Grätzlgeschichten

Sonderfolge: Eine kleine Wiener Weihnachtsgeschichte

Stadt Wien

 Passend zur Jahreszeit beschäftigen sich Andreas und Walter in der aktuellsten Grätzlgeschichte mit dem Weihnachtsfest in Wien. Wie hängt die Weihnachtsbeleuchtung mit dem Entstehen von Warenhäusern zusammen? Wer brachte den Christbaum nach Wien? Und: Wie haben sich die Weihnachts- und Christkindlmärkte zu jenen Besucher*innenmagneten entwickelt, die sie heute sind?

Die Grätzlgeschichten wünschen frohe Feiertage und einen guten Rutsch!

Mehr Wiener Geschichte findet ihr im Wien Geschichte Wiki. Andreas und Walter könnt ihr außerdem in der Geschichtsgreißlerei hören.

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-Hallo und herzlich willkommen zu einem Weihnachtsspecial der Grätzlgeschichten. Es begrüßen euch Andreas und Walter. Walter, die schönste Zeit des Jahres, vielleicht nicht vom Wetter, aber sonst stimmungsmäßig.-Ja, es passt gut. Es ist so Ende des Jahres, man lässt es ausklingen. Es gibt schlimmere Zeiten.-Ja definitiv. Wir haben ja heute einen ganz besonderen Ort, nämlich? Nämlich?-Den Rathausplatz und vor allem den Christkindlmarkt, der jedes Jahr vor dem Rathausplatz gestaltet und inszeniert wird.-Ja, der Christkindlmarkt am Rathausplatz. Natürlich immer wieder viel los, aber trotzdem wert, ihn zu besuchen. Allein schon wegen dem Wiener Eistraum. Ich meine, das ist schon großartig, was die Stadt Wien da hinstellt.-Schaut schon toll aus. Wenn man so durch die Bäume und durch den Rathauspark dann wirklich eislaufen gehen kann.-Natürlich der Ort für Familien, vom Ringelspü bis zu süßen Leckereien gibt es alles, was das Kinderherz begehrt. Aber bevor wir jetzt zu den Weihnachtsmärkten und zum Konsum kommen, vielleicht noch zwei Minuten Heimatkunde.-Dass man sich zu Weihnachten mit Geschenken überhäuft, sofern man es sich überhaupt leisten kann, ist eine Tradition, die keine 100 Jahre alt ist. Und entspringt weniger einer christlichen als einer römischen Tradition, nämlich der sogenannten Saturnalien. An diesem typischen Bauernfest, welches Mitte bis Ende Dezember dauerte, wurde nicht nur ein frugales Festmahl genossen, man beschenkte sich gegenseitig üppig und großzügig, jedoch erst mit der Entstehung des industriellen Kapitalismus werden die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Voraussetzungen geschaffen, die den Konsum Rummel um Weihnachten ermöglichen. Dabei spielen Warenhäuser eine entscheidende Rolle. Deren Geschichte beginnt im 19. Jahrhundert, in einer Zeit großer gesellschaftlicher Umbrüche. Industrialisierung, Urbanisierung und die Entstehung einer neuen Mittelschicht verändern das Konsumverhalten grundlegend. Metropolen wachsen rapide, die Bevölkerung zieht in die neuen Zentren der Arbeit und des Handels und mit ihr entfaltet sich ein neues Bedürfnis, der Wunsch nach Übersicht, Auswahl und Bequemlichkeit beim Einkaufen. Die ersten Warenhäuser entstehen in Paris in den 1830er Jahren. Während die kleinen Läden auf Stammkundschaft und Feilschen setzen, bieten Warenhäuser dem Publikum ein völlig neues Kauferlebnis an. Die ganze Breite von Konsumprodukten finden sich unter einem Dach. Von Kleidung über Haushaltsartikel bis Spielzeug. Hier sind die Preise festgesetzt, die Kundschaft kann die Waren in Ruhe inspizieren und die Verkaufsflächen sind hell, geräumig, hygienisch und größtenteils luxuriös ausgestattet. Es sind Tempel des Konsumrausches, die im gewissen Widerspruch zu der ärmlichen Migrant*innenbehausung in Bethlehem stehen. Die Warenhäuser spielen in der Imaginierung eines neuen Lebensgefühls eine zentrale Rolle. Sie spiegeln den Fortschrittsglauben des Bürgertums wider. Man sucht nach Vergnügen, Anregung und sozialer Zugehörigkeit. Und