heißt, der Begriff der Datenspende,
der hat einfach schlechte, falsche Konnotationen. Der ist das nicht geeignet, um das zu beschreiben, was Sie, glaube ich, hier meinen, nämlich, dass wir sehr, sehr viele sehr großen Nutzen schaffen können, indem wir auch auf persönliche Daten zugreifen. Also wir, ich sage jetzt wir, ich meine die Wissenschaft, ich meine aber auch die öffentliche Gesundheitsforschung, staatliche und auch privatwirtschaftliche Datenanalysen, die können sehr großen Nutzen schaffen. Das ist total wichtig, dass jetzt nicht einzelne Menschen Datenhorder sind und nicht alle ihre Daten nur für sich behalten. Allerdings ist es schon so, dass in unserer Gesellschaft derzeit die Risiken und die Nutzen, die aus dieser Datennutzung erzielt werden, sehr ungerecht verteilt sind und dass einige Dinge im Argen liegen. Und deswegen haben wir ja auch diesen Ansatz der Datensolidarität entwickelt, die das versucht zu ändern, die aber nicht
behauptet, dass das jetzt alles so riskant ist und wir müssen nur die Risiken reduzieren oder aber auch sagt, das ist alles super und am liebsten sollten wir alle, die Teil des Gesundheitssystems sind, die müssen ihre Daten hergeben, sonst bekommen sie keine Gesundheitsversorgung mehr. Es gibt ja, also diese Extrempositionen gibt es ja, es gibt Leute, die sagen, am besten sollte man die Gesundheitsdaten überhaupt mit niemandem teilen, nicht mal mit dem Arzt, der darf sie nur so schnappschussartig sehen und auf der anderen Seite sind die, die sagen, gab mal die Debatten auch im Vereinigten Königreich, dass in dem Moment, in dem man die Schwelle des Krankenhauses übertritt, hat man eingewilligt, dass alle Daten verwendet werden können. Die Datensolidarität ist von diesen beiden Extrempositionen entfernt, die ist in der Mitte, in dem sie nämlich sagt, Säule 1, dort, wo Datennutzung mit großer Wahrscheinlichkeit großen öffentlichen Wert schafft, muss sie erleichtert werden, indem man Regulatore, also indem man
rechtliche, ethische Hürden verringert. Also dort, wo der öffentliche Wert sehr groß ist. Ich sage auch gleich dazu, was ich mit öffentlichen Wert meine. Die zweite Säule ist, dass man aber Schaden effektiver verhindern muss und auch lindern muss, wo er eintritt. Effektiv verhindern heißt, bestimmte Praktiken wissen wir, die haben nur Risiken für Menschen und schaffen vielleicht für ein paar Firmen Profite, Surveillance-Advertising. Ich verstehe nicht, warum das nicht verboten wird. Dort, wo Schaden auftreten, müssen wir es effektiv lindern. Es reicht nicht zu sagen, wenn jetzt jemand die Datenschutz-Grundverordnung verletzt hat, dann können sie zum Datenschutz beauftragten. Es muss hier effiziente, niederschwellige, bürgerfreundliche Hilfe geben, wenn jemand wirklich Schaden erleidet. Und die dritte Säule ist, dass dort, wo Datennutzung vielleicht keinen großen öffentlichen Wert schafft, sondern wo sie hauptsächlich wirtschaftliche Profite für Firmen schafft, was legitim ist natürlich, müssen diese Profite etwas gerechter verteilen. Die müssen in einem größeren Ausmaß, in der Öffentlichkeit wieder zurückfließen. Das dient ja auch dem Vertrauen in Datennutzung. So, was ich Ihnen jetzt noch schuldig bin, ist die Frage, was ist öffentlicher Wert? Wir haben auch ein Tool, also ein Instrument entwickelt, ein Online-Instrument, weil es diesen öffentlichen Wert mithilft zu berechnen. Aber öffentlicher Wert, ganz allgemein formuliert, eine Datennutzung schafft öffentlichen Wert, wenn die Risiken sehr gering sind und wenn der Nutzen für Menschen hoch ist oder für die Umwelt. aber eben nicht nur der kommerzielle Nutzen. Also etwas, was jetzt großen Nutzen hat, aber auch große Risiken kann keinen großen öffentlichen Wert haben, da muss man zuerst die Risiken senken. Und wenn man diesen Datensolidaritätsansatz umsetzt, umsetzte, dann hätten wir ein System, in dem Menschen, in dem man Menschen mit gutem Gewissen dazu raten könnte, gerade für medizinische Forschung an ihre Daten herzugeben, nicht zu spenden, sondern zu teilen, weil erstens der Nutzen für andere Menschen wahrscheinlich sehr hoch ist, weil es Schadenslinderungsmechanismen gibt und weil, wenn es jetzt kommerzielle Profite gibt, ein Teil dieser Profite ohnehin wieder in die Gesellschaft zurückfließt. wenn wir diese drei Säulen umgesetzt haben, dann sehe ich kein Problem damit, warum wir nicht auch in einem bestimmten Sektor den Zugang zu Daten etwas vereinfachen, dass es einfach nicht mehr diese Fälle gibt, dass die Patientinnen sagen, diese Forschung sollte es geben, bitte nehmt meine Daten und man darf die Forschung nicht durchführen, weil es hier
Regeln gibt, die nicht gebrochen werden können. Also hier kann man einerseits durch Erleichterung regulatorischer Vorgaben, aber auch durch Zurverfügungstellung von praktischer oder finanzieller Hilfe zur Datennutzung hier einiges bewirken.
