
In_equality Podcast
In_equality Podcast – der Podcast zur Ungleichheitsforschung
Warum sind Einkommen, Bildung und Chancen so ungleich verteilt? Welche sozialen, politischen und wirtschaftlichen Mechanismen verstärken oder verringern diese Ungleichheiten? Und warum spielt unsere Wahrnehmung von Ungleichheit dabei eine entscheidende Rolle?
Diesen Fragen widmet sich der In_equality Podcast. Einmal im Monat diskutieren die Hosts Gabi Spilker und Marius R. Busemeyer vom Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“ an der Universität Konstanz mit führenden Expert*innen über die politischen Dimensionen von Ungleichheit. Sie beleuchten aktuelle wissenschaftliche Studien, sprechen über konkrete Praxisbeispiele und analysieren gesellschaftliche Entwicklungen, die unsere Gegenwart und Zukunft prägen.
Ob Bildungsungleichheit, soziale Mobilität, Vermögensverteilung oder politische Teilhabe – der In_equality Podcast bringt fundierte Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis zusammen und macht komplexe Zusammenhänge verständlich.
Podcast description:
In_equality Podcast – The Podcast on Inequality Research
Why are income, education, and opportunities so unequally distributed? What social, political, and economic mechanisms reinforce or reduce these inequalities? And why does our perception of inequality play a crucial role?
The In_equality Podcast explores these questions. Once a month, hosts Gabi Spilker and Marius R. Busemeyer from the Cluster of Excellence “The Politics of Inequality” at the University of Konstanz engage in discussions with leading experts on the political dimensions of inequality. They examine current scientific studies, discuss practical examples, and analyze societal developments shaping our present and future.
From educational inequality and social mobility to wealth distribution and political participation – the In_equality Podcast brings together solid academic insights and real-world perspectives, making complex issues accessible.
In_equality Podcast
KI am Arbeitsplatz – Bedrohung oder Chance? mit Florian Kunze
Hosts:
- Marius R. Busemeyer – Professor für Vergleichende Politische Ökonomie an der Universität Konstanz und Sprecher des Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“.
- Gabriele Spilker – Professorin für International Politics – Global Inequality an der Universität Konstanz und Co-Sprecherin des Exzellenzclusters.
Gast:
- Florian Kunze – Professor für Organizational Behavior an der Universität Konstanz und Leiter des Future of Work Lab. Er forscht zu sozialpsychologischen Prozessen in Organisationen, Leadership, technologischen Wandel, Gesundheit am Arbeitsplatz und Diversität. Zudem ist er Mitinitiator der Konstanzer Homeoffice-Studie und forscht aktuell zu KI-Nutzung und Wahrnehmung in deutschen Unternehmen.
Episodenüberblick
In dieser Folge diskutieren die Hosts gemeinsam mit Florian Kunze die Auswirkungen von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz (KI) auf die Arbeitswelt – mit einem besonderen Fokus auf Fragen der sozialen Ungleichheit. Zentrale Themen sind Ergebnisse einer aktuellen repräsentativen Studie zur KI-Nutzung in Deutschland, Unterschiede zwischen Branchen und Unternehmensgrößen, Weiterbildungsstrategien und politische Gestaltungsmöglichkeiten für eine faire Transformation.
Kernfragen und Diskussionspunkte
- Digitalisierung und KI – Chancen und Risiken für die Arbeitswelt
- Ergebnisse der Konstanzer KI-Studie
- Künstliche Intelligenz als möglicher Equalizer?
- Homeoffice-Studie und neue Arbeitsformen
- Diversität und Leadership
Links & Quellen
Weiterführende Literatur:
- Kunze, F., Opitz, C., Lauterbach, A.: Konstanzer KI-Studie 2025. Ergebnisbericht Juli 2025. Universität Konstanz.
- Website der Konstanzer Homeoffice Studie.
- Dauth, W., Findeisen, S., Suedekum, J., & Woessner, N. (2021). The adjustment of labor markets to robots. Journal of the European Economic Association, 19(6), 3104-3153. https://doi.org/10.1093/jeea/jvab012
- Quaquebeke, N. V., & Gerpott, F. H. (2023). The Now, New, and Next of Digital Leadership: How Artificial Intelligence (AI) Will Take Over and Change Leadership as We Know It. Journal of Leadership & Organizational Studies, 30(3), 265–275.
- Tang, P. M., Koopman, J., Mai, K. M., De Cremer, D., Zhang, J. H., Reynders, P., Ng, C. T. S., & Chen, I.-H. (2023). No person is an island: Unpacking the work and after-work consequences of interacting with artificial intelligence. Journal of Applied Psychology, 108(11), 1766–1789. https://doi.org/10.1037/apl0001103
Mehr über den Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“.
More about the Cluster of Excellence “The Politics of Inequality”
Kontakt: cluster.inequality@uni-konstanz.de
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Transkript In_equality Podcast Folge 6 mit Florian Kunze
Marius R. Busemeyer
Herzlich willkommen zu einer neuen Episode unseres Inequality Podcasts. Mein Name ist Marius Busemeyer. Ich bin Professor für Vergleichende Politische Ökonomie und Sprecher des Exzellenzclusters Politics of Inequality und hier sitzt…
Gabriele Spilker
Gabi Spilker. Ich bin Co-Sprecherin des Clusters „Politics of Inequality“ und Professorin für Globale Ungleichheit.
Marius R. Busemeyer
Und heute befassen wir uns mit einem Thema, was schon viel in den Medien zitiert und diskutiert wurde, aber auch bei uns im Cluster ein wichtiges Forschungsfeld ist, nämlich die Frage zu den Auswirkungen von Digitalisierung und speziell auch KI - Künstliche Intelligenz, mit einem besonderen Fokus auf die Frage, inwiefern sich das auf die Zukunft der Arbeit auswirkt. Natürlich hat das hier auch einen sehr konkreten Bezug zum Ungleichheitsthema. Gerade in diesem Zusammenhang mit Digitalisierung wird häufig diskutiert, wie Roboter oder künstliche Intelligenz Jobs vernichten können; vielleicht eher diejenigen treffen, die nicht so gut ausgebildet sind wie andere. Vielleicht sind diese negativen Auswirkungen auf die Arbeitsmärkte aber auch etwas übertrieben oder verzerrt in der Wahrnehmung. Vielleicht könnte man sogar eher optimistisch in die Zukunft blicken und sagen, was sind denn eigentlich die Chancen von KI für die Zukunft der Arbeit. Gibt es da vielleicht auch gute Gründe, optimistisch nach vorne zu blicken. Und diese und ähnliche Fragen diskutieren wir heute mit Florian Kunze. Willkommen Florian in unserem Podcast.
Florian Kunze
Ja, ganz herzlichen Dank für die Einladung.
