OrthoCast - Der Orthinform Podcast

Knie am Limit: Wann eine Prothese die Lösung ist (Prof. Carsten Perka)

BVOU feat. Prof. Carsten Perka Season 2 Episode 2

Die Entscheidung für ein künstliches Kniegelenk gehört zu den wichtigsten im Leben eines Menschen mit fortgeschrittener Arthrose am Knie (Gonarthrose). In dieser aufschlussreichen Podcast-Episode teilt Professor Carsten Perka, ärztlicher Direktor des Zentrums für muskuloskelettale Chirurgie an der Charité Berlin und wissenschaftlicher Beirat des Endoprothesen-Registers Deutschland, sein Expertenwissen zur Knieendoprothetik.

Professor Perka räumt mit einem weit verbreiteten Missverständnis auf: Eine Knieprothese ist kein "neues Knie", sondern lediglich ein Oberflächenersatz. Die eigene Muskulatur, Sehnen und Bänder bleiben dieselben und spielen eine entscheidende Rolle für den Behandlungserfolg. Die aktive Mitarbeit des Patienten vor, während und nach der Operation ist daher unerlässlich.

Von der Diagnosestellung über verschiedene Prothesentypen bis zur Nachbehandlung erhalten Sie einen umfassenden Einblick in moderne Behandlungsmöglichkeiten. Besonders spannend: Die Langzeitprognose heutiger Knieprothesen hat sich dramatisch verbessert. Mit modernen Materialien und Verankerungstechniken halten 90% der Prothesen mindestens 20 Jahre – ein wichtiger Faktor auch für jüngere Patienten mit Arthrose.

Viele Patienten fragen sich, wann der richtige Zeitpunkt für eine Prothese gekommen ist. Professor Perka erklärt, warum diese Entscheidung nicht allein vom Röntgenbild abhängt, sondern von der individuellen Lebensqualität und den persönlichen Ansprüchen des Patienten. Er gibt zudem wertvolle Tipps zur Prävention von Kniearthrose, die allen Zuhörern helfen können, ihre Kniegesundheit langfristig zu erhalten.

Music under CC License:
Artist: Jahzzar, Track: Blueprint (License: CC BY-SA 4.0 DEED)
Artist: Breuss Arrizabalaga Quintet, Track: Mount Fuji (License: CC PD)

Speaker 1:

Herzlich willkommen zur nächsten Episode unseres Podcasts von ORT IN FORM. Heute geht es um Knie, und zwar um Knie, die so kaputt sind, dass man eigentlich kaum noch drauf laufen kann. Und da haben wir heute einen besonderen Gast hier, und es ist auch ein, eigentlich möchte ich sagen, ganz wichtiger Gast, denn er ist der ärztliche Direktor des Zentrums für muskuloskeletale Chirurgie an der Charité in Berlin. Zu Gast heute ist Professor Carsten Perker. Er ist also unter anderem auch Sprecher und wissenschaftlicher Beirat des Endoprothesen-Registers in Deutschland. Und heute das Thema Gonarthrose, also die Arthrose im Kniegelenk, und Endoprothesenversorgung, also wenn das Kniegelenk schon so kaputt ist, dass man einfach ein künstliches einbauen muss. Und, professor Perker, die erste Frage wie ist das für Sie? Wann erkennen Sie eigentlich an einem Patienten okay, der ist jetzt reif, das können wir nicht mehr machen, nicht mehr für irgendwelche konservativen Therapien. da qualifiziert der Patient eindeutig für eine Prothese.

Speaker 2:

Ja, das ist natürlich schon wieder individuell sehr unterschiedlich und schwierig gefragt. Die Ansprüche der Patienten sind höchst unterschiedlich. Das heißt, man trifft diese Entscheidung sicherlich nicht nur nach dem Röntgenbild, sondern man überlegt sich relativ genau, ob der Patient und seine Schmerzangaben zu der Mimik zu der Klinik passen, ob es für ihn wichtig ist, sich zu bewegen, ob er vielleicht lieber zwei gute Freunde zum Skatspielen einlädt und zu Hause sitzt. Also es gibt ja nie ein, das muss jetzt zeitnah operiert werden, sondern es ist ja immer eine Balance zwischen dem Grad der Abnutzung, die wir im Röntgenbild feststellen, und dem, was der Patient uns sagt, was für ihn Lebensqualität bedeutet.

Speaker 1:

Und wie ist das eigentlich, wenn der Patient jetzt bei Ihnen auftaucht? Wie geht man da idealerweise diagnostisch vor?

