OrthoCast - Der Orthinform Podcast
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OrthoCast - Der Orthinform Podcast
Sitzen ist das neue Rauchen – ein Orthopäde erklärt Risiken, Studien und einfache Gegenmaßnahmen
Der Bürostuhl wirkt bequem, doch er verlangt dem Körper still und heimlich einen hohen Preis ab. Wir nehmen dich mit in die Mechanik des Dauersitzens: warum Bandscheiben ohne den Wechsel von Druck und Entlastung „verhungern“, wie Kapillaren unter konstantem Druck weniger liefern, und wieso die typische Kopf-vor-Haltung Nacken, Schultern und Kopf überlastet.
Unser Gast, Orthopäde und Diplomsportlehrer Dr. Jürgen Kosel, erklärt klar und greifbar, welche Folgen sich von Rücken- und Nackenschmerz über Rundrücken bis hin zu Herz-Kreislauf- und Stoffwechselproblemen ziehen – inklusive der oft unterschätzten Risiken für Beckenorgane und Beckenboden.
Statt Alarmismus gibt’s praktikable Antworten: stündlich aufstehen, Wege erzwingen (Drucker in den Nebenraum, Wasser ritualisieren), Telefonate im Stehen führen und dynamisches Sitzen klug dosieren. Wir sprechen über Ergonomie, die wirklich zählt: Bildschirmoberkante auf Augenhöhe, entspannte Unterarme, fester Stand der Füße.
Du lernst einen einfachen Selbsttest für verkürzte Brustmuskeln und erfährst, warum die häufigste Ursache für Rückenschmerzen eine muskuläre Dysbalance ist.
Besonders wertvoll: klare Orientierung zur täglich empfohlenen Schrittzahl. Schon ab ca. 2.200 Schritten sinken Risiken messbar, 6.000–9.000 bringen starke Effekte, und bei 9.000–10.500 liegt das niedrigste Sterblichkeitsrisiko – unabhängig davon, wie lange du insgesamt sitzt.
Beim Training gilt: Bewegung vor Spritze. Rudern aktiviert bis zu 80 Prozent der Muskulatur und stärkt den Rumpf, Klettern fordert Körperspannung, und zu Hause liefert ein Theraband mit Türanker nahezu vollständige Trainingsvielfalt.
Wir benennen Red Flags, die sofort zum Orthopäden gehören: Kribbeln, Taubheit, Kraftverlust. Und wir schauen auf die Homeoffice-Jahre, in denen die Sitzdauer teils auf über neun Stunden stieg – mit spürbaren Folgen, die aber mit Routine, Technik und kleinen Gewohnheiten umkehrbar sind.
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Music under CC License:
Artist: Jahzzar, Track: Blueprint (License: CC BY-SA 4.0 DEED)
Artist: Breuss Arrizabalaga Quintet, Track: Mount Fuji (License: CC PD)
Ja, herzlich willkommen allerseits zu einer weiteren Sendung im heutigen Orthocast. Und heute haben wir ein Thema, das finde ich persönlich total spannend, den Titel, der ist einfach irre gut, und zwar Sitzen ist das neue Rauchen. Und dazu haben wir einen echten Profi bei uns, nämlich Dr Medjürgen Kose. Er ist Facharzt für Orthopädie und auch Diplomsportlehrer, und er ist natürlich kein Experte fürs Rauchen, sondern er ist ein Experte für was passiert eigentlich, wenn man zu viel sitzt, und er ist niedergelassen in der Praxis in Pulheim und im Übrigen auch Autor des Buches Orthopädie verstehen. Das Buch ist für Patienten geschrieben und erklärt die Orthopädie in verständlichen Worten. Herr Dr Kosel, jetzt muss ich gleich mal fragen wenn man ganz viel raucht, da weiß ja jeder, was passiert. Also der Kreislauf, und die Gefäße gehen kaputt, die Lunge geht kaputt, und man stinkt alles fürchterlich voll.
