
C3-Radio
C3-Radio, das entwicklungspolitische Radio aus dem Centrum für Internationale Entwicklung. Unser Radio-Host Klemens Lobnig beleuchtet einmal monatlich aktuelle entwicklungspolitische Themen für die Hörer_innen. Mit Interviews, Berichten, Hintergrundinformationen sowie Ausschnitten aus dem umfangreichen Veranstaltungsprogramm im C3.
Das C3-Radio ist eine Initiative der fünf Organisationen ÖFSE, BAOBAB, frauensolidarität, Paulo Freire Zentrum und Mattersburger Kreis im C3.
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Entwicklungspolitik in der Zeitenwende: Kürzungen, Krisen, neue Prioritäten
02.06.2025
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Entwicklungspolitik in der Zeitenwende: Kürzungen, Krisen, neue Prioritäten
Die internationale Entwicklungszusammenarbeit (EZA) steht derzeit unter massivem Druck. Infolge der sich wandelnden geopolitischen Weltlage werden Entwicklungsbudgets zunehmend in Richtung Verteidigung verschoben, und unter dem Stichwort „Versicherheitlichung“ rücken sicherheitspolitische Interessen stärker in den Vordergrund – auf Kosten klassischer EZA-Ziele wie der globalen Armutsbekämpfung. Gleichzeitig kürzen viele Geberländer aufgrund wirtschaftlicher Herausforderungen ihre Entwicklungsausgaben.
Auch in Österreich sorgt das kürzlich präsentierte Doppelbudget für 2025/26 für Bestürzung im entwicklungspolitischen Sektor: Es sind deutliche Einsparungen vorgesehen. In dieser Folge vom C3-Radio spreche ich mit Lukas Schlögl (ÖFSE) über die konkreten Auswirkungen der Budgetkürzungen in Österreich. Außerdem beleuchten Sonja Hövelmann (Centre for Humanitarian Action) und Jan Pospisil (Centre for Peace and Security) die Perspektiven für die globale Entwicklungspolitik. Viel Spaß beim Hören!
Die in der Sendung angesprochene Publikation: „Die Österreichische Entwicklungspolitik 2024“ können Sie hier herunterladen.
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Klemens Lobnig
Hallo, zu einer neuen Folge vom C3-Radio. Mein Name ist Klemens Lobnig und ich freue mich, dass Sie wieder mit dabei sind. Heute sprechen wir über Entwicklungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit. Felder, die im Moment aufgrund der geopolitischen und ökonomischen Weltlage mit vielen schwierigen Herausforderungen konfrontiert sind. Die Entwicklungszusammenarbeit, kurz EZA, steht aktuell unter enormem Druck. Weltweit ziehen sich Geberländer zurück, Budgetkürzungen sind an der Tagesordnung und zentrale Institutionen wie die US Entwicklungshilfeagentur USAID werden zerschlagen. Auch hier in Österreich ist die Situation alarmierend. Die öffentlichen Mittel für Entwicklungszusammenarbeit schrumpfen drastisch, Gelder werden zugunsten von Verteidigung und anderen Prioritäten umgeschichtet. Laut kürzlich veröffentlichtem Doppelbudget für die Jahre 2025 und 2026 ist die EZA in Österreich mit massiven Einsparungen konfrontiert. Zum Einstieg habe ich mit Lukas Schlögl, der an der österreichischen Forschungsstiftung für internationale Entwicklung - kurz ÖFSE - unter anderem zu Entwicklungsfinanzierung forscht über die aktuelle EZA Situation in Österreich gesprochen, die durchaus besorgniserregend ist. Aktuell steht die österreichische Entwicklungszusammenarbeit stark unter Druck. Wie würdest du die Lage in wenigen Sätzen beschreiben?