Was ist denn mit dem Verkauf von Daten? Also nehmen wir mal an, ich habe ein seltenes genetisches Setup und nehme auch irgendwelche spannenden Medikamente und könnte das monetarisieren, wie stehen Sie dazu? Also Menschen sagen, ja, guck mal, ich habe hier diese oder jene chronische Erkrankung, das und das mache ich schon die ganze Zeit, das sind Pharmaunternehmen möglicherweise daran interessiert, müssen sowieso im Rahmen von Phase 4 Studien da irgendwelche Daten haben, verkaufe denen meine Daten. Ich gehe zu einem Data Broker, der dann meine Daten nimmt, sie dann irgendwie reinigt, dass es nicht mehr auf mich zurückzuführen ist und dann verkauft er das an dieses Pharmaunternehmen. Darf man das?
Also man sollte es nie, erstens gibt es ja heute in Europa keine Eigentumsrechte an persönlichen Daten, genau genommen darf man das nicht, praktisch kann man natürlich so etwas Ähnliches trotzdem tun, indem man nämlich die Nutzungsrechte auch für Bezahlung hergibt. Also es ist denkbar, es passiert jetzt nicht im großen Stil, es ist aber natürlich denkbar und es auch Leute, die das sogar als positive Entwicklung sehen. Sie sagen, das könnte doch eine Einnahmesquelle, eine Einkommensquelle sein für Leute, die jetzt ihren Job in der Fabrik verloren haben
und so weiter. Ich glaube, dass das eine problematische Entwicklung wäre. Ich glaube, dass wir Daten schon monetarisieren sollten und könnten in mancher Hinsicht, aber nicht auf der individuellen Ebene. Ich halte es für durchaus wünschenswert, dass wenn zum Beispiel ein Krankenhaus einen Datensatz einer Firma gibt, die dann Software entwickelt für Medical Imaging, zum Beispiel so medizinische Bildgebung und damit auch ihre Profite vergrößert, dass ein Teil dieser Profite dann entweder an das Krankenhaus kommt mit einer gemeinnützigen Vorgabe oder dass es auch vielleicht an eine Gebietskörperschaft zurückkommt, an die Stadt, an das Land. Das halte ich für durchaus wünschenswert, aber auf der individuellen Ebene nicht und es ist ein ähnlicher Grund wie der Grund dafür, dass das Verkaufen meiner Niere verboten ist. Also unser Datenkörper ist natürlich jetzt nicht dasselbe wie unser oder nicht vollkommen analog zu unserem physischen Körper. Er hat keine klare Grenze, er ist nicht
erschöpfbar wie unser physischer Körper, aber er ist doch, er hat bestimmte relevante Ähnlichkeiten, weil er nämlich auch dazu führen kann, dass wir Schaden erleiden, also von Diskriminierung hin zu auch finanziellen und wirtschaftlichen Schaden, wenn unsere Daten gegen uns verwendet werden und er beschreibt unsere Persönlichkeit in gewisser Weise. also ich glaube, dass hier der Gesetzgeber ähnliche Schutzpflichten normieren soll wie für den, oder ich sag's nochmal, der Gesetzgeber sollte hier auch Schutzpflichten normieren, nicht dieselben wie für den physischen Körper, aber doch einige ähnliche Schutzpflichten und eine dieser Schutzpflichten ist das Verbot des individuellen Verkaufes von Daten, weil es auch gesellschaftlich und für Einzelpersonen sehr negative Konsequenzen haben kann. Für Einzelpersonen würde es bedeuten, dass wenn das jetzt meine Einkommensquelle wird, dass ich eigentlich für etwas Daten hergeben muss, für das andere Menschen mit Geld bezahlen können. Das heißt, meine Privatsphäre ist nicht geschützt, ihre schon, weil sie Geld haben. Ich muss meine Daten hergeben. Also es würde zu einer
neuen Herausbildung einer sozialen, ökonomischen Kleewage führen, also zu einem Bruch, zu einer neuen Ungleichheit. Es würde Menschen sehr stark davon abhängig machen, dass sie ihre Daten verkaufen und es würde gesellschaftlich
dazu führen, dass wir zwei Arten von Menschen haben, die, die mit Geld und die, die mit Daten bezahlen. Es hätte wahrscheinlich für die Datenqualität auch nicht unbedingt positive Auswirkungen. Denn wenn ich davon lebe, meine Daten zu verkaufen, dann habe ich ja auch einen Anreiz, Daten zu produzieren, die besonders wertvoll sind. Und das sind nicht immer gute Daten.
