C3-Radio
C3-Radio, das entwicklungspolitische Radio aus dem Centrum für Internationale Entwicklung. Unser Radio-Host Klemens Lobnig beleuchtet einmal monatlich aktuelle entwicklungspolitische Themen für die Hörer_innen. Mit Interviews, Berichten, Hintergrundinformationen sowie Ausschnitten aus dem umfangreichen Veranstaltungsprogramm im C3.
Das C3-Radio ist eine Initiative der fünf Organisationen ÖFSE, BAOBAB, frauensolidarität, Paulo Freire Zentrum und Mattersburger Kreis im C3.
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Update für das EU-Mercosur-Abkommen – Fortschritt oder Feigenblatt?
04.08.2025
C3-Radio
Update für das EU-Mercosur-Abkommen - Fortschritt oder Feigenblatt?
In dieser Folge sprechen wir über das umstrittene Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Mercosur-Staaten, das in Kürze endgültig beschlossen werden soll. Die Expert*innen Simela Papatheophilou und Bernhard Tröster haben die überarbeitete Fassung des Vertrags analysiert und ordnen ein, welche Veränderungen es seit der ersten Einigung 2019 gab – unter anderem in den Bereichen Nachhaltigkeit, öffentliche Auftragsvergabe und Automobilindustrie.
Gemeinsam werfen wir einen Blick auf die ökonomischen, ökologischen und rechtlichen Auswirkungen des Abkommens, auf geopolitische Spannungen sowie auf mögliche Alternativen zu einem klassischen Freihandelsvertrag. Wie grün ist das Abkommen wirklich? Und was bedeutet es für den politischen Handlungsspielraum der EU in Zukunft? Antworten darauf gibt’s im Gespräch.
Die in der Sendung angesprochene Studie finden Sie hier zum Download.
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Host: Klemens Lobnig
Stimmen: Simela Papatheophilou (ÖFSE) & Bernhard Tröster (ÖFSE)
Musik by Alisia from Pixabay and Oleg Fedak from Pixabay
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Klemens Lobnig:
Hallo zu einer neuen Episode vom C3-Radio. Ich bin Klemens Lobnig und ich freue mich, dass Sie wieder zuhören. Das geplante Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Mercosur-Staaten sorgt nun schon seit Jahren für reichlich Diskussionen. Es geht um Rindfleisch, Autos, Umweltauflagen und die große Frage: Wer profitiert eigentlich von diesem Deal – und wer zahlt den Preis?
Jetzt liegt eine neue Fassung des Abkommens vor. Die EU-Kommission spricht von Fortschritten beim Thema Nachhaltigkeit. Kritikerinnen und Kritiker sagen: Es bleibt ein unausgewogenes Abkommen mit Risiken – für Klima, Menschenrechte und regionale Wirtschaften.
In dieser Sendung schauen wir genauer hin: Was steckt im Vertrag? Wie hat sich der Text verändert? Und welche Auswirkungen hätte er für Europa und die Mercosur-Staaten? Darüber spreche ich gleich ausführlich mit zwei Expert*innen, die kürzlich eine umfassende Studie zu dem Thema veröffentlicht haben.
Bevor wir allerdings tiefer in die Diskussion einsteigen, schauen wir uns einmal an, worum es beim EU-MERCOSUR-Abkommen überhaupt geht und klären die wichtigsten Fragen dazu.
MERCOSUR – das steht für „Mercado Común del Sur“, also Gemeinsamer Markt des Südens. Es ist ein seit 1991 bestehender wirtschaftlicher Zusammenschluss südamerikanischer Länder. Die vier Gründungsstaaten sind Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay. Ziel von Mercosur ist es, ähnlich dem EU-Binnenmarkt den Handel untereinander zu erleichtern: mit weniger Zöllen und einheitlichen Regeln.
Die EU und MERCOSUR verhandeln schon seit rund 25 Jahren über ein umfassendes Assoziierungsabkommen. Das Abkommen hat zwei große Teile: Zum einen geht es um wirtschaftliche Zusammenarbeit – also um Handel, Investitionen, öffentliche Aufträge. Zum anderen geht es um politische Kooperation, etwa bei Themen wie Klimaschutz, Menschenrechte oder Bildung.
