In_equality Podcast

Globale Ungleichheit im Klimawandel mit Gabriele Spilker und Viktoria Jansesberger

Universität Konstanz - Exzellenzcluster "The Politics of Inequality" Season 2 Episode 3

Host:
Marius R. Busemeyer – Professor für Vergleichende Politische Ökonomie an der Universität Konstanz und Sprecher des Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“.

Gäste:
Gabriele Spilker – Professorin für Globale Ungleichheit und Co-Sprecherin des Exzellenclusters „The Politics of Inequality“ an der Universität Konstanz. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich mit internationaler Kooperation in Umwelt- und Handelsfragen und den Auswirkungen des Klimawandels für Länder im Globalen Süden.

Viktoria Jansesberger – Postdoktorandin am Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“. Sie forscht zu Protesten, Umwelt- und Klimapolitik im Globalen Süden sowie zur sozialen Dimension internationaler Kooperation.

Episodenüberblick

Wie hängen Klimawandel und Ungleichheit zusammen – und warum trifft die Krise nicht alle gleich? In dieser Folge spricht Marius R. Busemeyer mit Gabriele Spilker und Viktoria Jansesberger über die sozialen und politischen Dimensionen des Klimawandels.

Von Generationengerechtigkeit bis globale Verantwortung: Der Klimawandel verstärkt bestehende Ungleichheiten zwischen Arm und Reich, Nord und Süd. Während reiche Industriestaaten historisch die größten Emissionen verursacht haben, leiden vor allem Länder des globalen Südens unter den Folgen – von Überschwemmungen über Dürren bis hin zu Existenzverlusten.

Episoden-Highlights

  • Klimawandel als Ungleichheitsproblem
  • Internationale Klimapolitik und Gerechtigkeit
  • Klimafinanzierung und Fairness
  • Proteste und Wahrnehmungen im globalen Süden
  • Politische Lösungswege

Links & Quellen

·       Mehr zum Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“: www.exc.uni-konstanz.de/inequality

·       Weiterführende Informationen und Publikationen:

o   Bottner, F., Jansesberger, V., Ohndorf, M. et al. (2025): What the new loss and damage fund needs for public approval: choice experimental evidence from Austria. Climatic Change 178, 9. 

o   Jansesberger, V. (2024): Sudden weather disasters as triggers for ethnic protest in autocracies? Political Geography Volume 113, August 2024, 103163.

o   Strauch, R., Jansesberger, V., Koos, S., Spilker, G. (2024): Voices of Change in the Global South : Understanding the Dynamics of Environmental Protest. Working Paper Series, Cluster of Excellence „The Politics of Inequality, No. 37. 


Mehr über den Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“.

Kontakt: cluster.inequality@uni-konstanz.de 

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Transkript Staffel 2 Folge 3: „tbd“. Mit Gabriele Spilker und Viktoria Jansesberger

 

Marius R. Busemeyer

Hallo und herzlich willkommen zur neuen Ausgabe unseres In_equality Podcasts. Mein Name ist Marius Busemeyer, ich bin Professor für Vergleichende Politische Ökonomie und Sprecher des Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“. Heute haben wir einen etwas besonderen Podcast, weil meine Co-Hostin Gabi Spilker, die sonst immer hier an meiner Seite sitzt und mitinterviewt, die möchte ich heute mal interviewen. Also Gabi Spilker ist heute eine unserer beiden Gästinnen und es geht um das Thema Klima und globale Ungleichheit. Gabi kennt ihr ja alle schon sehr gut, sie ist Cluster-Professorin für Globale Ungleichheit - willkommen, Gabi.

 

Gabriele Spilker

Danke, Marius. Und ich bin total gespannt auf diesen Rollenwechsel und dass ich heute auch mal aus meiner Forschung berichten darf.

 

Marius R. Busemeyer

Auf der anderen Seite sitzt Viktoria Jansesberger. Sie ist vor einigen Jahren zusammen mit Gabi von der Uni Salzburg zu uns nach Konstanz gekommen, hat dann hier promoviert zum Thema „Protest und Repression“ im Bereich Klima- und Umweltpolitik, das werden wir gleich noch ausführlicher diskutieren und ist jetzt als Postdoc bei uns im Cluster tätig. Auch an dich herzlich willkommen.

 

Viktoria Jansesberger

Hallo, freut mich hier zu sein.

 

Marius R. Busemeyer

Dann fangen wir direkt an. Nochmal kurz als Erinnerung: Das ist jetzt unser dritter Podcast, in dem wir uns mit dem Thema Klima und Ungleichheit befassen und verschiedene Aspekte beleuchten. Wir hatten auch schon zum Thema innerstaatliche Politik gesprochen mit Lena Schaffer und Adrian Rinscheid. Dann vor einer Weile mit Halvard Buhaug die globale Perspektive beleuchtet und heute mit Gabi und Viktoria. Gabi, vielleicht an dich die erste große Frage. Wie hängen denn Klimawandel und globale Ungleichheit zusammen?

 

Gabriele Spilker

Für mich gibt es, glaube ich, kein anderes Problem, bei dem wirklich diese Ungleichheitsdimensionen so stark hervortreten, wie beim Klimawandel. Und das ist auch mit ein Grund, warum dieser Klimawandel so ein Riesenproblem ist und auf allen Ebenen. Und das möchte ich kurz ein bisschen erläutern. Wenn wir so grob an Ungleichheit und Klimawandel denken, dann gibt es mindestens drei Dimensionen, wie die zusammenhängen können oder wie sie zusammenhängen. Das eine ist diese häufig in der öffentlichen Diskussion hervortretende Ungleichheitsdimensionen über die Generationen hinweg. Also, dass die älteren Generationen das Problem verursacht haben, aber dann die jungen und die zukünftigen Generationen die Suppe auslöffeln müssen. Das ist natürlich auch diese Motivation der Fridays for Future und dieser typische Generationen-Konflikt hier.