Das heißt also, das Geschäftsmodell des, ich nenne es mal Transparentners, also jemand, der seine Rente aufstockt, indem er Daten verkauft, das sehen Sie nicht. aber es gibt ja bekannte Publikationen, ich glaube, die heißen auch so Du bist das Produkt, also die Daten und Datenspuren, die ich irgendwie im Netz hinterlasse, auf Social Media und so weiter, sind ja durchaus auch relevant. Facebook, Google und so weiter verdienen ja viel Geld damit, um an potenzielle Third-Party-Kunden, die mir dann Bücher reisen, Windeln, was auch immer verkaufen wollen und wissen genau, wann ich das brauche, dass die mir das positionieren können. Also meine Frage ist, sind wir nicht eigentlich schon so weit, dass wir unsere Daten verkaufen, im Sinne von, weil ich kriege dann einen Kickback, klicke hier, mach damit, sag hier ja, dann kriegst du 10 Prozent und das ist ja schon ein Trade-off.
Ja, also wir sind am Weg dazu, die Vergütung meiner, der Nutzungserlaubnis meiner Daten, also die direkte Vergütung an mich selbst, wäre noch ein Schritt weiter. Natürlich ist es insgesamt eine
fragwürdige oder keine positive Entwicklung, dass es Anreize gibt für Leute, ihre Daten gegen Produkte oder Unterhaltung oder andere Dinge einzutauschen und das ist genau wieder, sind wir jetzt beim Anfangsthema der Regulierung zurück, hier wäre es, wenn der politische Wille bestünde, eigentlich ein leichtes
diesen Praktiken, insofern sie auch Risiken für Menschen bedeuten, Einhalt zu gebieten. Das ist ja keine Rocket Science, keine Rakete, also es ist ja nicht wahnsinnig schwer, das zu tun, wenn man das möchte. Der politische Wille besteht nicht, der besteht auch in der Europäischen Union nicht übrigens. Also die Europäische Union wird ja sehr häufig als
Leuchtturm dargestellt, der Schutzes der Rechte von Datensubjekten, also von Bürgerinnen und von Bürgern. In mancher Hinsicht ist das auch so, in anderer Hinsicht geht dieser Schutz nicht weit genug.
Vielleicht zwei Fragen noch. Die eine ist die europäische Ebene. Da gibt es ja jetzt diesen European AI Data Act, der schon wahrscheinlich auch bahnbrechend ist, weil er doch mal klare Regeln auch vorgibt. Ich bin da neulich gefragt worden, wie ich das finde.
Ich habe da keine große Meinung dazu, wie ich das finde, weil in der gesamten Komplexität kann ich es gar nicht durchdringen, was das dann in Praxis wirklich bedeutet für Unternehmen. Aber
Sie sagten ja eingangs, dass Sie hier auch Frau von der Leyen beraten und an der Europäischen Kommission unterwegs sind. Welchen Geist atmet dieser Act? Können Sie da was dazu sagen?
