Stadt Wien Podcast

Wenn Einsamkeit zur Krise wird – der Sozialpsychiatrische Notdienst („Gemeinsam ist man weniger allein“ 3/5)

Stadt Wien

In der dritten Folge schauen wir auf die einsamsten Momente – dann, wenn psychische Erkrankungen Isolation verstärken.
 Wie entsteht Einsamkeit mitten unter Menschen? Warum fühlen sich gerade junge Menschen abgehängt? Und wer hilft, wenn es nicht mehr geht?

Ein Podcast über psychische Notlagen, Scham – und das Zuhören als erste Hilfe. 

Gesprächspartner:innen dieser Folge:
 Dr. Katrin Skala, Leiterin der Psychosozialen Dienste Wien
 Anna, Mitarbeiterin des Sozialpsychiatrischen Notdienstes
 Tom Waibel, Philosoph

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-Hallo. Hast du auch manchmal das Gefühl, dass es jetzt im Dezember gar nicht mehr richtig hell wird draußen? Die Nächte sind länger, die Sonne kommt an manchen Tagen gar nicht mehr raus. Alle sind im Weihnachtsstress, aber dir fehlt die Kraft für alles. Gerade die stille Jahreszeit ist für viele Menschen besonders schwierig. Dann nämlich, wenn sie ohnehin mit einer psychischen Erkrankung zu kämpfen haben. Wohin können sie sich wenden, wenn nichts mehr geht? Und warum sind vor allem junge Menschen oft sehr einsam und wissen nicht, wohin? Ich bin Barbara Kaufmann und das ist Gemeinsam ist man weniger allein, der Podcast der Stadt Wien. In fünf Folgen schauen wir uns an, was man in Wien im Advent und zu Weihnachten gegen Einsamkeit tun kann. Das ist Folge 3. Wenn Einsamkeit zur Krise wird. Der sozialpsychiatrische Notdienst.-Die einsamen Menschen sind irgendwie ungewöhnlich. Und das hat damit zu tun, dass sie es sich nicht gemütlich machen in ihrer Zeit. Dass sie sich an den Ansichten ihrer Zeit kein Vergnügen finden. Dass sie in ihrer Zeit gegen ihre Zeit sind. Dass sie tatsächlich unzeitgemäß sind.-Das ist Tom Waibel. Er ist Philosoph und denkt darüber nach, wie Einsamkeit auch entstehen kann, weil man anders ist. Weil man nicht mitmachen will oder kann. Gerade in einer Zeit wie dem Advent und Weihnachten, wo so viele Veranstaltungen stattfinden, bei denen man teilnehmen sollte oder müsste. Firmenweihnachtsfeiern, Familientreffen.-Wenn ich nun in diesem Gefüge von Anspruch und Anteilnahme keinen Platz mehr finde oder keinen mehr finden will, dann, wenn ich dann beginne ich wahrhaftig aus meiner Zeit zu fallen. In meiner Zeit, in der ich aber dennoch lebe. Ich falle heraus so gründlich und unerbittlich, dass ich tatsächlich sehr rasch emotional abgebaut, sozial abgehängt und leibhaftig vergessen werde.-Menschen, die ohnehin das ganze Jahr über mit Depressionen oder Ängsten zu kämpfen haben, kennen dieses Gefühl nur zu gut. Nicht dazu zu gehören. Nicht, weil man es sich ausgesucht hat, sondern weil es einfach nicht geht.-Psychische Erkrankungen machen eigentlich immer einsam. Es ist auch ein Kernkriterium fast jeder psychischen Erkrankung, dass die Fähigkeit zur sozialen Interaktion eingeschränkt wird. Die Fähigkeit zur Teilhabe am normalen Leben. Insofern ist jede psychische Erkrankung ein Risikofaktor zur Vereinsamung.-Katrin Skala ist Kinder- und Jugendpsychiaterin und die Leiterin der psychosozialen Dienste in Wien. Sie erklärt etwas sehr Wichtiges, dass psychische Erkrankungen sehr oft einsam machen. Weil die anderen ein Bild davon haben, dass gar nichts stimmt.