Speaker 2:Wenn man zu lange sitzt, was geht denn dann am häufigsten kaputt? Ja, zur Erklärung. Also im Sitzen sind ja naturgemäß die Beinaktivitäten ausgeschaltet, Im Gegensatz zum Gehen. Beim Gehen kann die Wirbelsäule federn durch die bewegliche Aufhängung über die Kreuzdarmbeinfugen im Beckel. Das bedeutet für die Bandscheiben zwischen den einzelnen Wirbeln, dass sie bei jedem Schritt einen Wechsel zwischen Druck und Entlastung haben. Beim Sitzen geht die Entlastungsphase verloren, und die Bandscheiben sind die ganze Zeit durch Druck belastet, und zwar Druck, der um 90 Prozent höher ist als in Stehen, sodass Bandscheibenschäden sich entwickeln können. Und ständiger Druck wirkt sich auch ungünstig auf andere Gewebe aus. Das Blut wird zum Beispiel aus den kleinsten Blutgefäßen, den Kapillaren, herausgedrückt, und Sauerstoff und Nährstoffversorgung leiden darunter drückt, und Sauerstoff und Nährstoffversorgung leiden darunter. Folge ist mit zunehmender Sitzdauer eine Verspannung der Muskulatur, insbesondere im Lendenwirbelbereich. Weiterhin werden im Sitzen oft die Schultern und der Kopf nach vorne gezogen, sodass sich die Nackenmuskeln und Schultermuskeln ebenfalls verspannen, und ich taste sehr, sehr häufig bei Patienten mit sitzenden Berufen brettharte Schultermuskeln, und die führen nicht selten zu Kopfschmerzen, und auch die Nährstoff und Sauerstoffversorgung zum Gehirn kann darunter leiden und sogar das Risiko für Alzheimer erhöhen.
Speaker 2:Im vorderen Brustbereich können sich die Brustmuskeln verkürzen, und die schlechte Haltung fördert einen sogenannten Rundrücken. Das wiederum engt den Brustkorb ein, was die Funktion der Lungen und des Herzens beeinträchtigen kann. Es können sich Herz-Kreislauf und Stoffwechselerkrankungen entwickeln. Eine britische Studie hat beispielsweise ergeben, dass Busfahrer deutlich mehr Herzinfarkte und andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben als Busschaffner, die ständig in Bewegung sind, und zuallerletzt ständiger Druck im Sitzen schädigt auch Organe im Becken und den Beckenboden. Der ist ein Muskel, und das ist für Frauen besonders ungünstig im Bereich der Gebärmutter, besonders nach Gebur, und bei Männern kann die Prostata betroffen sein, mit der Folge einer Erektionsstörung, und bei beiden Geschlechtern können sich durch zu langes Sitzen Hämorrhoiden entwickeln, die unangenehme Schmerzen im Analbereich verursachen. Also eine ziemliche Palette, und zum Teil eben ist das vergleichbar mit Schäden durch Rauchen.
Speaker 3:Das klingt ja wirklich ganz furchtbar. Da würde man ja am liebsten sofort aufstehen. Gibt es denn irgendwie eine zeitliche Schwellengrenze, dass man sagt, okay, meinetwegen nach einer halben Stunde, oder wie macht man das denn am besten? Also, wann wird es denn besonders schlimm Ist ja wie bei dem Rauchen auch. Wenn ich meine Zigarette rauche, geht es vielleicht noch in Anführungsze, aber wenn ich jetzt Kette rauche, ist das natürlich auch nicht gut. Wie ist das beim Sitzen?
Speaker 2:Das Problem ist der Druck. Ich sagte ja schon, der ist sehr hoch im Sitzen im Vergleich zum Stehen, also fast auf das Doppelte erhöht. Das bedeutet, das Gewebe ist nicht mehr ordentlich versorgt, sauerstoff kommt nicht mehr hin, nährstoffe kommen nicht mehr hin, die Muskulatur verspannt, und das passiert innerhalb von anderthalb bis zwei Stunden so stark, dass dann Schmerzen und Schäden auftreten. Das heißt, eine Stunde sitzen am Stück ist in der Regel kein Problem, aber über anderthalb bis zwei Stunden hinaus kann es zum Problem werden.
Speaker 3:Und wie sieht denn so der Alltag aus? Ich müsste alle Stunde einmal aufspringen, und was muss ich dann machen? Muss ich dann eine Viertelstunde mich bewegen, oder reicht es, wenn ich kleine Übungen fünf Minuten mache? oder gibt es da irgendwelche Daten zu?
