Die Psychologinnen: Was ist los im Kopf?

Mini-Folge 23: Reframing: Die Kunst die Perspektive zu wechseln und Dinge anders zu interpretieren.

Julia Pouly und Katja Tressel Season 2 Episode 23

In dieser Folge des Adventskalenders sprechen Die Psychologinnen Julia und Katja über Reframing – das bewusste Umdeuten von Situationen und Eigenschaften, um neue Perspektiven zu gewinnen. 

Diese Technik hilft, kreativer und milder mit Herausforderungen umzugehen und die eigene Lebensqualität zu verbessern. Reframing kann spielerisch sein und ermutigt dazu, Stärken hinter vermeintlichen Schwächen zu entdecken.

Hosts: Julia Pouly und Katja Tressel

Julia Pouly nutzt dieses Konzept nicht nur im Coaching, sondern auch als Fotografin. Alle Titelbilder des Podcasts sind von ihr. Schaut gerne auf ihrem Instagram-Profil vorbei: @lens_ofthemind oder ihrer Webseite juliapouly.com vorbei, kauft einen Print oder bucht eines von sechs Fotoshootings, die sie im Jahr in Hamburg anbietet.

Musik von ComaStudio

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Minifolge: Reframing


Katja Tressel: Willkommen beim Adventskalender-Podcast von Was ist los im Kopf.

Julia Pouly: Wir sind die Psychologinnen und in der heutigen Mini-Folge geht es um Refraiming. Also, wie man einer Angelegenheit einen neuen Rahmen geben kann, wie man sie umdeuten kann.

Julia Pouly: Das ist eine Technik, die ich super gerne anwende und gerade, glaube ich, kreative Menschen richtig Freude daran haben.

Julia Pouly: Grundsätzlich muss man sich erst mal daran erinnern oder sich bewusst machen, dass alle Situationen, alle Verhaltensweisen von anderen und uns selbst, alle Eigenschaften, dass wir die nicht objektiv einfach wahrnehmen wie eine Überwachungskamera, sondern wir sehen sie immer in einem Kontext und interpretieren sie, machen Dazuschreibungen.

Julia Pouly: Also auch: Ist das Glas jetzt halb voll oder halb leer? Wie schauen wir durch welchen Rahmen? Durch welche Linse betrachten wir das Ganze?

Julia Pouly: Und damit ist halt auch klar, dass, obwohl eine Situation inhaltlich für zwei Menschen identisch sein kann, sie für beide völlig unterschiedlich wirken kann, unterschiedliche Konsequenzen hat und unterschiedliche Gefühle aufruft. Da haben wir ja auch in einigen Folgen schon darüber gesprochen.

Julia Pouly: Ich möchte euch ermutigen, mal zu hinterfragen, wie ihr verschiedene Sachen so wahrnehmt.

Katja Tressel: Mhm.

Julia Pouly: Und das gilt besonders, wenn man eine Situation wahrgenommen hat oder eine große Enttäuschung erlebt hat. Zum Beispiel, wenn man einen Job nicht bekommen hat. Man hat wochenlang darauf hingearbeitet, Bewerbung geschrieben, sich Zeit abgeknapst. Und dann bekommt man den Job nicht.

Julia Pouly: Man könnte jetzt auch sagen: "Eigentlich bin ich total erleichtert, weil das hätte jetzt große Änderungen mit sich gezogen. Ich hätte vielleicht umziehen müssen." Also, man könnte es auch so sehen und etwas Positives daraus ziehen – das ist wie das "silver lining", etwas Positives, das man rausnimmt.

Katja Tressel: Mhm.

Julia Pouly: Es geht nicht darum, falsche Positivität zu erzeugen, also sich alles schönzureden, aber für die Lebensqualität macht es irgendwie Sinn, sich immer zu fragen: "Kann ich vielleicht noch etwas aus dieser Situation rausnehmen?"

Katja Tressel: Ja, und das erweitert ja auch den eigenen Fokus. Wenn wir auf ein Ziel hinarbeiten, dann wird unser Fokus ja eng, und wir blenden viele Informationen aus, die wir für nicht relevant halten. Wenn wir das Ziel dann vielleicht nicht erreicht haben, macht es schon Sinn, den Blick zu erweitern und noch zu gucken, was es für andere Aspekte gibt, die wir bisher nicht beachtet haben.

Julia Pouly: Gerade jetzt, in der Adventszeit und Weihnachtszeit, haben wir ja viel mit anderen Menschen zu tun – auch mit Menschen, mit denen wir vielleicht verwandt sind, mit denen wir aber sonst nicht so viel zu tun haben. Da haben wir auch bei Zuschreibungen und der Interpretation von Verhalten einen großen Interpretationsspielraum.

