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C3-Zukunftsdialoge: Was gibt uns Hoffnung im Kampf gegen die Klimakrise?

Season 2 Episode 14

05.05.2025
C3-Radio
C3-Zukunftsdialoge: Was gibt uns Hoffnung im Kampf gegen die Klimakrise?

 
Was gibt uns Hoffnung im Kampf gegen die Klimakrise? Diese Frage stand im Mittelpunkt des ersten C3-Zukunftsdialogs – einer neuen Veranstaltungsreihe der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE). Die Dialoge bringen Expert*innen aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammen, um zentrale Zukunftsfragen offen, kritisch und lösungsorientiert zu diskutieren.

In dieser Folge vom C3-Radio nehmen wir euch mit in die Diskussion: Gemeinsam mit Host Rudi Anschober sprechen wir über gesellschaftliche Ohnmacht, politische Fort- und Rückschritte – aber auch über Handlungsspielräume und die Kraft des Dialogs. Dazwischen hören wir viele Ausschnitte aus der Veranstaltung mit Leonore Gewessler und Philipp Blom.

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Host: Klemens Lobnig
Stimmen: Rudi Anschober (Autor und ehem. österreichischer Gesundheitsminister), Leonore Gewessler (ehem. Österreichische Klimaschutzministerin) & Philipp Blom (Historiker und Autor)

Musik by Alisia from pixabay 

C3-Radio Website // C3-Radio Facebook

Klemens Lobnig: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge vom C3-Radio, der monatlichen Radiosendung aus dem C3 zu Themen der Internationalen Entwicklung. Schön, dass Sie wieder mit dabei sind! 

Heute sprechen wir über die Zukunft. Genauer gesagt: Wir sprechen über die C3 Zukunftsdialoge!

Die C3-Zukunftsdialoge sind eine neue Veranstaltungsreihe der ÖFSE, deren erste Ausgabe kürzlich im C3 – Centrum für Internationale Entwicklung über die Bühne gegangen ist. In drei öffentlichen Gesprächen bringt die Reihe Expertinnen und Experten aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammen, um gemeinsam mit dem Publikum zentrale Zukunftsfragen zu diskutieren. Im Fokus der Dialoge steht 2025 ein Thema, das gerade von den Politikerinnen und Politikern von der Prioritätenliste gestrichen wird. Die Klimakrise! Die C3-Zukunftsdialoge sollen einerseits als Orte des Austauschs und der Debatte dienen, andererseits neue Perspektiven öffnen.

Moderiert werden die Gespräche von Rudi Anschober, ehemaliger grüner Gesundheitsminister und heute Buchautor. Ihn und seinen Hund – aufmerksame Hörerinnen und Hörer werden ihn im ersten Teil des Interviews hören - habe ich kürzlich zuhause besucht, um ein Gespräch über die aktuell in der Gesellschaft spürbare Hoffnungslosigkeit zu führen, wenn es um die Bekämpfung des Klimawandels geht. Zum Beginn des Gesprächs habe ich ihn gefragt, wieso wir wieder mehr über den Klimawandel sprechen sollten und um eine Einschätzung zur aktuellen Stimmung in der Gesellschaft gebeten. Hören wir rein! 

Rudi Anschober: „Na ja, sie hat sich sehr stark verändert. Es gibt ja Umfragen da. Werden die Menschen gefragt? Was sind die wichtigsten Themen, die die Politik lösen sollte und vor 678 Jahren war der Klimaschutz ganz oben mit Abstand die Nummer 1. Viel zu tun mit den damaligen Demonstrationen, dem „Mindsetting“ insgesamt der Themen. Und jetzt ist es in diesem Ranking, ist der Klimaschutz Thema 8, 9, 10. Das heißt, er ist ziemlich vom Zentrum, auch der politischen Debatte verschwunden auch die Parteien haben so reagiert. Also viele Parteien haben so reagiert, dass das für sie kein wichtiges Thema mehr ist. Auch im Journalismus merkt man sehr deutlich, bei Interviews, zum Beispiel in Wahlkampfzeiten, Sommergesprächen des ORF. Es gibt viele wichtige Themen und meistens kommt das Klima darunter nicht mehr vor, also eine ziemlich brutale Fehlentwicklung aus meiner Sicht, weil ja gleichzeitig die Klimakrise sich verschärft hat, die Prognosen eigentlich übererfüllt wurden und in vielen Ländern sehr, sehr spürbar ist, was das bedeutet, wenn dieser Planet sich aufheizt und was es bedeutet, wenn extreme Witterungssituationen immer häufiger und immer stärker werden.“
 
 Klemens Lobnig: Und wie schätzen Sie das ein? Warum gibt es diesen Backlash, warum ist die Klimapolitik nicht mehr so wichtig in der Debatte?