Konkret bedeutet das: Zölle sollen abgebaut werden, europäische Produkte – wie Autos, Maschinen oder Milchprodukte – könnten einfacher nach Südamerika exportiert werden. Umgekehrt sollen Agrarprodukte wie Rindfleisch, Soja oder Zucker leichter in die EU kommen.
Für die EU geht es vor allem um zwei Dinge: Erstens um den Zugang zu einem großen Markt mit rund 270 Millionen Menschen. Und zweitens – vor dem Hintergrund geopolitischer Unsicherheiten – um wirtschaftliche Sicherheit: Rohstoffe wie Lithium, Agrarprodukte, Energie – all das ist in MERCOSUR-Ländern verfügbar.
Die MERCOSUR-Staaten wiederum hoffen auf Investitionen, Technologietransfer und den Zugang zum europäischen Markt – also bessere Bedingungen für ihre Exporte. Auch politische Partnerschaft und gemeinsame Projekte, zum Beispiel im Bereich Klimaschutz, spielen eine Rolle.
Die Verhandlungen um ein Abkommen gleichen einem Marathon. Es war schon mehrfach kurz vor dem Abschluss, final geworden ist es bisher allerdings noch nicht. Schon im Jahr 2019 wurde ein „Abkommen im Grundsatz“ beschlossen. Allerdings gab es in Europa massive Kritik – von Umweltverbänden, Gewerkschaften und auch einzelnen Regierungen. Die Sorge: Umwelt- und Sozialstandards seien nicht ausreichend gesichert. Vor allem die Gefahr von Entwaldung im Amazonas durch steigende Agrarexporte war ein großes Thema. Schlussendlich wurde der Beschluss des Abkommens auf Eis gelegt, nachdem u.a. Österreich, Polen und Frankreich Vetos angekündigt hatten.
Um die Kritik auszuräumen, wurde nochmal nachverhandelt – vor allem in den Jahren 2023 und 2024. Jetzt liegt ein überarbeiteter Text vor, der auch ein paar neue Elemente enthält: einen stärkeren Bezug zum Pariser Klimaabkommen, ein Anhang für das Kapitel über nachhaltige Entwicklung und einen Kooperationsfonds mit 1,8 Milliarden Euro.
Aber was steht denn nun eigentlich in diesem Abkommen? Was sind die wichtigsten Themen?
Da wäre zum einen das Thema Zölle und Handel: Der Großteil der Zölle soll nach und nach wegfallen. Besonders umstritten sind dabei Rindfleisch und Autos. Die EU will mehr Autos exportieren, MERCOSUR mehr Agrarprodukte. Es gibt Übergangsfristen und Schutzklauseln, vor allem für die Autoindustrie in Südamerika.
Es gibt ein Kapitel zu Handel und nachhaltiger Entwicklung. Aber die Verpflichtungen sind recht schwach. Es gibt keine Sanktionen, wenn Umweltziele nicht eingehalten werden. Auch der Schutz von Wäldern wird thematisiert, z.B. in Bezug auf die neue EU-Entwaldungsverordnung. Es ist aber unklar, wie wirksam die Regelungen tatsächlich sind.
Ein weiterer Themenblock sind öffentliche Aufträge und Investitionen. Europäische Firmen sollen in MERCOSUR an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen können. Die MERCOSUR-Länder konnten sich aber auch Spielraum bei Fördermaßnahmen für eigene Unternehmen erhalten.
Die EU erhofft sich neue Absatzmärkte und Zugang zu Rohstoffen – gerade für die Energiewende. MERCOSUR-Staaten hoffen auf Investitionen und mehr wirtschaftliche Entwicklung. Für beide Seiten steht auch viel symbolische Bedeutung auf dem Spiel: eine engere Partnerschaft einerseits, ein Gegengewicht zu China und den USA andererseits.