Lukas Schlögl
Ja, es ist budgetär Feuer am Dach, würde ich sagen. Wir haben jetzt vergangenen Dienstag die neuen Budgetzahlen gesehen, die sind jetzt insbesondere im Außenministerium durchaus besorgniserregend. Da sehen wir insbesondere 2026 ziemlich heftige Kürzungen fuf den Sektor zukommen. Es wird der Auslandskatastrophenfonds, den die Vorgängerregierung aufgestockt hat, schon dieses Jahr und dann noch einmal nächstes Jahr zurückgefahren. Von einem Niveau von 80 Millionen auf 35 Millionen im Jahr 2026 und es wird auch bei der Austrian Development Agency, der ADA, gekürzt. Konkret zuerst um 5 und dann um 20 Millionen. Das sind ziemlich drastische Einschnitte. Also wenn wir in die Geschichte des ADA- und AKF-Budgets der letzten Jahre zurückschauen, dann sind das nach meinen Berechnungen die heftigsten Einschnitte der letzten 20 Jahre. Und der Bundesfinanzrahmen für 2027 und 28 deutet darauf hin, dass das Budget für Äußeres weiter noch einmal zurückgehen wird. Das wären dann tatsächlich Kürzungen, wenn die noch einmal in dieser Form der Lastenteilung zu Ungunsten des EZA-Budgets gehen, die an die institutionelle und organisatorische Substanz der bilateralen EZA gehen. Was die Multilaterale betrifft: Da wissen wir momentan noch nicht wahnsinnig viel dazu. Die Budgetbeilage EZA ist ja momentan noch nicht erschienen. Ich vermute, dass das auch im Vergleich zu den Vorjahren etwas zurückgehen wird, weil es da große Dotierungen im Rahmen der Wiederbefüllung von Töpfen internationaler Finanzinstitutionen höhere Flüsse gegeben hat. Ich glaube aber nicht, dass bei der Multilateralen im Moment so stark gespart wird, weil da auch der Druck da ist, den Ausfall der Amerikaner zu kompensieren.
Klemens Lobnig
Und wieso wird gerade bei der bilateralen EZA und der humanitären Hilfe gespart? Also gibt es da eine offizielle Begründung, oder was steckt da dahinter?
Lukas Schlögl
Eine offizielle Begründung hätte ich bisher aus dem BMEIA noch nicht gehört. Es hat denke ich, vor allem mal damit zu tun, dass das Ermessensausgaben sind, die schnell gekürzt werden können. Wenn man rasch kürzen will, dann geht das sehr schnell zu Lasten der Transferleistungen. Beim Personal oder den Sachausgaben zu sparen ist glaub ich herausfordernder. Deswegen hat es mal diese Töpfe getroffen. Der AKF war ein glaub ich wahrscheinliches, erwartbares Ziel von Kürzungen, weil das ein Budget war, das in den letzten Jahren von der Vorgängerregierung erstens einmal stark aufgestockt worden ist und zweitens keine besonders starke Durchführungsstruktur dahintersteckt. Abwickeln tut es die ADA. Aber es ist ein bisschen ein Budget ohne Institution dahinter. Deswegen war das ein wahrscheinliches Ziel von Kürzungen. Dass es auch die ADA in dem Volumen trifft, hätte ich vor ein paar Monaten noch nicht erwartet, muss ich dazu sagen. Und wieso es den Sektor im Allgemeinen betrifft? Gut, da müsste man sozusagen in die politische Ursachenforschung mehr hineingehen. Was jedenfalls auffällig ist, ist, dass der das ganze Politikfeld insgesamt unter Druck ist. Nicht nur in Österreich. Das gilt auch für einige andere europäische Geber. Das gilt insbesondere auch für die USA. Die ja mit der Zerschlagung von USAid Fakten geschaffen haben und da auch stark den Rotstift angesetzt haben. Es gibt einen Gewissen sozusagen politischen Zweifel glaub ich an dem Politikfeld. Es gibt eine Prioritätenumordnung in Richtung der Ausgaben für den Verteidigungsbereich. Und es gibt glaub ich in der schwachen Konjunkturlagen immer die Schwierigkeit, diese Ausgaben überhaupt zu argumentieren. Es wäre zu hoffen sozusagen, dass dann in Phasen der Konjunkturerholung auch entsprechend wieder höher dotiert wird. Interessant ist ja, dass im Regierungsprogramm vor wenigen Monaten, die Koalition sich darauf verständigt hat, zumindest ein Commitment zu 0,7% Ausgaben für öffentliche Entwicklungsleistungen gemessen am Bruttonationaleinkommen zu leisten. Da verabschiedet man sich jetzt de facto ziemlich schnell davon. Also der Weg zeigt genau in die andere Richtung.
Klemens Lobnig
Schauen wir uns kurz die konkreten Folgen dieser Kürzungen an. Wen treffen denn diese Kürzungen zuerst? Vor Ort, aber vielleicht auch hier bei uns in Österreich?