während die Warenhäuser die Flaneure und gustierenden geschlossene Räumlichkeiten lockt, findet mit der Entstehung der sogenannten Weihnachts- oder Christkindlmärkte ab den 1920er Jahren eine gegenläufige Entwicklung statt. Diese sind eigentlich aus normalen innerstädtischen Versorgungsmärkten entstanden. Sie bieten den Geschenkesuchenden scheinbar das diametrale Erlebnis, das mit den Warenhäusern verloren geht, an. Hier stapft man bewusst im Freien bei Minustemperaturen, kauft vorgeblich uriges Handwerk oder beabsichtigt einfach gehaltene Produkte zu kaufen. Fernab von den Finessen der Konsum- und Luxustempel. Aber genauso wenig wie das weihnachtliche Beschenken aus christlichen Traditionen abzuleiten ist, so wenig haben die modernen Weihnachtsmärkte was mit bäuerlichem oder mittelalterlichem Einkaufsverhalten zu schaffen. Denn erst mit einer wichtigen kommunalen Errungenschaft erhält der Weihnachtseinkauf den Eventcharakter, der in unzähligen Liedern, Filmen und Kindergeschichten gefeiert wird, nämlich mit der elektrischen Beleuchtung. Diese ermöglicht erst ein Szenario, dass man aus der Dunkelheit des Dezemberwinters in eine Sphäre der Sicherheit, der Behaglichkeit und der geselligen Zusammenkunft des Urzeitrudels eintauchen kann. Es gibt aber noch einen weiteren Protagonisten, der ohne die städtischen E-Werke nicht zum unverzichtbaren Symbol des Weihnachtsfestes geworden wäre. Der beleuchtete Weihnachtsbaum. Das Beleuchten von Weihnachtsbäumen im öffentlichen Raum ist ebenfalls ein spätes Produkt des 20. Jahrhunderts. Denn mal ganz ehrlich, ohne elektrische Beleuchtung würde der öffentliche Weihnachtsbaum auf Wiener Plätzen ab späten Nachmittag wie ein verlorener Findling aus dem Wiener Wald aussehen. So kann man mit Fug und Recht sagen, kaum ein anderes Fest ist so abhängig von der kommunalen Stromversorgung. Obwohl immer die Kerze als das Symbol für Weihnachten steht, würden wir von der Grätzlgeschichte konsequenterweise auch eine Würdigung des Stromkabels gutheißen. Denn ohne diesem keine Festbeleuchtung, keine Warenhaus-Rolltreppe, keine erleuchteten Schaufenster, kein Langos und keine sichere Heimfahrt mit der Straßenbahn in glückseliger Weihnachtspunkt-Stimmung. Und vom köstlich brunzelnden Braten im Rohr reden wir mal gar nicht.-Ja super, danke Walter. Du hast in deinem Heimatkunde-Wrap eigentlich eh schon die Themen aufgebracht. Ich meine als allererstes vielleicht, also ganz kurz zum Schenken und Beschenktwerden. Ich finde bei aller Kritik des Konsumismus, aber es ist ja auch einfach was Schönes. Also es drückt auch in gewisser Weise natürlich Liebe, Harmonie etc. aus. Und insofern habe ich eigentlich damit kein Problem und dir wird es vielleicht ähnlich gehen. Eigentlich stehe ich auf diese Weihnachtsstimmung und ich glaube, so geht es vielen.-Ja, also ich finde es auch okay. Also es ist immer so, man darf es halt nicht übertreiben mit diesem Konsumrausch. Aber ich glaube, es ist ganz wichtig mal hinzuweisen, wie entsteht dieser Konsum und welche Traditionen gibt es. Und wie schon gesagt, diese Traditionen sind nicht allzu lange her.-Starten wir vielleicht mal bei den Warenhäusern. Also das ist ja was, was sich auch mit Weihnachten verbindet. Diese wunderschönen Kaufhausschau-Fenster, weihnachtlich geschmückt. Aber diese Kaufhäuser, so lange gibt es sie noch gar nicht.