Marius R. Busemeyer
Florian ist seit 2014 Professor für Organizational Behavior an der Uni Konstanz. Das werden wir gleich nochmal kurz erklären, was das eigentlich genau ist. Davor war er lange in St. Gallen und hat in den USA an der UCLA geforscht. Er ist sehr breit aufgestellt, auch ein öffentlich sehr nachgefragter Experte zu Fragen der Zukunft der Arbeit. Daher hat er auch hier das Future of Work Lab in Konstanz mit aufgebaut, was inzwischen auch eine hohe Sichtbarkeit nicht nur über unseren Cluster, sondern auch über den Standort Konstanz hinaus aufgebaut hat. Ein Beispiel dafür ist die Konstanz der Homeoffice Studie, die glaube ich sehr viel wahrgenommen wurde. Dazu werden wir später auch ein bisschen ausführlicher sprechen. Es geht aber auch um Fragen, wie sich technologischer Wandel auf Gesundheit am Arbeitsplatz auswirkt, wie sich Diversität in Unternehmen auswirkt, insbesondere auch Diversität im Zusammenhang mit Führungskräften oder neu Deutsch gesprochenen Leadership, Fragen von Leadership, auch das werden wir gleich nochmal ein bisschen ausführlicher diskutieren. Demografische Diversität, das war glaube ich eher ein früherer Schwerpunkt, wo du schon vor vielen Jahren dazu geforscht hast. Jetzt in einem anderen Clusterprojekt, das heute aber nicht ganz so stark im Vordergrund steht, erforscht er auch die Integration von Geflüchteten in das deutsche Berufsbildungssystem.
Aber jetzt vielleicht als Einstieg direkt mal die Frage, ich habe eben schon diese Schlagwort Organizational Behavior genannt, was ist denn das eigentlich? Was kann man darunter verstehen und wie trägt diese Perspektive jetzt genau zum Forschungsagenda des Clusters bei?
Florian Kunze
Gut, also Organizational Behavior - so machen wir das ja in der Uni heutzutage, benennen wir alle Lehrstühle Englisch - wenn man es auf Deutsch übersetzt, ist es Verhalten in Organisationen, da können vielleicht viele Zuhörerinnen und Zuhörer auch nicht so viel mit anfangen. Ein bisschen konkreter, was mich interessiert, sind eigentlich soziale und psychologische Prozesse in Organisationen, in öffentlichen, aber auch besonders in privaten Firmen, also am Arbeitsplatz. Was passiert denn eigentlich da, wenn Menschen aufeinandertreffen? Was passiert in Teams? Was passiert in Führungskonstellationen? Was ist auch Personalmanagement, das in vielen Organisationen stattfindet? Das ist sozusagen im Kern dessen, was ich mache, was ich auch hier in Vorlesungen mache, zum Beispiel für unsere Studierenden hier in den Einführungsvorlesungen. Und dann mache ich jetzt seit einigen Jahren, unser Cluster läuft jetzt ja schon bald sieben Jahre, auch sehr stark diese Ungleichheitsperspektive und gucke da, was sind denn eigentlich technologische, gesellschaftliche politische Trends, die so im Umfeld von Organisationen passieren, die auf den Arbeitsmarkt wirken, aber die auch darauf wirken, was passiert in den Organisationen? Und einige Sachen hast du ja schon angesprochen, Marius, Migration ist zum Beispiel ein großes Thema, im Arbeitsmarkt, in den Organisationen, technologischer Wandel ist ein anderes großes Thema. Wie verändert das die Arbeit, aber wie verändert das eben auch die soziale Interaktion und das Verhalten in den Organisationen.
Gabriele Spilker
Genau und dann, wenn wir gerade von diesem technologischen Wandel sprechen, dann lass uns doch gleich zu eurer aktuellen Studie übergehen, zur Frage von künstlicher Intelligenz oder auf Englisch AI in der Arbeitswelt. Magst du uns ein bisschen erklären, was ihr da genau gemacht habt, was für eine Art von Studie ist es und vielleicht auch was die zentralen Befunde sind?
Florian Kunze
Also genau, was wir uns in der Studie angucken, ist die Wahrnehmung und die Nutzung auch von künstlicher Intelligenz jetzt in der Arbeitswelt. Was machen eigentlich die Beschäftigten in Deutschland jetzt damit? Und da haben wir im letzten Jahr begonnen, eine repräsentative Befragung zu machen, wo wir ganz bewusst versucht haben, möglichst bereit zu befragen und gerade auch auf Ungleichheitsdimensionen zu gucken, nämlich Leute in verschiedenen Tätigkeiten, in direkten oder produzierenden Tätigkeiten, in Wissens- und Bürotätigkeiten zu vergleichen, aber auch besonders in unterschiedlichen Organisationsgrößen und mit unterschiedlichen Bildungshintergrund und zu gucken, wie ist denn da die Nutzung, wie ist die Wahrnehmung und wie sind Einstellungen denn zu dieser schon relativ disruptiven starken Veränderung, die da im Arbeitsmarkt stattfindet.
Gabriele Spilker
Noch kurz eine Zwischenfrage, das sind aber alles Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in deutschen Unternehmen und überall in Deutschland?
Florian Kunze
In deutschen Unternehmen, überall in Deutschland, genau, ein repräsentatives Panel, wir haben das das zweite Mal schon durchgeführt in den deutschen Unternehmen.
Marius R. Busemeyer
Ist das nicht auch schwierig dann, weil in Deutschland haben wir sehr viele Beschäftigte in kleinen und mittleren Unternehmen, die sind ja vielleicht ein bisschen schwieriger zu erfassen in dieser Art von Umfrage, aber würdet ihr sagen, dass ihr das auch gut abgedeckt habt?
Florian Kunze
Ja, wir haben uns unser Bestes gegeben, auch mit dem externen Survey-Unternehmen, wie man das so macht, auch mit den guten Ressourcen, der am Cluster haben, haben wir versucht, eine sehr gute und balancierte Stichprobe zu ziehen, aber das war schon eine große Herausforderung und hat auch einige Zeit gedauert, bis wir diese Daten sozusagen zusammengetragen hatten, weil das wirklich schon eine schwierige Stichprobe ist, auch mit den verschiedenen niedrigeren Bildungshintergrund, da auch genug Leute zu bekommen.
Gabriele Spilker
Und wenn wir über genug Leute sprechen, wie viel sind denn genug?
Florian Kunze
Das sind in der ersten Welle letztes Jahr knapp über 2000 Leute, also schon sehr eine umfangreiche Stichprobe.
Marius R. Busemeyer
Jetzt sind wir mal sehr gespannt, was da eigentlich rausgekommen ist. Also, was sind so deine zwei, drei Kernbefunde? Denken die Leute sehr pessimistisch oder sehen sie optimistisch auf das Thema?