 

Dann haben wir noch diese Ungleichheitsdimensionen, über die wir sehr viel in dem Podcast mit Adrian Rinscheid und Lena Schaffer gesprochen haben. Diese innerstaatliche Ungleichheit, dass sowohl was die Auswirkungen des Klimawandels angeht, als auch bei vielen Policies oder Gesetzesvorhaben, um den Klimawandel zu bekämpfen, wir eine Ungleichheitsdimension haben. Insofern, dass die, denen es typischerweise ökonomisch weniger gut geht, häufig mehr zu spüren bekommen vom Klimawandel. Beispielsweise, weil sie sich nicht so gut an die Hitze anpassen können oder in stärker belasteten Gegenden wohnen. Aber auch, dass viele Maßnahmen, denken wir beispielsweise an Subventionen für Elektroautos, die kommen eher der Mittelklasse oder den Reicheren zugute und nicht den ärmeren Schichten der Gesellschaft. Und da haben wir diese innerstaatliche Dimension. 

 

Was mich als Professorin für globale Ungleichheit natürlich am meisten interessiert, ist diese globale Ungleichheitsdimension. Und da geht es vor allen Dingen darum, wenn wir auf Länderebene denken, dass diejenigen Länder, die dieses Problem hauptsächlich verursacht haben, also die größten Emittenten von CO2, das sind historisch gesehen die Industrienationen, also wir hier in Europa, aber auch Nordamerika, Japan und so weiter, die haben historisch gesehen dieses Problem klar verursacht, sind aber, wenn wir uns jetzt heute anschauen, wer die meisten Konsequenzen tragen muss, das sind nicht diese Länder, sondern das sind Länder typischerweise im globalen Süden. Ein Extrembeispiel ist Pakistan, das hat weniger als ein Prozent der weltweiten Emissionen verursacht, aber ist eines der Länder mit den meisten Schäden, wir denken an die verschiedenen Flutkatastrophen. Oder ein noch extremeres Beispiel sind zum Beispiel die kleinen Inselstaaten, die einfach weggegessen werden vom Klimawandel.

 

Marius R. Busemeyer

Okay, aber das sind jetzt ja vielleicht doch etwas extreme Beispiele. Was ist denn mit dem Fall China? Das ist ja in dem Sinn interessant, dass China für einen sehr großen Teil der Emissionen inzwischen verantwortlich ist und natürlich sehr lange auch die Karte gespielt hat, wir sind ein Entwicklungsland, wir sind noch am Wachsen, wir können jetzt hier nicht die Emissionen bremsen. 
 Und inzwischen ist China aber in mancherlei Beziehungen doch auch zu einer Industrienation geworden und technologisch in einigen Bereichen ja sogar weltweit führend. Also, was ist jetzt mit China? Und vor allen Dingen gab es einen Wandel in der Politik in China, jetzt ist alles elektrifiziert und China wird auch immer mehr zum Vorreiter beim Klimaschutz. Aber vielleicht täuscht da auch mal ein Eindruck.

 

Gabriele Spilker

Nein, absolut nicht. Und China ist hier ein extrem faszinierender Fall und zu Teilen ähnlich wie Indien im Sinn von, das sind beides einfach riesige Länder im Sinn von, wie viele Menschen dort leben und wie viele Menschen demnach auch natürlich CO2 ausstoßen, die beide, China natürlich noch viel mehr als Indien, aber die beide ökonomisch extrem gewachsen sind über die letzten Jahrzehnte und auf eine Art, vor allen Dingen was China angeht, das so nicht unbedingt vorhersehbar war, als viel von der internationalen Klimapolitik in den 1990ern gemacht wurde.

Und damit wurde irgendwann klar, so kurz nach der Jahrtausendwende, dass, wenn man China und auch Indien nicht einbindet in die Frage, wie können wir diese Emissionen reduzieren, kriegen wir das Problem einfach nicht gelöst. Weil die sind so groß, also China ist jetzt der größte Emittent von CO2. Wir kriegen dieses Problem nicht gelöst, wenn China nicht mit am Tisch sitzt oder mitmacht. Das ist wichtig und gleichzeitig natürlich jetzt völlig faszinierend, wie viele Technologien aus China kommen und ohne wie viele Technologien schon gar nichts mehr geht. Denken wir an die Solarindustrie ohne China, die, haben die die kompletten Lieferketten im Griff. Also das ist schon sehr, sehr faszinierend.

 

Marius R. Busemeyer

Aber sind die jetzt wirklich zu Klimaschützern geworden oder haben sie einfach entdeckt, da kann man gute Geschäfte machen, weil sie auf die Art und Weise ja ihre heimische Autoindustrie fördern und die Solarindustrie -  also quasi Klimaschutz als Ausrede für eine Subventionspolitik?

 

Gabriele Spilker

Absolut beides. Also China, muss man auch fairerweise sagen, ist schon auch sehr, sehr stark betroffen durch verschiedene Konsequenzen des Klimawandels. Also dort ist klar, dass was getan werden muss. Weil einfach sonst die Kosten, die der Klimawandel verursacht so hoch sind. Gleichzeitig ist das natürlich eine riesige Industriepolitik und eine Möglichkeit, hier Industrien zu besetzen. Und das kommt in einer Art natürlich in dem Fall dann dem Klimawandel wiederum zugute, weil wir dann diese Technologien haben. Ob das dann wiederum für beispielsweise Europa geschickt ist, dass wir hier komplett abhängig sind, das ist eine andere Geschichte oder eine schwierigere Frage.

 

Marius R. Busemeyer

Eine andere Frage, die an diese drei Dimensionen anschließt: Gibt es da nicht noch eine vierte Dimension? Es gibt ja auch innerhalb der emittierenden Länder, also den Industrienationen, große Unterschiede. Der Klassiker sind natürlich die USA mit extrem hohen Pro-Kopf-Emissionen, in Europa sieht es an der Stelle doch etwas besser aus. Ist das nicht auch ein Ungleichheitsproblem?