-Nein, also in Wien fand diese Entwicklung bei den Warenhäusern relativ spät statt. Also begonnen hat das eigentlich in den 1830er Jahren in Paris, eben in Beaumarchais. Und das erste wirkliche Wiener Warenhaus war das Haashaus am Stephansplatz, 1865 gegründet. Und das Haus gibt es ja nach wie vor noch, aber in einer modernen Version aus den 1980er Jahren. Und am Anfang war das ein Zentrum für textilen Handel. Also zum ersten Mal war wirklich so ein großes Warnsortiment vorzufinden unter einem Dach. Man konnte reingehen, es gab so hellbeleuchtete Räumlichkeiten. Es war warm, es war sehr hygienisch und es war auch zum Teil luxuriös. Also die Warenhäuser haben praktisch so mehrere Grundlagen gesellschaftlich. Also eben neues Bürgertum, das entsteht, also man definiert sich über Konsum.-Ich demand den Kapitalismus einfach, auch dieses Warnsortiment, das da ist. Der Kolonialismus wird eine Rolle spielen. Richtig. Dass plötzlich Waren aus aller Welt zusammenkommen. Weiß nicht, bautechnische Innovationen?-Also bautechnische Innovationen sind extrem wichtig. Das ist auch, wird ein bisschen so an die Seite gedrängt immer wieder. Aber es braucht einfach bestimmte Innovationen im baulichen Gewerbe, die eigentlich diese Warenhäuser erst ermöglichen. Also zum Beispiel Stahlträger, damit man hohe, helle Räumlichkeiten schaffen kann. Also viel Glas, Elektrizität, also all diese weihnachtliche Beleuchtung, diese Dekoration von Schaufenstern, das braucht vor allem Strom. Es braucht auch, wer sieht des, Publikum, es braucht auch Personal, das einfach ermöglicht hat, diese Schaufenster zu dekorieren. Also das Ganze rundherum braucht einen modernen Betrieb. Und interessanterweise sind ja viele von diesen Architekten, die Warenhäuser bauen, kommen aus der Theaterszene. Die bauen vorher Theater und beschäftigen sich mit Licht, mit Leitsystemen und wie man auch logistisch Waren von A nach B schaffen kann.-Und das neu etablierte Bürgertum kann das jetzt sozusagen nutzen. Wir haben schon gesagt, also in der ersten Phase, das ist so zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, da kommen die ersten Warenhäuser auch. Aber die Blütezeit ist ja dann doch eher, wie alles in Wien, fin de siecle oder so rund um 1900.-Um 1900, ja. Also da entwickeln sich die Warenhäuser wirklich zu diesen Luxustempeln. Also das darf man auch nicht vergessen. Es waren ja nicht so Ramschladen oder irgendwo, da wurde ja auch keine Bückware angeboten, sondern es waren so wirklich Orte bürgerlicher Repräsentanz. Also Luxusgüter aus allen Ländern dieser Welt. Man bot nur das Beste an, also von Haushaltswaren über Teppiche, Textilien, immer ganz, ganz wichtig. Und natürlich auch Spielzeug. Das ist etwas, was im Weihnachtsmarkt besonders oder im Weihnachtsgeschäft besonders gut läuft. Und hier entstehen dann die ganz großen Warenhäuser. Und die entstehen aber nicht in der inneren Stadt, sondern die sind vor allem auf der Mariahilfer Straße in der Inneren. Da gibt es ja nach wie vor noch Warenhäuser, die existent sind.-Genau, und wo heute noch gekauft wird. Ich glaube, die bekannten Namen aus der damaligen Zeit sind wahrscheinlich Gerngroß, Herzmanski, Stefan Esters.-Ja, also das sind doch die klassischen Warenhäuser, die sich natürlich über die Jahre vollkommen geändert haben. Immer wieder neue Konzepte, Krisen durchgemacht haben. Aber im Grunde lieben sie eben nicht diese klassischen Warenhäuser. Das heißt, es ist ein großes, breites Sortiment unter einem Dach vorzufinden. Und das hängt auch ein bisschen zusammen mit dem sechsten und siebten Bezirk, dass sich das alles in der Mariahilfer Straße abspielt, weil im sechsten und siebten Bezirk war ja auch das Wiener Textil-Manchester. Also hier wurde in den Hinterhöfen sehr viel an Textilien schon produziert, also bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts. Und die wurden dann eigentlich ein paar Straßenzüge weiter gleich in die großen Warenhäuser verschafft.-Wie geht es mit den Warenhäusern im 20. Jahrhundert weiter?