Klar ist aber auch, dass das Abkommen weiterhin umstritten ist und auch noch nicht fix beschlossen. Es geht um die Erwartungen auf wirtschaftliche Chancen, aber auch um soziale und ökologische Risiken. Die ÖFSE hat sich in einer neuen Studie die finale Fassung des Abkommens-Texts genauer angeschaut und kritisch analysiert. Und diese kritische Analyse bildet den Ausgangspunkt des Gesprächs, das ich mit Simela Papatheophilou und Bernhard Tröster geführt habe. Beide forschen an der ÖFSE, haben die angesprochene Studie federführend mitverfasst und konnten mir einen spannenden Einblick in die Welt des EU-Mercosur-Abkommens geben. Aber hört selbst!
Klemens Lobnig:
Was war für euch der Anlass, die finale Fassung des Abkommens noch einmal zu analysieren?
Bernhard Tröster:
Wir haben im Jahr 2021 eine Studie zu den ökonomischen und sozialen Folgen des Abkommens bereits vorgelegt. Die Grundlage dafür war die politische Einigung 2019. Nach dieser Einigung gab es aber weiterhin Diskussionen, ob das Mercosur-Akommen so zustandekommen kann. In Europa ging es vor allem um die Gefahren für die Landwirtschaft und verschiedene Länder, unter anderem vor allem Frankreich und Österreich haben hier Widerstand angekündigt und waren nicht bereit, das Abkommen so zu unterschreiben. DieEU- Kommission hat da verschiedene Möglichkeiten ausgelotet, diese Kritik zu entkräften beziehungsweise Möglichkeiten zu finden, da Risiken herauszunehmen. Es gab Diskussionen und Zusatzprotokolle. Und vielleicht irgendwie zusätzliche Mechanismen, die vor allem für Bäuerinnen irgendwie eine Abfederung bei negativen Veränderungen Möglichkeiten ermöglichen sollte. Aber es kam nie zu einer wirklichen Diskussion, auch inklusive der Mercosur-Länder. Aus denen gab es nämlich Kritik, dass sozusagen einseitig nur die Europäer ihre Sichtweise hier haben wollten. Und letztendlich kam es dann erst zu neuen tatsächlichen gemeinsamen Verhandlungen, als in Brasilien dann mit neuer Regierung von Lula erstmal hier das tatsächlich noch mal neu diskutiert werden sollte, politisch. Hier gab es jetzt eben einige Veränderungen zu dem ursprünglichen Vertrag und diese Veränderungen haben wir uns genau angeschaut in der neuen Studie.
Klemens Lobnig:
Welche Veränderung, also welche neuen Elemente wurden denn in den Jahren 2023 und 24 in den Vertragstext aufgenommen?
Simela Papatheophilou:
Es sind punktuelle Änderungen in verschiedenen Bereichen. Das betrifft teilweise den Kerntext des Vertrags und teilweise betrifft es Anhänge, die neu dazugekommen sind oder die verändert wurden. Das sind besonders die Bereiche, von denen man sich erwartet, dass sie durch das Abkommen besonders beeinträchtigt oder beeinflusst werden. Das ist zum Beispiel der Bereich der öffentlichen Ausschreibungen, also der öffentlichen Vergaben von Geldern für verschiedenste Projekte. Das ist etwas, was im Abkommen schon in der Fassung von 2019 vorgesehen war. Dass hier diese Märkte auch geöffnet werden, einander also, dass zum Beispiel Firmen aus ZB Brasilien bei einer Ausschreibung in Europa teilnehmen könnten und einen öffentlichen Auftrag bekommen könnten und eben umgekehrt auch eine Firma ZB aus Deutschland bei so einem Auftrag in Brasilien teilnehmen könnte. Da gibt es jetzt zum Beispiel mehr Einschränkungen, vor allem in den Mercosur Staaten. Anderes gutes Beispiel ist der Automobilsektor. Man erwartet sich, dass die Automobilindustrie, die in Brasilien und Argentinien eigentlich in letzter Zeit relativ stark war, starke Einbußen hinnehmen wird müssen aufgrund des Abkommens und gerade die soll besser geschützt werden. Auf der einen Seite, indem man längere Zeiten vorgesehen hat, in der die Zölle für Elektroautos abgebaut werden, auf der anderen Seite durch Schutzmechanismen, die besonders in diesem Sektor leichter zur Anwendung kommen sollen als in anderen Sektoren. Und dann hat man noch, und das kam vor allem von der europäischen Seite, die in den Verhandlungen in verschiedensten Formen auf Nachhaltigkeit im Abkommen gepocht hat, wobei das jetzt nicht immer in Form von Regelungen ist, die verbindlich sind und die tatsächlich auch zu großen Änderungen führen werden.