Lukas Schlögl
Na ja, zunächst einmal ist wird jetzt im Jahr 2025 die Kürzung des Auslandskatastrophenfonds schlagend. Das ist ein Budget für humanitäre Sofortmaßnahmen, das auch durchaus in der europäischen Nachbarschaft - Stichwort Ukraine, Stichwort Syrien, Stichwort Naher Osten - in den diversen sozusagen Krisenherden dort zum Einsatz gekommen ist. Ich vermute, dass das BMEIA einen starken Blick weiterhin auf die Ukraine haben wird, also alle Signale in Richtung des Wiederaufbaubeauftragten, aber auch der Zusammensetzung des Kabinetts etc. deuten darauf hin, dass die Ukraine sehr wichtig bleibt. Das heißt, das Budget, die Budgetäre Kürzung im Bereich der HuHi wird vermutlich eher zu Lasten anderer Länder gehen. Das sind eben Krisenherde in Afrika, im Sahel. Das sind aber auch allfällige potentielle Empfängergruppen, wenn jetzt Naturkatastrophen oder andere Verwerfungen auftreten, wo dann halt der Spielraum geringer ist, dort intervenieren zu können. Es könnte auch ein bisschen zu zulasten der Nahen Ostens und von Syrien gehen, wird man sehen. Im Bereich der ADA ist glaube ich heuer der Spardruck überschaubar groß und ich erwarte da jetzt keine einschneidenden Änderungen. Aber nächstes Jahr wird es schlagend und ich glaube mit minus 20 Millionen plus steigenden Personalkosten und Ähnlichem, steigenden Sachkosten angesichts der Teuerung, wird das durchaus auch bedeuten, dass es kein "Business as usual" gibt und dass Programme oder Koordinationsbüros oder Strukturen in irgendeiner Form eingespart werden müssen. Also das Gesamtportfolio der ADA wird 2026 nicht gleich ausschauen, wie wir es jetzt kennen.
Klemens Lobnig
Strategisch spricht die Regierung bzw. das Außenministerium einerseits vom Ausbau der Beziehungen zum Globalen Süden kürzt aber gleichzeitig jetzt die Mittel für die Zusammenarbeit. Wie passt dann das aus deiner Sicht zusammen?
Lukas Schlögl
Ich glaub, das passt eigentlich nicht sehr gut zusammen. Den Ausbau zu den Ländern des globalen Südens oder der Beziehungen, den Ausbau der Beziehungen zu den Ländern des globalen Südens. Auf den pocht ja auch unter anderem sogar die Sicherheitsstrategie, die die Vorgängerregierung im letzten Jahr noch verabschiedet hat. Da ist wörtlich auch vom den Mitteln der EZA die Rede, die man einsetzen soll. Auch sozusagen im Sinne einer einer Soft Power, aber sicherlich auch der Stabilisierung der Nachbarschaft etc. Wenn jetzt das Budget da drastisch zurückgefahren wird, dann hat man wesentlich weniger Spielraum um solche Maßnahmen zu setzen. Auch weniger Spielraum, um Akzente im Sinne einer aktiven Außenpolitik zu setzen. Also es ist ohnehin bitter, dass Außenbudget zurückgeht. Das ist kein großer Budgetposten im Kontext der gesamten Staatsausgaben Österreichs. Eines der kleinsten Budgets in Wahrheit. Und in dem Bereich der EZA ist es eigentlich noch der kleinere Teil, der in irgendeiner Form programmierbar ist, gestaltbar ist, wo man sozusagen auch politische Akzente und Handschrift hinterlassen kann. Weil ein großer Restteil geht für die diplomatischen Vertretungen und zu einem ganz kleinen Teil für multilaterale Initiativen drauf. Insofern, das wäre sozusagen ein Budget, wo man gestaltend wirken kann, wo man auch Beziehungen ausbauen kann, wo man stabilisieren kann, wo man ausgleichen kann. Wo man friedensfördernde Maßnahmen setzen kann. Wo man "good will", sozusagen, in der Welt schaffen kann. Bedauerlich, wenn man, wenn man dort den Rotstift ansetzt, denke ich.
Klemens Lobnig
Was wäre jetzt dann aus deiner Sicht notwendig, damit Österreich wieder eine kohärente, glaubwürdige EZA-Politik betreibt?