Rudi Anschober: Einerseits sind wir natürlich in einer multiplen Krise. Das heißt, es gibt eine ganze Serie von Krisen, nicht nur die Klimakrise, die ich aber trotzdem langfristig mittelfristig für die dramatischste in Wirklichkeit erachte, nicht für den Planeten, sondern für uns Menschen, die gerne auf diesem Planeten leben. Das Zweite, was zumindest so wichtig ist aus meiner Sicht, ist, dass ich den Eindruck habe, dass ganz, ganz viele Menschen verdrängen, sich ohnmächtig fühlen, den Eindruck haben, das schaffen wir eh nicht mehr. Also mir erinnert das immer an diese berühmte österreichische Operette, „Die Fledermaus“, mit diesem Satz: „Glücklich ist, wer vergisst, was nicht mehr zu ändern ist!“ Das ist offensichtlich derzeit unsere Bundeshymne. Aber nicht nur in Österreich, sondern weltweit in Wirklichkeit. Und wenn man ohnmächtig sich fühlt, wenn man verdrängt, dann handelt man nicht mehr. Das heißt, es geht jetzt ganz, ganz stark darum, diese Hoffnung wiederherzustellen und sichtbar zu machen, dass es in Wirklichkeit eine dramatische Situation ist, aber überhaupt kein Grund da ist für Resignation, sondern sagt auch IPCC, wenn wir jetzt handeln, wenn wir jetzt die Emissionen drastisch verringern. Dann würde sich in rund 2 Jahrzehnten die Temperaturkurve wieder abflachen.

Klemens Lobnig: Wenn Sie jetzt persönlich auf die letzten Monate zurückschauen, was war denn in den letzten Monat für Sie besonders ernüchternd im in dieser Debatte und was im Gegensatz hat ihnen dafür Hoffnung gemacht?

Rudi Anschober: Besonders ernüchternd waren für mich 2 Dinge. Einerseits der Umgang von großen Teilen der Politik mit den jungen Leuten, die die letzte Generation sich bezeichnet haben. Und die es richtig definiert haben, dass unsere Generation die letzte ist, die die Notbremse ziehen kann. Darauf haben sie hingewiesen und sie haben eine Aggressivität in diesem Land geerntet, die jetzt sogar zu einer Landesverweisung von einer Aktivistin geführt hat. Und das ist schon eine Art und Weise der der Zuspitzung, wo auch der Rechtsstaat selbst sich fragen muss, ob das noch fair ist. Die andere Ebene, das klingt jetzt vielleicht ein bisschen selbstbezogen, aber es ist halt meine Erfahrung, so eine Welt, von der ich erzählen kann. Ich habe jetzt 93 Lesungen aus meinem Buch gemacht und merke, dass die Sehnsucht danach, wieder Perspektive zu kriegen, eine Hoffnung zu kriegen, daran glauben zu können, dass das Ding noch korrigierbar ist und dass wir das noch hinbringen mit der Klimawende riesengroß ist. Und da sitzen Bürgermeister, da sitzen Gemeinderäte, da sitzen Wirtschaftstreibende, Gewerkschaftsfunktionäre, ganz viele junge Leute, was mich irrsinnig freut. Und ich habe so den Eindruck, es gibt 2 mögliche Kipppunkte. Der eine Kipppunkt ist eben die gesellschaftliche, wirklich große und umfassende Resignation und der andere Kipppunkt ist, wir haben, glaube ich, gar nicht mehr soweit wieder hinzu einer großen Allianz zu einer parteiübergreifenden Allianz, die so eine wirklich große, Breite und starke Klimaschutzbewegung in Europa darstellt.