Bernhard Tröster:
Ergänzend dazu sieht man schon, dass der Ursprung oder die Grundlage für die Verhandlungen schon Unzufriedenheiten auf beiden Seiten waren, wie Simela richtig gesagt hat. Auf der europäischen Perspektive vor allem rund um den Agrarsektor, um das Thema Nachhaltigkeit also fördern die zusätzlichen Exporte von Rindfleisch und Soja die Entwaldung in Brasilien zum Beispiel. Und leiden dann dadurch die heimischen Landwirte hier in der EU? Das war die eine Diskussion. Aber auch die Mercosur Länder waren im Grunde unzufrieden mit ein, zwei Aspekten. Einmal sollten Sie ja durch dieses Abkommen ihre Industriesektoren öffnen und das heißt die zusätzliche Konkurrenz durch die europäischen Firmen wird deutlich stärker und das zweite ist auch, dass es viele einseitige Politikmaßnahmen, die eigentlich für mehr Nachhaltigkeit sorgen sollten, wie zum Beispiel das Entwaldungsrichtlinie der Europäischen Union, aber auch die Diskussionen rund um Lieferkettengesetze, dass diese eben einseitig von der Europäischen Union gemacht wurden, ohne dass sozusagen die Mercosur Länder hier mit an Bord sind. Und diese neuen Veränderungen auch inklusive der im Automobilsektor und die zusätzliche Rolle der Elektromobilität hat einfach so eine Aktualisierung schon auch an sich notwendig gemacht.
Klemens Lobnig:
Wenn wir uns jetzt dieses Abkommen genauer anschauen, was sind denn aus eurer Sicht die zentralen ökonomischen Auswirkungen sowohl für die EU als auch für die Mercosur-Staaten?
Bernhard Tröster:
Zunächst kann man bemerken, dass die zusätzlichen Elemente, die jetzt neu hinzugekommen sind, keine Auswirkungen bewirken, was ökonomische und soziale Auswirkungen betreffen. Deshalb würden wir sagen, das zeigt sich auch durch aktuellere neue Studien. Wir haben damals die Ergebnisse von ökonomischen Modellrechnungen uns angesehen, und dort kommt raus, grob gesprochen, dass die EU leicht profitiert, Wirtschaftswachstum 0,1 Prozent. Die Mercosur Länder vielleicht sogar noch etwas mehr, aber auch in einem niedrigen Prozent Bereich, also man spricht eben zwischen 0,2, je nachdem welches Land man Betracht zwischen 0,2 und 0,5%. Also auch sehr geringes Wachstum insgesamt. Also der Effekt, den man sich verspricht, obwohl immer davon die Rede ist, dass es dann die größte Freihandelszone der Welt ist, von den Personen, die dort involviert sind, sind die makroökonomischen Folgen insgesamt sehr gering. Bisschen muss man aber genauer hinsehen auf der sektoralen Ebene gibt es Veränderungen, und zwar dementsprechend, dass die Blöcke unterschiedlich profitieren. Auf der einen Seite eben die EU, die vor allem in den verarbeiteten Industrien, Automobilindustrie, Chemie, Pharma etc. profitieren wird und dem Austausch. Dafür würden dann die Mercosur-Länder vor allem bei dem Agrarischen und auch bei anderen Rohstoffen profitieren. Das heißt, es verfestigt dann eigentlich eine ungleiche Struktur im Handel, also der Austausch von unverarbeiteten Agrar- und Rohstoffen gegenüber von verarbeiteten Produkten. Und das Mercosur Abkommen würde das sozusagen noch mal verstärken. Ein Punkt, den wir auch in unserer alten Studie schon gemacht haben, ist, dass dadurch, wenn man tatsächlich diesen Modellrechnungen Glauben schenkt, auch diese Arbeitsplatzsituation eigentlich tatsächlich negativ wäre für die europäischen Länder. Also die Landwirtschaft und Nahrungsmittelindustrie. Da würde man eigentlich tatsächlich zu Jobverlusten kommen und in der Industrie etwas mehr. Aber dadurch, dass die Dienstleistungen eigentlich in der Europäischen Union auch etwas darunter leiden, kommt man am Ende, obwohl eigentlich ein Wirtschaftswachstum davor steht bei der Jobanzahl tatsächlich zu Verlusten in der EU.