Speaker 2:

Also, natürlich wird sich die erste Fragerunde immer um das Knie drehen, und was ihn dazu gebracht hat, hier die Klinik aufzusuchen, Das geht um die Voroperation, die Vorbehandlungen, die durchgeführt wurden, vielleicht die Vorgeschichte, seit welchem Lebensjahr Beschwerden bestehen. Und dann natürlich relativ schnell, weil es für viele Krankheitsbilder von der Unterscheidung wichtig ist, die Frage ist es eigentlich mehr ein Schmerz, der bei der Aktivität sich verstärkt, oder ist es einer, der in Ruhe genauso da ist oder in Ruhe vielleicht sogar schlimmer ist, was eher auf einen starken entzündlichen Prozess hinbeutet? Und natürlich dann die Frage welche Untersuchungen wurden schon durchgeführt? Und wenn man sich dann ein Bild gemacht hat, a von dem Schmerzlevel, von den Einschränkungen, die der Patient angegeben hat, und das in Beziehung zu den abnutzungsbedingten Veränderungen, dann ist das ja bei den allermeisten Patienten so, dass es eine Übereinstimmung gibt und dass man dann sagen kann gut, die und die Optionen gehen nicht mehr.

Speaker 2:

Also das Gelenk zu erhalten, das ist jetzt nicht mehr durchführbar. Das heißt, wie man so schön sagt, sie brauchen ein neues Knie, wobei das eigentlich schon fast immer der größte Trugschluss ist, weil der Patient kriegt ja kein neues Knie, sondern er kriegt ja nur neue Oberflächen. Bewegen muss er es selber Muskeln, sehnen, bänder, die gleichen wie vor der Operation. Und deswegen ist es ganz, ganz wichtig zu verstehen, dass es eben nicht das neue Knie wird und nicht die Situation, wie man sie vom 16. Lebensjahr her kennt, sondern eine Situation, mit der man sich ganz, ganz aktiv auch nach der Operation auseinandersetzen muss. Das heißt, auch dazu muss der Patient in der Lage sein. Und nachdem man dann diese Dinge in Bezug zum Kniegelenk mit dem Patienten besprochen und abgeklärt hat, dann kann man natürlich oder muss man dann die Dinge besprechen, die für eine Operation wichtig sind Vorerkrankung, blutwerte. Liegt ein Zucker, vornimmt der Patient Reparate, die die Gerinnung stimulieren, oder ähnliches.

Speaker 3:

Sie hatten eben schon gesagt, dass so die Nachbehandlung natürlich wichtig ist, eine Funktion zu haben. Gibt es denn auch Sachen, die man in der Vorbereitung tun kann? Das heißt, manchmal ist es ja so, dass man durch den Schmerz so eingeschränkt ist, dass man eher inaktiver wird. Gibt es etwas, was man sagen kann okay, da steht zwar eine OP an, aber was kann ich denn dazu beitragen, dass ich das bestmögliche Outcome bekommen kann? Gibt es da etwas, was Sie den Patienten mit auf den Weg geben könnten?

Speaker 2:

Es gibt natürlich auch Dinge, die man bereits vor der Operation machen sollte. Wir machen gerade ein aktuelles Programm zusammen mit ein paar Krankenkassen, ob die sogenannte Prähabilitation, also die Durchführung von Physiotherapie vor einer Operation, sinnvoll ist. Bisher gibt es zwei Meinungen. Der eine sagt natürlich jede Aktivität, die man vorher gemacht hat, jede Muskelkräftigung ist unwahrscheinlich gut. Die Variante zwei ist sehr häufig, was auch viele sagen ja, du machst aber jede Übung falsch, weil es ja weh tut, und es geht ja nur, du wirst ja Übungen nur so machen können, wie sie schmerzarm möglich sind. Ist denn das sinnvoll? Und die Erfahrung zeigt, zumindest für mich, dass, je wichtiger die Muskulatur ist für ein Gelenk, umso relevanter ist, dass diese Anleitung auch oder dass das Ganze unter Anleitung passiert.

Speaker 2:

Und dann scheint diese sogenannte Prähabilitation oder Vorphysiotherapie oder wie immer man dazu sagen will, dann doch sehr, sehr sinnvoll zu sein, insbesondere weil ich damit testen kann, wie aktiv der Patient sich in dem ganzen Behandlungsprozess beteiligen will. Das kann man ja nur immer wieder sagen. Es wird nur funktionieren, wenn der Patient sich aktiv einbringt. Von alleine wird sich keines dieser Metall und Kunststoffteile, die wir implantieren, bewegen.