Speaker 2:Es reichen tatsächlich einige Minuten Bewegung. Das Entscheidende ist, dass wieder Sauerstoff und Nährstoffausgleich in dem Gewebe stattfinden kann, also besonders im Lendenbereich und im Beckenbereich. Aufstehen reicht schon also, wenn man am Arbeitsplatz dafür Sorge trägt, dass man beispielsweise Abfälle vom Tisch, die man direkt zum Mülleimer bringt und nicht erst sammelt und einmal am Tag dann wegbringt. Oder man stellt sich ein Glas Wasser hin und so, man sollte ja eh genug trinken. Das bedeutet, einmal die Stunde macht man das Glas leer, und wenn man das wieder füllt, muss man aufstehen und in den Nachbarraum gehen. Das sind ganz simple Tricks, die aber sehr gut helfen. Oder wer was ausdrucken muss, der stellt halt den Drucker oder auch den Kopierer nicht direkt neben seinen Schreibtisch, sondern in den Nachbarraum. Auch dann ist man gezwungen aufzustehen und hat durch dieses Aufstehen und das Gehen schon wieder Entlastung im Bereich der Wirbelsäule und im Becken.
Speaker 3:Und macht das einen Unterschied? Also, wenn ich jetzt zum Beispiel einen Stehtisch habe das haben ja viele mittlerweile oder wenn ich auf einem beweglichen Ball sitze, also ein fester Stuhl, klar, das verstehe ich. Aber wenn ich jetzt auf einem beweglichen Stuhl Swopper, gymnastikball ändert das, was Gymnastikball ändert das, was.
Speaker 2:Das ist schon besser als der starre Bürostuhl, denn gerade dieses Wippen, das fördert auch wiederum die Durchblutung. Aber den gerade so einen Sitzball, den sollte man eher als Sportgerät betrachten und nicht acht Stunden beispielsweise drauf sitzen, denn Sport macht man auch nicht länger als anderthalb bis zwei Stunden, und so ist das auch ähnlich mit dem Sitzball. Also pro Arbeitstag kann man ihn nutzen, aber zwischendurch nicht länger unbedingt als zwei Stunden.
Speaker 1:Also, wenn ich zum Beispiel aus meinem Büro in der Praxis und in der Klinik rausschalte, bin ich einfach so praktisch umzingelt von Büros. Das sind also ich weiß gar nicht, wie viele Tausende von Menschen, die alle in ihren Büros sitzen. Man Tausende von Menschen, die alle in ihren Büros sitzen. Manchmal kann ich auch reinschauen, sitzen die da alle an Schreibtischen. Wenn ich da jetzt so zuhöre, da muss man ja eigentlich meinen, meine Güte, also die halbe Welt arbeitet am Bürotisch. Wenn man jetzt merkt, jetzt tut mir der Rücken weh, oder irgendwie die Schultern tun mir weh, es ist verspannt, wie ist denn dann das diagnostische Vorgehen? Was sollte man denn dann am besten machen? Gleich zum Arzt gehen oder ein MRT machen oder irgendwas anderes?
Speaker 2:Das diagnostische Vorgehen hängt natürlich immer auch von den Beschwerden ab, und wer Schmerzen im Bereich der Bandscheiben hat oder Rückenschmerzen hat das haben ja nun viele Menschen, jeder Zweite hat im Laufe seines Lebens Rückenschmerzen Dann sollte man erst überlegen, wo kann das herkommen? Und die häufigste Ursache ist eine muskuläre Dysbalance, dass eben kein Gleichgewicht besteht, insbesondere nicht zwischen Bauch-, rücken und Gesäßmuskeln Und im Schulter-Nacken-Bereich, die Verkürzungen beispielsweise. Da kann man einen Selbsttest machen, um festzustellen, ob man schon unter Verkürzungen leidet. Beispielsweise legt man sich auf den Rücken, flach auf den Rücken, nimmt einen Arm in die Hochhalt, also nach hinten, über den Kopf, den Oberarm nah am Ohr, und beugt den Ellbogen rechtwinklig, und jetzt sollte in dieser Position der Ellbogen auf der Unterlage, also auf dem Boden liegen, und das schaffen eben viele nicht mehr, und das ist ein Zeichen, dass die Brustmuskulatur schon verkürzt ist, sich ein Rundrücken anbahnen kann.
