Stadt Wien Podcast

Niemand wird vergessen – Weihnachten im Hilfswerk („Gemeinsam ist man weniger allein“ 2/5)

Stadt Wien

In der zweiten Folge geht es um jene Menschen, die rund um Weihnachten besonders einsam sind – weil sie armutsbetroffen sind, weil sie neu in Wien sind, oder weil sie schlicht niemanden haben.
 Wer kümmert sich um sie? Und was bedeutet es, am 24. Dezember Gemeinschaft zu erleben – auch ohne Familie?

Ein Podcast über Scham, Zugehörigkeit – und die Wärme eines offenen Raumes.

Gesprächspartner:innen dieser Folge:
 Verena Mayrhofer-Ilic, Wiener Hilfswerk
 Yvonne Widler, Journalistin Kurier 

Tom Waibel, Philosoph 

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-Hallo! Vorweihnachtszeit ist Aktionszeit. Kennst du das auch, dass dein Postkasten selten so voller Werbezettel, Aktionsangeboten und Flyern ist wie vor Weihnachten? Dazwischen finden sich aber auch jetzt gerade immer wieder Briefe von gemeinnützigen Organisationen, die um eine kleine Spende bitten. Und sie können sie gut brauchen. Denn Weihnachten ist auch die Zeit, in der viele vergessen werden. Menschen, die kein Dach über dem Kopf haben, die mit schweren Krankheiten zu kämpfen haben, die ausgegrenzt werden. Wer kümmert sich um sie? Und wohin können sie gehen, wenn sie am 24. Dezember gerne Gesellschaft hätten? Ich bin Barbara Kaufmann und das ist Gemeinsam ist man weniger allein, der Podcast der Stadt Wien. In fünf Folgen schauen wir uns an, was man in Wien im Advent und zu Weihnachten gegen Einsamkeit tun kann. Das ist Folge 2. Niemand wird vergessen. Weihnachten im Hilfswerk.-Jetzt, wo in einer vorweihnachtlichen Stimmung eine Atmosphäre geschaffen wird, die so voller Erwartungen an die Gesellschaft, Gemeinschaft und an das Individuum ist, wie nie sonst im ganzen Jahr, da wird natürlich besonders sichtbar, dass diese Erwartungen niemals erfüllt werden.-Das ist Tom Waibel. Ihr kennt ihn schon aus Folge 1. Er ist Philosoph und wirft mit uns in jeder Folge einen anderen Blick auf die stille Jahreszeit und das Thema Einsamkeit.-Zum Beispiel der englische Romantiker Lord Byron hält am Anfang des 19. Jahrhunderts lyrisch fest und besteht darauf, dass die Einsamkeit jener Ort sei, an dem wir am wenigsten allein sind.-Viele Menschen sind gern allein. Genießen es, in Ruhe ein Buch lesen zu können, nachzudenken, spazieren zu gehen. Einsamkeit ist aber etwas ganz anderes. So wie der Dichter Byron sagt, wer einsam ist, ist nicht auf angenehme Art und Weise allein. Wer einsam ist, spürt ein Loch, einen Mangel, etwas, das fehlt.-Wenn wir uns immer wieder eines vor Augen halten, nämlich, dass wir ohne Sehnsucht, nach den anderen, zwar allein sein können, aber niemals einsam.-Es fehlt der andere, die Gemeinschaft. Und dieses Fehlen wird bei einsamen Menschen als Schmerz empfunden. Gerade in der Vorweihnachtszeit, wo überall das gemeinsame Feiern und die gemeinsame Freude betont werden.-Also da sehen wir da schon auch einen starken Konnex dazu, durch diese starke Kommerzialisierung. Auf der anderen Seite ist es natürlich ein Fest, wo die Familie sehr hoch gehalten wird und die Gemeinschaft, was natürlich auch einen sehr hohen Erwartungsdruck auf die Menschen macht, weil die Realität oft nicht so ausschaut wie die Erwartungen oder die Bilder, die wir vielleicht zu Weihnachten von Gemeinschaft haben, weil Menschen vielleicht einsam sind oder weil die Familiensituation dann doch nicht so ideal ist.