-Ja, also mit dem Ersten Weltkrieg wie immer eine große Zäsur. Also entsteht dann eine neue Warenhauskultur. Waren werden angeboten, die für den alltäglichen Bedarf geeignet sind, auch günstiger werden. Es gibt dann zum Beispiel ein berühmtes Zentralpalast-Warenhaus, das ist am Ende der Mariahilfer Straße, nämlich der sogenannte Stafa. Das war eigentlich auch ein genossenschaftliches Warenhaus. Und das ist eigentlich so eine Vorwegnahme auch von den modernen Warenhäusern. Weil früher war das Warenhaus immer unter dem Eigentum eines einzelnen Unternehmers, also meistens so patriarchale Familienorganisationen. Und dort haben sich mehrere Unternehmer zusammengeschlossen und boten dann verschiedene Waren auch an. Das war natürlich auch stark von der Sozialdemokratie sehr stark beeinflusst, nämlich im günstigen Konsum für die Arbeiter*innenschaft auch einzurichten. Also auch hier konnten auch die Arbeiter*innen in den 20er und 30er Jahren zum ersten Mal wirklich zum Beispiel auch weihnachtlich günstige Produkte erwerben.-Gut, wir haben schon vorher gesagt, Warenhäuser mit dem Bürgertum verbunden, jetzt in Wien natürlich auch mit dem jüdischen Bürgertum verbunden. Und da gibt es dann auch einen traurigen Einschnitt.-Ja, also gerade viele von den Warenhäusern hatten eben Besitzer*innen mit jüdischem Hintergrund, also vor allem wirklich so ein sehr wohlhabendes Bürgertum. Und das wurde natürlich dann während der Arisierungsvorhaben der Nationalsozialisten verdrängt und zur Seite geschoben, wurden eigentlich mehr oder weniger enteignet und beraubt. Das war natürlich ein sehr schlimmes Kapitel dieser Warenhausgeschichte.-Hinzu kommt wahrscheinlich dann die Zerstörung im Zweiten Weltkrieg.-Auch hier, also die Bombardements haben natürlich sehr viele von diesen Warenhäusern zerstört und man musste sich dann eigentlich neu erfinden nach dem Zweiten Weltkrieg.-Wie hat das ausgeschaut?-Ja, also die Warenhäuser gerieten in die Krise zunehmend und dann hat man versucht, neue Konzepte, also sehr viel mehr mit billiger Ware zu arbeiten, weniger mit diesen luxuriösen Neueinkaufsideen. Also auch hier hat sich die dann eigentlich noch größer entwickelt. Die Einkaufsmall ist ja nichts anderes als ein riesiges Warenhaus. Das sind natürlich auch hier sich einfach noch mehr Waren, aber es verlagert sich mehr an den Stadträndern. Also die Leute kaufen dann wirklich in diesen großen Einkaufsmalls mehr ein und nicht mehr in diesen kleineren Warenhäusern, die ja immer noch groß genug waren. Aber die Breite dieses riesigen Warensortiments braucht noch mehr Platz und da zieht man einfach in die Vororte beziehungsweise in die Peripherie.-Hat natürlich auch mit der neuen Mobilität zu tun, dass man da auch rausfahren kann und das nicht mehr direkt in der Umgebung sozusagen besucht. Jetzt haben wir aber eben dieses Gegenprogramm, wie du schon angedeutet hast. Also das eine sind die Warenhäuser, aber das andere sind ja die Weihnachtsmärkte. Und die Weihnachtsmärkte, da verbindet man ja dann eher jetzt nicht so sehr das Licht und den Prunk oder so damit, sondern da geht es ja auch sehr ums quasi Heimelige oder um das Draußenstehen auch und Frieren und sich dann irgendwelche heißen Getränke einzuschütten.-So ein uriges, geselliges Miteinander eigentlich. Also auch hier flaniert man, man geht ja von Stand zu Stand. Aber eigentlich ein komplettes Gegenteil zu diesen luxuriösen, modernen, warmen, hygienischen Einrichtungen der Warenhäuser. Also man stapft da im Schneeregen und freut sich halt eben einen anderen zu treffen und bei Standln einfach einen Punsch zu trinken und dort halt auch natürlich in einem eher eingeschränkten, eher bäuerlich-ruralen Sortiment Waren auszusuchen.