Speaker 2:Wenn also muskuläre Ungleichgewichte sind, dann muss man nicht sofort zum Orthopäden rennen, sondern dann sollte man erstmal für Bewegungsausgleich sorgen und zum Beispiel sich ein Fitnessstudio anmelden oder eben andere Sportarten machen, die den ganzen Körper aktivieren. Wenn aber da wir die Bandscheiben schon ansprachen durch diese Bandscheibenschäden Kribbeln zum Beispiel entsteht oder Muskelkraft vermindert ist, dann ist es höchste Zeit, doch einen Orthopäden aufzusuchen.
Speaker 1:Sie hatten vorhin angesprochen, was man so alles tun kann, um zum Beispiel auch mal den Schreibtisch zu verlassen. Das fand ich eigentlich ganz gute Tipps, also den Müll wegbringen oder ein Glas Wasser holen oder sowas, oder auch eine Toilettenpause einlegen, wenn man woanders hin muss. So ein Standard-Arbeitstag in einem Büro, wenn man jetzt mal so ganz kurz zusammenfasst, so aus Ihrer Sicht wie sollte dieser Tag auf einer Zeitachse optimal laufen, damit man sich gut bewegt?
Speaker 2:hat. Arbeitsstach im Büro am Schreibtisch bedeutet zunächst auch einmal, dass man den Arbeitsplatz ergonomisch gestalten sollte. Ergonomisch heißt, dass die Sitzfläche die richtige Höhe hat, dass die Tischfläche die richtige Höhe hat und dass die Bildschirmposition optimiert ist. Beispielsweise kommt es sehr häufig zur Überlastung der Halswirbelsäule und der Nackenmuskulatur, weil der Bildschirm nicht auf der richtigen Höhe steht. Faustregel ist, dass, wenn man gerade vor dem Bildschirm sitzt, dass die Augenhöhe mit der Oberkante des Bildschirms übereinstimmt, sodass man also immer leicht nach unten guckt. Das ist die beste Position für die Halswirbelsäule und für die Muskulatur. Schaut man zu hoch, verspannt es und überlastet die Bandscheiben. Schaut man zu tief, führt das ebenfalls zu Verspannungen.
Speaker 2:Einen Stehpuls zu haben, sollte man häufig wechseln. Beispielsweise könnte man es sich zur Gewohnheit machen, dass man Telefonate im Stehen führt oder im Gehen führt. Heutzutage hat man ja mobile Telefone, ist ja nicht mehr an irgendeiner Schnur festgebunden, und wenn das also möglich ist, sollte man das nutzen Und ansonsten darauf achten, dass man jede Stunde aufsteht und in Bewegung kommt. Also ich frage auch immer wieder meine Patienten, die eine sitzende Tätigkeit haben wie lange sitzen sie am Stück auf dem Stuhl am Arbeitsplatz? Und da kommen oftmals Antworten ja, wenn ich konzentriert arbeite, dann vergesse ich die Zeit. Dann sitze ich auch mal drei Stunden, ohne aufgestanden zu sein, und das ist zu viel, und das kann eben die entsprechenden Schäden verursachen.
Speaker 1:Und eine Stunde Pause. Das macht wahrscheinlich Sinn, wenn man sich vielleicht sogar einen Wecker stellt, dass man alle Stunde mal loszieht. Wenn ich jetzt so die Patienten, die Sie ansprechen, mir vor Augen führe, wie viele Leute machen das denn überhaupt aus Ihrer Erfahrung? Die meisten halten die sich da dran, oder wie ist das so in der Bürowelt?
Speaker 2:wird, desto eher sind die Menschen bereit, auch dagegen etwas zu tun, denn keiner möchte Schmerzen haben, und in jungen Jahren ist der Leidensdruck noch gering. Da ist tatsächlich die Compliance, also die Mitarbeit des Patienten und die Zuverlässigkeit, die Ratschläge des Arztes umzusetzen. Da ist es noch nicht so groß Mit zunehmendem Alter. Wenn die Bewegungen kommen, dann sind die Menschen tatsächlich bereit, auch konsequent was zu tun Und nicht nur nach dem Motto zum Arzt gehen ich habe jetzt Schmerzen, heil du mich. Nein, jeder muss selber für sich was tun. Das kann kein anderer.
