
Die Psychologinnen: Was ist los im Kopf?
Wir erklären wissenschaftliche Erkenntnisse, Theorien und Modelle der menschlichen Psyche. Und was diese für unser tägliches Leben und Miteinander bedeuten. Dadurch helfen wir euch, eure Gedanken, Gefühle und euer Verhalten besser zu verstehen und bei Bedarf Einfluss zu nehmen.
Wir zeigen auf, dass psychologische Theorien und Erkenntnisse nicht nur theoretisches Wissen, sondern konkrete Werkzeuge für den Alltag sind. Denn wir sind überzeugt: Selbstverständnis ist der Schlüssel zur Selbstwirksamkeit. Indem wir begreifen, warum wir denken, wie wir denken, schaffen wir nicht nur eine freundliche Beziehung zu uns selbst, sondern öffnen auch liebevoll die Türen für positive Veränderungen in unserem Leben.
Präsentiert von Julia Pouly und Katja Tressel.
Die Psychologinnen: Was ist los im Kopf?
Mini-Folge 11: Gewaltfreie Kommunikation - Bedürfnisse erkennen und Konflikte vermeiden.
Hast du manchmal das Gefühl, dass deine Worte nicht ankommen oder Konflikte eskalieren, obwohl du das gar nicht möchtest?
Die Gewaltfreie Kommunikation (kurz: GFK) nach Marshall B. Rosenberg bietet einen Weg aus dieser Sackgasse. Sie hilft uns, unsere eigenen Bedürfnisse und die unseres Gegenübers klarer zu erkennen und einfühlsam miteinander zu kommunizieren.
Im der heutigen Adventskalender Episode erfährst du, wie du die GFK in deinem Alltag anwenden kannst um Missverständnisse zu vermeiden, Konflikte konstruktiv zu lösen und Beziehungen zu stärken. Hör rein und lass dich inspirieren.
Hosts: Julia Pouly und Katja Tressel
Musik von ComaStudio
Coverphoto von Julia Pouly @lens_ofthemind
Minifolge: Gewaltfreie Kommunikation
Julia Pouly: Willkommen beim Adventskalender von Was ist los im Kopf.
Katja Tressel: Wir sind die Psychologinnen, und in der heutigen Mini-Folge geht es um das Thema gewaltfreie Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg und darum, wie sie uns helfen kann, Konflikte zu vermeiden.
Katja Tressel: Gewaltfreie Kommunikation ist so ein Begriff. Ich finde, der klingt immer ein bisschen technisch. Aber im Grunde ist es auch keine Kommunikationstechnik, sondern es ist tatsächlich eine Haltung und eine Lebenseinstellung.
Katja Tressel: Es geht nämlich im Kern darum, dass wir mitfühlend mit uns selbst und mit anderen in Kontakt treten und dass wir unsere eigenen Bedürfnisse erkennen und auch die Bedürfnisse anderer Menschen erkennen, respektieren und akzeptieren.
Julia Pouly: Gerade zur Weihnachtszeit haben wir ja oft viele Zusammenkünfte mit Familie und Freunden. Ich habe auch immer so ein sehr intensives Bild mit der gewaltfreien Kommunikation. Das Gegenteil davon ist dann wie "blutige Weihnachten".
Katja Tressel: Ja.
Julia Pouly: Das gilt es zu vermeiden.
Katja Tressel: Genau, das weckt sofort die Horrorassoziationen. Und es ist ja tatsächlich so, gerade wenn wir mit Menschen zusammenkommen, mit denen wir im Alltag vielleicht gar nicht so oft zusammen sind, weil die Familie vielleicht weit auseinander wohnt. Dann haben wir ja auch nicht so unsere Alltagsroutinen und kennen die Bedürfnisse vielleicht nicht so gut. Da muss man sich manchmal neu entdecken.
Katja Tressel: Wenn man zusammenkommt, und ja, was steckt denn eigentlich hinter dieser Annahme, dass Bedürfnisse der Schlüssel dazu sind, Konflikte zu vermeiden?
Katja Tressel: Da können wir noch mal auf das Thema Emotionen kommen. Wenn unsere Bedürfnisse nicht erfüllt sind, dann haben wir in der Regel Emotionen, die häufig als negativ konnotiert sind. Also, wir sind wütend, frustriert oder haben Angst.