Florian Kunze
Also, auf die eine Sache kann man gucken, wie ist denn eigentlich die Nutzung von KI, das ist ja in aller Munde, man denkt, alle nutzen das schon, auch wenn wir hier von der Uni drauf gucken, auch ein Riesenthema, denken wir alle nutzen das ja. Da sehen wir im letzten Jahr 24 Prozent der Beschäftigten, nutzen das schon, also schon einige, aber noch nicht die Mehrheit. Das ist ziemlich stark im Aufstieg. In diesem Jahr, April haben wir die Studie jetzt wiederholt durchgeführt, da nutzen sie jetzt 35 Prozent. Wir sind jetzt bei knapp über ein Drittel angekommen, aber noch lange nicht bei allen. Dann gibt es schon sehr, sehr deutliche Unterschiede, wie wird das von wem genutzt. Also, gerade dann von Büro- und Wissensmitarbeitenden, da ist eine sehr starke Nutzung, schon knapp über 50 Prozent da. Von Leuten, die in produzierenden Tätigkeiten sind ist es sehr viel niedriger und auch beim Bildungshintergrund gibt es sehr starke Unterschiede.
Und wie ist so die Wahrnehmung, wird das eher so als Gefahr oder als Chance wahrgenommen, hattest du ja auch am Anfang der Einleitung gesagt. Da ist es jetzt so eine relativ große Unsicherheit da, so über 30 Prozent sagen, ich weiß noch gar nicht, was da genau passiert. Ich habe auch noch nicht so genaue Informationen von meinen Führungskräften von der Organisation. Wie gehen wir denn eigentlich damit um. Aber relativ wenig Leute haben eigentlich konkret schon Angst um ihrem Arbeitsplatz. Und das sind aus meiner Sicht eigentlich Good News, ja, weil diese große, was auch in der öffentlichen Debatte ist, jetzt gehen alle Arbeitsplätze flöten, wir müssen alle Angst um Jobs haben, die Leute kommen in so eine Angststarre und können diese Transformation gar nicht mehr mitgehen, da sind wir eigentlich noch gar nicht. Es ist eher, würde ich sagen, eine Offenheit, Neugier da, aber auch schon eine gewisse Unsicherheit da, wie diese Veränderung von statten geht. Da sind sicher jetzt führungskräftige Fragen, vielleicht sogar aber auch die Politik natürlich damit dann umzugehen.
Gabriele Spilker
Sehr, sehr spannend. Ich habe noch eine Nachfrage zu dieser Frage, wer nutzt es. Du hast gesagt, das sind verschiedene Typen von Jobs, in denen es mehr genutzt wird als in anderen, natürlich auch, dass dies mit höherem Bildungshintergrund zu nimmt. Gibt es auch Varianz in Bezug auf Unternehmensarten? Also sind es größere Unternehmen, bei denen man das mehr sieht, kleinere Unternehmen? Gibt es da irgendwelche geografischen Konzentrationen? Irgendetwas Spannendes in diesem Bereich?
Florian Kunze
Ja, also wir sehen besonders bei der Unternehmensgröße sehr starke Unterschiede. Einmal in der Nutzung, aber auch gibt es überhaupt schon strukturierte Prozesse, wie den Unternehmen damit umgegangen ist. Also ein großes Thema, was uns interessiert, was auch so ein großer Hebel ist und diese Veränderung jetzt zu gestalten, ist eigentlich Weiterbildung und Qualifizierung. Das ist auch ein ganz starker Fokus, den wir da drin haben in der Befragung. Und da sieht man massive Unterschiede, wie Weiterbildungsangebote, wie Kommunikation in das Thema ist. In kleinsten Unternehmen, also mit weniger als 50 Beschäftigten, teilweise noch kleiner, wo auch viel Beschäftigung in Deutschland stattfindet, da ist das noch ganz, ganz klein das Thema. Ja, unter 10 Prozent Nutzung zum Teil, Kommunikation findet kaum statt. Umso größer die Organisationen werden, umso mehr nimmt das zu, dann in den ganz großen Konzernen ist wieder ein bisschen weniger, im Vergleich zu den relativ großen, da ist dann mehr Bürokratie, die stellen sich nur nicht so schnell darauf ein. Aber wir haben auch Ungleichheit im Bezug auf diese Organisationsgröße und das ist ein weiteres großes Thema, wenn man jetzt darüber spricht, wie werden denn jetzt Beschäftigte darauf vorbereitet und fit gemacht, mit diesem Wandel umzugehen, dass wenn man jetzt in so einem Kleinstunternehmen arbeitet, ist das sehr, sehr viel schwieriger, als wenn man eben in größeren mittleren Unternehmen arbeitet, wo es auch eine größere Personalmanagingabteilung und Ressourcen gibt, um so einen Wandel zu gestalten.
Marius R. Busemeyer
Ist das nicht auch, wenn man jetzt so ganz konkret überlegt, unter dem Begriff KI / AI wird ja total viel diskutiert, was eigentlich sehr unterschiedlich ist von der technischen Umsetzung. Ist vielleicht auch eine Herausforderung für euch im Survey gewesen oder vielleicht dann aber auch ein bisschen spiegelt sich das in diesen Zahlen wieder, weil 35 Prozent ist ja auch schon relativ hoher Wert, wenn das dann bis zu 50 Prozent hochgeht in einzelnen Unternehmenstypen. Also kann man das irgendwie unterscheiden, ob dann Leute wirklich einen substanziellen Teil ihrer Arbeitszeit mit KI verbringen oder ist es dann, ich habe mal was auf ChatGPT eingegeben und fand das irgendwie ganz lustig. Also ist es, kann man das irgendwie unterscheiden oder hast du da irgendwie auch vielleicht ein Gefühl von deinen Beratungstätigkeiten, was da wirklich konkret jetzt schon in Unternehmen zum Einsatz kommt? Ist das wirklich mehr als einfach, ich habe mal irgendwie ChatGPT benutzt oder gibt es da konkrete Beispiele, was man da machen kann?
Florian Kunze
Genau, wir versuchen es absichtlich relativ breit erstmal zu fragen, einfach irgendeine Allgemeinnutzung. Das kann wie gesagt einfach nur mal ChatGPT jetzt für eine Übersetzungstätigkeit zum Beispiel sein, wo das sehr viel in Wissenstätigkeiten eingesetzt wird. Was ich sagen würde in Unternehmen, viele sind noch in sehr starken Experimentierphase, wie geht man damit um, dass wirklich quasi eigene Tools in Organisationen schon entwickelt werden und da Wertschöpfung mit geschaffen wird, da sind wir in vielen Organisationen noch nicht. Da müssen wir aber, wenn wir jetzt ökonomisch darauf hingucken, denke ich, aus meiner Perspektive hinkommen, weil wir sind jetzt sehr viel das bestehende Prozesse optimiert werden mit irgendwelchen externen Tools, die da sind. Aber dass neue Wertschöpfung geschaffen wird, da müssen wir uns eigentlich auch wirtschaftlich hinbewegen. Und da müssen wir von der Strategie her hinkommen, aber eben auch mit den Belegschaften hinkommen, dass die fit dafür sind, dass die mitgehen, dass die wie vorhin angesprochen nicht so eine Angststarre sind und sagen, das betrifft mich nicht, ich versuche das wegzudrücken, ich gehe da gar nicht mit, sondern wir brauchen eigentlich eine positive Motivation, das mitzugehen.