Klemens Lobnig: Und Hoffnung ist genau das richtige Stichwort. Denn um die Frage, was uns im Kampf gegen die Klimakrise Hoffnung macht, ging es im ersten der drei Zukunftsdialoge, der am 7. April im Foyer der C3 Bibliothek für Entwicklungspolitik stattgefunden hat. Die ÖFSE und Rudi Anschober als Host haben dazu die ehemalige Klimaschutzministerin der Grünen, Leonore Gewessler und den Historiker und Autor Philipp Blom zum Dialog ins gut besuchte C3 geladen. Und die Diskussion war alles andere als hoffnungslos. Am Anfang des Gesprächs ging es darum, welche Erfolge wir in der Klimapolitik sehen, die uns Hoffnung machen können, aber auch um die Frage, was wir aus großen Krisen in der Vergangenheit lernen können. Wir hören nun einen Ausschnitt aus dem ersten Zukunftsdialog:

Leonore Gewessler: Und das, was dann in so einer Situation Mut gibt oder Hoffnung gibt oder zum Weitermachen antreibt ist, dass wir sehen, das kann gelingen. Und zwar auf ganz unterschiedlichen Ebenen. Das kann gelingen auf der europäischen Ebene und es ist gelungen auf der europäischen Ebene. Ich nehme jetzt ein ganz prominentes Beispiel, weil da haben wir viel diskutiert und gekämpft drüber. Das ist das Aus des Verbrennungsmotors mit 2035 in Europa. Wenn du mich 2019 gefragt hättest glaube ich, dass wir das realistischerweise herkriegen. Ich weiß nicht, ob ich mich ja sagen getraut hätte. Weil völlig klar, enorm umkämpft, große Interessen. Wie soll Deutschland dem jemals zustimmen? Und ein paar Jahre später war es Realität. Weil Menschen auf der europäischen Ebene, Politikerinnen und Politiker, Organisationen aus den unterschiedlichsten Bereichen und ja, auch ambitionierte Unternehmen gesagt haben, das brauchen wir aber. Das ist die Zukunft, diese Planungssicherheit brauchen wir. Es war beschlossen. Auf österreichischer Ebene. Ich nehme jetzt ein ganz anderes Beispiel aus einem ganz anderen Bereich. Die Pfandthematik. Einwegpfand, das jetzt gestartet hat mit dem 1. Jänner. Heiß umkämpft, wild umfehdet, große Ablehnung. Und wenn man Allianzen baut, wenn man strategisch daran arbeitet, wenn man sozusagen hartnäckig bleibt, dann kann das gelingen. Und das kann auch Erfolge zeigen. Und das ist das, was dann immer wieder motiviert. Auch Österreich kann Klimaschutz. Ja, auch in Österreich kriegen wir die Emissionen runter.

Rudi Anschober: Danke. Das als Einstieg, und vielleicht spielen wir die Frage gleich rüber zum Historiker. Wie war das in unserer Geschichte? Es hat ja viele positive Veränderungen auch gegeben. Ganze Bücher wurden geschrieben darüber, dass die Welt besser wurde in vielen Bereichen. Nicht gut genug in vielen Bereichen, nicht schnell genug in vielen Bereichen, aber es hat ganz, ganz viele soziale Veränderungen zum Besseren gegeben. Können wir heute etwas davon lernen? Wie das auch schon die These war.  

Philipp Blom: Guten Abend, und wie schön, dass wir alle hier sind. Aus der Geschichte zu lernen, ist immer schwierig. Weil, was ähnlich aussieht ist vielleicht gar nicht so ähnlich, wenn man genauer hinschaut. Aber ich glaube, man kann schon gewisse Gesetzmäßigkeiten sehen. Und etwas, was man, glaube ich überall sehen kann in der Geschichte, ist, wenn Gesellschaften wirklich damit konfrontiert sind, dass ihr altes Bild nicht mehr funktionieren kann dann kann das eine Katastrophe sein, es kann aber auch eine Chance sein. Also man sieht das in der neueren Geschichte, zum Beispiel der Zweite Weltkrieg und was passiert ist mit Deutschland und mit Japan. Zwei Gesellschaften die sich neu erfunden haben. Die das gesamte Fundament ihres eigenen, ihrer Identität über den Haufen geworfen haben und neu angefangen haben. Und das zu einer erfolgreichen Transformation gemacht haben. Auf der anderen Seite Russland nach 1989, kein großer Erfolg. Da hat diese Transformation so nicht stattgefunden.  

Aber ich glaube, was schon eine Schlussfolgerung ist, die man aus der Geschichte lernen kann, wer glaubt er hat schon alle Antworten und nicht bereit ist zur Veränderung geht in die Katastrophe. Nur wer bereit ist, wirklich die totale Veränderung zu riskieren, auch über das hinaus, was man kontrollieren kann, hat überhaupt eine Chance, in so einem Transformationsprozess zu bestehen.  