Speaker 3:

Sie hatten eben schon angedeutet, dass es ein Oberflächenersatz ist. Vielleicht können Sie nochmal so einen Überblick geben. Was gibt es denn an Operationsverfahren?

Speaker 2:

Wie sieht denn das aus? Man wird natürlich immer nur so viel von dem Kniegelenk ersetzen, wie in dem Kniegelenk kaputt ist. Und was in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat auch weil diese Prothesen besser geworden sind und die Haltbarkeit dieser Prothesen besser geworden ist, sind sogenannte Teilprothesen, also Prothesen wie die sogenannte Schlittenprothese, dass also nur die Innenseite, seltener mal die Außenseite ersetzt wird. Teilprothesen, die nur das Gelenk zwischen Kniescheibe und Oberschenkelknochen ersetzen, also wirklich ganz konzentriert den Teil, der verschlissen ist. Das funktioniert aber im Regelfall nur, wenn die Bänder noch vollständig erhalten sind und auch die Muskulatur in gutem Restzustand hat. Wenn zusätzlich Bänder ersetzt werden müssen, gibt es eigentlich für jedes Band, was kaputt ist, auch eine Prothese, die das lösen kann.

Speaker 2:

Das heißt, im Regelfall versucht auch hier der Operateur, mit so wenig Kopplung, also Verbindung zwischen den einzelnen Teilen auszukommen, wie es geht, damit die vom Patienten noch vorhandenen Bänder die Stabilität gewährleisten, das, was in der Knieendoprothetik fast immer zu entfernen ist, nur wenige Implantate bilden. Eine Ausnahme ist das vordere Kreuzband. Das wird immer durch die Form der Prothese kompensiert, und das lässt sich dann schrittweise steigern. Wenn auch das hintere Kreuzband kaputt ist, dann kann man dieses mit einem sogenannten Kreuzbandersetzendes oder, wie wir sagen, posterior stabilisiertes, also hinten stabilisiertes Kniegelenk ersetzen.

Speaker 2:

Varus, valgus, constrain-prothesen, das sind also Prothesen, die auch das Wegkippen zur Seite verinandersetzen, und sollten jetzt gar keine Bänder mehr da sein, dann kann man diese Dinge koppeln wie ein im Prinzip Scharnier, was sich wahlweise drehen kann, oder eben wie ein reines Scharnier funktioniert. Also, es gibt für jede Form der Arthrose unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten, und das sollte man vorher mit dem Arzt auch besprechen, weil nicht immer das Defizit unbedingt bereits vor der OP bekannt ist. Manchmal fällt es erst während der OP auf, manchmal passieren während der Operation oder treten Probleme auf, und dann muss ich natürlich auch eine Lösungsmöglichkeit haben, und darauf sollte der Arzt von der Planung der Operation, insbesondere hinsichtlich der Implantate, vorbereitet sein.

Speaker 1:

Apropos Vorbereitung Wir wissen ja, so ein Röntgenbild ist absolut essentiell, um das zu erkennen. Wie ist das denn heutzutage? Reicht das Röntgenbild immer noch aus, oder die Ganzbeinaufnahme, also einmal von der Hüfte bis zum Fuß, oder gibt es denn mittlerweile auch Leute, die sagen, man braucht unbedingt eine CT, zum Beispiel, um den Knochen noch präziser zu sehen? Wie ist der Stand der Dinge momentan?

Speaker 2:

Also, der Standard ist weiterhin das Röntgenbild, weil ich im Vergleich zur MRT-Aufnahme, die ja meistens die große Alternative darstellt, eben diese Aufnahme im Stand unter Belastung machen kann. Das heißt, ich habe hier wirklich meist die Situation, unter der der Patient ja auch die Beschwerden hat. Er hat es hier nicht im Liegen, sondern im Stehen Und ich kann dann die Statik im Stand am besten im Röntgenbild beurteilen. Das geht natürlich noch etwas besser, wenn ich die gesamte Achse des Beines sehe, weil natürlich dann zu entscheiden sein wird gibt es vielleicht von Elternunfällen irgendwelche Fehlstellungen, was eine angeborene Fehlstellung vorhanden oder ähnliches? Deswegen macht eigentlich der behandelnde Arzt immer eine Röntgenaufnahme des gesamten Beines. Wenn der Patient eine ausgeprägte Arthrose hat, dann ist das im Regelfall ausreichend. Jetzt gibt es aber diese Fälle, wo ich einerseits entscheiden muss zwischen dem braucht der Patient überhaupt eine Prothese, ist es vielleicht noch gar nicht notwendig?