Gabriele Spilker
Da habe ich noch eine Nachfrage. Das eine ist natürlich, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die künstliche Intelligenz oder diese Tools nützen können, um ihre Arbeit zu unterstützen, vielleicht vereinfachen und dass es dann hoffentlich auch gewissen Produktivitätszuwachs gibt. Aber vor was ja häufig sozusagen gewarnt wird oder vor dem viele Angst haben ist, dass komplette Aufgabenpakete durch, früher die Digitalisierung, wie in Banken, jetzt eben durch künstliche Intelligenz, wenn wir zum Beispiel an Sprache denken, dass wir keine Übersetzerinnen und Übersetzer mehr benötigen, dass es wirklich einfach komplette Aufgabenpakete oder gewisse Jobs einfach nicht mehr braucht. Seht ihr diese Art von Phänomen schon oder ist das etwas, was einfach noch zu früh ist und vielleicht in ein, zwei, drei Jahren kommen wird?
Florian Kunze
Gut, also in unserer Studie sehen wir das noch nicht so stark, dass wirklich jetzt realer Stellenabbau stattfindet. Das ist, ja so in 10, 12 Prozent sozusagen der Firmen wird das schon berichtet. Das ist ja in Deutschland auch gar nicht so einfach, wir haben ja auch Mitbestimmung gerade in den größeren Organisationen.
Gabriele Spilker
Aber doch 10 bis 12 Prozent, das finde ich schon gar nicht so wenig, oder?
Florian Kunze
Genau, und das findet schon statt. Ich war vorletzte Woche große Veranstaltung in Berlin von Banken und Versicherungen. Da hat das Thema auch zum Teil da vorgestellt. Da wird das natürlich groß diskutiert. Wie kann man da Effizienzgewinne schaffen? Und das ist natürlich dann auch so eine ökonomischen betriebswirtschaftlichen in Perspektive, da auch ein berechtigtes Thema. Dann ist die Frage genau, kann man jetzt diese Transformation, wenn man jetzt auch mal historisch guckt, auf andere Transformationen in der Arbeitswelt auch aus einer Arbeitnehmer*innen Perspektive so gestalten, dass das gut funktioniert. Also wir können ja gucken zum Beispiel, Robotisierung der Produktion. Da hatten wir in den 80er, 90er Jahren große Veränderungen, große Ängste. Da haben wir es zum Beispiel in Deutschland ziemlich gut hingekriegt. Gibt es auch hier ökonomische Forschung, Sebastian Findeisen bei uns am Cluster hat da Sachen zugemacht, wo man sieht, da hat es eigentlich netto null Jobverluste gegeben, über die ganzen Jobs hinweg. Da hatten eine sehr gute Umqualifizierung über längere Zeithorizonte stattgefunden.
Jetzt haben wir natürlich aber eine deutlich dynamischere Entwicklung. Also die Anpassungsprozesse in Firmen und von den Beschäftigten, die müssen deutlich schneller vonstatten gehen, dass man da irgendwie fit bleibt. Auch wir als Bildungsinstitutionen müssen uns aufstellen, dass die Leute, die hier rauskommen aus den Schulen, aber aus den Universitäten, aus den Hochschulen, dass die gut aufgestellt sind. Und wir wissen ja, wissen ja wahrscheinlich auch selber noch gar nicht, wie wir ganz genau damit umgehen. Das heißt, man ist jetzt so in der Experimentierphase und die Veränderungen finden statt. Wie stark wird jetzt dieser Arbeitsplatzabbau sein? Nicht ganz so schlimm wie die düstersten Prognosen, wäre meine Prognose, ja. Aber da wird schon substanziell was passieren. Und ich würde dann auch immer sagen, jeder muss sich damit jetzt auch beschäftigen, Firmen, aber eben auch die Beschäftigten, wie ich damit gehe und was ich da, wie ich meine Kompetenzen so aufbaue, um auch gefragt zu sein weiterhin im Arbeitsmarkt.
Marius R. Busemeyer
Vielleicht mal auch mal aus einer Arbeitnehmer*innen-Perspektive versucht das positiv zu formulieren. John Maynard Keynes hat vor vielen Jahrzehnten schon mal diesen Aufsatz geschrieben, wo es um die Perspektiven seiner Groß-, seiner Enkelkinder geht und die Vorhersage gemacht, irgendwann arbeiten wir alle nur noch 15 Stunden in der Woche und das ist bekannterweise nicht eingetreten, weil irgendwie diese 40 Stunden Woche sich als Normmodell so etabliert hat, dass viele dieser Rationalitätsgewinne, die man potenziell durch die technologische, durch den technologischen Wandel hätte mitnehmen können, die dann irgendwie trotzdem nicht umgesetzt hat. Wenn du ja eben auch sehr viel im Gespräch mit Unternehmen bist, siehst du da vielleicht jetzt auch eine Möglichkeit, dass es dieses Mal an der Stelle auch vielleicht anders laufen könnte? Also sprich, wenn ich jetzt Unterstützung durch AI habe und de facto einfach das gleiche Arbeitspensum in 20 Prozent weniger Zeit bewältigt bekomme, gibt es da Aussicht darauf, dass sich so Diskussionen, wie um die vier Tage Woche, Arbeitszeitreduzierung, dass sich das auch noch mal anders darstellt? Oder wird das dann wahrscheinlich doch wieder, finden die Unternehmen dann doch wieder andere Möglichkeiten, wie sie ihre Arbeitskräfte anders einsetzen können?
Florian Kunze
Ja, also es ist auf jeden Fall spannend, das ist ja die Gesamtgemengelage, wo wir drin sind, ja. Und das hatten wir jetzt ja eben relativ groß auch als Thema jetzt nach der Pandemie aufkommen, diesen Fachkräftemangel in Deutschland, der plötzlich so stark spürbar wurde, auch für eine einzelne Kundinnen und Kunden von Unternehmen. Also irgendwann hier, Bäckereien haben plötzlich kürzere Öffnungszeiten, da haben wir glaube ich viele von uns gemerkt, dass das plötzlich akut war, ja. Und auch Firmen, wir haben so jetzt wieder eine leicht steigende Arbeitslosenquote in Deutschland, aber gute Fachkräfte werden immer noch ziemlich stark gesucht und dieser demografische Wandel ,auch dazu forsche ich, ja, der ist ja erst am Anfang. Also diese Verrentungswellen von Babyboomern, das geht ja jetzt erst richtig los. Das heißt, wir haben ja eigentlich eh in Deutschland weniger Arbeitskräfte zur Verfügung, und auch zu sagen ja auch Ökonominnen in Ökonomen, wir müssen da eigentlich gucken, wie können wir die möglichst effizient einsetzen, ja, gesamtwirtschaftlich drauf gucken. Und da könnte man eigentlich, BWLer Sprech gesagt, Win-Win draus jetzt machen, ja, wenn man sagt, man versucht das jetzt zu integrieren, wir haben da Effizienzgewinne durch solche Technologie, wir haben weniger Arbeitskräfte, ja, aber kriegen wir das in den Arbeitsmarkt, in den Organisationen auch hin und können wir das verhindern, was dann Ungleichheit erzeugen würde, um nochmal auf das Thema zurückzukommen auf unsere Befragung, ja, dass wir dann Leute haben, die eine geringe Qualifikation haben, die dann komplett rausfallen, die keine anderen Chancen haben, nämlich da im Arbeitsmarkt an Fuß zu fassen und dass wir dann doch vielleicht steigende Arbeitslosenwerte kriegen, abgehängte Leute kriegen, was dann auch natürlich ein Feedback Loop in politische und gesellschaftliche Prozesse gibt. Und das sollten wir natürlich tunlichst vermeiden. Und da könnte Arbeitszeitreduzierung jetzt auch ein großes, ein heißes Thema auch in Unternehmen und auch in der Mitbestimmung, schon auch wieder akuter werden, ja, und das irgendwie auch zusammenspielen und das sind auf jeden Fall spannende Zeiten für diese ganzen Themen.