-Je nachdem, um welche Erkrankung es sich handelt, sind viele psychische Erkrankungen natürlich mit massiven Stigmata versehen. Andere sehr viel mehr mit Schamgefühlen, sodass man sich selbst zurücknimmt. Auch das Gefühl hat, wie zum Beispiel bei Depressionen, man ist es gar nicht wert, mit anderen irgendwie zu tun zu haben, weil man ist hässlich, dumm und was nicht alles. Und das sind Gefühle, die eben durch die Erkrankung entstehen oder verstärkt werden.-Genau das passiert viel zu oft. Man versteckt sich. Weil man sich schämt. Oder weil man merkt, dass die anderen dich nicht verstehen können. Beim Sozialpsychiatrischen Notdienst erreicht man genau in solchen Momenten jeden Tag rund um die Uhr Menschen, die zuhören, weiterhelfen können, einfach da sind. Wie zum Beispiel Anna.-Ich glaube, das Allerwichtigste zu Beginn ist, einfach einmal zuhören. Also einfach einmal, um herauszufinden, worum es geht, logischerweise. Aber auch in weiterer Folge ist, glaube ich, das Zuhören und das Dasein und an Menschen einfach sprechen lassen, schon einmal eine erste große Hilfestellung. Das stellt man sich immer so klein vor, aber das ist in Wahrheit eigentlich etwas Riesiges. Und auch einer der Hauptgründe, warum sich die Menschen an uns wenden, weil sie das Gefühl haben, sie können jetzt so in einem Umfeld, in einem sozialen Feld, haben sie halt niemanden, mit dem sie sich über die Dinge, die sie belasten, unterhalten können.-Anna ist auf die seelischen Probleme von Kindern und Jugendlichen spezialisiert. Sie können auch beim Notdienst anrufen und finden dort Gesprächspartner*innen, die nur für sie da sind.-Menschen sind, glaube ich, aus unterschiedlichsten Gründen einfach einsam. Ein weiterer Punkt, der ein bisschen rauskommt, ist einfach durch die Kommunikationswege, die man mittlerweile einschlagen, also durch soziale Medien und so, ist zum Beispiel ein großes Thema, ist zum Beispiel Handysucht, Internetsucht, wo dann soziale Kontakte nicht mehr so im realen Leben stattfinden, sondern wo die halt einfach nur mehr auf einem Bildschirm stattfinden und das halt trotz alledem, trotz der Kommunikation auch die Einsamkeit fördert.-Oft wird vergessen, dass gerade junge Menschen täglich darum kämpfen, dazu zu gehören, sich beweisen müssen, in der Schule und auch im Freundeskreis.-Bei jungen Menschen spielt gerade im Schulsetting, man hinterfragt sich sehr viel, man wird erwachsen, es ändert sich in einem selber so viel. Und natürlich kommen da dann auch Ängste mit, mögen mich meine Freunde wirklich oder komme ich in der Gruppe gut an oder dass man sich in der Klasse nicht wohlfühlt, nicht integriert fühlt. Das sind einfach Dinge, die aber, glaube ich, einfach mal ausgesprochen werden müssen, dass man sich nicht alleine mit sich herumtragt. Und da kann man dann einfach unterstützen, dass man Strategien findet. Wie kann man zum Beispiel mit den Freundinnen in ein besseres Gespräch kommen oder wie gibt es Möglichkeiten, dass ich vielleicht mit Freunden öfter rausgehe oder so. Also das ist dann ganz individuell versucht man dann halt da zu unterstützen mit Tipps, Strategien oder eben, wenn es tiefgreifender ist, Anlaufstellen, die sich dann gezielt mit Problematiken beschäftigen.-Ausgrenzungen, Online-Stalking, Beschimpfungen auf Social Media, Mobbing. Österreich ist da sogar europäischer Spitzenreiter beim Mobbing der 11- bis 15-Jährigen. Hierzulande erleben 21 Prozent in dieser Altersgruppe Schikanen und Psychoterror durch andere. Das ist doppelt so viel wie im europäischen Durchschnitt. Die psychiatrische Versorgung von jungen Menschen ist seit Corona durchgehend nicht gut. Genau da kann der Notdienst helfen, sagt Anna.