-Gut, geht es dann beim Punsch auch so wie mir? Entweder ist es heiß oder zu kalt, die richtige Mitte ist dann, also am Anfang ist es heiß und du kriegst ihn kaum runter, dann wartest du ein bisschen, vergisst darauf, plauderst und dann ist er plötzlich nur noch kalt und siehe sie.-Ja, obwohl es mich überrascht, wenn ich ihn dann trinke, also meistens, eigentlich habe ich gar keine Lust, aber wenn man mal dann drin ist in dem Flow, dann passt es auch schon. Also man sollte es auch nicht zu kritisch sehen, aber natürlich, also die Qualität von dem Punsch sind ja auch nicht immer so die allerbeste, aber einfach mal kurz genießen, man kann sich auch mal was gönnen.-Ja und trotzdem jetzt die Weihnachtsmärkte, sind die älter als die Warenhäuser, jünger als die Warenhäuser, irgendwas dazwischen?-Naja, also der Weihnachtsmarkt geht eigentlich so peu à peu 300 Jahre zurück. Also das ist so eine stückweise Entwicklung. Also am Anfang waren das ja Versorgungsmärkte, die ganz normalen, die in der Innenstadt vorhanden waren und die haben dann irgendwann im 18. Jahrhundert angefangen, so Kleinigkeiten mit anzubieten für Weihnachten. Also das Weihnachtsfest war ja damals nicht diese Kauf- und Konsumorgie, sondern da hat man halt diverse kandierte Früchte, Spielzeug, Krippen waren sehr, sehr wichtig. Also die hat man halt zum Verkauf angeboten. Also es waren immer so, man hat sich Kleinigkeiten geschenkt. Das hieß ja auch früher so Krippenmärkte, also dass man da zu Weihnachten ganz klein noch etwas zusätzlich anbietet. So der erste Weihnachtsmarkt, wenn man so sehen kann, fand dann 1722 auf der Freyung statt. Also hieß damals noch Nikolo Weihnachts- und Krippenmarkt. Also der Nikolo spielt dann auch eine viel wichtigere Rolle. Also das Weihnachten ist noch gar nicht so präsent, also dieser 24. Dezember, sondern man schenkt sich eher was Anfang Dezember zu Nikolaus, also der Heilige natürlich, der den Armen was mitbringt. Und der Weihnachtsaspekt ist da noch nicht so ausgebildet. Also erste Erwähnungen gehen sogar bis ins 14. Jahrhundert zurück, aber so richtig kann man ja sagen, dass es mit dem 18. Jahrhundert so langsam diese Weihnachtsmärkte beginnen.-Und die Märkte, die verbinden jetzt eben den normalen Handel, den es gibt, mit dieser adventlichen Stimmung oder wie muss man das vorstellen?-Genau, also eine Zeit lang läuft das parallel. Und ab 1842 gibt es praktisch so den ersten Christkindlmarkt am Hohen Markt.-Ah ja, Christkindlmarkt, eigentlich auch das, was die Wiener Weihnachtsmärkte ausmacht, dass die Christkindlmarkt heißen.-Ja, also das Christkind spielt eine wichtige Rolle, also das ist auch ein bisschen so eine Diskussion zwischen Protestantismus und den Katholiken. Die Protestanten lehnen ja eher den Nikolaus ab, aufgrund dieser Abkehr von dieser Heiligenverehrung und favorisieren eher das Christkind. Aber selbst im katholischen Wien setzt sich eigentlich das Christkind dann auch durch. Also Jesus spielt eine wichtige Rolle und daher auch der 24. Dezember.-Gut, vielleicht auch deswegen, weil das nächste Match dann Christkind gegen Weihnachtsmann war und da sind wir doch eher auf der Christkind-Seite in Österreich.-Ja, eigentlich schon. Also das finde ich auch sympathisch. Das ist natürlich auch ein mit der Amerikanisierung verbunden. Der Weihnachtsmann spielt in den USA eine viel größere Rolle. Also das Christkind ist eher schon fast mitteleuropäischer.-Ja, und Am Hof, das war dann sozusagen tatsächlich ein Themenmarkt.-Ja, also der entsteht dann wirklich so als reiner Weihnachts- und Krippenmarkt und dort werden eigentlich hauptsächlich Produkte angeboten, die man sich zu Weihnachten schenkt oder man sich irgendwas halt gönnt. Also das ist weit weg. Man kauft keine alltäglichen Güter mehr dort. Und zunehmend entstehen auch an anderen Orten dann Weihnachtsmärkte. Also der Weihnachtsmarkt wird aufgrund von verschiedenen politischen oder kulturellen Ereignissen wird dann auch immer wieder verschoben, kommt auf andere Plätze. Also er wandert ein bisschen. Und am Ende entsteht eigentlich so wirklich der größte Weihnachtsmarkt vor dem Rathaus.