 

Gabriele Spilker

Natürlich. Also es ist immer so die Frage, wie misst man Ungleichheit? Schauen wir uns die zwischen Ländern an und tun so, als ob Länder ein Ganzes wären? Oder reihen wir die Menschen sozusagen über die Welt hinweg auf von arm zu reich? Und wenn wir da schauen, und da gibt es auch jetzt Daten dazu, was die reichsten Menschen, unabhängig von wo sie leben, wie viel die emittieren versus diejenigen, die nicht so reich sind, da ist dann ein Riesenunterschied. Und die zehn Prozent reichsten sind für so viel CO2 verantwortlich. Das ist völlig ungleich und natürlich völlig unfair.

Und das ist auch etwas, was eben diesen Klimawandel so speziell macht von dieser Ungleichheitsdimension und einfach so schwierig macht es zu regulieren, weil natürlich dann gleichzeitig wieder diese sehr Reichen relativ mobil sind und dann häufig auch verschiedenen Jurisdiktionen entkommen können und sich nicht notwendigerweise an gewisse Regelungen halten müssten. Und was dann wiederum die Regulierung schwieriger macht.

 

Marius R. Busemeyer

Aber wo du jetzt Regulierung ansprichst, vielleicht können wir da auch nochmal drauf schauen und  ein bisschen Bilanz ziehen. Das Kyoto-Protokoll war ein wichtiger Schritt in diesem ganzen internationalen Prozess irgendetwas gegen Klimawandel zu tun. Man hat sich da schon zum ersten Mal in den 90er Jahren zusammengesetzt, um dieses Problem global anzugehen. Das Pariser Abkommen ist natürlich auch ein wichtiger Meilenstein gewesen, aber auch schon zehn Jahre her. Dort hat man einen anderen Ansatz gewählt.Vielleicht kannst du nochmal erklären, was genau da die Unterschiede sind? Und auch wenn man jetzt mal kritisch zurückschaut, was ist jetzt eine Bilanz? Kann die Staatengemeinschaft da wirklich effektiv was dagegen tun? Kommen wir tatsächlich irgendwo weiter? Oder muss man sagen die internationale Regulierung ist aussichtslos. Wo ist das Glas: ist das Glas halb voll, halb leer oder nur ein Viertel voll? Könnt ihr uns eine Einschätzung geben?

 

Gabriele Spilker

Das ist eine schwierige Einschätzung und ich antworte hier nochmal. Und dann kommen wir auch zur Forschung von Viktoria, die das wahrscheinlich genauer noch ein bisschen differenzieren kann.  Und um diese Frage zu beantworten, muss ich ein bisschen ausholen und so eine kleine Geschichtslektion sozusagen geben, was die Kooperation im Bezug auf den Klimawandel angeht. Ich versuche das so kurz wie möglich zu machen und hoffentlich auch so spannend wie möglich. 

 

Spannenderweise ist der Klimawandel auf der internationalen Agenda viel länger präsent als wir dachten. Der ist so alt wie ich. Also 1979 wurde zum ersten Mal, gab es eine Weltklimakonferenz. Und dann ist lange nichts passiert, bis man eben in den 90er Jahren, du hast es schon gesagt, zum ersten Mal ein wirkliches Abkommen geschaffen hat. Und dann, das ging los mit der UN-Klima-Rahmen-Konvention. Die hat einen schönen englischen Namen, United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC. Ich mag irgendwie diese Abkürzung so gerne und die wurde in Rio 1992 vereinbart. Und dort haben die, was sie damals dachten, sehr sinnvolles getan, was danach aber riesige Probleme bereitet hat. Die haben verabredet, dass es etwas gibt, das heißt Common but Different Shaded Responsibilities. Und das ist genau das, was ich am Anfang gesagt habe. Dass es gewisse Länder gibt, die sind mehr dafür verantwortlich, dass wir dieses Problem haben als andere. Und das war erstmal total fair. Ist ja einfach so. Und deswegen haben die auch eine andere Verantwortung hier und müssten was machen. Aber das ist genau dieses Prinzip, was du dann vorher gesagt hast, wo sich so China und auch Indien dann rausgeredet haben und gesagt haben, wir haben historisch eigentlich nicht diese Common Responsibility, also wir haben diese Common Responsibility, but we are Different Shaded. Also wir sind eigentlich hier nicht am Zug.

 

Und dann hat man das mehr in Stein gemeißelt oder hat das konkreter ausgestaltet mit dem sogenannten Kyoto-Protokoll. Du hast es schon angesprochen. 1997, weil das in Kyoto eben verhandelt wurde. Und dort hat man dann gesagt, okay, nur die Industrienationen, die sogenannten Annex-I-Staaten, die haben klare Reduktions-Emissionsziele. Und China und Indien beispielsweise nicht. Dieses Protokoll war immer schon von Anfang an nur auf zwei Perioden angelegt und es war klar, man braucht Nachfolger. Und man dachte immer, es wird irgendwie möglich sein, dass man dann ein Nachfolgeprotokoll verhandelt, in dem alle Reduktionsziele haben. Was ja immer nötiger wurde, nachdem man gesehen hat, wie stark eben, wie du vorher auch angesprochen hast, China und Indien gewachsen sind. Und das hat einfach nicht funktioniert. Sie konnten sich nicht einigen, weil eben diese Frage, wer macht wie viel, wer muss an den Tisch und wer muss wirklich wie viel machen und einfach Klimapolitik ist kostspielig. Die konnten sich nicht einigen. Und dann sah es relativ lange düster aus, bis eben 2015 man in Paris saß und das sogenannte Pariser Übereinkommen verhandelt hat. Und das ist ein ganz komisches Übereinkommen, wenn ich das so sagen darf. Das ist völlig atypisch für einen internationalen Vertrag.

Weil, was sie da gemacht haben, ist einfach zu sagen, okay, wir erkennen an, dass der Klimawandel ein Problem ist. Und wir sagen, wir wollen nicht, dass die Erde wärmer wird..