Klemens Lobnig: Wenn wir also über Hoffnung sprechen, dann geht es nicht nur um Emotion, sondern auch um sichtbare Erfolge – und um das Wissen, dass Wandel möglich ist. Aber Hoffnung allein reicht nicht. Gerade jetzt zeigt sich, wie sehr Klimaschutz auch von globalen Entwicklungen überlagert wird. Geopolitische Spannungen, wirtschaftlicher Druck, politische Rückschritte – all das macht den Weg schwieriger. Doch genau hier liegt auch eine Chance. Auch das war ein Thema im Dialog.

Leonore Gewessler: Aber wenn wir gerade sehen, wie arg Europa unter Druck ist und wir leben in enorm schwierigen und herausfordernden Zeiten. Nicht nur, weil jeder und jede von uns, wenn wir in der Früh das Morgenjournal hören oder die Zeitung aufschlagen, uns überlegen, was ist jetzt der nächste – sorry - Irrsinn aus Trumps Mund, der uns heute den Tag startet. Sondern auch, wir haben auf der anderen Seite Krieg in Europa. Also es sind Wirtschaft im Abwärtstrend, die Rechtsextremen im Aufwärtstrend. Also es sind extrem herausfordernde Zeiten für alle von uns. Aber wirtschaftlich heißt es, wenn Europa in diesem großen Wettbewerbsrennen der Handelsblöcke bestehen will, dann werden wir das nicht schaffen und auch nicht schaffen wollen, über die billigsten Arbeitskosten und die größte Ausbeutung.  Wir werden es auch nicht, wir haben in manchen Bereichen, Stichwort Digitalisierung, echt schon Schwierigkeiten überhaupt noch Anschluss zu finden. Aber wir haben einen Bereich, da gibt es ganz viel Potenzial drin und ganz viel Hoffnung drin. Und das ist genau der Bereich Erneuerbare Energien, Transformation, also Umwelttechnologie und Klimaschutztechnologie Da haben wir noch die Chance, vorn zu sein. Wirklich vorn zu sein. Aber dieses vorn zu sein, das braucht halt auch den Mut, das jetzt weiter zu treiben und umzusetzen tatsächlich. Weil was wir sehen auf europäischer Ebene ist jetzt eher das Gegenteil. Nämlich wir haben die Transformation in der Wirtschaft vorangetrieben die letzten fünf Jahre und jetzt kommt der Rückwärtsgang. Wir haben es gerade gesehen, also nicht beim Lieferkettengesetz, wir sehen es bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Es hat dann so harmlose Namen wie „Omnibusverordnung“ oder „Stop the Clock“ oder was auch immer dahintersteht aber einfach sozusagen der beinharte Kampf aus dem in dem Fall rechten Lager, das zu verlangsamen zu verzögern und so weiter.  

Also dieser Mut und dieser Willen sich auch wirklich zu transformieren, wenn es ernst wird, ist ja eine ziemlich große Hürde. Und deswegen ist es so wichtig, dass man gerade in diesen Situationen auch viele Menschen haben, Organisationen haben, Unternehmen haben, Politikerinnen und Politiker auf den unterschiedlichsten Ebenen, die sagen, Kurs halten.

Philipp Blom: Ich finde ja den Backlash gar nicht so eine schlechte Sache, weil es zeigt, dass das endlich ernst genommen wird. Menschen kämpfen nur gegen das was sie wirklich für Gefahr halten. Und da haben jetzt gewisse Interessen begriffen: „Hey, die können ja was, die bringen ja was weiter, das müssen wir stoppen.“ Also das ist eigentlich ein gutes Zeichen. Aber ich möchte das ein bisschen einordnen und eine relativ steile These aufstellen. Europa ist mächtig geworden auf der Welt wegen seiner Kolonialreiche und nach dem Zweiten Weltkrieg waren die alle weg. Und dann hat Europa seine Macht erhalten können, indem es sich investiert hat in eine transatlantische Allianz und in eine regelbasierte internationale Ordnung. Und das hieß auch ein kleiner Landzipfel wie Europa konnte noch global mitreden. Das ist jetzt vorbei. Wir gehen jetzt in eine Welt, wo Imperien ihre Machtsphären haben, wo die globale Ordnung, regelbasierte Ordnung, nix mehr gilt.  