Speaker 2:

Also, das heißt, ich muss die Strukturen sehen und insbesondere den Knorpel, um zu entscheiden hier braucht es einen Gelenkersatz, oder hier kann ich vielleicht das Gelenk noch erhalten. Dann ist das MRT hilfreich, und für relativ viele Fehlformen braucht es ein CT, und es braucht in den letzten Jahren auch ein CT bei dem Versuch, den wir immer wieder machen, prothesen individuell an den Patienten anzupassen. Das hat sich bisher nicht als vorteilhafter erwiesen. Also, wir haben keine besseren Ergebnisse mit diesen sogenannten Individualprothesen, aber es ist zumindest hier eine Entwicklung, die noch nicht abgeschlossen ist, sodass also auch aus diesem Grund in vielen Fällen CTs gemacht werden. Der letzte Punkt noch, wofür wir heute CTs verwenden, ist, wenn mit Robotern operiert wird. Es gibt bestimmte Hersteller, deren Roboter ein CT präoperativ brauchen, um dann eine Entplanung für das entsprechende Kniegelenk zu machen. Das wäre also eine weitere Notwendigkeit, ein CT durchzuführen, um zu sagen, der Patient muss operiert werden oder muss nicht operiert werden, braucht man es aber im Regelfall nicht.

Speaker 3:

Sie hatten das gerade schon mit den Robotern angesprochen. Dazu hatten wir schon mal eine Podcast-Folge, wir verweisen darauf hin. Aber wie läuft es in so einer OP ab, jetzt in der Planung dazu entschlossen zu sagen, man macht einen bikondylären, also einen kompletten Oberflächenersatz, die Bänder sehen eigentlich in Ordnung aus? Das ist ja das, was wir zum Glück häufig haben, behaupte ich jetzt mal. Aus meiner Praxiserfahrung sind das meistens doch Kniepothesen, die wir hinterher in der Nachbehandlung sehen. Es gibt natürlich auch die sehr besonders aufwendigen mit Kopplung und etc. Aber wir gehen mal von einer häufigen Kniepothese aus. Wie geht denn so eine OP von sich? Vielleicht so ein bisschen so ein Überblick, damit die Patienten wissen, was so auf sie zukommt, und damit man vielleicht auch besser nachvollziehen kann, warum es manchmal in der Nachbehandlung hier und da haken kann oder worauf man achten kann.

Speaker 2:

Sehr gute Frage. Also das, was der Patient ja zunächst meist wahrnimmt, ist der Hautschnitt. Und der Hautschnitt ist einfach vorne in der Mitte über dem Kniegelenk, und die Schmerzen sind meistens genau nicht da, sondern die sind oftmals eben an der Innenseite des Kniegelenkes. Und dann kommt die erste Frage wieso schmerzt es dort? Und dann ist natürlich das, was wir in über 90 Prozent der Fälle, als wir sagen Zugangsweg oder operativen Zugang zum Kniegelenk verwenden, ist dann eben dieser Mittel oder wir sagen paramediale Zugang, das heißt also ein Zugang auf der Innenseite, bei dem auch die Schienbeinkopf so dargestellt wird, dass der Operateur einen guten Überblick hat. Das, was dann, nachdem der Überblick da ist, passiert, ist, dass der noch vorhandene Rest Meniskus entfernt wird und eine vielleicht überschießende, durch die Schwellung bedingte Schleimhautschwellung auch die wird entfernt, sodass dann, nachdem die Weichthälle, wenn man so will, gesäubert sind, man sich dem Knochen zuwenden kann. Und hier spielt natürlich die entscheidende Rolle die Ausrichtung der Komponenten. Das heißt, der Patient wünscht ja im Regelfall ein gerades Bein. Wir können ja vielleicht noch über die Ausnahmesituation sprechen, vielleicht noch über die Ausnahmesituation sprechen. Und dann muss das Ganze so geplant werden, mithilfe von speziellen Instrumenten, die entweder in dem Markraum des Knochens der Hohlraum, der sie im Knochen befindet, kann durchaus als Orientierung dienen oder die außerhalb des Knochens angebracht werden, indem man bestimmte andere anatomische Punkte verwendet, um dann den Knochen, wenn man so will, so zuzusägen, dass hinterher ein gerades Bein resultiert. Das passiert einmal bei Streckung des Beines und das, was wahrscheinlich für die Funktion des Kniegelenkes für Dinge wie Treppensteigen, tiefes Beugen und ähnliches vielleicht noch wichtiger ist, dann nochmal die Beugung des Beines. Das heißt, hier wird tatsächlich dann ganz, ganz wichtig sein, dass in allen Bewegungsabschnitten, egal, ob der Patient das Knie gerade hält, ein bisschen beugt oder ganz stark beugt, immer die Bänder stabil sind, damit das ganze System funktionieren kann.