 

Marius R. Busemeyer

…also ein Gradziel.

 

Gabriele Spilker

Genau, ein Grad Ziel, also 1,5, beziehungsweise 2 Grad Ziel. Wie wir dahin kommen, lassen wir offen. Und das geben wir, und das ist jetzt das Spannende an diesem Pariser Übereinkommen, das geben wir an die Länder selber weiter. Die legen fest in ihren sogenannten Nationally Determined Contribution, was sie machen wollen. Und das müssen sie einfach festlegen auf Papier und müssen alle paar Jahre das verstärken. Aber sonst gibt es eigentlich keine großen Vorgaben.

 

Marius R. Busemeyer

Also man hat im Prinzip - weil man gemerkt hat, diese Emissionsreduzierung funktioniert nicht – einen anderen Ansatz gewählt?

 

Gabriele Spilker 

Genau. Und das ist auf eine Art, kann man jetzt sagen, super, man hat alle an den Tisch gebracht, alle müssen was machen, aber gleichzeitig hat man überhaupt nicht festgelegt, was sie machen müssen. Von daher ist diese Frage Glas halbvoll, Glas halbleer und funktioniert das? Puh…

 

Marius R. Busemeyer

Viktoria an dich die Frage: es gibt doch auch konkrete Vereinbarungen zur Subventionierung von Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern oder in weniger entwickelten Ländern. Und da ist doch auch schon was Konkretes da, oder?

 

Viktoria Jansesberger

Genau. Also natürlich wird anerkannt, dass gewisse Länder und gewisse Gruppen mehr Unterstützung brauchen als andere. Und zu diesem Zweck wird Klimafinanzierung bereitgestellt. Was ist Klimafinanzierung? Das sind wirklich hohe Summen an Finanzmitteln, die für Projekte ausgegeben werden, die vulnerablen Gesellschaften helfen sollen mit den Herausforderungen und den Problemen, die der Klimawandel ebenso mit sich bringt, umzugehen und diese besser zu adressieren.

Da gibt es zwei, eventuell inzwischen sogar drei, Hauptkomponenten. Das ist einerseits die Anpassungsfinanzierung, Adaptation Finance im Englischen. Hier geht es darum: Wie kann man denn Gesellschaften und Personengruppen, die es nicht schaffen, oder die Schwierigkeiten damit haben, sich gegenüber Klimarisiken mit eigenen Mitteln zu wappnen, mit Projekten helfen, das besser zu tun? Beispiele hierfür sind Bauern dürreresistentere Saatgut zu geben oder Dämme zu bauen, damit Küsten und Städte, die sehr stark vom Meerespiegelanstieg betroffen sind, nicht weggespült werden.

Die zweite Hauptkomponente ist, dass gewisse Länder einfach mehr Unterstützung brauchen, um Emissionen zu reduzieren. Konkrete Beispiele dafür sind die Transportinfrastruktur, weniger Emissionensintensiv zu machen oder in erneuerbare Energien zu investieren.

Und dann gibt es noch eine dritte Säule und das ist Loss-and-Damage-Finanzierung. Es ist nämlich auch anerkannt worden, dass es, egal was wir tun; auch wenn wir Ländern helfen, Emissionen zu reduzieren, auch wenn wir diesen helfen, sich anzupassen, bereits jetzt durch den Klimawandel unwiderbringliche Verlust gibt, die einfach da sind. Und hier muss jetzt Geld fließen, damit denen geholfen wird und damit die Betroffenen dafür in gewissem Maße kompensiert werden.

Die EU ist sowieso, finde ich, was Klimapolitik betrifft, ein besonderer Fall und wir sehen das eben zum Beispiel, auch wenn wir uns konkret Klimafinanzierung und die entsprechenden Projekte ansehen. Hier sticht die EU schon in gewissen Aspekten hervor. Zum Beispiel haben wir das Problem, dass Länder oftmals mehr Mittel versprechen als dann tatsächlich fliessen. Wenn mans sich dann anschaut, wie viel fließt denn tatsächlich, dann sieht es deutlich magerer aus. Die EU ein, trägt hier einen deutlichen Anteil dazu bei, also ich glaube inzwischen 30, fast 40 Prozent aller Mittel.

 

Marius R. Busemeyer

Also du meinst jetzt die EU wirklich als EU-Institution und nicht die Mitgliedstaaten an sich?

 

Viktoria Jansesberger

Zusammen, EU-Institution und Mitgliedstaaten. Und wenn man sich da ein zweites Problem ansieht, diese ungleiche Aufteilung zwischen Finanzmitteln, die an Emissionsreduktionsprojekte gehen, die fast 80 Prozent der gesamten Klimafinanzierung ausmachen und den kleinen Teil, 10 bis 20 Prozent, der in die Anpassungsfinanzierung geht. Hier wiederum: wenn wir uns die EU anschauen, dann sieht man, dass die hier als Geberinstitution einen deutlich ausgeglichenen Ansatz haben und ca. 30 bis 40 Prozent für Anpassungsprojekte ausgeben, was wirklich auf internationaler und vergleichbarer Ebene total hervorsticht.

 

Marius R. Busemeyer

Aber warum ist das aus deiner Sicht dann, jetzt mal provokant gefragt, was Positives wenn man mehr für Anpassungen ausgibt als für Emissionsreduzierung? Man könnte ja eigentlich sagen, bei Anpassungsausgaben hat man schon mehr oder weniger aufgegeben, jetzt geht es nur noch darum, den Damm zu bauen. Bei Emissionsreduzierung versucht man wenigstens noch die Emissionen runterzukriegen. Aber vielleicht sehe ich das auch falsch. Gibt es einen Grund, warum es besser ist, ein ausgeglichenes Profil zu haben?