-Der Wiener Christkindlmarkt. Das ist aber erst dann so um 1975 herum, oder?-Richtig. Also vorher waren wir auf der Freyung, dann waren wir im Messepalast, also dem jetzigen Museumsquartier. Untergebracht. Also er wandert immer ein bisschen, je nachdem, wo er die Möglichkeit überhaupt besteht, diese Stände aufzubauen. Aber wie schon gesagt, wichtig ist, dass es eigentlich immer so einen großen Zentralen gibt und es gibt eine starke Diversifizierung auch.-Aber jetzt ist er am Rathausplatz. Da finde ich, ist auch gut, weil ich finde auch, dass der Rathausplatz ja ein bisschen der Platz der Menschen in Wien einfach auch sein soll. Und das ist er zum Glück. Die ganzen kleineren Weihnachtsmärkte, die jetzt entstehen, das hat wahrscheinlich zum Teil ein bisschen mit dem Tourismus zu tun. Ich denke nur an sowas wie Schönbrunn oder so. Und zum Teil hat es einfach damit zu tun, dass vielleicht manche den kleineren Weihnachtsmarkt in der Umgebung mehr schätzen oder halt auch leichter besuchen können, vielleicht auch nur ein-, zweimal auf den Rathausplatz gehen und ansonsten vielleicht so ein bisschen die ruhigere Stimmung in einem kleinen Weihnachtsmarkt genießen.-Ja, und es gibt auch starke thematische Unterscheidungen. Also der Rathausplatz ist natürlich so ein sehr buntes Treiben, was wahnsinnig viel anbietet. Und wenn der ganz Wien abarbeiten müsste mit all den Tourist*innen, dann wäre ja auch vor viel zu wenig Platz. Also daher braucht es auch mehr an Weihnachtsmärkten, wenn man das eben genießen möchte. Und dann gibt es aber auch welche, die haben bestimmte Schwerpunkte. Da geht es zum Beispiel auch um Entwicklungspolitik. Da werden Produkte eben aus den Schwellenländern angeboten. Also auch hier so karitative Weihnachtsmärkte oder die einen stärkeren Bezug zur lokalen Geschichte haben. Also das sind so Dinge, auch hier geht das stark auseinander. Und insgesamt gibt es jetzt in Wien ungefähr um die zehn Weihnachtsmärkte. Und da reden wir noch gar nicht von diesen einsamen Puntständen oder so einzelnen Standorten, die irgendwo an der Peripherie aufgestellt werden, wo sich die Leute einfach mal lokal treffen und einfach sich mal plaudern und die Weihnachtsstimmung genießen.-Gut, jetzt haben wir gesagt, also 18. Jahrhundert die ersten Weihnachtsthemen auf den Märkten. 19. Jahrhundert, Mitte 19. Jahrhundert der erste Christkindlmarkt. Beginn des 20. Jahrhunderts die elektrische Beleuchtung, der schöne Schmuck. Christbaum vom Rathaus, glaube ich, steht seit 1959, wenn ich es richtig im Kopf habe, jährlich aus einem anderen Bundesland. Aber wenn ich es richtig im Kopf habe, und auch da könnte man jetzt wieder fragen, ist das ein Christbaum, ist das ein Weihnachtsbaum? Aber der erste Weihnachtsbaum, der hat doch auch irgendwie mit Am Hof zu tun, oder?-Ja, also der erste Weihnachtsbaum ist in Wien, und zwar wird er mal privat aufgestellt, nämlich von einer Berlinerin, also nicht von einer Wienerin oder Urwienerin, nämlich von der Fanny von Arnstein, also eine Adelige aus Deutschland, die aus Berlin nach Wien zieht, mit jüdischem Hintergrund, eine sehr gebildete Frau, sehr weltoffen, die führt einen Salon und nimmt diesen Weihnachtsbaum aus Berlin mit.-Wann stellt die denn auf?-1814, also praktisch zu Beginn des Vormärz.-Ah ja, Wiener Kongress?-Wiener Kongress.-Okay, haben da Leute um den Baum herum getanzt, oder war es da was drüber?