Gabriele Spilker
Absolut. Ich würde gerne diese Frage nach Ungleichheit und künstlicher Intelligenz nochmal ein bisschen größer aufsetzen und diese Frage nochmal in den Raum stellen. Ist es denn so klar, dass das wirklich diese Ungleichheit zwischen weniger gut Ausgebildeten und besser Ausgebildeten wirklich verstärkt oder ist es nicht vielleicht so, dass es gewisse Berufe brauchen wird, denken wir an jemandem im Pflegeberuf oder in einem Friseursalon, das sind alles Dinge, da hilft uns die KI überhaupt nichts. Die werden wir brauchen, die brauchen wir jetzt schon sehr dringend, denn da haben wir jetzt schon viel zu wenig, auch der Spargel erntet sich nicht mit der KI, denke ich. Und daher meine Frage, so allgemein, was sind da die Erwartungen bezüglich der Ungleichheit?
Florian Kunze
Das ist natürlich genau, valider Punkt, ja. Also wir könnten auch sagen, genau Ungleichheit reduziert sich da, weil vielleicht privilegierte Gruppen, die von Transformation der Vergangenheit nicht so betroffen waren, Stichwort Robotisierung der Produktion oder Standardisierung in Produktionsweisen, da waren ja nur die direkten Tätigkeiten betroffen. So, jetzt haben wir natürlich diese Wissens- und gut ausgebildeten Tätigkeiten, wo auch viele von unseren Absolventen und Absolventen hier dann arbeiten, in Büros, in Führungstätigkeiten und so, die sind stärker betroffen. Und die müssen sich umstellen, die haben vielleicht aber auch ganz gute Voraussetzungen. Auch das sieht man in unserer Studie, die sind eigentlich gar nicht so gestresst, diese gut ausgebildeten Leute, die denken, ah ja, ich habe ja die Kompetenzen und die Tools, ich habe eine hohe Motivation, mich da weiterzubilden. Ich kann damit umgehen. Und gleichzeitig, um auf die Frage zurückzukommen, reduziert sich vielleicht die Ungleichheit zu diesen anderen Jobs, die stärker betroffen waren. Das heißt, vielleicht haben wir auch eine Chance, Ungleichheit zu reduzieren, ja, wenn wir das dann gut gestalten.
Marius R. Busemeyer
Ja, vielleicht kann ich an der Stelle, da wollte ich auch noch mal nachfragen, weil man kann das auch noch mal ein Stück weiterdrehen, diese Frage. Ich habe, ich glaube, es kommt aus St. Gallen von der Gruppe da ein Konferenzpapier mal gesehen, wo es quasi auch um die Frage ging, kann es sein, dass die Tätigkeiten von eher niedrig qualifizierten durch die Nutzung von AI sogar verbessert werden, weil im Vergleich zu früheren Wellen der Digitalisierung, wo man aufwendige Computerprogramme noch schreiben musste oder irgendwie IT-Experte sein muss, ist das ja vergleichsweise einfach, diese KI-Tools zu nutzen, weil die extrem nutzerfreundlich sind. Das heißt, es ist ziemlich, also man muss jetzt nicht total super ausgebildete IT-Experte sein, um ChatGPT zu bedienen, im Gegenteil, es ist sogar recht einfach. Also könnte es eigentlich sogar auch so eine Art Egalisierungseffekt geben, in dem Sinne, dass die Leute, die eigentlich tendenziell niedrig qualifiziert sind, gerade durch die KI-Tools, die einfacher nutzen können als andere Formen von Technik, die es vorher gab und die Programmierer, das kann jetzt ChatGPT sehr gut. Also Computercode schreiben, dafür hat man eben jetzt genau ChatGPT sozusagen.
Florian Kunze
Klar, auch auf jeden Fall auch einfach zum Beispiel, Texte zu verfassen, Sachen zu übersetzen, wo man, wenn man niedrigen Qualifizierungsgrad hat, Probleme hat, ja, normalerweise, überhaupt auf ein Level zu kommen, dass man Jobs arbeiten kann, das geht jetzt vielleicht deutlich besser. Deshalb gibt es das Potenzial auf jeden Fall und ich würde deshalb genau auch sagen, wir müssen nicht da total pessimistisch auf die Zukunft gucken in dem Bereich, und es gibt da viele Möglichkeiten, aber die Möglichkeiten muss man jetzt auch greifen und da muss man jetzt was tun in den Firmen, aber auch von dem politischen Kontext, von dem Mitbestimmungskontext in Deutschland. Wir dürfen wir uns da nicht zu lang, glaube ich, auch in Diskussionen aufhalten, sondern müssen da relativ schnell in die Umsetzung kommen, das ist ja auch ein globaler Trend. Wir sind auch im globalen Wettbewerb mit diesen ganzen Technologien, die bei uns eingesetzt werden in der Wirtschaft, in den Organisationen.
Gabriele Spilker
Absolut. An diesem Punkt würde ich gerne eine weitere Studie von dir mit reinbringen und die sich hier, denke ich, auch sehr gut eignet, um die Verbindungen darzustellen. Ein weiterer Forschungsbereich, der natürlich auch ein Riesenthema in der Arbeitswelt ist, ist die Frage nach Homeoffice und was das bedeutet für zum einen die Zufriedenheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, natürlich auch für die Produktivität der Unternehmen, aber auch, wie kann es anders sein, die Frage nach Ungleichheit und ich würde dich, in einem ersten Schritt gerne bitten, einfach mal zu erzählen, was diese Homeoffice-Studie ist und dann auch natürlich wiederum, was sind die zentralen Befunde?