Katja Tressel: Und Rosenberg sagt, hinter jedem Verhalten eines Menschen steckt im Grunde der Versuch, ein Bedürfnis zu erfüllen. Manchmal haben wir halt einfach Wege, unsere Bedürfnisse zu erfüllen, die nicht gerade nützlich sind oder sinnvoll in der aktuellen Situation.
Katja Tressel: Wenn wir jetzt aber gar nicht wissen, warum wir gerade so handeln, wie wir handeln, und auch nicht wissen, was wir denn eigentlich damit erreichen wollen, also welches Bedürfnis dahinter steckt, dann kann es leicht zu Missverständnissen und Konflikten kommen.
Julia Pouly: Das ist ja auch ein Ansatz, der einen dazu ermuntert, einen Schritt zurückzutreten. Wenn jetzt jemand sich seltsam verhält oder sich so verhält, wie wir es nicht für richtig halten oder was uns selbst irgendwie stört, dann fragt man sich: Was steckt denn dahinter? Und nicht gleich bösartige Unterstellungen machen.
Katja Tressel: Ja genau, also dem nicht ein bösartiges Verhalten unterstellen oder was gegen einen selbst geht.
Julia Pouly: Das macht es aus.
Katja Tressel: Und dazu ist aber erst mal wichtig, dass ich mit mir selbst gut in Kontakt bin, und auch da hilft uns wieder Achtsamkeit. Sie kommt in fast jeder Folge bei uns vor, weil es eben wichtig ist, erst mal zu spüren: Was ist denn jetzt gerade in der Situation? Wie geht es mir gerade? Wie fühle ich mich überhaupt? Und was brauche ich jetzt gerade? Was würde mir gerade guttun? Was will ich eigentlich erreichen?
Katja Tressel: Wenn man jetzt unsicher ist, was eigentlich Bedürfnisse sind, kann man auch mal im Internet nach einer Bedürfnisliste gucken. Auch in den Büchern zur gewaltfreien Kommunikation gibt es da Hilfestellungen. Und eben auch Listen mit Gefühlswörtern, weil wir oft nur wenige Begriffe haben, um unsere Gefühle zu benennen.
Katja Tressel: Und dann ist es eben ganz wichtig, das Bedürfnis klar zu kommunizieren und deutlich auch zu benennen, und zwar ohne das Verhalten des Gegenübers zu bewerten oder den anderen sogar zu beschuldigen, dass du dich gerade blöd fühlst. Manchmal ärgern wir uns ja über irgendein Verhalten einer anderen Person und dann heißt es: "Du bist schuld, dass ich mich so schlecht fühle." Darum geht es aber eben nicht.
Julia Pouly: Diese Verallgemeinerung, dass dann schnell eine Zuschreibung auf die Persönlichkeit erfolgt, ist problematisch.
Katja Tressel: Richtig.
Julia Pouly: Ja.
Katja Tressel: Oft geht es ja aber um ein Verhalten in einer Situation. Wichtig ist wirklich, sich die Situation dann nochmal genau anzugucken, vielleicht auch aus einer Art Beobachterperspektive und nochmal genau hinzuschauen: Was ist gerade wirklich passiert?
Katja Tressel: Und zwar, was von uns beiden wahrnehmbar ist. Also, nicht, was ich mir im Kopf dazu gedacht habe, wie ich die Situation schon bewertet habe, sondern was ist tatsächlich passiert? Zum Beispiel: Wir sitzen zusammen und essen Abendbrot, und dann steht meine Partnerin oder mein Partner auf, geht aus der Küche ins Wohnzimmer und setzt sich vor den Fernseher. Dann kann ich natürlich gleich einen Vorwurf machen: "Du bist so faul, du hilfst mir nie. Du interessierst dich überhaupt nicht für mich." Oder ich kann sagen: "Okay, ich habe gesehen, du bist gerade aufgestanden und weggegangen, und ich wünsche mir, dass du mit mir zusammen den Tisch abräumst, weil ich mir wünsche, dass wir uns die Hausarbeit aufteilen." Das wäre dann eine Kommunikation dessen, was mir gerade wichtig ist.
Julia Pouly: Ohne Angriff.
Katja Tressel: Ohne Angriff, genau.