Lukas Schlögl
Naja, zuerst einmal wird der Beschluss des Dreijahresprogramms überfällig. Es liegt ja seit inzwischen einem Jahr ein Entwurf im Kabinett des Außenministeriums. Die Vorgängerregierung hat Verabsäumt, den noch beschlussfertig zu bekommen. Aus für mich nicht ganz nachvollziehbaren Gründen. Ich denk es liegt jetzt der Ball bei der neuen Außenministerin, das relativ rasch zum Beschluss zu bringen. Ich glaub, dass in dem, soweit ich den Entwurf kenne, dass du auch durchaus innovativ gearbeitet worden ist. Es ist sehr breit konsultiert worden, es wurde versucht, den "Buy in" aus den anderen Ministerien zu erhöhen und stark zu konsultieren. Und es hat sozusagen einen Spirit der Gesamtstaatlichkeit, den man durchaus noch weiter vertiefen kann und wo es auch durchaus noch Potenzial gibt. Aber das wäre mal ein guter Schritt in diese, in diese Richtung. Insofern wäre meine Erwartung ans BMEIA hier relativ rasch dieses Programm über die Bühne zu bringen. Und dann sollte sich das Außenministerium aus meiner Sicht überlegen, wie geht man das nächste Dreijahresprogramm an. Wie kann man das noch besser gesamtstaatlich Akkordieren? Wie kann man die Außenpolitik da noch sinnvoller integrieren? Ich denke was was generell zu erwarten und zu erhoffen wäre, dass es ein stärkeres Nachdenken über das außenpolitische Profil Österreichs gibt. Ich sehe da einige sozusagen - böse gesagt - Floskeln oder Denkfiguren rund um "Vermittlerrolle" und "Brückenbau" und "Amtssitz" und so weiter. Und auch Neutralität. Die mögen nicht alle veraltet sein, aber da braucht es ein Nachdenken und eine Reflexion darüber. Und es braucht in Wahrheit eine sozusagen konkrete außenpolitische Strategie, die nicht nur in einem Weiterverwalten der bisher bekannten Strukturen und Konzepte besteht. Und da die Entwicklungspolitik sinnvoll reinzuklinken, dieser Außenpolitik auch durchaus einen Entwicklungspolitik politisch korrekten Anstrich zu geben und auch in andere Politikfelder auszustrahlen, das wäre glaube ich der Anspruch, den man jetzt erwarten sollte.
Klemens Lobnig
Da kommen also schwierige Zeiten auf die österreichische Entwicklungszusammenarbeit und ihre Akteure zu. Aber nicht nur in Österreich, sondern auch international ist das Politikfeld stark unter Druck geraten. Es scheint eine politische Zeitenwende angebrochen. Deutschland, die USA, Schweden, Großbritannien und weitere bisher verlässliche Geberländer kürzen ihre Entwicklungsbudgets oft zugunsten der Verteidigungsbudgets. Auch der inhaltliche Fokus der EZA ändert sich. Plötzlich rücken Themen wie Sicherheit und Rohstoffversorgung in den Mittelpunkt und lösen klassische Ziele der EZA wie z.B. die Armutsbekämpfung immer häufiger ab. Dem Thema der Zeitenwende hat sich auch eine kürzlich stattgefundene Veranstaltung der ÖFSE gewidmet. Am 29. April wurde im Rahmen der Veranstaltung "Entwicklungspolitik in der Zeitenwende" zuerst die jährlich erscheinende Publikation "die österreichische Entwicklungspolitik" präsentiert. Dazu allerdings später mehr. Nach der Präsentation folgte eine spannende Podiumsdiskussion mit hochkarätigen Expertinnen und Experten aus dem Feld, die sich mit dem Publikum zur Zukunft der Entwicklungspolitik austauschten. Zwei der Podiumsgäste, nämlich Sonja Hövelmann und Jan Pospisil, habe ich mir am Rande der Veranstaltung kurz geschnappt, um mit ihnen über die internationale Situation der EZA und die Faktoren, die aktuell zu einem Umbruch im Sektor führen, zu sprechen. Sonja Hövelmann forscht am Center for Humanitarian Action in Berlin, wo sie sich unter anderem mit der Humanitären Hilfe aus Deutschland befasst. Jan Pospisil ist außerordentlicher Professor am Centre for Peace and Security der Coventry University und beschäftigt sich dort mit Friedensförderung und Konflikt im Globalen Süden, insbesondere am Horn von Afrika. Im Interview werfen wir gemeinsam einen Blick auf die Herausforderungen in der Entwicklungspolitik und sprechen auch über Perspektiven für den Sektor. Aktuell sehen wir bezüglich Entwicklungszusammenarbeit international einen Rückzug der Geberländer. Entwicklungsbudgets werden gestrichen oder gekürzt und wichtige Institutionen wie zum Beispiel die USAid sogar gänzlich zerstört. Was passiert da gerade und warum jetzt?