Klemens Lobnig:
Und was ja auch immer wieder Thema ist, ist so ein grünes Kapitel, ein Nachhaltigkeitskapitel. Wird das Abkommen jetzt wirklich grüner?
Simela Papatheophilou:
Die kurze Antwort ist nein. Man hat versucht, die Nachhaltigkeit in unterschiedlichen Teilen wiederzugeben. Das eine ist, dass man das Pariser Abkommen aufgenommen hat als sogenanntes essentielles Element des Abkommens. Das gibt es grundsätzlich auch in anderen Freihandelsabkommen der EU. Dort ist es aber meistens viel klarer formuliert. Weil jetzt sind wir hier in dem Abkommen zwischen EU und Mercosur mit einer Formulierung konfrontiert, die wirklich alles andere als klar ist. Es steht nämlich drinnen, dass das Pariser Abkommen ein essentielles Element ist. Aber nur, dass die Parteien sich verpflichten, guten Glaubens Parteien des Pariser Abkommens zu bleiben. Und jetzt stellt sich natürlich die Frage, was bedeutet das in Wirklichkeit? Vor allem bei Argentinien, das schon gedroht hat, aus dem Pariser Abkommen auszusteigen, das auch schon gesagt hat, ganz öffentlich, dass man rechtliche Schritte prüft, aber einfach noch nicht tatsächlich ausgestiegen ist. Und wo man auch ganz deutlich sieht, dass es ganz viele Einsparungen gibt in diesem Umwelt und Klimabereich. Ist Argentinien derzeit wirklich noch guten Glaubens Mitglied des Pariser Abkommens? Das ist eine sehr schwammige Formulierung, wo sich wirklich noch zeigen wird, ob das überhaupt politisch die Bisskraft hat, die es theoretisch rechtlich hat. Der zweite Teil, der sich geändert hat, ist der Anhang des Kapitels „Handel und nachhaltige Entwicklung“. Dieses Kapitel ist rechtlich nicht verbindlich als Ganzes, also es ist als Ganzes vom Sanktionsmechanismus und von der Schiedsgerichtbarkeit ausgenommen. Das bedeutet heruntergebrochen eigentlich, wenn sich eine Vertragspartei nicht dran hält, kann die andere nicht viel machen. Und dieser Anhang, der jetzt neu dazugekommen ist, der ist sehr lang, der ist sehr verbös, allerdings steht da nicht viel Neues drinnen. Das ist vor allem das Wiedergeben von Verpflichtungen, die es schon gab, die keine Neuerungen darstellen. Und in manchen Teilen muss ich ehrlich sagen, sind es auch schon ein bisschen Rückschritte, die da drinnen verankert sind.
Klemens Lobnig:
Gibt es da Beispiele, für diese Rückschritte?
Simela Papatheophilou:
Man hat immer wieder, ohne das Gesetz explizit zu nennen, Bezug genommen auf die Entwaldungsverordnung der EU, die sogenannte „EU deforestation regulation“ EUDR, die sehr unbeliebt ist in den Mercosur Ländern. Weil natürlich Entwaldung dort ein großes Problem ist. Weil man sich aber andererseits nicht von der EU diesbezüglich etwas vorschreiben lassen möchte und dann nicht als das schwarze Schaf irgendwie hingestellt werden möchte. Und dann steht zum Beispiel drinnen, dass ja dieses Mercosur-Abkommen gewertet werden soll als positiver Schritt und dass man ja eh sozusagen auf derselben Seite steht, und zwar gegen Entwaldung, und dass deswegen diese Länder sozusagen eine möglichst niedrige Risikokategorie bekommen sollen. Sehr hat sich das dann eh nicht ausgewirkt bei der Einteilung der Risikokategorien und in der Entwaldungsverordnung. Aber man hat damit schon deutlich gemacht sozusagen: Man möchte auch diese verstärkte politische Zusammenarbeit nutzen, um dafür zu sorgen, dass man von solchen Gesetzen der EU möglichst wenig betroffen ist.