 

Viktoria Jansesberger

Also gerade, wenn wir so von Ungleichheit reden und Unfairness reden, finde ich Adaptionsfinanzierung extrem wichtig, einfach so, weil genau da eben versucht wird, diese historische Ungleichheit, diese globale Ungleichheit ein bisschen auszugleichen. Wenn wir uns anschauen, wer hat es denn verursacht und wer sind jetzt die Leidtragenden, wer sind denn die, die von Dürre, Überflutungen, Stürmen betroffen sind, wo sehen wir Hungersnöte, wo sehen wir Wasserknappheit?

 

Marius R. Busemeyer

Okay, verstehe. 

 

Viktoria Jansesberger

Da ist ganz viel, also natürlich könnte man jetzt einerseits so ein bisschen pragmatisch sein, andererseits, wenn man genau diesen Fairness-Gedanken bedenkt; wie kriegen wir das denn hin, dass da alle an einem Strang ziehen, dass da wirklich weiter alle mitmachen, dann halte ich dieses Ziel, was festgelegt worden ist, dieses 50-50, wir schauen, dass Menschen geholfen wird, sich anzupassen für, total wichtig.

 

Marius R. Busemeyer

Super, danke, habe ich verstanden. Wenn jetzt die internationale Ebene trotzdem immer so ein bisschen schwierig ist und Dinge sich sehr, sehr langsam bewegen, gibt es vielleicht auch noch andere Ebenen, auf denen man vielleicht aktiver sein kann?

Es gab ja auch viele Initiativen auf lokaler, regionaler Ebene, Städtepartnerschaften oder Bündnisse zwischen Städten, die das nach vorne bringen wollen, teilweise auch zwischen Bundesstaaten. Baden-Württemberg und Kalifornien, da gab es glaube ich auch eine Kooperation. Ist das vielleicht eine Chance oder wie weit kann so ein regionaler Ansatz tragen?

 

Gabriele Spilker

Also das ist eine sehr wichtige Komponente, es ist ja nicht das erste Mal, dass die USA aus dem Pariser Übereinkommen austreten und jedes Mal war dieses, oh Gott, was heißt es jetzt für die internationale Klimakooperation und so weiter und so fort. Und sicherlich ist das überhaupt nicht gut, aber diese Reaktion unterschätzt, wie viel genau auf substaatlicher Ebene passiert.

Und auch gerade in den USA sind diese Städte ganz, ganz wichtig und auch die Bundesstaaten natürlich. Und da passiert viel, viel mehr. Gleichzeitig hat es natürlich eine Signalwirkung, wenn Länder in ihrer Politik klar sagen, so weit gehen sogar, das Klimawandel ist überhaupt kein Problem, existiert vielleicht sogar gar nicht und ist nichts, worüber wir uns, worum wir uns kümmern müssen. Und das ist so ein bisschen eine Sache, die, glaube ich, wir sehr mit Sorge betrachten, ist jetzt dieser insgesamte Rückgang in der Entwicklungszusammenarbeit und natürlich dadurch dann auch für viel Rückgang oder ein großer Rückgang, der zu erwarten ist, in der Klimafinanzierung.

 

Und da ist es vielleicht wiederum, um deinen Punkt von vorher nochmal aufzugreifen, diese Frage mit der Mitigation hat noch einen zusätzlichen Twist sozusagen, dass es zu teilen auch ein Konzept gibt, die Schweiz fährt es zum Beispiel sehr, sehr stark und die EU hat sich jetzt gerade darauf geeinigt, dass sie das auch machen, dass man Emissionen nicht bei sich zu Hause macht, sondern woanders macht, die dann aber dafür bei sich zuhause anrechnen. Also die Schweiz hat zum Beispiel gerade ein Projekt in Ghana absolviert, in dem dort ganz viele Cooking Stoves, also Herde in Gemeinden ausgetauscht wurden, die extrem viel, die vorher alle über Kohle geheizt wurden und die dadurch wahnsinnig CO2-intensiv waren, jetzt elektrisch laufen und damit viel Gutes tun. Und diese Emissionsreduktion, die rechnet sich dann die Schweiz an und macht woanders was Gutes sozusagen. Die Sachen sind auch so ein bisschen umstritten, weil das Gegenargument dazu ist, warum räumt die Schweiz nicht auch zu Hause auf und baut noch vielleicht ein Windrad mehr. Aber das sind so die Möglichkeiten, die da bestehen.

 

Marius R. Busemeyer

Da sind wir aber wieder bei dem Thema innerstaatliche Politik. Ich denke, das ist das entscheidende Problem, zumindest aus der Sicht des globalen Nordens, dass bei vielen Parteien oder WählerInnen die Sorge besteht, dass sie dafür zahlen müssen, wenn der Klimaschutz im Rest der Welt vorangeht.

Und das ist natürlich irgendwo schon eine faktische Beschränkung der Klimapolitik im Norden oder einfach ein politisches Problem. Wie kommt man da raus? Wie kann man da irgendwie gute Lösungen finden, wie man auch innerhalb der Industrieländer die Bereitschaft erhöhen kann, dass da mehr für Klimaschutz im globalen Kontext getan wird?

 

Gabriele Spilker

Das ist etwas, wo wir einfach, glaube ich, überhaupt keine gute Antwort bisher haben.

Weil alles, was wir aus der Forschung wissen, ist, das ist so ein bisschen deprimierend… Also es gibt sehr, sehr viele Studien, die versuchen, den Menschen zu erklären, woher dieses Dilemma kommt und dass wir wirklich diese globale Ungleichheit haben, dass die Länder im globalen Norden hier dieses Problem mit verursacht haben. Und es ist nicht so, dass die Menschen diese Ungleichheitsdimension nicht anerkennen, aber dann dieser nächste Schritt, dass das dann bedeutet, dass wir hier entweder mehr tun müssten, beziehungsweise mehr zahlen müssten im Sinn von Klimaentwicklungshilfe für diese Staaten, das passiert zu ganz kleinen Teilen.