Sonja Hövelmann
Was wir sehen, ist, dass dieser Trend schon länger anhält, als wenn man sich die Budgets anguckt. Dann war das Jahr 2022 tatsächlich das Jahr, wo es am meisten Gelder für humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit gab und schon 2022 bzw. 2023 haben verschiedene europäische Geber insbesondere für humanitäre Hilfe gekürzt. Und die USA haben das zum Teil unter der Biden-Regierung noch abgefangen, aber jetzt mit der Administration von Donald Trump und der Zerschlagung von USAid. Und dass diese ganzen Gelder nun weggebrochen sind, ist dieser steile Abstieg sozusagen viel deutlicher.
Jan Pospisil
Ich glaube, was auch noch wichtig ist, zu sehen ist, wir sehen, wie du gesagt hast, den Trend, dass Entwicklungszusammenarbeit immer enger und außenpolitische Interessen geknüpft worden ist über die letzten Jahre. Und was eines der Vorbilder von dieser USAid-Zerschlagung war, war der Einbettung von DfID in Großbritannien in das Außenministerium. FCO, was jetzt jetzt FCDO ist - Development jetzt Teil von britisches Außenministerium. USAid glaube ich war nicht zwangsläufig so geplant, wie es dann passiert ist. Es war aber einfach das einfachste Ziel für Regierungsumstrukturierungen in den USA. Und dass das das einfachste Ziel, zeigt schon den Stellenwert der Entwicklungspolitik, die einfach strategisch in ihrer Bedeutung abgenommen hat. Ich glaube trotzdem, dass es vielleicht im Endeffekt nicht unbedingt eine strategische Überlegung war, Entwicklungszusammenarbeit komplett zu streichen. Wir werden da vielleicht auch noch Anpassungen sehen, jetzt speziell in den USA. Aber man darf nicht vergessen, es ist gerade auch die Stammwählerschaft von Trump, und das betrifft durchaus andere Länder. Da ist einfach internationale Politik im Generellen nicht die Priorität. Und Streichung von USAid, die ist sicher etwas, was in den USA nicht unpopulär ist. Also etwas, was politisch gut verkäuflich ist.
Klemens Lobnig
Wenn man sich aktuell im Weltgeschehen umschaut, dann wirkt das so, als wären wir überhaupt nur noch von Krisen umgeben. Klimawandel, bewaffnete Konflikte, Fluchtbewegungen und vieles mehr. Wieso sehen wir gerade jetzt einen Backlash löschen der EZA? Sollte es nicht eigentlich umgekehrt sein?
Jan Pospisil
Es sollte umgekehrt sein, theoretisch. Aber ich glaube, worin man das Einbetten muss, sind breitere Entwicklungen im gesamten internationalen System. Und wenn man sagt, dass mit 1990 und dem Ende des Kalten Krieges seine Ehre des Multilateralismus Einzug gehalten hat und des globalistischen Lösens von Problemen, glaub ich, dass wir jetzt einfach - graduell - ein Ende dieses Systems sehen und eine Zunahme von regionalem Fokus, Regionalisierung. Und da werden diese Probleme von globalen Problemen zu regionalen Problemen. Es ist jetzt nicht so, dass diese Probleme nicht integrativ bearbeitet werden. Aber nicht mehr in der globalen Form, wie das ideal typischerweise an diesem multilateralen System ausgeschaut hätte.
Sonja Hövelmann
Ich glaube, dass die Kosten zur Bewältigung der Krisen, die werden einfach immer höher. Wir haben noch die Kosten von Covid, der Covid 19 Pandemie, die weiter abbezahlt werden müssen, von Finanzkrisen, von der Integration von Menschen, die nach Europa kommen. Und die Haushalte werden einfach knapper. Es gibt weniger Finanzmittel, um diesen Krisen zu begegnen. Zumindest für die deutsche Regierung galt da immer sehr stark das alles mit Geld gelöst wird. Und in Zeiten, wo die Steuerschätzung nicht eben im Haushaltsjahr noch sehr viele Mittel reinspült, gibt es deutlich weniger finanzielle Mittel, um diesen Krisenpunkt zu begegnen. Und das ist aus meiner Sicht auch der Grund, weswegen dann, wie du gesagt hast, die Entwicklungszusammenarbeit natürlich ein leichtes Ziel ist. Weil da im Zweifel keine Wählerschaft protestiert.