Speaker 3:Alltag dann beeinflussen, sondern das ist natürlich jedem selbst überlassen zu gucken, wie man das macht. Ich fand das ja total spannend, dass wir auch richtig andere Erkrankungen häufiger sehen assoziiert. Können Sie damit nochmal was sagen? Also, was sind denn so die häufigsten Erkrankungen, die mit einer sitzenden Tätigkeit einhergehen? Also, sie hatten das eben schon mal so ein bisschen angerissen, aber das wäre ja vielleicht nochmal so spannend, um das wirklich nochmal den Druck ein bisschen zu erhöhen.
Speaker 2:Nackenmuskulatur Ist es eben auch die Fehlhaltung, die zu Verspannungen führt, im Nacken zu Kopfschmerzen führt. Ich habe Patienten, da löst es tatsächlich auch Migräneattacken aus. Also die leiden dann tatsächlich sehr stark darunter und sind dann natürlich auch eher bereit, dagegen was zu unternehmen. Hinzu kommt noch wer viel sitzt und sich nicht bewegt, der kann natürlich auch leichter Übergewicht bekommen, und mit dem Übergewicht assoziiert sind dann Stoffwechselerkrankungen. Auch haben Studien ergeben, dass die Rate an Blutzuckererkrankungen steigt, je länger die Menschen sitzen. Also, auch das hat Auswirkungen auf den ganzen Körper und auf die gesamte Lebensgestaltung.
Speaker 3:Und gibt es Studien, in denen man zeigen kann, dass, wenn man da was ändert, dass das auch wieder besser wird? Also klar, beim Zucker würde ich jetzt sagen da wissen wir schon, dass, wenn jemand wieder Sport macht, dann können die Zuckerwerte wieder runtergehen. Das wäre ja schon mal ein Ansporn. Gibt es können Sie sagen, wenn man durchhält, jetzt regelmäßig Sport zu machen, nach drei Monaten geht es einem besser. Haben Sie da eine Faustregel?
Speaker 2:Nee, da gibt es jetzt keine zeitliche Faustregel, aber Schäden durch zu lange Sitzen kann jeder selbst vermeiden. Man muss eben für den körperlichen Ausgleich sorgen, und der heißt Bewegung, und dazu gibt es nun mal keine Alternative. Jeder dürfte schon mal von diesen ominösen 10.000 Schritten gehört haben, die man täglich gehen soll. Studien haben tatsächlich nachgewiesen, dass das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen um bis zu 38 Prozent vermindert werden kann, wenn man täglich zwischen 6.000 und 9.000 Schritte macht. Eine Studie mit über 72.000 Teilnehmern aus dem letzten Jahr aus 2024, ergab, dass sich ab täglich 2.200 Schritten das Sterblichkeits und kardiovaskuläre Risiko verringert. Die Mindestdosis für Menschen mit sitzender Tätigkeit liegt zwischen 4000 und 4500 Schritten, und das geringste Sterblichkeitsrisiko liegt bei 9000 bis 10500 Schritten, und zwar das ist wiederum sehr bemerkenswert unabhängig von der täglichen Sitzdauer. Bei weniger Schritten wirkt sich eine längere Sitzdauer jedoch ungünstig aus. Also, es ist tatsächlich etwas dran an diesem Slogan mach jeden Tag 10.000 Schritte 10.000 Schritte.
Speaker 1:Das ist dann naja so vielleicht drei Kilometer, kann man das so über den Daumen peilen?
Speaker 2:Nee das ist mehr, also eine Schrittlänge 60, 70 Zentimeter haben wir da schon.
Speaker 1:Dann haben wir sechs, sieben Kilometer ungefähr, bei 10.000 Schritten, wenn es 60, 70 Zentimeter sind.
Speaker 2:Also heutzutage mit Handys in der Hosentasche oder den Smartwatches, da sagen die ganz genau, wie viele Schritte man gemacht hat, und man kann sogar einstellen, einen Alarm, dass man ein Lob bekommt von seiner Uhr, wenn man also das Ziel erreicht hat, oder die Uhr sagt, du musst aber weit noch 3000 Schritte machen 3000 Schritte machen, Also 10.000 Schritte.