Florian Kunze
Gut, also die Homeoffice-Studie, die haben wir begonnen zu Beginn der Pandemie, also schon vor fünf Jahren, dieses Jahr ist fünfjähriges Jubiläum. 2020, im ersten Lockdown hatten wir so ein bisschen auch zeitliche und finanzielle Ressourcen zur Verfügung, haben wir gedacht, wir gucken uns mal diese schon sehr starke und auch wieder disruptive Veränderungen an, nämlich, dass plötzlich alle Leute im Büros und Wissenstätigkeiten von jetzt auf gleich von zu Hause arbeiten können. Was wir in Deutschland sehr ungewöhnlich war, also wenn wir von vor der Pandemie gucken, haben wir das so im Durchschnitt 12, 13 Prozent ab und zu mal gemacht, da waren wir plötzlich bei 35, 40 Prozent, also fast in allen Jobs, wo das möglich ist, wurde das gemacht aus dem Pandemiegründen. Und das ist jetzt heute nicht mehr so hoch, aber wir haben seitdem wiederholt in 17 Wellen Leute in Deutschland befragt, nämlich Beschäftigte, die von zu Hause arbeiten können. Also das ist jetzt eine beschränkte Stichgruppe, um uns gleich zu vorherigen Studie, wir gucken jetzt hier nur auf die Wissen und Büro-Tätigkeiten, aber da gucken wir jetzt wiederholt, wie nehmen die das denn wahr, was machen ihre Firmen, wie ist ihre Einstellung zu diesen mobilen Arbeiten, was machen die Führungskräfte, wie wird dazu kommuniziert. Und mit der Pandemie hat sich die Perspektive darauf verändert, aber das Thema ist nicht weg, das nehmen wir jetzt auch in den öffentlichen Debatte wieder ziemlich stark wahr. Viele Firmen, gerade große, rufen vermeintlich ihre Beschäftigte zurück, weil sie sagen, nur dadurch können wir die Produktivität wieder steigern oder auch die Innovationsfähigkeit sicherstellen. Und das ist weiterhin sehr spannend, auch dazu gesellschaftlichen, aber auch wirtschaftlichen Debatten beizutragen, aber es gibt natürlich auch spezifische Ungleichheiten.
Marius R. Busemeyer
Aber könnte das auch sehen in euren Daten, dass es quasi wieder ein Trend weg vom Homeoffice gibt und hat das was zu tun, damit dass die Unternehmen ihren Mitarbeitenden vielleicht doch nicht so trauen und denken, der geht im Zweifelswald joggen oder einkaufen und macht nicht, arbeitet nicht für die Firma? Oder ist es eher so die Erfahrung doch bestimmte Tätigkeiten, die kann man nicht durch ein Zoom-Meeting ersetzen, sondern das muss einfach face-to-face passieren?
Florian Kunze
Also erstmal, alle wieder zurück ins Büro, das ist eher sozusagen so ein Medienthema. Wir sehen jetzt in den letzten Monaten das große Organisationen, erst mal die Tech-Firmen in den USA und dann teilweise auch die DAX-Firmen in Deutschland, zum Beispiel SAP und Deutsche Bank waren so große Beispiele in den letzten Monaten, gesagt haben, ja wir machen jetzt wieder verstärkte Präsenzpflichten und auch die großen Technologiekonzerne. In unserer Studie können wir damit den Daten besser draufgucken und sehen, ja das sind so knapp 20 Prozent, wo unsere Befragten berichten, in dem letzten Jahr gab es wieder verstärkte Präsenzpflichten, also lang nicht alle.
Gabriele Spilker
Und nur ganz kurz: verstärkte Präsenzpflichten heißt auch nicht komplett kein Homeoffice.
Florian Kunze
Genau, wir sind überhaupt nicht in der Diskussion auch in vielen Firmen, Homeoffice wird jetzt komplett abgeschafft, sondern viele Firmen haben auch aus Eigennutze gesagt, wir haben jetzt eh schon Büroflächen reduziert, wir können gar nicht mehr alle Leute wieder zurückholen. Wir haben auch festgestellt, für einige Tätigkeiten funktioniert das sehr gut. Also man muss, wenn man auf die Produktivität, guckt jetzt sehr stark tätigkeitsspezifisch gucken. Es gibt auch sehr gute Studien, die dann zeigen, individualisierte Tätigkeiten, klassisches Beispiel Call Center Arbeiten, wo ich nur eine Aufgabe für mich selber habe, muss die abarbeiten. Da ist man deutlich produktiver, wenn man fokussiert für sich, von zu Hause arbeiten kann, gibt es Experimente zu. Wenn es jetzt um Wissen- und Teamarbeit geht, wo jetzt dann die großen Tech-Firmen sagen oder auch die DAX-Konzerne, da haben wir so viele Tätigkeiten, da sieht es ein bisschen anders aus, da haben wir noch nicht so klare Evidenz. Da brauchen wir auf jeden Fall gute hybride Arbeitsform, also die Mischung aus Präsenzarbeit und Homeoffice, und müssen eben die Präsenzarbeit so gestalten, dass es auch gut funktioniert. Aber es ist ein absoluter Trugschluss, auch zu sagen, wir holen die Leute jetzt zurück ins Büro zwangsweise und dann sind die viel produktiver. Genau das Gegenteil ist der Fall, das sieht man auch in unserer Studie. Die Motivation leidet dann massiv, weil ich schränke Freiheit wieder ein, die ich bekommen habe, Autonomie und auch, was wir in unserer Studie sehen, auch im Zeitverlauf, die Leute sind belastet da wieder. Die können nicht so gut auch, sozusagen Betreuungsaufgaben, das sehen wir gerade in der mittleren Erwerbspersonengruppe übereinander bringen. Sie müssen wieder mehr pendeln, was gerade im Ballungsgebieten sehr anstrengend ist. Es gibt viele, viele Nachteile, die entstehen, wenn man so eine strikte Präsenzregel wieder einführt.
Gabriele Spilker
Super spannend. Und jetzt natürlich die wichtige Frage mit Bezug auf die Ungleichheit. Können das alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gleichmäßig nutzen? Natürlich nicht wahrscheinlich, aber wer kann das Besonderes nutzen? Wer nicht? Gibt es da spezifische ungleichheitsverstärkende Elemente oder vielleicht auch reduzierende Elemente? Könnt ihr dazu was sagen?
Florian Kunze
Gut. Also erst mal hatte ich eben gesagt, wer kann das überhaupt nutzen? Da sind wir so bei 40 Prozent der Tätigkeiten in Deutschland. Das heißt, immer noch bei der Minderheit der Tätigkeiten. Ja, das heißt, die Mehrheit der Beschäftigten in Deutschland in Jobs kann überhaupt kein Homeoffice machen oder mobiles Arbeiten oder von dritten Orten. Die müssen die Präsenz, wenn wir in die Produktion kommen, in die Pflege kommen, in der Gastwirtschaft arbeiten usw. Deshalb hat man da natürlich per se erstmal Ungleichheit drin in der ganzen Thematik. Und wer kann das denn bisher schon? Das sind eh schon die Privilegierten, die dann außertariflich bezahlt werden, die die guten Jobs haben, Führungskräfte und so weiter. Das heißt, wir haben in vielen Organisationen eine ziemlich starke Gerechtigkeit und Ungleichheitsdiskussion zu dem Thema. Was auch dazu führt, dass gerade produzierende Unternehmen teilweise sagen, wir schränken das wieder ein, um Gleichheit herzustellen. So, da kriege ich häufig auch die Frage gestellt, sollte ich das eigentlich jetzt machen. Ist das eine gute Sache?