Und das ist einfach immer diese Krux, dass den Menschen natürlich das Wichtiger ist, was näher an ihnen dran ist. Und hier haben wir auch genug Probleme momentan und dann ist es halt eines von vielen Problemen und konkurriert mit diesen anderen Problemen. Und da dann diese Wichtigkeit zu bekommen, ist extrem, extrem schwierig und etwas, was ja eine konstante Herausforderung ist und bisher, würde ich sagen, wenig Lösungen.

 

Marius R. Busemeyer

Ja, aber vielleicht versuche ich mal ein bisschen optimistischer zu sein.

 

Gabriele Spilker 

Sehr gerne.

 

Marius R. Busemeyer

Diese verschiedenen Dimensionen der Ungleichheit bei Klima, die du angesprochen hast, die hängen ja auch irgendwo miteinander zusammen. Wir haben eben schon kurz über diese individuelle Ebene gesprochen, dass auf einer individuellen Ebene es auch einen sehr, sehr starken Zusammenhang gibt, zwischen wirtschaftlichem Reichtum und CO2-Emissionen. Menschen, die mit dem Privatjet durch die Gegend fliegen, stoßen ein Vielfaches von CO2-Emissionen aus als Menschen, die mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren. Und natürlich gibt es auch bei uns die Sorge von denjenigen, die weniger Reichtum haben, ob sie die hohen Energiekosten schultern können. Wir hatten ja die Diskussion zum Heizungsgesetz und so weiter, wo man einfach sieht, dass die Menschen da sehr sensibel sind.

 

Aber könnte man sich nicht Politikinstrumente überlegen, die beide Dimensionen miteinander kombinieren? Also ein Beispiel dafür - ich sage jetzt nicht, dass das unbedingt das Beste ist - aber ein Beispiel dafür war ja das Klimageld, was zumindest mal diskutiert wurde, vor einigen Jahren in Deutschland und dann leider im Regierungsalltag untergegangen ist. Wo man mithilfe einer Bepreisung von CO2-Emissionen auf einer individuellen Ebene Geld einsammelt, von dem natürlich dann de facto eher die Reichen betroffen sein werden, weil sie eben mehr Emissionen verursachen. Und mit diesen Einnahmen kann man dann, andere Dinge finanzieren. Also zum einen Subventionen für die armen Haushalte in unseren Ländern, aber auch natürlich Klimaschutzmaßnahmen in anderen Ländern.

 

Gabriele Spilker

Absolut. Und in der Theorie funktioniert das auch super. In der Praxis leider nicht so richtig, weil zum einen Menschen einfach neue Steuern nicht mögen. Also diese CO2-Steuern sind notorisch unbeliebt und man kann sie nur minimal beliebter machen durch diese sogenannten Kompensationsmaßnahmen, die du jetzt ansprichst. Also ein Land in dem das wirklich auch durchgeführt wurde und gemacht wurde ist Österreich und da kann Viktoria vielleicht auch nochmal mehr erzählen, aber da hilft das auch nicht. 

Also wir haben jetzt eine Studie auch aus dem Cluster, aus der Forschung aus dem Cluster, wo wir zeigen, dass das nicht wirklich viel, keinen großen Unterschied macht für die öffentliche Akzeptanz. Das heißt nicht, dass es nicht trotzdem eine sehr gute Idee ist. Da möchte ich nicht falsch verstanden werden. Ich bin sehr stark der Meinung, wir brauchen diese Kompensationsmaßnahmen und wir brauchen auch eine CO2-Steuer. Es ist nur nicht so einfach, dass darüber diese öffentliche Akzeptanz gewonnen wird. 

Und vor allen Dingen ist es kein Selbstläufer in dem Sinne, dass wir Parteien haben, die häufig diese rechtspopulistischen Parteien, die das aufnehmen und darüber mobilisieren und den Leuten aufs Brot schmieren, wie ungerecht das vielleicht ist. Und dann braucht es erstmal wahnsinnig lange, um zu erklären, warum es eigentlich gar nicht so ungerecht ist, weil man ja kompensiert, aber da hat man schon die meisten Menschen wiederum verloren. Also das ist wirklich eine ganz, ganz schwierige Geschichte.

 

Viktoria Jansesberger

Genau, vielleicht passt da eine Studie gut dazu, die wir vor drei Jahren gemeinsam mit Ökonomen in Österreich gemacht haben. Wir haben uns gedacht, es muss doch irgendwie gehen, dass man Menschen dazu kriegt, dass sie einig sind, dass man da was mobilisieren muss, dass man da zum Beispiel für diesen Loss and Damage Fund bezahlen will….Und wir haben wirklich alle Fairness-Prinzipien, die wir in der Literatur so diskutieren und gefunden haben, haben wir versucht, ihnen zu zeigen. Unter welchen Bedingungen wärt ihr denn bereit, so und so viel beizutragen zu diesem Loss and Damage Fund? Wir haben versucht, es auf individuelle Beiträge runterzubrechen und die Ergebnisse waren ziemlich ernüchternd in dem Sinne: es finden schon alle irgendwie gut, dass da eine Fairness-Komponente drinnen ist, dass man darüber nachdenkt. Gleichzeitig ist die Bereitschaft, egal welche Fairness-Prinzip man anwendet, extrem niedrig. Hier sind wir wieder bei, ist das Glas halb voll oder halb leer? Also Leute finden es schon irgendwie wichtig, aber dass man da wirklich was findet, wo alle jetzt okay damit sind und aber wenn es darum geht so viel muss man zahlen dann ist das mega schwierig.