Herr Netanyahu kann rumreisen, wie er möchte, nach Ungarn und auch bald in die Vereinigten Obwohl es einen internationalen Haftbefehl gegen ihn gibt. Das macht nichts mehr, das kann man ernst nehmen oder auch nicht. In dieser Logik gibt es, glaube ich für Europa nur zwei mögliche Zukunften. Die eine ist, zu einer Serie von Kolonien von feindlichen imperialen Mächten zu werden. Dass sich ein europäisches Land nach dem anderen einfach sturmreif geschossen wird durch Bots, durch Propaganda, durch Fake News, durch Sabotage durch gesteuerte Unruhen. Das sehen wir ja schon. Die Wahlen in Rumänien oder die Unruhen in Nordengland letztes Jahr, das war alles durch soziale Medien gesteuert. Das heißt, entweder das oder, ich glaube, ein europäischer föderaler Staat, der als einziger tatsächlich die Macht hätte, auch Gegnern vor das Schienenbein zu treten und zu sagen, wenn ihr das macht, das mögen wir nicht. Und ein föderaler Staat, der sich dann vielleicht für die Prinzipien einsetzt, die jetzt inzwischen leider unmodern geworden sind, wie Demokratie und Menschenrechte.  

Und übrigens auch eine Föderation, die durchaus Kanada oder Neuseeland und Australien auch mitnehmen könnte. Das müsste nicht so geografisch begrenzt sein. Aber hier ist, glaube ich, auch, wenn man die Gegenwart und die Zukunft, so sagen wir, wenn man glaubt dass die Geschichte zurück ist, dass die Ferien von der Geschichte vorbei sind, dass jetzt wieder böse Dinge passieren können, auch in Europa, dann ist das, glaube ich, komischerweise auch ein wichtiges Argument für die Klima-Agenda. Denn dann wird es eine Frage der strategischen Unabhängigkeit. Was ist Europas Souveränität wert, wenn es seine ganze Energie von jemand anderem bekommt, dem es gefallen muss? Das geht nicht so weit. Nur wenn Europa seine eigene Energie produziert und auch an anderen Weisen stärker auf sich selbst sich verlassen kann, ist Europa es überhaupt möglich, dass Europa eine Souveränität hat und so auch politisch handelt. Das heißt, jedes „Windradl“ macht uns politisch weniger erpressbar.  

Klemens Lobnig: Klimapolitik ist also längst nicht mehr nur Umweltpolitik – sie ist auch Sicherheits-, Wirtschafts- und Demokratiepolitik. Und sie stellt die Frage, wie Europa künftig bestehen will. Doch so zentral wie die große Politik beim Ruf nach mehr Klimaschutz ist: Veränderung braucht auch eine engagierte Gesellschaft. Der letzte Teil des Dialogs widmete sich der Frage, wie wir als Gemeinschaft ins Tun kommen – und was die wirksamsten Hebel für echten Wandel sind.

Philipp Blom: Auf die Gefahren, dass ich mich unbeliebt mache. Es liegt nicht daran, dass wir alle nie wieder im Flugzeug besteigen und vegan werden. Dafür ist Österreich wirklich zu klein. Und da liegen auch nicht die großen Hebel der CO2-Emissionen. Also zum Beispiel, Flugzeuge haben drei Prozent Anhalt an der globalen CO2-Emission. Und wer dann als Klimaaktivisten in den Zug steigt und begeistert darüber postet wie schön die Reise war. Social Media haben auch drei Prozent Anteil am globalen CO2-Ausstoß. Also man kann dem nicht so leicht entkommen. Aber ich glaube, viel wichtiger ist zu sehen, gemeinsam zu sehen, wo liegen die großen Hebel und wie können wir genug Gewicht entwickeln, um an denen zu ziehen. Wie können wir uns verbünden? Wie können wir solche Allianzen schaffen, die auf das schauen, was tatsächlich riesige Hebel sind?  