-Verena Mayrhofer-Ilic arbeitet beim Wiener Hilfswerk im Nachbarschaftszentrum in Ottakring am Stöberplatz. Es ist eine Wohnung im Erdgeschoß mit Rezeption, kleiner Küche und mehreren Räumen, in denen es Treffen gibt, Kurse, Flohmärkte, was eben so ansteht. Das Hilfswerk gibt es schon fast 70 Jahre. Es ist eine wohltätige Organisation, die sich um Menschen in Not kümmert.-Die meisten Angebote sind auch kostenlos für die Menschen und bei vielen haben wir eine ganz offene Komm-und-Geh-Kultur, wie bei den Sprachcafés, wo man einfach kommen kann ohne Anmeldung. Und das ist für viele Menschen halt wichtig, dass sie einfach einen Ort haben, wo sie einfach einmal hinkommen können. Auch mit ihren Fragen. Weil das ist natürlich auch gerade für Menschen, die neu in Wien sind, oft schon ein Ämterdschungel oder das Gesundheitssystem ist nicht klar, das Schulsystem. Also da gibt es viele Dinge, die einfach ganz neu sind, wo man Ansprechpersonen braucht, um sich zurechtzufinden.-Verena betreut Menschen. Die zur Weihnachtszeit größere Sorgen haben, als das beste Geschenk für ihre Verwandten zu finden.-Es ist die Zeit, wo jetzt auch die Stromabrechnungen kommen, wo die Menschen zum Jahresende hin, wo es um Ausgaben auch für Geschenke geht, wo auch dieser finanzielle Druck für viele Menschen schon stärker wird. Das nehmen wir schon sehr stark auch wahr in der Arbeit und auch das führt natürlich zu Druck und Spannungen, zu Isolationen, wenn ich mir etwas nicht leisten kann und nicht teilhaben kann an Dingen.-Finanzielle Unsicherheit und soziale Isolation, das geht oft Hand in Hand. Armutsbetroffene erleben Scham und ziehen sich zurück, weil sie sich Treffen in Lokalen nicht leisten können oder auch gerade in der Vorweihnachtszeit das Gefühl haben, ausgeschlossen zu sein. Weil sich die eigene Miete kaum ausgeht, Geschenke erst recht nicht.-Mir fällt auf, weil gleich bei mir ums Eck ist auch so ein Sozialmarkt, dass die Schlangen da immer länger werden und dass diese Zeit ist, glaube ich, für ganz viele Menschen in Wahrheit schwierig. Ich weiß nicht, mir fällt auf, wir freuen uns immer alle so auf Weihnachten und ich habe das Gefühl, dass aber dann schon auch viele Belastungen da einfach rauskommen, wenn man sich mit vielen auch konfrontiert. Dieser Druck, ich glaube, den spüren schon viele, aber ich glaube, dass Menschen, die von Armut betroffen sind oder die gerade durch psychische Krisen gehen oder trauern, was auch immer, oder alleinerziehende Mütter, sich da ganz besonders schützen.-Viele Gruppen bleiben auch in der Vorweihnachtszeit einfach unsichtbar. Sie haben im Trubel keinen Platz, kommen nicht in den Werbebildern vor, sind nicht auf Instagram.-Unsichtbar in dieser Zeit sind zum Beispiel Frauen, die in Gewaltbeziehungen leben, die sich die ganze Zeit um Kinder kümmern müssen, die vielleicht auch alleinerziehende Mütter sind, ältere Menschen mit Minipensionen, die kein Geld haben, um rauszugehen, die sich auch noch mehr vielleicht in ihrer Wohnung befinden, die verwitwet sind, Menschen, die psychisch belastet sind oder psychische Krankheiten haben, die es gar nicht aushalten unter Menschen, denen dieser Druck zu viel ist, Menschen, die gerade massiv trauern vielleicht, also all die Menschen, die in irgendeiner Form vielleicht auch ein bisschen am Rand gedrängt sind von der Gesellschaft und die vor allem eben viel Zeit zu Hause sind, die dann gar nicht so viel das Haus verlassen aus den unterschiedlichsten Gründen. -Yvonne hat für ihre Sozialreportagen viele renommierte Preise gewonnen. Sie hat dafür oft Monate, wenn nicht Jahre recherchiert und mit Betroffenen viel Zeit verbracht.