Speaker 2:

Und das ist so ein bisschen die Kunst der Endoprothetik, die Prothese dann so einzusetzen, dass über den gesamten Bewegungsradius Stabilität vorhanden ist. Es darf nicht zu eng sein, dann kommt der Patient nicht weiter, dann hat er die Blockierung bei einer unbefriedigenden Beugung, und es darf natürlich nicht zu locker sein, weil dann kommt er sich mit Sicherheit beschweren, dass es beim Treppen gerade hinunterlaufen einfach schlecht funktioniert. Und das ist halt die Aufgabe des Operateurs, hier die richtige Balance zu finden. Und klar, solange alle Bänder da sind, ist das gut machbar, wenn der Patient vorher einen Unfall hatte und man nicht genau weiß, die Bänder noch funktionieren oder vielleicht einen Schaden genommen haben und sich vielleicht schon ausgeleiert sind oder ähnliches, dann wird das natürlich schwieriger, und dann müssen die vorhin angesprochenen Prothesen, alternativen genutzt werden.

Speaker 1:

Wenn man jetzt so ein Knie implantiert hat, und es hat alles gut geklappt, gut ausbalanciert, patient wacht auf, liegt auf Station, wie geht es weiter? Kann der dann voll belasten, braucht der Gehstützen? Und dann kommt ja wahrscheinlich oft auch die Frage wann kann der damit wieder ganz normal laufen und vielleicht sogar Sport machen?

Speaker 2:

Das Unmittelbar nach der OP ist natürlich abhängig davon, welche Form der Narkose der Patient hatte. Also, wenn er eine Rückenmarksnarkose hat, dann kann er natürlich nicht gleich aufstehen, weil er keine Kraft in den Beinen hat, weil er muss erst mal die Narkose abklingen. Ansonsten kann im Prinzip der Patient, wenn es der Kreislauf zulässt, unmittelbar nach der Operation aufstehen. Das betrifft alle zementierten Prothesen, weil wenn man es ich sage mal vielleicht ein bisschen flapsig sagen würde, eigentlich wird eine zementierte Prothese nie wieder so fest sein, wie am Tag, wo man sie eingebaut hat. Die kann ja eigentlich nicht fester werden. Aber auch moderne zementfreie Prothesen haben solch eine hohe Stabilität, dass der Patient diese sofort belasten darf. Wir werden das immer am OP-Tag probieren. Wir werden natürlich auch ein Verständnis haben, wenn der Patient sich nicht fühlt.

Speaker 2:

Gerade ältere Patienten haben dieses Problem. Das, was sich bewährt hat, ist, über einen Zeitraum, ohne dass der starr ist, zwischen zwei bis vier Wochen Gehstützen zu verwenden. Diese Gehstützen dienen im Wesentlichen der Schmerzreduktion. Es geht also nicht darum, das Bein zu entlasten oder dass er da nicht richtig rauftreten darf. Aber man kann einfach, wenn man die Stützen nimmt, mit weniger Kraft dieses Bein benutzen oder mit weniger Lastentwicklung und damit natürlich die Schmerzen reduzieren, also sprich das rechte Bein im Regelfall bei Automatikfahrzeugen, dann kann man das etwa nach vier Wochen wieder durchführen.

Speaker 2:

Bis etwa zu diesem Zeitpunkt haben eigentlich in unseren Studien alle Patienten wieder mindestens die Kraftentwicklung erreicht, die auch vor der OP vorhanden war, und dann ist es fast nur eine Frage des Ehrgeizes und der Muskulatur, wann ich was machen kann. Das heißt, es gibt eigentlich kein Verbot. Die generelle Empfehlung ist machen Sie bitte die Dinge nur, die Sie auch vorher konnten. Also neue Sportarten zu erlernen, halte ich für kritisch, aber wenn jemand vorher Alpinski gefahren ist, dann halte ich das für absolut legitim zu sagen machen Sie das ruhig wieder. Also es gibt eigentlich keine, sagen wir mal, denkverbote, sondern es hängt ganz, ganz entscheidend von der Aktivität des Patienten ab und wie es ihm gelingt, die Muskulatur aufzubauen, weil auch beim Sport natürlich das Bein ist nur so gut oder das Knie nur so gut, wie es muskulär geführt und stabilisiert wird, und da kann der Patient viel zu beitragen.