-Und in der Zwischenzeit, bei meinem Wissen, es kommt oft zu längeren Wartezeiten, gerade in den psychosozialen Bereichen, wenn einfach so viel Bedarf da ist, dann sind wir auch überbrückend da und können auch einfach über einen gewissen Zeitraum zum Beispiel mit Entlastungsgesprächen für die Personen da sein, dass sie dann nicht einfach warten müssen und in der Luft hängen.-Beim sozialpsychiatrischen Notdienst arbeiten Sozialarbeiter*innen, klinische Psycholog*innen, Personen wie Anna mit Diplom in Gesundheits- und Krankenpflege. Die Ausbildung ist wichtig, um professionell helfen zu können. Aber gerade bei Jugendlichen, die sich einsam fühlen, ist es oft ebenso wichtig, einfach da zu sein.-Ein Mensch ist so vielfältig und vielschichtig. Und ich glaube wirklich, am Anfang steht einfach das Zuhören. Gar nicht so viele Vorschläge am Anfang bringen oder Tipps bringen, sondern einfach nur da sein. Weil ich glaube, das ist ja das, was gerade so fehlt. Und wenn es da zumindest eine Person am Telefon gerade gibt, die gerade zuhört, dann ist das schon mal ein Moment, in dem man sich vielleicht ein bisschen weniger einsam fühlt.-Anna sieht die Vorweihnachtszeit kritisch.-Aber ich habe schon den Eindruck, dass man in der Zeit oft gerne auf die glitzernden Sachen schaut und nicht auf die Menschen, die alleinig sind.-Wenn du dich in der Vorweihnachtszeit auf eine Einkaufsstraße setzt und nur mal die Menschen beobachtest, dann siehst du erst, unter wie viel Druck sie stehen. Alle hetzen sich, schleppen schwere Taschen, kämpfen sich durch die Massen für die Psyche, ist das mehr als anstrengend.-Also man braucht jetzt nur in gewisse Einkaufsstraßen zu schauen. Es laufen Horden angespannter, aggressiver Menschen durch die Gegend, die versuchen, irgendetwas zu erwerben, erzeugen oder vorzubereiten, damit dieser eine Abend, wenn man jetzt vom 24. Dezember spricht, dieser eine Abend dann perfekt ist. Und das funktioniert ja de facto nie. Ich denke, es gibt sicher viele Familien oder Gruppen, die das ganz gut hinkriegen. Aber in der Regel kommt es dann doch eher zu Katastrophen oder zumindest ist es nicht so wahnsinnig romantisch, wie man sich das wünschen würde.-Katrin Skala, die Leiterin der psychosozialen Dienste, hat als Psychiaterin mit jahrzehntelanger Berufserfahrung einen ganz anderen Blick auf die Weihnachtszeit.-Für sehr viele ist es auch nichts, worauf sie sich in irgendeiner Form freuen. Es stellt Verpflichtungen dar, sich in ein Soziotop oder ein familiäres Soziotop zu begeben, das sie eigentlich vermeiden im normalen Leben. Das heißt, es destilliert, es bildet wirklich eine Kombination aus verschiedenen schwierigen Situationen.-Dazu kommt noch, dass Schenken psychologisch viele unter Druck setzt. Beschenkt zu werden oder auch nur das Wissen darüber kann nämlich Schuldgefühle auslösen. Wird es ein teures Geschenk, teurer als meines, kann ich das zurückgeben? Genauso schwierig kann es werden, wenn man das Geschenk übergibt. Wenn nämlich das Gegenüber nicht die Freude zeigt, die man sich erwartet hat.-Man kann schwer pauschalisieren, aber ich glaube, in dem Fall wage ich das jetzt ein bisschen, weil ja wirklich das alles in der Luft ist. Es ist Stress in der Luft, es ist Erwartungshaltung in der Luft. Zusätzlich ist es permanent finster. Es gibt ja nicht nur saisonale Depressionen, aber der Durchschnitt der Menschen ist etwas anders beieinander, wenn es um vier finster ist, als wenn die Sonne scheint.