Bernhard Tröster:
Vielleicht ergänzend dann noch mal ist auch immer die Diskussion gewesen, ob man Mechanismen einführt, die tatsächlich zu Sanktionen zum Beispiel führen könnte. Und das ist jetzt in den Neuerungen eigentlich auch nicht enthalten. Das ist wiederum auch so ein Streitpunkt zwischen den beiden Blöcken gewesen, auch mit dem Hinweis, dass die Mercosur-Länder sozusagen selbstbestimmt auch ihre Ziele und auch Umweltziele verfolgen wollen und sozusagen keine Vorschriften oder eben Sanktionen der EU sich gefallen lassen wollen.
Klemens Lobnig:
Welche rechtlichen Risiken ergeben sich denn jetzt aus dem Abkommen? Zum Beispiel für künftige Umweltstandards in der EU?
Simela Papatheophilou:
Grundsätzlich ist es so: Wenn ich ein Handelsabkommen hab, das ist ein verbindlicher völkerrechtlicher Vertrag für die Parteien. Und weil es in so einem Abkommen einen Streitbeilegungsmechanismus gibt, heißt das, die beiden Parteien dürfen jetzt nichts mehr machen, auch wenn es zum Beispiel der Umwelt dienen würde, was die Rechte der jeweils anderen Partei aus diesem Vertrag beeinträchtigt. Das heißt zum Beispiel, wenn die EU auf die Idee kommen würde, hm, es wäre doch gut für die Umwelt, wenn ich zum Beispiel Zölle auf Rindfleisch einführe, auch aus Rindfleisch aus den Mercosur-Staaten, dann dürfte sie das schlichtweg nicht machen. Weil sonst hätte jedes Mercosur-Land jedes Recht zu sagen, OK, jetzt gehen wir vor die Schiedsgerichtsbarkeit und ihr werdet mit dieser Maßnahme nicht durchkommen. Was aber in diesem Abkommen eine Neuerung ist, die so noch nie in einem Handelsabkommen der EU drinnen stand und auch wahrscheinlich nie in einem Handelsabkommen eines Mercosur-Staats drinnen stand, ist der sogenannte „Rebalancing-Mechanismus“. Das klingt erstmal ziemlich harmlos, ist es aber in Wirklichkeit nicht. Das heißt, dass es auch eine Form der Streitbeilegung, eine Form der Schiedsgerichtsbarkeit gibt, wenn eine Partei Maßnahmen setzt, die zwar nicht gegen das Abkommen verstoßen, aber es der anderen Partei erheblich erschweren, die Vorteile aus dem Abkommen zu ziehen. Das heißt zum Beispiel, wenn die EU so etwas machen würde, wie ich sagen würde, Hm, Rindfleisch ist ziemlich schlecht für die Umwelt und es ist auch irgendwie wahrscheinlich nicht so gesund, also werden wir zum Beispiel sehr hohe Steuern drauf erheben. Dann würde ich eigentlich nicht gegen das EU Mercosur Abkommen verstoßen, aber es würde wahrscheinlich den Mercosur Staaten sehr viel schwerer machen, Rindfleisch in Europa abzusetzen, zu verkaufen. Und die könnten dann tatsächlich sagen, OK, wir gehen zur Schiedsgerichtsbarkeit. Dieser „Rebalancing-Mechanismus“ ist ein bisschen anders gestaltet als die normale Schiedsgerichtsbarkeit, aber es ist trotzdem wirklich ein Mechanismus zur rechtlichen Durchsetzbarkeit. Die Frage, ob es zukünftige europäische Umweltvorhaben gefährden könnte, muss man eigentlich mit ja beantworten. Was noch fraglich ist, ist, ob es tatsächlich derzeitige Vorhaben auch schon beeinflussen kann, weil nämlich das Ganze ist zwar angelehnt an einen bestehenden Mechanismus der Welthandelsorganisation, allerdings ist es anders definiert. Vor allem das Wort Maßnahme ist anders definiert und ohne ins Detail gehen zu wollen, aber das bezieht sich jetzt auch schon auf Dinge, auf Rechtsakte, die eigentlich schon beschlossen, aber noch nicht umgesetzt sind. Und das könnte zum Beispiel der vorhin angesprochene EUDR, also die Entwaldungsverordnung der EU sein, oder zum Beispiel das Lieferkettengesetz was die EU zwar schon beschlossen, aber noch nicht in Kraft gesetzt hat.