Speaker 3:

Das klingt sehr hoffnungsvoll, wenn man das so hört. Wir hatten eben schon mal so ein bisschen angedeutet. es gibt natürlich auch Ausnahmen. Wir haben jetzt von der gängigen Prothese mit guter Muskelfunktion gesprochen. Vielleicht können Sie nochmal ganz kurz ein anderes von diesen Ausnahmen, die Sie eben so angedeutet haben, nochmal kurz darauf eingehen angegeben.

Speaker 2:

Wenn ich diese anatomischen Voraussetzungen einer normalen Muskulatur nicht habe, wodurch kann das bedingt sein? Das kann zum Beispiel bedingt sein, wo wir es zahlenmäßig so häufig sehen nach Unfällen, die zum Teil nicht nur das Knie verdrehen, sondern wo eben viele Bandstrukturen zerstört werden, zum Teil Muskulatur verloren gegangen ist, ein Weichtöteffekt da ist. Dann werde ich dieses, egal welche Knieprothese ich verwende, nicht mehr so stabilisieren können, dass ich damit alles machen kann. Ich kann aber ein solches Muskeldefizit auch im Rahmen zum Beispiel einer neurologischen Erkrankung haben, im Zusammenhang mit einem Bandscheibenvorfall, der zu einem Nervenschaden geführt hat, angeborene Erkrankung oder auch Patienten mit Rheumatoider Arthritis, wo natürlich die Gesamtgelenke entscheidender sind als dieses eine Kniegelenk, was wir jetzt operiert haben, also die Gesamtsituation des Patienten, und dann wird das ganz, ganz anders aussehen, und es sieht natürlich auch anders aus, wenn die Knieprothese gewechselt werden muss.

Speaker 2:

Dann wird es sehr, sehr individuell, was der Patient hinterher noch machen kann. Das hängt sehr von der Ursache ab, die zum Wechseln geführt hat. Aber auch da kann man sagen, es geht eigentlich immer das, was es gelingt, die Aufgabe des Operateurs umzusetzen, ein stabiles Knie zu kriegen, und die Aufgabe des Patienten umzusetzen, diese Stabilität muskulär zu nutzen.

Speaker 3:

Also, es gibt immer mehr Ausnahmesituationen, zumindest bei uns im Haus, weil wir natürlich sehr viele Spezialversorgung durchführen. Aber das ist dann in der Summe sind das vielleicht 10, 15 Prozent der Patienten. Wir sprechen hier keine Empfehlung aus, sondern das muss man immer individuell mit seinem Operateur besprechen, was sie danach mit der Prothese machen können, ganz wichtig. Sie hatten gerade eben nochmal angesprochen, revision und Wechsel. Damit kann man mit Sicherheit Kongresse füllen zu dem Thema. Aber vielleicht können Sie mal einmal so einen Überblick geben. Wir haben ja früher immer noch gelernt, prothesen können sich lockern. Deswegen müssen wir die regelmäßig kontrollieren. Ist das heute noch der Fall?

Speaker 2:

Tatsächlich hat sich das Bild, warum wir Prothesen wechseln, dramatisch geändert. Also heutige Verankerungsverfahren vielleicht können wir heute auch besser mit Zement umgehen. Wir haben besser verstanden, wie Zement funktioniert, der ja eigentlich kein Zement ist, sondern eigentlich Plexiglas, also ein Kunststoff, der nur irgendwie so wirkt oder funktioniert wie Zement, weshalb er diesen Namen gekriegt hat und was ja auch eingängig ist für alle Beteiligten. Also, wir nutzen das besser. Deswegen spielen Lockerungen von Prothesen eigentlich keine Rolle mehr. Das ist einmal die Verankerungssicherheit, und der zweite Teil, der früher sehr, sehr oft dazu geführt hat, war der Abrieb. Deswegen haben wir früher immer gesagt, dass die Prothese hält 10 bis 15 Jahre, und diese 10 bis 15 Jahre generierten sich ja im Wesentlichen aus der Kenntnis, wie lange der Kunststoff, der in dem Knie zwischen den Metallteilen ist, aushält und wann der Abrieber leidet.

Speaker 2:

Heutiger, moderner Kunststoff ist zusätzlich stabilisiert oder, wie wir sagen, quervernetzt.

Speaker 2:

Für die Chemiker unter den Zuhörern ist es Polyethylen, und dieses Polyethylen sind ja eigentlich einzelne Ketten.