-Ich weiß aus meinen Reportagen mit obdachlosen Menschen, denen geht's um was ganz anderes. Also wenn ich jetzt ein Bild vor mir herzaubere, gerade die Mariahilfer Straße, wo in der Vorweihnachtszeit alle mit den Einkaufssackerln wie ferngesteuert vom Konsumverhalten herumlaufen und nur am Telefon hängen und dazwischen sieht man die obdachlosen Menschen, die eigentlich Ruhe wollen. Es ist ja ihr Lebensraum. Und für die verändert sich der öffentliche Raum auch extrem in dieser Zeit. Und alle Sachen, wo sie nicht teilhaben können, kriegen Sie noch einmal vorgesetzt.-Es gibt Menschen, die man vor lauter Glitzer und Weihnachtsbeleuchtung vergisst, sagt Verena Mayrhofer-Ilic vom Hilfswerk. Und auch wenn wir an Einsamkeit denken, haben wir oft dieselben Bilder im Kopf.-Klassisch denken wir immer an ältere Personen, die jetzt vielleicht keine Familie mehr haben. Die gibt es natürlich auch. Und man kann ja nicht sagen, es gibt ein Leid, dass man gegen das andere abwiegt. Aber ich glaube, oft werden vergessen Menschen, die zugezogen sind, die sich neu in Wien aufhalten und für die zu Weihnachten natürlich auch viele Einrichtungen und viele Sachen geschlossen sind, die vielleicht jetzt nicht zu Weihnachtsfeiern eingeladen werden. Also ich kann mich an eine Aussage einer jungen Frau erinnern, die immer gesagt hat, ich habe die ersten sieben Jahre in Wien nur geweint. Also da ist schon eine große Einsamkeit, weil viele ihre Familien in den Heimatländern zurückgelassen haben. Hier noch nicht wirklich Anschluss gefunden haben und einfach unter einer starken Isolierung leiden und dem Gefühl, nicht dazu zu gehören. Ich denke, das ist immer, wenn wir über Einsamkeit reden, ein wichtiger Aspekt, wer ist drinnen, wer ist draußen.-Die Familie wird gerade im Advent immer noch zu einem Ideal verklärt, das sie nie war und auch gar nicht sein kann. Denn auch in einer Familie kann man sehr einsam sein, wenn man nicht so akzeptiert wird, wie man ist.-Ja, die Familiensituation, wie gesagt, wir gehen eben von diesem hohen Idealisierungsgrad, den Familie in unseren Köpfen darstellt, das sehen wir auch in der Werbung, dass das immer sehr stark instrumentalisiert wird. In Wirklichkeit sind Familien auch oft Orte, wo es eben auch Dissonanzen gibt, wo Menschen eben sich nicht verstehen. Ja, Menschen oft nicht so sein dürfen, wie sie sind. Und ja, auch bei queeren Menschen geht das in die Familien hinein, wenn in der Familie diese Situation, also wenn das nicht akzeptiert wird, wie ein Mensch ist, als welche Person der Mensch gesehen werden will, dann führt das natürlich zu ganz enormen Spannungen und ja, auch zu Ausgrenzungen.-Genau hier, bei der Ausgrenzung, da setzt das Hilfswerk an. Am Nachmittag des 24. Dezember gibt es jedes Jahr ein kleines Weihnachtsfest für alle, die nicht allein sein wollen.-Ja, der 24. im Hilfswerk, das ist jetzt schon eine sehr lange Tradition. Ich glaube, das gibt es jetzt auch schon seit über 30 Jahren. Und das ist einfach die Idee dahinter, dass gerade am 24. viele Menschen diese Isoliertheit, ganz besonders ganz spüren, weil da ja die Menschen entweder mit der Vorbereitung für das Weihnachtsfest beschäftigt sind oder ja, auf jeden Fall keine Zeit haben, frei haben, die viele Einrichtungen und geschlossen sind. Ja, auch die Geschäfte sind, ich glaube, in Wien machen es dann schon um drei oder sowas zu. Oder es ist dann auf jeden Fall schon sehr vieles an Rückzug zu spüren, wo die Menschen sich nicht mehr die Familien oder in die Häuser zurückzieht und es wenig Angebote mehr gibt. Und da war die Idee einfach, dass man für die Menschen was anbietet, wo die Menschen gerade am 24. noch einmal hingehen können. Ja, dass sie noch einmal Gemeinschaft erleben, gemeinsam an ein Weihnachtsfest, gemeinsam Lieder singen, gemeinsam auch eine Mahlzeit einnehmen und etwas mit nach Hause nehmen können von der Weihnachtsstimmung, an Gemeinschaft und Zugehörigkeit. Ich denk das ist das Wichtigste. Wir Menschen wollen zugehörig sein und das wollen wir am 24. den Menschen noch einmal mitgeben.