Speaker 1:Das ist das Ziel an uns alle. Wahrscheinlich müssen wir und auch ich mir da selber an die eigene Nase fassen, weil auch wir, obwohl wir eigentlich nicht im Büro sitzen, sondern auch uns bewegen und ich mich auch bewege in der Klinik stehe ich natürlich ständig im OP und bewege mich da auch nicht viel. Man steht halt Sie hatten vorhin nochmal angesprochen wenn man so Alarmzeichen merkt. Also man hat zwar schon immer so ein bisschen Rückenschmerzen, aber dann fängt irgendwann was an zu kribbeln, oder man hat weniger Gefühl im Bein zum Beispiel. Da sagten Sie, am besten zum Arzt gehen. Was könnte denn da dahinter stecken, Und warum ist es so wichtig, zum Arzt zu gehen, wenn dann so Alarmzeichen kommen?
Speaker 2:Und warum ist es so wichtig, zum Arzt zu gehen, wenn dann so Alarmzeichen kommen? Alarmzeichen bedürfen immer einer orthopädischen Abkehrung, denn wenn Nerven geschädigt werden, auf Dauer, dann erholen die sich auch nur noch langsam oder gar nicht. Das heißt, solche Schäden können auf Dauer dann verbleiben. Deswegen sollte man diese sogenannten Red Flags, also diese roten Flaggen als Alarmzeichen auch ernst nehmen.
Speaker 1:Können Sie das nochmal ein bisschen spezifizieren? Also Red Flags wir hatten jetzt Kribbeln und Gefühlsverlust im Bein. das sind jetzt zwei Red Flags, gibt es da noch mehr?
Speaker 2:Kraftminderung.
Speaker 3:Kraftminderung ist da ein wichtiger Faktor. Das sind eigentlich die drei Hauptsymptome. Das würde ich jetzt, glaube ich, auch so aus unserer allgemeinen orthopädischen Perspektive genauso sehen. Wir haben ja jetzt eine ganze Pandemie hinter uns, wo wir ja echt viel auf Computer gemacht haben. Gibt es da Zahlen zu, was das für eine Folge nach sich gezogen hat?
Speaker 2:Ja, es gibt eine interessante Studie von der Deutschen Krankenversicherung und der Deutschen Sporthochschule Köln aus dem Jahre 2023. Und die haben also ermittelt, dass während der Pandemie die Sitzdauer deutlich angestiegen ist, und zwar über neun Stunden täglich, 554 Minuten ganz genau, Und das hauptsächlich zu drei Viertel in der Altersgruppe zwischen 18 und 29 Jahren, die sogar noch länger gesessen haben, Und auch im Homeoffice. Interessanterweise war die Sitzdauer noch länger als im Büro, als im Büro Man könnte jetzt interpretieren, da wollte man es dann besonders gut machen hatte vielleicht auch keine Ablenkung wie sonst im Büro, wenn man auch noch mit Arbeitskollegen spricht. Das alles fällt ja dann im Homeoffice weg. Und dann wurde noch länger gesessen, und oftmals auf gerade in der Küche, zum Beispiel am Küchentisch, auf schlechten Stühlen. Es waren keine Bürostühle richtig vorhanden. Und während dieser Pandemiezeit hatte ich tatsächlich gehäuft Patienten mit diesen Problemen, die wir angesprochen haben Rückenschmerzen, Muskelschmerzen, Nackenverspannungen aufgrund des ungünstigen und falschen Sitzens und längeren Sitzens.
Speaker 3:Ja, aber das Gefühl habe ich auch jetzt immer noch, also, dass irgendwie die Pandemie hat hinterlassen, dass viele eben sehr, sehr sitzend tätig sind. Das hat schon, finde ich, subjektiv deutlich zugenommen. Deswegen habe ich gerade so einmal nachgefragt. Also absolut.
Speaker 2:Ich hätte ursprünglich gedacht, im Homeoffice, da bewegt man sich mehr, aber genau das Gegenteil ist der Fall.
Speaker 1:Ich hätte nochmal eine Frage zum therapeutischen Vorgehen. Also, wir haben ja jetzt gelernt Bewegung, 10.000 Schritte, all die Tricks im Büro sollten wir anwenden. Finde ich alle wirklich klasse. Gibt es denn therapeutisch noch andere Sachen, die man machen kann? Es gibt ja häufig auch Infiltrationen, also Spritzen mit Schmerzmitteln und entzündungshemmenden Mitteln. Das wird ja von uns Orthopäden auch oft eingesetzt. Was halten Sie davon?