-Nein. Also das wurde, glaube ich, einfach leicht dekoriert, und wie schon gesagt, das war eigentlich so ein Import eben aus Norddeutschland, also hat natürlich auch durchaus was mit heidnischen Ritualen zu tun. Okay. Diese Schmückung des Baumes durch das Julfest und so, das ist heute auch eine sehr lange Tradition, die vorchristlich eigentlich ist.-Wieso wissen wir davon?-Naja, die Fanny von Arnstein stand unter polizeilicher Überwachung, das darf man nicht vergessen, am Vormärz, also der metternische Staat bildet sich aus, und das war natürlich der Wiener Polizei verdächtig. Also erstens mal Jüdin, hochgebildet, kommt aus Deutschland und bringt da einen Baum mit, und die wurde dann überwacht, und man hat sehr genaue Aufzeichnungen darüber, was die Fanny von Arnstein eigentlich mit diesem Weihnachtsbaum anstellen möchte.-Okay, naja, immerhin, und gut, gut. Und so wissen wir wenigstens Bescheid. Also wie geht's denn weiter? 1814 steht da ein Baum, der wird von der Polizei überwacht, und dann?-Ja, und es wird dann aber immer mehr zu Mode, dass man sich einen Baum auch aufstellt zu Weihnachten. Also ab den 1820er, 30er Jahren übernimmt das auch der Adel, also Franz I. also der österreichische Kaiser, ist total begeistert von diesem Baum, stellt das auch bei sich auf der Hofburg aus.-Hat ihm die Polizei davon erzählt? Ja.-Wahrscheinlich, also er hat einen Polizeibericht und hat das positiv aufgenommen. Wahrscheinlich ist dann die Fanny von Arnstein nicht mehr überwacht worden. Und der Adel bringt das praktisch vom Top-Down-Prinzip in die Öffentlichkeit. Also man orientiert sich nach wie vor noch in vielen Dingen an dem Adel. Der Adel hat auch leicht reden, die haben ja auch riesige Wälder, die können sich einfach einen Baum holen aus ihren eigenen Wäldern.-Oder holen lassen.-Genau, und ab den 20er, 30er Jahren entstehen dann auch wirkliche Weihnachtsbaum-Märkte in Wien. Also die werden verkauft und haben, wie schon gesagt, wohlhabendes Bürgertum leistet es sich dann und dann kommt es dann irgendwann mal auch zu Schichten, die nicht so viel Geld haben. Und am Ende der Entwicklung steht, dass jeder seinen Weihnachtsbaum sich aufstellen möchte. Aber wie schon gesagt, 1814 eigentlich ein Import aus dem protestantischen Berlin.-Und wo steht dann der erste öffentliche Weihnachtsbaum in Wien?-Ja, der erste steht nicht am Rathausplatz, sondern 1829 in Währing. Also wird das aufgestellt und praktisch verbreitet sich dann auch zunehmend in der Stadt, dass man sich an öffentlichen Plätzen also Weihnachtsbäume aufstellt. Und bis jetzt ist es ja so, dass viele große Plätze in Wien, also auch an der Peripherie, sich einfach einen Weihnachtsbaum leisten. Der Rathausweihnachtsbaum hat natürlich auch eine eigene Geschichte. Da wird ja von Jahr zu Jahr aus einem unterschiedlichen Bundesland gespendet. Sogar Südtirol. Auch ein bisschen fraglich natürlich, dass man da den Weihnachtsbaum bezieht. Ja, und jedes Jahr wird das natürlich groß abgefeiert. Also das ist der große, zentrale, riesige Weihnachtsbaum. Und das ist ja auch ein großer Event, einfach den in die Stadt zu bringen, weil der ist ja recht hoch.-Aber du hast mir auch erzählt, einmal ist man ohne Weihnachtsbaum ausgekommen.-Ja, also in den 80er Jahren, viele können sich vielleicht gar nicht mehr daran erinnern, aber da gab es das große Problem des Waldsterbens, saurer Regen. Und da hat man für einen Jahr mal den Weihnachtsbaum ausgesetzt, um ein Zeichen zu setzen, dass man den Wald schonen muss. Der saure Regen ist zum Glück verschwunden. Also eine der wenigen Umweltkatastrophen, die mal halt losgeworden sind oder einigermaßen losgeworden sind. Und darum kann man jetzt den Weihnachtsbaum wieder aufstellen.