-Wir alle kennen den Winterblues. Durch den Lichtmangel fühlen wir uns alle nicht so fit. Man wird schnell müde, man will oft gar nicht raus. Die Stimmung ist nicht so gut, alle sind etwas gereizter. Das zeigt sich auch in Krankheitsbildern in dieser Zeit, sagt Katrin Skala.-Es gibt grundsätzlich in dieser Jahreszeit eine Neigung dazu, ein bisschen, nicht zwingend depressive Symptome zu haben, aber ein bisschen Tüme-Symptome zu haben, also ein bisschen weniger Antrieb, ein bisschen niedergeschlagener zu sein. Und wenn ich dazu neige oder schon eine psychiatrische Erkrankung habe, ist das die Zeit im Jahr, einmal rein von der Sonnensituation, aber auch von der gesellschaftlichen Situation, wo der Druck noch mehr steigt und es den Leuten im Schnitt natürlich nicht besser geht.-Eine echte psychische Krise beginnt jedoch nie von heute auf morgen. Deshalb ist es wichtig, aufeinander zu achten, gerade auch in der Vorweihnachtszeit.-Ich glaube nicht, dass sich die Warnsignale in dieser Zeit besonders unterscheiden von den Warnsignalen in anderen Zeiten, aber es ist natürlich immer eine gewisse Wesensveränderung, eine Veränderung auch im Handeln, im Tun, Rückzug, weniger Austausch als es zuvor war, wenn die Menschen dann gar nicht mehr vom Grundstand wegkommen, also sprich mehr Alkohol konsumieren, weniger schlafen, sich anders verhalten.-Es dauert lange, bis Einsamkeit wirklich zur Krise wird. Oft steht zu Beginn einfach ein Gefühl der Hilflosigkeit, weil man nicht weiß, wie man sich bei anderen melden soll, weil man darüber grübelt, wie andere reagieren würden. Doch oft können schon kleine Gesten Brücken bauen, sagt Katrin Skala.-Es ist auch gleichzeitig ein bisschen ein Tipp für Menschen, die einsam sind und das nicht sein wollen. Eine Nachricht schreiben, mal anrufen, Weihnachtskarte, wenn man sich noch zurückhalten möchte. Da kann man sich zwar ein aber man kann eine Karte schreiben. Es gibt keine niemanden, der sich nicht freut über sowas. Aber einfach mal am leichtesten und am wenigsten intrusiv ist es, eine Nachricht zu schreiben. Wie geht's dir?-Wie belastend und anstrengend das Weihnachtsfest für viele psychisch sein kann, bemerken Katrin Skala und ihr Team auch bei den Anrufen beim Sozialpsychiatrischen Notdienst.-Was mir wirklich über viele Jahre aufgefallen ist, speziell, gerade am 24. Dezember ist in der Regel nichts los, nichts, bis ungefähr 20 Uhr. Und dann brechen die Dämme. Und dann kommen die ganzen Katastrophen von all den Menschen, die sich weiß Gott was erwartet haben und es war dann ganz schrecklich. Das heißt, auch hier sieht man abgebildet, was diese Feiertage machen.-Wenn sich du oder deine Freund*innen oder Verwandten jetzt in der Weihnachtszeit bedrückt fühlen, wenn du dich um jemanden anderen sorgst oder wenn du selbst merkst, irgendwie geht's nicht mehr, dann kannst du jederzeit 24 Stunden täglich beim Sozialpsychiatrischen Notdienst der Psychosozialen Dienste Wien anrufen. Du erreichst ihn unter 01 31 33 0. Das war Folge 3 von Gemeinsam ist man weniger allein. Ein Podcast der Stadt Wien. In der nächsten Folge werden wir uns ansehen, warum Einsamkeit und Isolation gerade für Frauen gefährlich sein kann. Ich bin Barbara Kaufmann und freue mich, wenn wir uns wiederhören.

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