Katja Tressel: Das ist etwas, was man tatsächlich ein bisschen einüben muss. Manchmal klingt es am Anfang ein bisschen gestelzt oder künstlich, aber man findet da mit der Zeit seine eigene Sprache. Und das Wichtigste ist wirklich: Erst mal runterkommen, sich selbst beobachten, die Situation nochmal angucken und dann eine gute Formulierung finden. Vielleicht braucht es da auch erst mal eine Pause, man muss kurz drüber nachdenken, vielleicht mal um den Block laufen, wenn der Konflikt schon da ist, und dann vielleicht wieder ins Gespräch einsteigen.
Julia Pouly: Was natürlich auch eine andere Atmosphäre schafft. Wenn ich jemanden angreife und vielleicht auch direkt persönlich angreife, mit so etwas wie: "Du bist so selbstsüchtig" oder so, dann ergibt sich daraus ja selten ein konstruktives Gespräch.
Katja Tressel: Ja, richtig.
Julia Pouly: Man selbst kennt das ja auch: Wenn man angegriffen wird, ist man schnell in einem "Fight or Flight"-Modus oder steigt dann aus.
Katja Tressel: Ja.
Julia Pouly: Es ist ja selten, dass man dann denkt: "Das ist ein valider Punkt, lass uns dabei näher drauf eingehen."
Katja Tressel: Ja.
Katja Tressel: Jetzt ist der Timer abgelaufen. Kurze musikalische Einlage.
Katja Tressel: Die andere Seite der Medaille möchte ich trotzdem noch nennen. Es geht auch darum, hinter einem emotionalen Ausbruch, Wutausbruch oder einer Aggression der anderen Person erst mal deren Bedürfnis zu entdecken. Also, wenn sie das selbst nicht kann, wenn ihr das vielleicht nicht bewusst ist, dann zu fragen: "Was ist denn gerade wirklich los? Was bräuchtest du denn gerade wirklich?"
Katja Tressel: Das kann manchmal Geduld erfordern, aber es kann die Situation total entschärfen und das Gespräch auf eine ganz andere Ebene heben, wo man dann wieder zusammenkommen kann.
Julia Pouly: Deswegen gibt es ja viele Kurse, auch speziell für Eltern, die gewaltfreie Kommunikation lernen wollen. Weil es die Tür öffnet zu sagen: "Oh, wenn mein Kind mich anschreit, du bist total blöd", dann sieht man dahinter das Bedürfnis.
Julia Pouly: Das heißt nicht, dass man dann akzeptiert, dass mein Kind mit mir spricht, wie es möchte. Aber man kann dann interpretieren: "Wow, du redest anders als sonst. Was ist mit dir los?"
Julia Pouly: Man schafft es dann, sich nicht in den Strudel reinziehen zu lassen, weil man gelernt hat, das aus einer Meta-Ebene zu sehen.
Katja Tressel: Richtig. Und gleichzeitig kann man dann ja auch seine eigenen Grenzen wieder formulieren und sagen, dass man versteht, dass da gerade etwas schräg oder blöd ist, aber dass man gleichzeitig nicht beleidigt werden möchte.
Katja Tressel: Es muss einen anderen Weg der Kommunikation geben. So kann man miteinander und voneinander lernen.
Julia Pouly: Es ist auch ein guter Aspekt, um Konflikte zu kitten. Wenn man es im Moment nicht geschafft hat, sein Bedürfnis neutral und wertschätzend rüberzubringen, sondern erst mal eingestiegen ist und etwas Gemeines zurückgesagt hat, kann man später reflektieren und sagen: "Hey, das war jetzt echt schiefgelaufen."
Julia Pouly: Das war mein Bedürfnis, so habe ich es verletzt gesehen. Wie sieht es bei dir aus? Wenn sich alles abgekühlt hat, kann man anhand dieser Leitfragen gut wieder das Gespräch führen und den Konflikt lösen.
Katja Tressel: Richtig. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Ich mache damit wirklich gute Erfahrungen in meinen Beziehungen und im Alltag.
Katja Tressel: Wenn ich mich daran erinnere oder ganz bewusst mit gewaltfreier Kommunikation in ein Gespräch einsteige oder während des Gesprächs umschalte.
Katja Tressel: In diesem Sinne würde ich die Mini-Folge heute beschließen und wünsche euch eine friedliche Weihnachtszeit.
Julia Pouly: Eine gewaltfreie Weihnachtszeit.
Katja Tressel: Das auch.
Julia Pouly: Bis morgen.
Katja Tressel: Bis morgen.