Klemens Lobnig:
Gehen wir vielleicht weg vom direkten Text, mehr hin zur geopolitischen Situation. Wie stabil ist denn diese politische Partnerschaft mit den Mercosur-Staaten angesichts der aktuellen politischen Entwicklung?
Bernhard Tröster:
Ich würde sagen, es ist sehr schwankend und kommt tatsächlich darauf an, welche Regierungen tatsächlich an der Macht sind, in den verschiedenen Ländern. Also ich möchte nicht nur die Mercosur-Länder hier nennen, sondern letztendlich auch die europäischen Länder. Grundsätzlich ist es ja auch schon von vornherein als Assoziationsabkommen gedacht gewesen. Also es hat von Beginn an mehrere Elemente gehabt oder hat sozusagen, das heißt, es ist nicht nur der Handel und Investitionen abgedeckt, sondern eben auch eine politische Kooperation. Das hat natürlich jetzt noch mal - vor allem im Zusammenhang mit Trump und den USA und seinen Ankündigungen- mal gleich ne andere Dimension bekommen. Denn es steht sozusagen in diesem Abkommen jetzt, dass man unter politisch Gleichgesinnten eine Kooperation anstrebt, die auch einem regelbasierten Handelsregime beugen. Und das ist sozusagen der Gegensatz zu dem, was Trump will, der ja auch die Welthandelsorganisation stark angreift und eigene politische Instrumente dann einsetzt. Wie jetzt eben einseitige Zölle und so weiter, wie man es in den letzten Monaten angekündigt hat beziehungsweise auch schon zum Teil umgesetzt hat in den USA. Das heißt, es ist hier durchaus irgendwie wichtig, geopolitisch gleichgesinnte Partner zu finden. Die Frage ist, wer ist dann wirklich gleichgesinnt? Denn in der Realität stellt sich schon heraus, dass vor allem die Europäische Union mit manchen Regierungen gut zusammenarbeiten kann, mit anderen nicht. Also das Beispiel: In Brasilien mit der Vorgängerregierung unter Bolsonaro war es extrem schwierig innerhalb dieser Verhandlungen und es war auch nicht Ziel diesen Präsidenten beziehungsweise diese Regierung auch mit zu stützen und dort zu kooperieren. Mit Lula ist das wieder anders. Mit Argentinien jetzt zum Beispiel Milei, hätte man aber eigentlich auch so eine Allianz, von jetzt hier würde ich sagen eher rechteren Regierungen und nationalen Regierungen, die vielleicht eher auch mit Milei selber tatsächlich sympathisieren. Also das ist sehr abhängig von den politischen Konjunkturen die es gibt, was eigentlich nicht der Sinn der Sache dieses Projekts sein sollte oder dieser Kooperation. Ein bisschen was man jetzt auch noch ergänzt hat um diese Kooperation auf stabilere Füße zu stellen, ist ein Kooperationsfonds, der dotiert ist mit 1,8 Milliarden, der aber sozusagen eigentlich ja bisschen anders aufgesetzt ist. Man verbindet es mit dem EU Mercosur Abkommen, aber letztendlich ist es eigentlich auf eine andere Initiative gemacht. Hat ganz viele Themen. Die Frage ist, ob das wirklich substanziell etwas verändern kann und es unabhängiger macht von diesen politischen Ausrichtungen der jeweiligen Regierungen.