Und eben, was Gabi auch schon angesprochen hat besonders wenn man sich dann die einzelnen Ergebnisse in den einzelnen Bevölkerungsgruppen anschaut, zum Beispiel Einkommensschwächere Gruppen. Ich kann mich noch erinnern in diesen offenen Fragen, die wir denen gegeben haben, so sagt uns doch mal, wie ihr zu eurer Meinung gekommen seid, da hat eine reingeschrieben, ich bin alleinerziehende Mutter von zwei Kindern und jetzt soll ich zahlen für irgendwelche Länder, in die ich sowieso nie fahren werde. Dann auch so ganz düster sieht es aus, wenn man so nach Wahlpräferenz geht, Unterstützer der FPÖ, der rechtspopulistischen Partei, also schwierig. Ja, es gibt schon noch viel zu tun…

 

Marius R. Busemeyer

Ja, na gut, wir forschen weiter und vielleicht finden wir ja auch mal positive Ergebnisse. Eine Sache noch: Ihr habt ja in dem Cluster-Projekt zum Thema Klimaungleichheit im globalen Süden vor allem die innerstaatliche Ungleichheitsdimension analysiert und auch du in deiner Dissertation, Viktoria, das Thema Proteste. Kannst du uns dazu noch mal ein bisschen was erzählen? Wie funktioniert die Auseinandersetzung zu diesem Thema Klima-/ Umweltschutz in Ländern des globalen Südens? Was hast du da beobachtet?

 

Viktoria Jansesberger

Ja, also super gerne. Es gibt eben dieses Cluster-Projekt von „Perceptions to Protest“, weil wir uns gefragt haben, so viel unseres Wissens kommt aus Kontexten des globalen Nordens.

Aber wie sieht es denn in Ländern des globalen Südens aus? Was treibt da die Menschen um? Was finden die unfair? Finden die auch vor allem diese globale Dimension so ungerecht, mit der wir uns hier die ganze Zeit beschäftigen? Oder treibt die ganz was anderes um? Und vor allem, was sind denn die Umweltprobleme, die denn die Menschen auch wirklich auf die Straße treiben, um zu protestieren? 

Eines der Findings, das ich so aus meiner Dissertation und aus dem Projekt mitnehme, ist: wir beobachten schon jede Menge Proteste zu verschiedensten Umweltthemen, sei es eben Naturkatastrophen, Wasserknappheit, Umweltverschmutzung, Umweltschutz, Energie. Gleichzeitig, wenn wir das versuchen in Relation zu setzen zu der Gesamtmenge an Protesten, die wir sehen, dann macht das zwischen fünf, maximal zehn Prozent in manchen Jahren aus. Das ist schon im Vergleich zu anderen Themen eigentlich sehr gering.

 

Gabriele Spilker

Aber es nimmt zu über die Zeit.

 

Viktoria Jansesberger

Ja, das sehen wir schon, schmal, aber schon stetig.

 

Marius R. Busemeyer

Das heißt, andere Themen wären zum Beispiel Arbeitslosigkeit, Wirtschaft oder technische Diskriminierung?

 

Viktoria Jansesberger

Wirtschaft ganz oft auch für oder gegen bestimmte Politiken der Regierung, für Demokratie, gegen repressive Aktionen. Und was ich total faszinierend fand, was ich dachte, dass mehr wäre, ist, dass man auch im globalen Süden so ganz stark die Adressaten, Länder des globalen Nordens, internationale Organisationen, die internationale Gemeinschaft, so was Fridays for Future-like sehen. Hier haben wir aber ganz, ganz wenige. Also ich glaube, wir kommen auf keine 50 Proteste. Eigentlich sind es ganz oft , Energiepreise, Knappheit von gewissen Ressourcen, wirklich die Umweltverschmutzung, die da in der Nachbarschaft durch Ressourcenabbau passiert. Was wir sehen, ist, dass, wenn wir Umweltproteste vergleichen mit anderen Themen, dass die oft auf einer lokaleren Ebene stattfinden. Meistens wird die nationale Regierung adressiert, ganz oft sogar die lokale Regierung, die Municipality dort.

 

Marius R. Busemeyer

Weil du auch Fridays for Future angesprochen hast. Ist das nicht auch ein wichtiger Unterschied, den ihr beobachtet, dass bei uns die Proteste, in Ländern des globalen Nordens, eher ideologisch motiviert sind, die Leute auf die Straße gehen, weil sie eine bestimmte Klimapolitik wollen. Natürlich sind junge Generationen auch betroffen von Klimaschutz, das haben wir ja vorhin auch schon diskutiert. Aber in Ländern des globalen Südens gibt es anscheinend doch sehr viel konkretere Anlässe, also wenn Menschen wirklich von Umweltkatastrophen betroffen sind oder sehr viel stärker diese Auswirkung von Klimawandel erleben. Habt ihr das auch beobachtet?

 

Viktoria Jansesberger

Genau, definitiv. Und was ich eben dachte, als ich da rangegangen bin, als ich die Diss angefangen habe, wenn man sich denkt, was für grauenhafte Zustände da oft nach einer Überflutung oder nach einem Sturm herrschen, welche verheerenden Auswirkungen Dürren da haben. Ich dachte, dass es deutlich mehr Proteste geben müsste, wo es wirklich um diese katastrophalen Zustände geht, wo praktisch so die Ärmsten der Ärmsten ums Überleben kämpfen. Und wenn wir hier jetzt in unserem Datensatz ein bisschen konkreter reinschauen zu, wer protestiert denn, wer organisiert denn das? Dann sind es oft gar nicht die Gruppen, von denen man das erwarten würde. Ganz oft sind es Studierende oder auch Bauern und Bäuerinnen. Und das spiegelt so schön eine Einsicht wider, die wir schon ganz lange aus der Protestforschung kennen; natürlich braucht es Unzufriedenheit, damit Menschen überhaupt in Erwägung ziehen, um auf die Straße zu gehen. Gleichzeitig ist es aber auch irgendwie immer leichter gesagt als getan und da bedarf es jeder Menge Ressourcen. Man muss mal die Zeit haben, man muss die Organisationskompetenz haben und wenn man da gerade wirklich ums Überleben kämpft und nicht weiß, ob man morgen noch ein Dach über den Kopf hat, dann ist es auf die Straße zu gehen und zu protestieren ein Thema, was eher mal hinten ansteht und das spiegelt sich in unseren Daten eben wider. Also auch wenn im globalen Süden jetzt grob gesagt die Probleme vielleicht unmittelbarer sind, gibt es auch hier eine klare Abstufung zwischen den Themen die angesprochen werden und wer auf die Straße geht. Und es ist oft gar nicht so intuitiv, wie man sich denken würde, wenn man anfängt, darüber nachzudenken.