Klemens Lobnig
Wenn wir uns jetzt in letzter Zeit anschauen, die aktuellen Entwicklungen im EZA Bereich, dann ist öfters von seinem sicherheitspolitischen Vakuum die Rede, dass der Rückzug der westlichen Geberländer hinterlässt. Etwa zum Beispiel in der Sahel Region. Welche Rolle spielen denn da neue Akteure wie Russland oder auch die Golfstaaten? Welche Rolle spielen die dabei und wie verändert das generell die Spiegelregeln der internationalen Zusammenarbeit?
Jan Pospisil
Ich glaub die Sahelegion ist da wirklich sehr interessant sich im Moment anzuschauen, weil die Entwicklung ja aus unterschiedlichen von unterschiedlichen Treibern forciert wird. Was wir sehen im Moment in der Region - und das das beste Beispiel dafür ist im Moment Burkina Faso - ist ein Wiederaufkommen von klassisch, anti-westlichen Sentiments. Wo Frankreich ja eigentlich aus der ganzen Region mehr oder minder hinausgeschmissen worden ist. Das ist jetzt nicht so, dass die sichfreiwillig zurückgezogen hätten. Die sind wirklich rausgeschmissen worden. Russland hat einen Teil der Plätze eingenommen. Und in all diesen Ländern gibt es was etwas, was ich als militärischen Populismus bezeichnen würde. Ganz stark Ibrahim Traore im Moment in Burkina. Wo es eine Social Media Kampagne im Moment gibt, also die sehr klar anti-westlich ist. Wo die die Rhetorik da ist: "Wir brauchen eine Entwicklung nicht, wir brauchen eure Zusammenarbeit nicht. Geht's weg!" Und Russland als Akteur, der halt vor allem jetzt über sicherheitspolitische Kooperation reinkommt, obwohl mit all dem Extraktivismus, der dahinter steht, willkommen geheißen wird. Und ich nehme an, und das ist eins der Probleme, die da wahrscheinlich im Moment von entwicklungspolitischen Akteuren in der EU und auch in den USA nicht gesehen wird. Wenn man den Raum da sozusagen freimacht jetzt im Hinblick einer klassischen auf eine klassische Softpower werden andere kommen, nehmen diesen Raum bereits ein. Und wenn man glaubt, da wird die große Trauer ausbrechen, dass sozusagen die westlichen Akteure weg sind, glaube ich, dass man da falsch liegt.
Sonja Hövelmann
Ja, ich glaube, der Rückzug von USA oder die Zerschlagung von USAid wird da auch zumindest für den humanitären Bereich ne interessante Disruption sein. Denn viele gerade lokalere Stimmen sagen, dass sie gar nicht traurig sind, wie angedeutet, dass USAid da jetzt nicht mehr mit vielen Finanzen, hinterhergibt und westliches Geld und damit ja auch immer Beziehung zu lokalen Politikern pflegt und so weiter. Also ich glaube, uns westlichen Akteure wird jetzt ja auch immer stärker unsere Doppelmoral vorgeworfene. Dass wir in Konflikten unterschiedliche Agieren mit Blick auf Gaza und mit Blick auf Sudan. Und da sieht man ja auch die EU, die sehr stark eben an Migrationsabkommen interessiert ist, sehr stark ihre bilateralen beziehungsweise multilateralen Interessen eben an diese Verknüpfung steckt. Dass da schon viel Bewegung im Spiel ist, würde ich auch auf jeden Fall bestätigen.
Klemens Lobnig
Vielleicht schauen wir uns jetzt noch einmal die Auswirkungen dieser ganzen Sachen, die wir besprochen haben, für die konkrete Praxis der Entwicklungszusammenarbeit an. Wie muss sich denn die EZA strategisch aufstellen, um langfristig wirksam und gerecht zu bleiben?