Gabriele Spilker
Was sagst du dann?
Florian Kunze
Da sage ich immer, wir kriegen ja eh keine perfekte Gleichheit in die Organisationen hin, weil die Leute sind eh schon unterschiedlich bezahlt, die haben unterschiedliche Tätigkeiten. Trotzdem muss sich diese anderen Erwerbspersonengruppen und Tätigkeiten und Jobs und Leute in den Blick nehmen und zudem auch kommunizieren. Und auch gucken, Zukunft der Arbeit, wie mache ich eigentlich Arbeit für die auch möglichst sinnhaft, angenehm, motivierend, weil das ist ja, was wir jetzt gesehen haben. Das ist auch in unserer Studie ein Riesenmotivationsschub bei den Leuten, plötzlich habe ich Vertrauen. Ich kann mir das selber einteilen. Ich habe Flexibilität über meine Arbeitsabläufe. Ich habe nicht einen Chef, der mir ständig über die Schulter guckt und denkt, was machst du eigentlich? Arbeitest du überhaupt.? Und wenn das gut funktioniert, das ist dann die Selbstbestimmungstheorie der Motivation, dann kann ich daraus riesen intrinsische Motivation erzeugen. Und das jetzt wieder einzuschränken, nur um vermeintlich Gleichheit herzustellen, die ich eh nicht herstelle, weil ich unterschiedliche Tätigkeiten habe. Wenn ich jeden Tag eine Maschine betätige, in Schichtarbeit arbeite, mache ich ja eh komplett was anderes. Trotzdem alle Gruppen in den Blick nehmen. Und auch bei diesen anderen direkten Tätigkeiten auch gucken, wie kann ich da flexiblere Arbeitsmöglichkeiten einführen. Das wäre eher ein Ansatzpunkt, den ich dann empfehlen würde.
Gabriele Spilker
Ich habe noch eine Nachfrage bezüglich diesen positiven Effekten des Homeoffice. Die sehe ich totale. Ich empfinde die ja selber so, wenn ich von zu Hause arbeiten kann. Gleichzeitig kenne ich auch die dark sides des Homeoffice sozusagen, wenn man tagelang alleine da vor sich hinsitzt. Irgendwann denkt, ach Mensch, heute brauche ich doch den Schlafanzug gar nicht mehr auszuziehen. Raus muss ich eigentlich auch nicht. Und ach, wann habe ich denn das letzte Mal geduscht? Also diese fehlenden sozialen Kontakte, diese fehlende Ansprache und so weiter, das kann natürlich auch negativ sein, auch gerade für die mentale Gesundheit. Habt ihr dazu Befunde oder kannst du da was sagen?
Florian Kunze
Ja, auf jeden Fall. Das ist nicht alles nur genau heile Welt und super. Ja, und fünf Tage im Homeoffice, das ist auch keine Empfehlung, die ich ehrlich gesagt für die meisten Leute abgeben würde, auch für die Beschäftigten, für die Unternehmen auch nicht. Ja, sondern ist es sinnvoll, wenn wir auch über diese wie entsteht Motivation. Ich habe eben gesagt, durch Freiheitsgrade, die ich habe, durch Kompetenzgewinn, das ist das zweite und das dritte ist durch soziale Zugehörigkeit, dass ich gute soziale Beziehungen aufbaue am Arbeitsplatz. Und viele von uns machen das, wenn ich gute Beziehungen am Arbeitsplatz habe, meine Kolleginnen und Kollegen, mit meiner Führungskraft, dann ist das sehr gut. Ja, und ich will das auch gerne haben und auch in unserer Studie und dann nochmal, wir fragen immer, was wollen denn die Leute? Und es wollen weniger als 20 Prozent auch rücklaufend, eigentlich komplett von zu Hause aus arbeiten. Ganz wenige, weniger als 10 Prozent wollen auch komplett wieder ins Büro und ganz viele wollen diese hybriden Arbeitsformen. Und das muss ich dann eben hinbekommen, ja, dass ich und da wird dann die Diskussion drüber geführt, zwei oder drei Tage ins Büro komme, dass es dann aber auch eine sinnvolle Präsenz gibt, dass nicht das passiert, was auch in unserer Studie berichtet wird, dass ich lange Pendelwegen auf mich nehme, ins Büro komme und dann sitze ich den ganzen Tag mit Tür zu in Videokonferenzen. Ja, so, dann habe ich von allen Seiten eine schlechte, ja, also und das ist nicht das Sinnvolle. Aber wenn ich ins Büro komme, da findet ein Austausch statt, da ist eine gute Interaktion, da baue ich Beziehungen auf, ist auch sehr sinnvoll zum Beispiel, wenn sich das Team neu durchmischt, wenn ich die Leute erstmal neu kennenlernen muss, wenn ich jemand einarbeiten muss, alles das. Aber da muss ich mich mit beschäftigen, dass ich die Rahmenbedingungen in Organisationen zu setze. Was jetzt in den Organisationen häufig stattfindet, ganz viele haben jetzt Betriebsvereinbarungen gemacht und denken, wir haben das jetzt reguliert, wir haben eine Regel getroffen, die Leute sollen zwei oder drei Tage ins Büro kommen und damit ist das Thema abgehakt. Aber dann geht die Arbeit eigentlich erst los, ja, ich habe ja trotzdem eine ganz neue Arbeitsform als vor der Pandemie und ich muss jetzt eben die Organisationskultur und auch die Führungskultur dafür fit machen, dass das gut funktioniert.
Marius R. Busemeyer
Vielleicht noch mal so gegen Ende dieser Folge, obwohl das eigentlich eine sehr große Frage ist, aber trotzdem würde ich es gerne jetzt noch mal ansprechen, das Thema Diversität, weil du hast es indirekt auch schon angesprochen, dass gerade für Führungskräfte auch mal die Herausforderung ist, wie man mit unterschiedlichen Bedürfnissen so umgeht, dass sie trotzdem irgendwie gleich berücksichtigt werden oder gleichwertig berücksichtigt werden, obwohl sie natürlich auch unterschiedlich sein können. Das betrifft ja auch gerade die Fragen der Diversität in Hinblick auf Bildungshintergrund, aber auch auf alle möglichen anderen Dimensionen. Und gerade das Thema Diversität ist natürlich jetzt auch wieder ein hoch umstrittenes politisches Thema geworden, vielleicht etwas weniger in Deutschland als in anderen Ländern. Aber vielleicht kannst du da noch mal so zwei, drei Sätze zu sagen, wie hängt eigentlich gute Führung und Diversitätskultur in Unternehmen zusammen? Gibt es da ein Trade-off oder ist es auch wieder eine schöne Win-win-Situation?