-Gut, es ist viel Symbolisches im Weihnachtsbaum. Da war es eine ganz aktuelle Symbolik damals. Kommen wir vielleicht noch am Schluss ein bisschen auf die Weihnachtsbeleuchtung. Also Weihnachtsstimmung ist ja auch nichts über die Beleuchtung. Und gerade Wien hat ja immer wieder sehr schöne Beleuchtung in den Straßen.-Wien ist auch federführend in der Weihnachtsbeleuchtung von öffentlichen Straßen, vor allem von Einkaufsstraßen. Und da können wir wirklich zu den Ländern, die eigentlich am meisten da auch anbieten, darum wahrscheinlich kommen deswegen so viele Tourist*innen, weil das auch wirklich sehr attraktiv ist. Also die Weihnachtsbeleuchtung, wie man sie so kennt, hängt ja immer mit dem Strom zusammen. Wie wir es auch in der Heimatkunde ja kurz erwähnt haben. Also der erste beleuchtete Weihnachtsmarkt ist 1903. Also er wird mit Strom versorgt, geht weg von dieser Kerzenbeleuchtung und dann fängt man auch an, die Straßen zu beleuchten. Und die erste Straßenbeleuchtung war eigentlich die Thaliastraße, also nicht die Mariahilfer Straße. Und da haben sich halt Geschäftsleute zusammengeschlossen und gesagt, hallo, das könnte natürlich zusätzliche Attraktion bieten. Und das hat sich auch wirklich ausgezahlt. Und jetzt ist es so, dass ungefähr über 30 Einkaufsstraßen Weihnachtsbeleuchtung aufweisen. Also das sind so von wirklich sehr prächtiger und sehr künstlerischer bis relativ einfach. Aber es macht natürlich ganz eine andere Stimmung, wenn man diese Weihnachtsbeleuchtung hat. Und insgesamt werden da 2 Millionen LED-Lichter aufgehängt. Also das ist schon eine ziemliche Menge, die von Anfang November installiert werden und bis kurz nach Weihnachten oder oftmalig bis in den Jänner hinein die Lichter brennen. Interessanterweise nur für die Technik-Freaks. Also das sind natürlich die LED-Leuchten. Sparen bis zu 80 Prozent der Energiekosten. Also das ist natürlich sehr viel sparsamer, als es früher gegeben war.-Also ich würde sagen, bei aller Kritik, die man berechtigterweise haben kann, aber genießen wir auch mal für einen Moment, dass wir es so schön haben zu Weihnachten in Wien. Ich meine, viele Menschen kommen, um das zu genießen. Gehen wir raus. Walter, ich würde sagen, wir schon morgen gemeinsam auf dem Rathausplatz zum Christkindlmarkt. Genießen die Stimmung. Rufen alle dazu auf, schöne Aktivitäten zu Weihnachten zu setzen, wie auch immer die aussehen. Wir hören einander im nächsten Jahr mit einer neuen Staffel der Grätzlgeschichten und wunderbaren neuen Themen. Wenn ihr Vorschläge habt, was Themen anbelangt, dann bitte an podcast@ma53.wien.gv.at. Schreibt uns, empfehlt uns weiter. Frohe Weihnachten und ein schönes neues Jahr. Es verabschieden sich Andreas und Walter.-Das Wien Museum gestaltete im Jahr 2000 eine Ausstellung zum Thema Weihnacht mit dem Titel Engelhauch und Sternenglanz. Im Rahmen dieser Ausstellung wurde auch ein recht bebildeter Begleitband publiziert, welcher sich vor allem historischen Christbaumschmuck widmete. Leider nur mit dem Antiquariat erhältlich. Eine aktuelle Ausstellung findet gerade im Museum für angewandte Kunst statt. Im Kunstblättersaal ist die Schau Fahrrad und Hummer, funkelnder Baumschmuck aus Gablons zu sehen. Weit ab vom üblichen Weihnachtskitsch findet man hier kunstgewerbliche Produkte von außergewöhnlicher Qualität und Form. Ob Spinnen oder Krebse, was Weihnachtsschmuck jedermanns Sache ist, bleibt offen. Schön anzusehen ist es auf jeden Fall. Weiter empfehlen wir allen, die sich für die Geschichte der Wiener Warenhäuser interessieren, das von Andreas Lehne verfasste Buch Wiener Warenhäuser 1865-1914. Zwar schon 1990 herausgebracht, bietet es die Geschichte der Wiener Warenhäuser aus dem Blickwinkel der radikalen städtischen Modernisierung zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

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