Ja, aber nicht als Vorsitzende der Europäischen Gruppe für Ethik. Wir haben dazu jetzt, also wir haben dazu keine Stellungnahme gemacht, auch weil keine angefordert wurde. Also ich spreche jetzt aus meiner eigenen persönlichen wissenschaftlichen Perspektive. Wir haben ja dazu auch, ich weiß gar nicht, ob ich Ihnen das geschickt habe, wir haben ja Nature Medicine was publiziert dazu,
wo wir
die, also gemeinsam mit meinem Kollegen Nikolaus Forgo, wo wir den AI-Act für einige
Dinge gelobt haben, sozusagen. Wir haben ihn dafür gelobt, also diese die
Sektor umspannende
Regulierung reguliert, sicher eine positive Entwicklung ist. Es gibt ja, wie viele wissen werden, in anderen Weltregionen diese sektoren- übergreifende Regulierung nicht, also es gibt Regulierung speziell für den Gesundheitsbereich oder speziell für den Finanzmärkte. Das ist sicher positiv, auch weil sie Planbarkeit und Rechtssicherheit schafft, diese sektoren- übergreifende Regulierung. Das risikobasierte System, das der AI-Act implementiert, ist im Großen und Ganzen auch positiv, allerdings
ist das leider nicht eingebettet in einen Ansatz, der auch den öffentlichen Wert in Erwägung zieht, der durch bestimmte
Technologieeinsätze erzielt wird und durch Datennutzung erzielt wird. Es kann nicht sein, dass das
Risiko einer
KI-basierten Technologie, die jetzt für eine Kosmetikfirma eingesetzt wird, vollkommen gleich behandelt wird, regulatorisch, wie die Risiken eines KI-basierten Instruments, das in der medizinischen Bildgebung dabei hilft, Energierentumore früh zu erkennen. Das kann einfach nicht sein. Man muss beginnen, zwischen Innovation und Innovation zu unterscheiden, zwischen Innovation, die auch wirklich öffentlichen Wert schafft, in der Art, wie ich es definiert habe, und Innovation, die nur, Sie haben früher den Transparentner genannt, die nur Rentearism, wie man das so schön sagt auf Englisch, Vorschub leistet, also die nur über Schutz des geistigen Eigentums andere
Entwicklungen dazu beiträgt, dass bestimmte Gruppen noch reicher werden. Also wir müssen, es muss auch die Europäische Union hier etwas stärker abweichen oder etwas über den Tellerrand schauen und nicht in diesem Rahmen des
Fair Market Competition zu bleiben, Raum in diesem Rahmen des Wettbewerbs, des fairen Wettbewerbs von Dienstleistungen, die digital angeboten wurden, sondern auch die Europäische Union sollte meiner Meinung nach stärker den Infrastruktur
Aspekt digitaler Technologien im Blick haben und die digitalen Infrastrukturen als öffentliche Infrastrukturen sehen, in die auch investiert werden muss.
Fair. Genau, das war der Punkt, weil dann sind wir wieder bei Investitionen, dass das nicht nur konsumiert wird oder zum Konsum beiträgt, sondern dass das tatsächlich auch veritable Infrastruktur ist. Daran schließe ich auch meine abschließende Frage an, die sich auch wieder auf das Thema Solidarität bezieht.
Wäre es denkbar, wir denken ja die elektronische Patientenakte, die wird ja jetzt irgendwann mal kommen, diese berühmte, die soll ja nicht nur irgendein Datengrab werden, wo ab und zu mal irgendwie so ein Datum reintropft, sondern das bringt ja nur was, wenn das gepflegt wird, gehegt wird, wenn das aktualisiert ist, wenn die Daten dann auch irgendwie geordnet sind, wenn die Daten miteinander korreliert werden können, wenn die Daten ausgelesen werden können, wenn da Longitudinalstudien über verschiedene Individuen gemacht werden können und und und und. Weil ansonsten bevölkert das halt nur irgendwelche Festplatten, die irgendwo auf irgendwelchen europäischen Servern sind, uns nützt keinem was. Meine Frage ist,
wenn wir sagen, Menschen sind im solidarischen Gesundheitswesen integriert, also der eine Starke steht für den Schwachen ein, der Reichere für den Ärmeren und der Gleichen, könnte dann dieses System nicht auch sagen, jo, alles klar, die Daten, die über mein Zutun, also im Rahmen des solidarischen Gesundheitswesens erhoben worden sind, die mache ich mir auch zunutze versus der Daten, die irgendwie privatwirtschaftlich dann entstanden sind, weil Leute durch Apps, Gadgets, Variables, Longevity, Tracker oder sonst irgendwas gemacht haben. Also so dieses Denken, ich bin Teil der Solidargemeinschaft, ich zahle ja auch meine Beiträge und ich produziere Daten dadurch, dass ich Dinge in Anspruch nehme, die über das Solidarsystem finanziert sind, also ein MRT, ein CT, was auch immer und diese Daten werden unter den Datenschutzgesetzen, also dass sie anonymisiert sind und so weiter, standardmäßig verwendet, ich sei dir nicht opte aus zum Beispiel, ich sei dir nicht opte aus oder kann man sagen, du bist in diesem System sowieso drin, du hast ja gar kein Opt-out-Thema, aber du kannst dir nicht ein Trittbrett fahren, wie ist sowas zu sehen, weil wenn man sagen würde, ja man macht, das hätte man ja ein sehr starkes Schwert, wo man sagen könnte, ja da kann dann, da laufen dann wirklich sehr schnell sehr viele Daten auch rein, zum Nutzen und Frommen des Einzelnen, aber auch zum Nutzen der Solidargemeinschaft, weil die viel früher möglicherweise auf irgendwelche computergenerierten Biomarker aufmerksam wird, weil man dann erkennt, da gibt es einen Zusammenhang bei Männern, die Linkshänder sind und 50 sind und die und die Gewohnheiten haben.