Speaker 2:

Diese einzelnen Ketten lassen sich sozusagen miteinander verklemmen oder verkeilen oder vernetzen, indem man das Ganze nochmal bestrahlt und erhitzt und am Schluss, um die freien Radikale rauszubringen, noch ein Antioxidationsmittel hinzufügt, Und deshalb aber jetzt damit konfrontiert werden, dass wir viele Jahre die Patienten eigentlich gewarnt haben, sie sollen nicht so viel machen, und sie sollen doch vorsichtig sein Und wir jetzt halt immer wieder sehen, dass die Patienten sich geschont haben und wir die Wechselgründe jetzt die sind, die wir früher wenig hatten, das heißt, die Instabilität durch Verlust der Muskulatur, die Sturzneigung des Patienten dadurch, dass eben die Koordination nicht mehr gegeben war, und letztendlich auch eine Zunahme von Infektionen, die ja entgegen dem, was man immer glaubt, nicht nur mit der Operation zusammenhängen, sondern im Prinzip hat man ja eine lebenslange Hypothek mit solch einem künstlichen Gelenk. Und das sind eigentlich die Hauptgründe heute Das macht bei uns in der Klinik fast 75 Prozent, 80 Prozent der Fälle aus, warum wir Prothesen wechseln. Diese drei Dinge Also Instabilität, infektion und dazu noch die Frakturen, also völlig verändertes Bild gegenüber vor zehn Jahren.

Speaker 1:

Das erinnert mich so ein bisschen an einen Patienten, den ich heute selbst gesehen habe, ein relativ junger Mann mit 40 Jahren, mit einer fortgeschrittenen Arthrose, also einer Arthrose in der Schulter nach einer Verletzung in der Kindheit. Das Gelenk war völlig hinüberqualifiziert für eine Prothese, eindeutig. Aber mit 40 wird er mir für die Schulter viel zu jung.

Speaker 2:

Wie ist es am Knie? Gibt es da eine Altersgrenze? Die gibt es im Prinzip aus meiner Sicht nicht. Es gibt individuelle unterschiedliche Auffassungen dazu. Für mich ist die oder von der Philosophie. Ich glaube, dass so eine Knieprothese heute bei 90 Prozent der Patienten 20 Jahre hält. Vielleicht sind es nur 85 Prozent, aber das ist ungefähr die Zeitspanne, mit der wir im Moment argumentieren. Und dann ist es für mich immer die.

Speaker 2:

So sage ich das meinen Patienten. Sie müssen das entscheiden, wenn sie, ob diese 20 Jahre zwischen dem 40. Lebensjahr und dem 60. Für sie die wichtigsten sind, oder vielleicht die zwischen dem 60. Und 80. Oder erst die zwischen dem 60. Und 80. Oder erst die zwischen dem 70. Und 90. Die Relevanz einer Arthrose für die Lebensqualität des Patienten kann ja letztendlich immer nur der Patient selbst einschätzen. Und deswegen bin ich eigentlich inzwischen in den letzten zehn Jahren davon abgekommen, dass ich sage, es ist jemand zu jung. Der Patient wird sicherlich zweimal einbestellt, um ihm dieses Problem wirklich nachdrücklich zu schildern. Aber zu jung ist eigentlich nicht mehr gegeben. Es gibt genügend junge Balletttänzer, ehemalige Profifußballer, die mit 40 Jahren künstliches Kniegelenk gekriegt haben, die sich dessen bewusst sind, weil sie eben zu aktiv waren oder überaktiv waren, ihr Gelenk zerstört haben, dass aber trotzdem für das, was sie weiter machen wollen, das so wichtig ist, dass sie kaufen ihn, dass sie vielleicht mit 60 dann wieder eine Wechseloperation brauchen, wobei das am Knie einfacher ist als an der Schulter. Das müssen wir an der Stelle nebenbei mal einfügen.

Speaker 3:

Gut, also jetzt haben wir schon einen super Überblick bekommen darüber, was so die Möglichkeiten sind, die verschiedenen OP-Techniken. Es geht nicht ohne Patienten mit dabei. Ich glaube, das ist ganz, ganz wichtig. Das Knie kann nur so gut sein, so gut, wie die Muskulatur und die Sehnen drumherum sind. Wie häufig müssen wir denn Nachkontrollen machen? Also, wenn es jetzt im Prinzip die Lockerung eigentlich gar nicht mehr so der große Risikofaktor ist, wie häufig und wie sollten dann diese Knieprothesen nachkontrolliert werden?