Also das sind Bauwirtschaft und Landwirtschaft zuerst einmal, die ganz wichtig sind. Und wenn man da etwas verändern kann, und zwar meistens mit ziemlich faden Veränderungen, weil die bürokratisch sind. Da geht es um Steuerrecht oder da geht es um Eigentumsrecht. Das sind keine sexy Themen. Aber das ist wahnsinnig wirkungsvoll. Ich habe einmal zu Abend gegessen mit dem CEO einer kleinen Bank. Die heißt die Rabobank und ist in den Niederlanden.   Und der CEO von der Rabobank sagte mir ganz cool, wissen Sie, 50% auf allem, was irgendwo auf der Welt auf den Teller kommt, wurde von der Rabobank finanziert oder mitfinanziert. Wir finanzieren Nestle, wir finanzieren Kraft, wir sind die einzige fremde Bank, die der chinesischen Regierung Geld leihen darf.  

Wenn sich so jemand wie die Rabobank umentscheidet, welche Investitionsmodelle sie mit Krediten unterstützen, dann ist das eine Revolution. Das heißt, ich glaube, wenn wir da ansetzen können, wenn wir uns gemeinsam auch darüber schauen können, was nicht Aktivitäten sind, die dazu führen, dass wir uns selbst über uns selbst gut fühlen, weil wir jetzt nicht mehr Teil des Problems sind. Sondern dass wir schauen, wo liegen die ganz großen Möglichkeiten, Veränderungen zu bewirken und wie kommen wir da gemeinsam hin. Das scheint mir die bessere Strategie.  

Leonore Gewessler: Ich habe gerade versucht, herauszufinden, mit welchem Teil Sie jetzt gedacht hätten, Sie machen sich unbeliebt, Sie sprechen mir aus dem Herzen.

Philipp Blom: Das, was kann ich denn tun?  

Leonore Gewessler: Ich kriege die Frage ja ganz oft gestellt. Was mache ich als Einzelperson richtig oder nicht richtig? Und ja, natürlich. Leben wir alle ein Leben in den Strukturen wie es gibt? Wenn es am Land keine Öffis gibt, na ja, dann kann ich nicht Öffi fahren. Es ist recht simpel. Das heißt, der Auftrag ist natürlich, diese großen Systeme und Strukturen zu verändern. Und deswegen ist bei mir die Antwort immer, was ist der wichtigste Beitrag jedes Einzelnen? Jeder Einzelne ist, sich zu engagieren. Sich zu engagieren. Und das kann ganz unterschiedliche, das können komplett unterschiedliche Themen sein. Ob es im eigenen Unternehmen ist, wo es darum geht, tut man den, weiß ich nicht, den Firmenparkplatz unterstützen oder das „Jobradl“. Ob es im Verein ist, ob es in einer Partei ist, ob es in einer zivilgesellschaftlichen Organisation ist, sich engagieren. Das ist der allerwichtigste Beitrag den man leisten kann.  

Weil je mehr Menschen das tun, desto mehr werden wir auch Politikerinnen und Politiker und zwar der unterschiedlichsten Parteien dazu kriegen, tatsächlich auch gemeinsam an diesen Mehrheiten zu bauen. Weil ich freue mich total, wenn die Rabobank das macht. Ich hätte aber gern eine Finanzmarktregulierung, die sicherstellt, dass jede Bank das machen muss. Und dafür brauche ich eine Mehrheit und die können wir nur so bauen.  

Klemens Lobnig: Gesellschaftlicher Wandel beginnt oft da, wo Menschen sich zusammentun – in Gemeinden, Organisationen oder Bewegungen. Doch wie schaffen wir Räume, in denen genau dieser Austausch passieren kann? Und wie können Formate wie die C3-Zukunftsdialoge dabei unterstützen, neue Allianzen zu bilden? Darüber habe ich im zweiten Teil meines Gesprächs wieder mit Rudi Anschober gesprochen, den wir jetzt hören:

Klemens Lobnig: Okay schauen wir uns vielleicht noch mal die Zukunftsdialoge selbst ein bisschen genauer an. Warum ist es denn gerade jetzt so wichtig, ein positives Bild zu zeichnen und was können die C 3 Zukunftsdialoge dazu beitragen?