Katja Tressel: Oh ja.

Julia Pouly: Ein persönliches Beispiel: Ich habe ein Kind, und manchmal kann ich mich im inneren Dialog fragen: "Warum wird das Nein nicht einfach akzeptiert? Warum wird weiter verhandelt? Es ist so anstrengend."

Katja Tressel: Mhm.

Julia Pouly: Aber dann kann ich mich daran erinnern und dem Ganzen einen neuen Rahmen geben. Ich möchte eigentlich kein super braves Kind, sondern ein starkes Kind, das weiß, was es will, das nicht sofort aufgibt und Durchhaltevermögen zeigt.

Julia Pouly: Ich kann mir bewusst machen, dass hinter diesen "Schwächen", die ich manchmal bei anderen oder mir selbst sehe, auch eine Stärke steckt.

Katja Tressel: Ja.

Katja Tressel: Jedes Verhalten hat in bestimmten Situationen seine Berechtigung und ist nützlich, in anderen nicht.

Julia Pouly: Genau. Und gerade im großen Kontext – ich motiviere auch gerne dazu, mit sich selbst nett umzugehen. Das hilft auch, das zu üben, insbesondere bei anderen. Wenn ich zum Beispiel sehe: "Oh, dieser Mensch ist so faul", kann ich mich fragen: "Aber bewundere ich nicht auch, dass diese Person so klar auf ihre Bedürfnisse achtet und sich nicht so schnell unter Druck setzen lässt?"

Julia Pouly: Nicht das Gefühl hat, man muss sich beeilen, dass man jetzt etwas tun sollte, dass man aber auch das Recht hat, das zu tun. Das ist eine Eigenschaft, die ich bewundere und von der ich mir vielleicht auch etwas abschauen kann.

Katja Tressel: Und vielleicht kann ich mich auch fragen: "Wünsche ich mir nicht mehr freie Zeit oder mehr Entspannung in meinem Leben, weil ich eigentlich über meiner Kapazitätsgrenze bin?"

Julia Pouly: Genau, und so haben wir dann einen milderen Blick. Wir können das richtig üben und trainieren.

Julia Pouly: Und da sprechen wir immer wieder vom "Negativitäts-Bias", dass wir uns oft dazu neigen, die Worst-Case-Szenarien zu sehen oder Dinge negativ auszulegen – sei es das Verhalten von jemandem oder die Situation selbst.

Julia Pouly: Und dann geht es darum, die Perspektive zu erweitern, zu sehen, dass noch mehr dazugehört und dass es auch positive Aspekte gibt.

Katja Tressel: Und weil du vorhin sagtest, das macht kreativen Menschen Spaß: Ich glaube, man kann dabei richtig kreativ werden, wenn man sich fragt: "Ist das meine Wahrheit oder ist es nicht?" Und wie könnte ich es noch sehen? Dann denkt man sich vielleicht nicht nur eine Alternative aus, sondern zwei oder drei.

Katja Tressel: Egal, ob diese auch richtig absurd sind. Das kann richtig Spaß machen.

Julia Pouly: Genau. Man kann das ruhig auch spielerisch sehen. Gerade wenn man merkt, man gerät in eine Opferhaltung und denkt, alle anderen sind gemein, man hätte es besser verdient. Dann kann man sich fragen: "Wie könnte ich die Situation noch sehen?"

Julia Pouly: Oder wenn man sehr hart mit sich selbst ist, fragt man sich: "Worauf kann ich vielleicht auch ein bisschen stolz sein?"

Katja Tressel: Ja.

Julia Pouly: Es braucht Übung, aber es lohnt sich. Und wie gesagt, die Welt wird dadurch irgendwie schöner und Menschen sympathischer.

Julia Pouly: Wenn man davon ausgeht, dass man nicht von grünzeligen, egoistischen, furchtbaren Menschen umgeben ist, sondern einfach von einer Bandbreite menschlicher Facetten, in denen jede Schwäche auch eine Stärke ist. Jede Stärke kann auch übertrieben eine Schwäche sein, je nachdem, in welchem Kontext sie steht.

Katja Tressel: Mhm.

Katja Tressel: Richtig.

Julia Pouly: In diesem Sinne, seid nett zu anderen und zu euch.

Katja Tressel: Ja.

Julia Pouly: Und wir hören uns morgen wieder.

Katja Tressel: Bis morgen.




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