-Verena hat dieses Weihnachtsfest des Hilfswerks schon sehr oft mitorganisiert. Und trotzdem ist sie immer wieder berührt davon, wie Fremde miteinander feiern und sich verbunden fühlen.-Es ist schön zu sehen, wie Menschen dann gemeinsam was machen wieder, gemeinsam singen und Menschen, die sich gar nicht gekannt haben vorher, dann doch gemeinsam dieses Fest sozusagen, sozusagen auch mitgestalten, indem sie mitsingen und indem sie vielleicht auch ein Gedicht vorlesen und diese Stimmung hineinbringen, die sie dann hoffentlich auch mit nach Hause nehmen.-Studien zeigen, je länger Einsamkeit dauert, umso schwerer ist es, sie zu durchbrechen.-Man spricht ja da so im Fachjargon von der chronischen Einsamkeit, also wenn man sich schon sehr lange Zeit nicht aus den eigenen vier Wänden rausgetraut hat, das ist dann ein schwieriger Schritt. Und ich denke, das muss man den Leuten auch sagen, das ist sehr mutig, wenn sie sich das trauen und ihnen da auch ein bisschen vielleicht Kraft geben oder sie ermutigen, es zu probieren und auch nicht enttäuscht sein, wenn es vielleicht das erste Mal nicht gelingt, aber immer wieder dranbleiben. Und auch die Leute bestärken, dass es sich lohnt, wieder einen Schritt vor die Tür zu setzen und mit anderen in Kontakt zu treten.-Das beste Mittel gegen Einsamkeit ist Selbstwirksamkeit. Das bedeutet, man glaubt daran, etwas bewirken zu können, Probleme lösen zu können, etwas zu schaffen. Verena erlebt tagtäglich im Nachbarschaftszentrum des Hilfswerks in Ottakring, wie Menschen aufblühen, wenn sie etwas für sich und andere tun können.-Ein Faktor, der vielen Menschen abgeht, ist, dass sie selber wirksam sein können, dass sie selber was tun können. Und das ist für viele Menschen extrem wichtig. Menschen wollen sich gar nicht sehen unter dem Aspekt, mir wird jetzt geholfen, sondern Menschen möchten etwas tun. Und deswegen ist unsere Frage oft gar nicht die, des Helfen, sondern die, was können sie für uns tun. Und so entstehen oft ganz neue Angebote im Nachbarschaftszentrum, wie eben die Acryl-Malgruppe, die eine Künstlerin aus der Ukraine anbietet. Sie sagt, das macht ja den Kopf frei, etwas zu tun für die anderen. Oder es gibt auch eine Bastelgruppe für Kinder aus der Ukraine bei uns, die eben von einer Freiwilligen angeleitet wird. Die sagt, nein, ich möchte einfach selber was tun.-Die über 20 Nachbarschaftszentren des Wiener Hilfswerks findet ihr unter www. hilfswerk. at. Dort gibt es viele kostenlose Kurse, Treffen, Aktivitäten, an denen jede und jeder teilnehmen kann. Die Weihnachtsfeier des Hilfswerks findet in diesem Jahr am 24. Dezember zwischen 11 und 13 Uhr statt, und zwar im Skydome des Hilfswerks in der Schottenfeldgasse. Man muss sich dafür anmelden, und zwar telefonisch unter 01 512 36 61 3003. Das war Folge 2 von Gemeinsam ist man weniger allein, ein Podcast der Stadt Wien. In der nächsten Folge sehen wir uns an, was passiert, wenn zu Weihnachten Einsamkeit zur akuten psychischen Krise wird und wer dann für dich da ist. Ich bin Barbara Kaufmann und freue mich, wenn wir uns wiederhören.

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