 

Marius R. Busemeyer

Ja, das ist ja das Schöne an der Forschung. Zum Abschluss nochmal, um beide Perspektiven zusammenzuführen, globaler Süden, globaler Norden: Also mir scheint, dass es dann doch politisch das Problem ist, dass das Thema Klimawandel einfach immer etwas hinten runterfällt. Dass es sehr schwierig ist, hier politisch Unterstützung zu mobilisieren, weil im Norden die Leute sich Sorgen machen, um ihre Heizungsrechnung; im globalen Süden sind das andere Themen, wo vielleicht auch wirklich die Auswirkungen von konkreten Umweltkatastrophen im Vordergrund stehen. 

Insgesamt die Problemwahrnehmung auch gar nicht so da ist, wie groß und wie global dieses Problem eigentlich ist. Ist das auch euer Eindruck, dass das der rote Faden ist, der sich da durchzieht? Dass wir da schon dieses Problem haben, Kurzfristigkeit versus Langfristigkeit und Klimawandel fällt da immer ein bisschen hinten runter?

 

Gabriele Spilker

Da gehe ich komplett mit dir mit. Diese Langfristigkeit des Klimawandels und natürlich einfach die, dass es wie massiv dieses Problem einfach ist. Und es ist ja nicht eine Lösung, die wir brauchen, sondern wir brauchen wahnsinnig viele Lösungen. Wir brauchen eine Lösung für den Verkehr, wir brauchen eine Lösung für unsere Gebäude, wir brauchen eine Lösung für den Strom, für das, was wir essen, für die Landwirtschaft und so weiter. Also es ist wirklich einfach ein wahnsinnig komplexes Problem und das sehr, sehr viele Politikmaßnahmen braucht und sehr viel Veränderung braucht. Und ich glaube, das ist so dieses eine und damit natürlich einfach auch langfristig viele Lösungen. 

Ich glaube nicht, dass es ein Informationsproblem ist. Das ist was, wo ich denke, da zeigt die Forschung immer mehr die Leute. Wir können den Leuten erklären, was das Problem ist, was die Konsequenzen sind, wie ungleich es ist und so weiter und so fort. Und die Leute verstehen das natürlich und die Leute sehen auch, dass es deswegen ein Problem ist, aber dann dieser Link bedeutet es, dass die Leute da deswegen mehr machen. Das funktioniert nur ganz, ganz wenig. 

Und das ist so ein bisschen, was es nicht einfacher macht für die Politikerinnen und Politiker. Und da komme vielleicht noch mal ein bisschen oder würde ich gerne noch mal kurz zurückkommen zu diesem Fall China. Und deswegen finde ich China auch so faszinierend. Und das ist so ein zweischneidiges Schwert natürlich auch. Also diese, auf der einen Seite natürlich diese extremen Subventionen, die dieses Land in diese verschiedenen Industrien bringt, verursachen für unsere Wirtschaft hier in Europa massive Probleme natürlich. Aber gleichzeitig für die Möglichkeit, also wie um wie viel günstiger jetzt heute diese Solarpanele einfach sind und welche Möglichkeiten man da hat für den Klimaschutz, ist natürlich die andere Seite der Medaille.

 

Marius R. Busemeyer

Oder E-Mobilität auch.

 

Gabriele Spilker

Absolut verrückt. Und da ist so ein bisschen dieses, ich bin jetzt natürlich keine Ökonomin, deswegen fällt mir das vielleicht leichter zu sagen, aber natürlich diese Idee, das nennt man das sogenannte Policy Sequencing. Damit kennst du dich natürlich als Policy Forscher deutlich besser aus als ich, aber dass man einfach so kleinere Schritte macht und das dann so nach und nach aufbaut. Also dass man wirklich diese, auch wenn sie ungleich sind, vielleicht diese Subventionen für die Elektromobilität, aber dann einfach mal eine Koalition schafft, die dann wirklich ein Interesse daran hat und dann haben die diese Autos, merken, dass sie eigentlich cool sind und dann baut man das nach und nach auf und kommt dann einfach nicht mehr zurück zu dieser alten Technologie. Und ich glaube, dass über diese Wirtschaftsdimension und über diesen Weg muss es gehen, dass die Leute einfach ein zusätzliches Interesse haben, hier was für den Klimawandel zu tun. Nicht, weil es für den Klimawandel per se ist, das ist zu optimistisch gedacht, sondern weil es halt eben auch noch einen zusätzlichen Nebeneffekt hat und so weiter. Ich glaube, das ist die Art, wie es hoffentlich gehen muss, gehen wird, gehen kann. Ja, da bin ich jetzt vielleicht ein bisschen optimistisch.

 

Marius R. Busemeyer

Schön, dann haben wir doch einen kleinen optimistischen Ausblick am Ende. Ganz vielen Dank an euch beide, Gabi und Viktoria, für das sehr, sehr interessante Gespräch. Ich habe viel gelernt und wir haben viele Themen diskutiert. Wir haben angefangen bei China, haben jetzt wieder geendet bei China. Wir haben über die internationale Regulierung gesprochen, die Geschichte des Klimaschutzes auf globaler Ebene. Wir haben viel über Proteste im globalen Süden gelernt. Danke nochmal an dich, Viktoria, für den Einblick in deine Forschungsergebnisse. Wir freuen uns auf die nächste Ausgabe des In_equality Podcast, immer am ersten Mittwoch im Monat verfügbar.

(Dieses Transkript wurde mithilfe künstlicher Intelligenz erstellt.)