Florian Kunze
Also genau, das ist ja natürlich auch jetzt ein hochpolarisiertes Thema in vielen Organisationen, auch wieder, wie bei dem Homeoffice auch von Amerika jetzt rüber schwappend nach Deutschland, ja wo das Thema Diversität und Wokeness ja so aufgeladen wird und jetzt viele große Organisationen gezwungen werden, ihre Programme, die es da gab, zurückzufahren. Auch dann interessanterweise natürlich auch deutsche Unternehmen zum Beispiel, die dann gezwungen wurden, weil sie so viel mit der amerikanischen Regierung da, das auch zu reduzieren. Und auch andere deutsche Unternehmen fahren das zum Teil zurück, nicht alle. So, die Frage ist jetzt, ist das sinnvoll oder nicht? Was ist denn da jetzt eigentlich die Evidenz, die wir haben? Und da wird dann häufig angeführt, ja durch Diversität haben wir ja gar nicht so gute Performance-Effekte, wenn ich jetzt eine diversere Belegschaft habe, zum Beispiel über Gender Diversity, Geschlechterdiversität, Migration, kann man darauf gucken zum Beispiel oder auf ganz viele andere Faktoren, zu was führt das denn? Und dann ist es erstmal so, wichtig zu wissen ist, okay, wir haben da keine riesen positiven-Effekte, aber in den Studien, es gibt da viele Meter-Analysen, auch weil es so viele Studien schon dazu gibt, sieht man, wenn man Sachen einfach laufen lässt und Diversität in Teams und Organisationen hat, ist auch die Gefahr ganz groß, dass man einfach negative Effekte hat. Weil, kennen auch dann die politikwissenschaftlichen Zuhörer oder die Psychologischen, gibt es klassische Theorien, soziale Identitätstheorie: Ich grenze mich ab von anderen aufgrund meiner Identität, auch das findet am Arbeitsplatz natürlich statt. Damit gibt es Subgruppen, unterschiedliche Gruppen, Alte, Junge, Migranten, Nicht-Migranten, Frauen, Männer, ja. So, wenn ich erstmal nichts mache, ich lass das laufen, dann ist die Gefahr ganz groß, dass die eigentlich nicht miteinander arbeiten, sondern gegeneinander arbeiten. Und dann habe ich einen negativen Effekt. Und dafür, um zur Frage zurückzukommen, muss ich eigentlich den Rahmen so gestalten. Da sehen wir dann auch Evidenz, wenn der gut gestaltet wird, wenn quasi eine gemeinschaftliche Identität, gemeinsames Ziel geschaffen wird, ja, auch eine Wertschätzung für unterschiedliche Perspektiven, dann kann das richtig gut funktionieren. Und das ist etwas, wo man dann nochmal win-win auch immer noch schaffen kann, ja, wo man sich mit beschäftigen soll. Weil selbst wenn man jetzt alle Diversitätsprogramme abschafft, ist Diversität nicht weg.
Gabriele Spilker
Nur kurz die Nachfrage, ist das für alle Diversitätsmerkmale gleichmäßig stark? Oder gibt es da vor allen Dingen viel Evidenz für Geschlechterdiversität oder für ethnische Zugehörigkeit oder für Alt gegen Jung? Oder kannst du wirklich sagen, über die Bank weg wissen wir, das sind die Indikatoren? Oder gibt es da einfach spezielle Aspekte, die deutlich stärker beleuchtet wurden von der Forschung?
Florian Kunze
Komplexere Thematik, ja. Es gibt sozusagen offensichtlich nach außen tritt eine Diversitätsmerkmale, wie zum Beispiel Geschlecht, Alter oder Migrationsuntergrund, was man auf dem ersten Blick sehr gut sehen kann. Das tritt in ersten Interaktionen, wenn ein Team neu zusammengesetzt wird, gleich auf. Da finden Abgrenzungsprozesse dann statt. Gleichzeitig geht es aber auch, gibt es auch tiefer liegende Diversitätsmerkmale, wie zum Beispiel Einstellung und Werte, wie Arbeitsweisen, ja, bin ich so der Last-Minute-Typ oder hake ich alles ganz schnell ab. Das kennt man vielleicht auch selber aus dem eigenen Arbeitskontext. Das ist dann meistens sehr viel, oder wird sehr viel wichtiger, wenn man längerfristig zusammenarbeitet und spielt dann eine Rolle, ja. Da muss ich mich auch damit...
Gabriele Spilker
Ja, kennen Marius und ich gut.
Florian Kunze
Da muss man sich damit beschäftigen, wie man das so managt, auch als Führungskraft. Und das ist dann, wenn ich so ein Team zu führen habe, als Führungskraft eben die kontinuierliche Aufgabe damit umzugehen und über so ein Lebenszyklus von so einem Team oder wenn sich das auch wieder anders zusammensetzt, passieren da wieder andere Sachen. Und generell aber um noch mal die positiven Seiten von Diversität aufzuzeigen, einmal gibt es Produktivität, aber wo wir sehr gut Evidenz haben, ist einfach Innovationsfähigkeit, ja. Wenn ich innovativ sein will als Organisation wie die Universität, aber auch als Firma, aber auch als öffentliche Organisation, brauche ich zwangsläufig, glaube ich, viele Perspektiven. Und dann muss ich mich auf Diversität einlassen und muss die auch managen. Das kostet erst mal Ressourcen, aber das muss ich zwangsläufig machen und auch dafür ist Diversitätsmanagement sehr, sehr sinnvoll.
Gabriele Spilker
Und dann ganz zum Schluss noch eine absolut spekulative Frage. Denkst du dieser Trend, den wir jetzt in den USA sehen, weg von diesen ganzen Programmen, weg von Diversity, dass das etwas „Böses ist“und so weiter… Schwappt es noch mehr nach Deutschland, Europa über oder vielleicht nicht? Und ich weiß, super spekulativ, es würde mich trotzdem sehr interessieren.
Florian Kunze
Also ich würde erst mal mittelfristig denken, dass es da Tendenzen gibt, geben wird, das zurückzufahren, auf keinen Fall so stark wie in den USA. Es wird aber sehr stark damit zusammenhängen, wie entwickelt sich die politische Polarisierung in Deutschland, ja. Haben wir das auch noch stärker auf der Thematik, wie stark wird die AfD auch werden, vielleicht nach der nächsten Bundestagswahl, wird es vielleicht irgendwann ja auch Regierungen geben, wo die mit drin sind. Und dann haben wir das Thema natürlich noch virulenter und viel stärker. Gleichzeitig denke ich, dass wir in der deutschen Arbeitswelt auch durch die starke Mitbestimmung und andere Tendenzen da besser aufgestellt sind, um diese ganz rapide Umstellung da vielleicht zu vermeiden, das wäre meine Prognose.
Marius R. Busemeyer
Gut, ganz vielen Dank an dich Florian. Für diese sind wirklich sehr umfassende und sehr spannende, interessante Übersicht über deine Forschung und vielen Dank an Gabi für die interessante Diskussion. Vielen Dank an Sie und Euch fürs Zuhören dieser Folge des Inequality Podcasts, die nächste Ausgabe wie immer am ersten Mittwoch im Monat.
(Dieses Transkript wurde mithilfe künstlicher Intelligenz erstellt.)