Speaker 2:

Auch da gibt es natürlich wieder wie bei vielen Dingen in der Medizin, keine eindeutigen Empfehlungen. Das, was man im Moment für sinnvoll hält, ist etwa alle drei Jahre Und immer dann, wenn Schmerzen auftreten, die vorher nicht vorhanden waren, wenn sich der Schmerzcharakter ändert, also vorher war vielleicht immer ein nach Belastungen dumpfes Ziehen, und plötzlich ist eine andere Art des Schmerzes vorhanden. Auch das wäre für mich ein Grund, das zu machen. Aber im Prinzip gilt alles, was neu auftritt, mehr oder weniger gleich. Ansonsten ist die reine Vorsorge oder Kontrolluntersuchung sicherlich alle drei Jahre ausreichend, vielleicht sogar alle fünf Jahre. Das, weshalb wir das früher immer empfohlen haben, war eben der Abrieb, weil dieser Abrieb eben auch schmerzfrei Knochen zerstören konnte. Und dadurch, dass dieses Problem bei modernen Prothesen eigentlich gelöst ist, ist wahrscheinlich dieser Zeitraum, den wir im Moment noch überall hinschreiben und außer von den drei Jahren vielleicht noch zu kurz gefasst. Aber es ist natürlich wie immer. Wir haben ja sowieso nicht die Probleme mit den Patienten, die zu oft kommen, hinsichtlich der Nachkontrolle, sondern denen, die eigentlich danach keinen Arzt mehr sehen wollen, weil sie sagen, jetzt bin ich wieder gesund.

Speaker 1:

Wie ist das eigentlich, wenn man so naja, ich möchte mal sagen, schon ein bisschen eine Schadensanlage hat, ja oder vielleicht auch die Knie stark belastet? mit der Prävention, Also, wenn man so eine Prothese ganz und gar vermeiden möchte, was ist aus Ihrer Sicht nochmal die drei wichtigsten Dinge für die Prävention, damit es gar nicht erst zu einer Prothese kommt?

Speaker 2:

damit es gar nicht erst zu einer Hypothese kommt. Das ist natürlich wieder eine schwierige Frage. Ich würde sagen, als erstes kein Sport mit schnellen Richtungswechseln, also das, was man heute als High-Impact-Sportarten bezeichnet. Das ist entgegen dem, was wir ja oftmals sagen, tatsächlich offensichtlich der wesentlichste Arthrosefaktor. Das Zweite ist sicherlich das Übergewicht. Da gibt es zumindest am Knie auch beeindruckende Studien. Und das dritte sind die Achsfehlstellungen. Offensichtlich, und das ist nicht jeder. Nicht jedes O-Bein, nicht jedes X-Bein braucht eine Korrektur. Aber ein O-Bein, was mit Schmerzen auf der Innenseite einhergeht, ein X-Bein mit Schmerzen auf der Außenseite sollte ärztlich untersucht werden. Da sollte man sich eine Empfehlung holen, weil trotz aller veränderten Philosophien zum Einbauen von Knieendoprothesen für das nicht ersetzte Kniegelenk ist tatsächlich der Achsfehler ein relevantes Risiko für das Entstehen einer Arthrose, und auch wenn es dem 20-jährigen aktiven Fußballer, wo es vielleicht noch nicht so weh tut, schwerfällt. Aber zumindest sollte man sich eine Empfehlung abholen. Die kann man ja dann immer noch umsetzen oder es lassen.

Speaker 3:

Das ist ein schöner Abschluss. Wir haben nämlich einmal die Kurve gedreht, wieder zurück in die Prävention, was man als Patient tun kann, um eine Konnatrose ein bisschen zu verhindern, insofern das in den eigenen Möglichkeiten steht. Insofern ganz herzlichen Dank, professor Perka. Wir haben einen tollen Überblick bekommen über Prävention, über Therapieoptionen mit entsprechenden Vor und Nachteilen und ein bisschen auch so die neuen Grenzen der Endokrothetik gerade im Kniegelenksbereich gelernt und wieder aufgefrischt. Insofern herzlichen Dank dafür. Ich hoffe, unseren Zuhörern hat es auch sehr viel Spaß gemacht, und sie haben neue Informationen bekommen und können vielleicht hier und da ein bisschen besser mit ihren Kniegelenken umgehen. Wir hoffen, dass wir sie bald wieder mit neuen Informationen füttern können in Form des Ort, in Form Podcast, und wünschen Ihnen noch einen wunderbaren Tag. Herzlichen Dank, musik.

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