Sonja Hövelmann
Glaub aktuell durch diese Disruption. Dass genau die USAid zerschlagen wurde, ist erstmal noch Schockstarre. Und welche Auswirkungen das ganz konkret hat und in allen Dimensionen ist glaub ich noch nicht ganz klar. Es gibt gerade massive Kürzungen. Also das World Food Programm und UNHCR haben beide angekündigt, mehr als 6000 stellen zu kürzen. Das ist ein Drittel von deren globalen Personal. Also das ist schon sehr disruptiv. Genau, ich glaub gerade ist eher die Phase von Krisenmanagement angesagt. Diese Kürzungen... Die USA haben ja 40%, über 40% des globalen humanitären Budgets bereitgestellt, das betrifft eigentlich jeden Akteur, also diese Auswirkungen davon zu managen. Und dann gibt es glaub ich im Prinzip drei Strategien gerade damit umzugehen, wenn man weniger Geld hat, kann man entweder erstens andere Gelder finden, da ist bisher nicht viel mobilisiert werden können. Strategie zwei ist, man macht weniger. Das wird unter dem Stichwort Priorisierung geführt. Dass man also versucht, humanitäre Krisenkontexte sozusagen zu beenden beziehungsweise Staaten, die fragile Staaten, die aber eine halbwegs funktionierende Governance Struktur haben, an stärkere Entwicklungsakteure zu übergeben. Die dritte Strategie ist natürlich, es günstiger zu machen, also Effizienz einzusparen. Und da pochen aktuell alle Geber drauf. Gleichzeitig waren humanitäre Budgets sind zwar stark gewachsen, aber nie üppig. Ich glaub die Einsparungspotenziale sind da schon auch begrenzt.
Jan Pospisil
Ich glaub der entscheidende Punkt wird sein neue Finanzquellen aufzutun. Weil die klassisch das klassische Modell der staatlich finanzierten Entwicklungszusammenarbeit wird wahrscheinlich nicht komplett verschwinden, aber wird nicht mehr die Größe erreichen, die es gehabt hat. Wahrscheinlich müssen das entwicklungspolitische Akteure als Chance begreifen. Philanthropische Gelder ist wahrscheinlich einer der Hauptdinge, die da erst einmal reinkommen. Das funktioniert ja jetzt schon recht gut, aber vor allem auf Bereiche reduziert, wo halt die Philanthropen gerne was tun: Gesundheit ist ist das Hauptding. Die Gates Foundation ist zum Beispiel Gesundheit der Hauptgeber jetzt global. Da sind noch einige andere dabei. Da wird halt das Problem dann sein, dass es mit philanthropischen Gebern nicht so einfach geht, die die von von objektiven - wie auch immer das objektiv definiert wird - Prioritäten zu überzeugen. Weil die halt gerne sich selber verwirklichen und damit nicht notwendigerweise immer sinnvolle Sachen getan werden. Ein anderer Bereich wird sein, was halt bislang immer so als ein, ein, ein, ein Anhängsel mehr oder minder war: Wirtschaftskooperationen, diese Dinge. Also man wird wahrscheinlich schon mit mehr mit kommerziellen Akteuren arbeiten müssen. Die Privatwirtschaft wird dann einer der Punkte sein. Aber am Ende, was der große Wechsel sein wird müssen für die Entwicklungsagenturen, die bislang vor allem staatlich finanziert worden sind: Dass die sich halt selber jetzt auf einmal um Funds umschauen müssen. In einem ganz anderen Ausmaß als bisher.
Klemens Lobnig
Die Entwicklungszusammenarbeit ist im Umbruch, das haben wir heute eindeutig gehört. Internationale Akteure ziehen sich zurück, die Finanzierung sinkt und neue geopolitische Realitäten zeichnen sich ab. Doch auch wenn Herausforderungen groß sind, gibt es Chancen. Etwa durch alternative Finanzierungsmodelle oder neue Partnerschaften. Wenn sie tiefer in das Thema EZA einsteigen wollen oder an der Entwicklungspolitik in Österreich interessiert sind, möchte ich an dieser Stelle noch auf die neueste Ausgabe der österreichischen Entwicklungspolitik verweisen. In dieser nun schon seit 40 Jahren jährlich erscheinenden Publikation der ÖFSE finden Sie - neben einem jährlichen Schwerpunktthema - alle relevanten Zahlen, Daten und Analysen zur Entwicklungspolitik in Österreich. Finden können Sie die Publikation auf der Website der ÖFSE. Und damit sind wir auch schon wieder am Ende der Sendung angelangt. Vielen Dank fürs Zuhören, bleiben Sie dran und bis zum nächsten Mal. Wir hören uns!