Rudi Anschober: Ich glaub die können ganz viel dazu beitragen, dass wir vor allem wieder mal miteinander reden und dass wir aus dem Hickhack herauskommen, dass der eine Politiker ruft, wir brauchen jetzt die, die die Klimawende und die Antwort ist entweder gar keine Antwort oder ein Mauern oder das ganz alte, das gefährdet unsere Wirtschaft und unsere Arbeitsplätze. Sondern zu einer sachlichen Form des Dialogs wir wiederkommen. Und das war bei der 1. Folge der Klimadialoge für mich der schönste Moment, wie ich gemerkt habe, in dieser Murmelphase nach der ersten Diskussionshälfte. Dass damit einer unglaublichen Leidenschaft, mit einer Begeisterung, mit einem Interesse miteinander diskutiert wurde, um die Publikumsfragen vorzubereiten. Und das war so spürbar, dass da ein enormer Bedarf da ist. Das heißt, wenn wir zueinander finden wollen. Und darum geht es, um nicht mehr und um nicht weniger quer durch die Gesellschaft uns zu verbünden für den Klimaschutz und auch weit über nationale Grenzen hinaus, uns zu verbünden, das ist ein globales Thema, das uns alle verbindet, im Guten wie im schlimmen, Wir können das gemeinsam lösen, und wir sind gemeinsam betroffen, und deswegen ist es so schön, wenn in einem Saal 150 Menschen die Erfahrung machen, dass sie sich gemeinsam auf den Weg machen können. Das ist eine Erfahrung, die unglaublich motivierend ist und ich glaube sehr, sehr viele Leute aus diesem Frust, aus dieser Ohnmacht wieder herausreißt. Und genau das braucht es: sachlich über diese Fragen zu diskutieren, sie abzuwägen, vielleicht auch Missverständnisse auszudiskutieren. Durchaus auch kontrovers. Und das ist gut, denn es ist sehr wichtig, dass sie das Publikum selbst eine eigenständige Meinung bildet. Aber wir haben finde ich, bei dieser ersten Diskussion schon auch gemerkt, dass die Unterschiede dann gar nicht so groß sind und dass es glaube ich drei Formen des Grundkonsenses gegeben hat. Nämlich einerseits, dass der Dialog notwendig ist, höchst notwendig, überfällig ist. Wieder miteinander zu reden. Zweitens, dass man Klimaschutz nur gemeinsam machen kann. Dass dazu auch der oder die andere der wichtigste Partner überhaupt ist, nicht zuletzt auch in der Frage der Gerechtigkeit, das ist der zweite Punkt. Und das Dritte ist mir gestern aufgefallen bei dieser ersten Runde. Das Partizipation ein ganz notwendiger Schlüssel ist. Also an eine Klimawende zu glauben, realisieren zu können, ohne die Bürgerinnen und Bürger, das wird nicht funktionieren.
 
 Klemens Lobnig: Jetzt hat kürzlich der erste Dialog stattgefunden. Wenn Sie jetzt darauf zurückschauen, nehmen Sie etwas persönlich aus dieser Diskussion mit.

Rudi Anschober: Ja, das Wichtigste für mich war dieses Gefühl, dass es, dass die Partizipation der Schlüssel ist oder einer der zentralen Schlüssel ist. Das ist mir eigentlich ab der ersten Minute aufgefallen an den Reaktionen. Wir haben da eine wunderbare Situation, nämlich 150 sehr unterschiedliche Menschen in einem Raum, die sich mit einem Thema auseinandersetzen und bereit sind, 2, 3, 4 Stunden ihres Lebens und eines Montagabends diesem Thema zu widmen, das ist was Großes, was man sehr wertschätzen muss. Und was nicht selbstverständlich ist, und die haben sehr klar und deutlich für mich eingefordert, dass sie mit dabei sein wollen, dass sie ein Teil dieser Veränderung sein wollen. Und diesen Platz muss es geben.

Klemens Lobnig: Wenn Sie jetzt Lust bekommen haben, auch einzusteigen, können Sie das bei den zwei noch anstehenden Zukunftsdialogen tun. Diese finden am 12. Mai und am 16. Juni im C3 – Centrum für Internationale Entwicklung statt und drehen sich um die Fragen, welche Rechtsinstrumente wir für effektiven Klimaschutz haben und wie wir vom Klimaschutz zum Guten Leben für Alle kommen. Informationen dazu finden Sie auf der Website der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung. Dort können Sie auch die Aufzeichnung des gesamten ersten Zukunftsdialogs finden. 

Damit sind wir auch schon wieder am Ende der Sendung angekommen. Das nächste C3-Radio gibt es am 2. Juni. Da wird es dann unter dem Stichwort „Entwicklungspolitik in der Zeitenwende“ um aktuelle Entwicklungen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit gehen. Bis zum nächsten Mal, danke fürs Einschalten und: wir hören uns!


 

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