Ja, also es gilt hier eine gute Balance zu finden zwischen der individuellen Autonomie und der individuellen Kontrolle über persönliche Daten, die auch hier nicht ganz verloren gehen sollte und den
Wert, den hier ein relativ vollständiger Datensatz auch bieten kann. also wenn wir, und das ist das Argument vieler skandinavischer Systeme, wenn wir einen, gerade im Gesundheitsbereich einen Datensatz haben und auch im Sozialbereich, der alle abbildet, dann können wir natürlich auch über die gesamte Bevölkerung etwas sagen, dann können wir auch unterversorgte Bevölkerungsteile gut abbilden. Es ist deshalb, also es hat Wert, einen Datensatz zu haben, aus dem Leute nicht einfach ganz einfach rausoptieren, massenweise oder schwierig reinoptieren. Gleichzeitig ist es schon wichtig, Menschen, die wirklich einen Grund haben, rausoptieren zu wollen, diese Möglichkeit zu geben und das ist genau einer der Gründe, warum wir diesen Datensolidaritätsgrundsatz entwickelt haben, der davon ausgeht, dass man schon in diese Systeme mal reinoptieren muss, also dass man nicht sagen kann, alles sind automatisch drinnen, das ist die Solidarität, die schreibt das so vor. Also man wird natürlich, solange es noch persönliche Daten sind, anonymisierte sind ja dann nicht mehr persönliche Daten, aber solange es noch persönliche Daten sind, muss natürlich die Person gefragt werden, ob die genutzt werden dürfen. Aber hier gibt es gerade dort, wo der öffentliche Wert sehr hoch ist, natürlich akzeptable Lösungen, die auch zum Beispiel Opt-out mit einschließen. Also es muss nicht immer Opt-in sein. Wenn wir niedrige Risiken haben und hohen Nutzen für andere Patienten, niedrige Risiken, dann ist ein Opt-out absolut akzeptabel.
Deswegen ist ja auch diese Bewertung des öffentlichen Wertes wichtig. Ich halte dort, wo die Risiken hoch sind und oder wo der öffentliche Wert niedrig ist, ist ein Opt-out problematischer. aber das Szenario, das Sie geschildert haben, hat höhen öffentlichen Wert, das ist natürlich ein Opt-out akzeptabel. Und zusätzlich würde ja ein System, in dem es auch effektive Schadenslinderung gibt, in dem die Leute wissen, ich gebe meine Daten jetzt zwar her, aber es kommt auch, also es machen nicht nur Firmen hier Profite, sondern diese Profite kommen dann auch zum Teil wieder zurück und kommen anderen Patienten zugute. Das würde dann auch, das suggerieren, die empirischen Daten, die uns zeigen, was Leute wollen mit ihren Daten, das ist sehr plausibel anzunehmen, dass es auch die Bereitschaft der Menschen steigern würde, diese Daten zu teilen. Natürlich ist es wünschenswert, dass wir möglichst komplette Datensätze haben in diesem Bereich, absolut.
Ja, vielen Dank. Ist länger geworden, wir sind genau um 18 Uhr. Ah, okay. Vielen Dank. Sehr gerne. Für mich war es sehr umfänglich. Gibt es etwas, was ich nicht gefragt habe, was Sie gerne noch platzieren wollen würden oder ist alles gesagt? Für heute.
Nein, ich habe alles Wichtige gesagt für heute.