Speaker 2:Also, injektionen sind erst die allerletzte Möglichkeit. Ich appelliere immer an die Eigenverantwortung der Patienten. Jeder muss sich an seiner eigenen Nase fassen und muss für einen Ausgleich für das Sitzen sorgen. Also Bewegung, bewegung, und über die Bewegung ist oftmals dann keine Spritze nötig, und jeder kann sich bewegen, jeder kann walken, jeder kann zum Beispiel Nordic Walking oder normales Walken oder Radfahren. Es sind einfache Dinge des Alltags, die jeder nutzen kann und die oftmals eben schon reichen, dass man einen Ausgleich hat und es gar nicht erst zu Rückenschmerzen oder Nackenschmerzen kommt, oder auch gerade im Becken mit den Organstörungen, die ich auch einfangs ja erwähnt hatte.
Speaker 3:Und gibt es irgendwie die perfekte Sportart? Irgendetwas, was Sie sagen, was ideal wäre als Ausgleich?
Speaker 2:Also, was den ganzen Körper sehr gut aktiviert, ist. Klettern Ist natürlich jetzt nicht für jeden geeignet, aber Rudern ist beispielsweise etwas, was jeder zu Hause machen kann, sich einen Ruderergometer anschaffen kann, und beim Rudern werden 80 Prozent der gesamten Muskulatur aktiviert. Deswegen ist das, weil es auch eine zyklische und ruhige gleitende Bewegung ist, gut für den gesamten Körper.
Speaker 3:Ja, ich habe mal in meiner Schulzeit gerudert, da muss man nur ganz schön auf die Technik aufpassen. Aber ja, genau, ja, das ist schön. Dann setze ich mich wieder einmal in eine Rudermaschine. Guter Hinweis.
Speaker 2:Ja, das wäre nicht schlecht. No-transcript Fitnessstudio gehen muss. Es gibt viele, die möchten das gar nicht, die möchten lieber für sich zu Hause was tun. Und da ist der ideale Trainingsbegleiter das Theraband. Mit diesem Gummiband kann man alle Muskelgruppen aktivieren. Es gibt einen entsprechenden Türanker, sodass man das Theraband im Türrahmen fixieren kann, in jeder beliebigen Höhe. Man kann Übungen machen, wo man das Band eben von über Kopf nach unten zieht, wo man es von unten, vom Boden nach oben zieht, wo es auf Schulterhöhe ist. Also das ist ideal, und da gibt es auch genügend Anleitungen, und die kann jeder zu Hause machen, ohne dass jetzt hier eine große Fehlerquelle da ist.
Speaker 3:Ja, das ist doch nochmal ein fantastischer Hinweis. Und ein Theraband lässt es sich, glaube ich, überall kaufen. Manchmal gibt es das sogar als Werbegeschenke.
Speaker 2:Ja, das ist richtig.
Speaker 3:Deswegen ist es auch kein hoher Kostenpunkt, und es macht, glaube ich, kraft und Muskelaufbau, ja vor allen.
Speaker 2:Dingen. Der Vorteil ist das Gummiband. Man kann ja die Stärke individuell einstellen, je nachdem, wie kurz man es hält. Je kürzer, desto größer der Widerstand, und man kann es eben für alle Körperbereiche entsprechend anpassen.
Speaker 3:Danke, herr Kose, für die wunderbaren Schlussworte Für alle unsere Zuhörer. Wenn Sie noch ein bisschen mehr Informationen haben wollen, gucken Sie auf die Orteform-Seite. Dort gibt es diese sechs Teile zum Thema Sitzen ist das neue Rauchen, und da kriegen Sie auch nochmal mehr Details und weiterhin viel Motivation, regelmäßig aufzustehen und in Bewegung zu bleiben. Wir bedanken uns sehr bei Herrn Dr Kusel für die heutige Aufnahme und bedanken uns aber auch sehr bei unserem technischen Support in der Geschäftsstelle des Berufsverbandes Autophilie und Verschirrung, ganz speziell bei der Frau Planert, ohne die das hier alles nicht möglich wäre. Und wir danken natürlich vor allem unseren Zuhörern. Herzlichen Dank, dass Sie immer uns zuhören und auch die nächsten Folgen weiterhören. Wir hoffen, dass wir weiterhin spannende Folgen und Einblicke in die Orthopädie liefern können. Wir wünschen Ihnen immer eine Hand weit Wasser unterm Kiel, und in Hamburg sagt man Tschüss.