Klemens Lobnig:
Was wären jetzt aus eurer Sicht sinnvolle Alternativen zu diesem Abkommen?
Simela Papatheophilou:
Auf der einen Seite muss man schon sagen, dass dieses Abkommen irgendwie steht für eine nicht ganzheitlich gedachte Klimapolitik. Dass man auf der einen Seite sagt, OK, man muss versuchen, Emissionen zu reduzieren, so gut es geht, und auf der anderen Seite aber Handelspolitik weiter wie bisher macht. Mit Abkommen, wo ganz vieles unklar ist und feststellbar ist, dass rauskommen wird ein zusätzlicher Absatzmarkt für Autos, ein zusätzlicher Absatzmarkt für billiges Rindfleisch und für Soja. Das heißt, wir wissen, dass die Folgen, die dieses Abkommen auf das Klima hat, definitiv negativ sind, und wir wissen auch, dass die Folgen, die dieses Abkommen hat, es ist, den Handlungsspielraum der EU Emissionen zu reduzieren, definitiv verengt. Das heißt, das ist nicht ganzheitlich gedacht. Es ist wirklich die Handelspolitik über Klimapolitik gestellt.
Bernhard Tröster:
Die Alternativen zu diskutieren ist glaube ich sehr herausfordernd. Eine Möglichkeit ist natürlich, das Ganze auf partnerschaftlichen Ebenen tatsächlich besser zu machen und in einzelnen Bereichen zu machen. Was man jetzt feststellt, ist, dass so ein umfassendes Freihandelsabkommen doch in gewisser Weise immer einem Abtauschgeschäft gleichkommt. Also für die Öffnung des Agrarmarkts in der EU profitiert dann die Industrie und umgekehrt das Ganze in den Mercosur-Ländern. Und sozusagen und es erzwingt dann eben Folgen, die automatisch irgendwie für eine für eine Gruppe zumindest negativ ist. Und dafür sollten andere dann profitieren. Und das ist sozusagen, wenn man es ganzheitlicher betrachtet nicht immer. Eröffnet einem gar nicht die Möglichkeit, irgendwie übergeordnete Themen wie eben Klimawandel und Emissionsreduktionen etc. tatsächlich, oder andere soziale Themen besser zu gestalten. Also man wird gezwungen, gewisse Abstriche zu machen, wenn man auf den anderen Seiten vermeintliche Vorteile tatsächlich haben will. Und das ist sozusagen ja, so eine Diskussion, die sich allgemein für Freihandelsabkommen stellt. Aber die Frage ist ob es ob man nicht in bestimmten Bereichen tatsächlich auf partnerschaftlichen Vereinbarungen mehr bewirken könnte? Was auch hier sich zeigt ist, dass sozusagen, auch wenn jetzt die, auch wenn die Mercosur-Länder keine klassischen Entwicklungsländer sind, aber trotzdem so eine Ungleichheit darin besteht. Auch diese Ungleichheiten, die sich dann durch das Freihandelsabkommen ergeben, wie man die abfedern kann. Und hier ist zum Beispiel die EU natürlich in einer anderen Situation, weil sie dann ihren Landwirten und im Agrarbereich sozusagen andere Subventionen dann versprechen kann als Ausgleich. Und da sind natürlich in anderen Ländern, wie unter anderem auch in den Mercosur-Ländern, diese Möglichkeiten viel, viel geringer, diese tatsächlich negativen Effekte abzufedern.
Klemens Lobnig:
Wir können also festhalten, das geplante Abkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten bleibt also ein komplexes Vorhaben mit vielen Versprechen und teils überzogenen Erwartungen, aber auch erheblichen Risiken für Umwelt, Arbeitsplätze und globale Gerechtigkeit. Und so wie es aussieht, ist das letzte Wort, was dieses Abkommen betrifft, noch nicht gesprochen. Denn ob das Abkommen in der jetzigen Form beschlossen wird, ist aktuell noch offen. Wenn sie noch tiefer in das Thema eintauchen wollen, finden Sie die angesprochene Studie und weitere Inhalte zum Thema Handel auf der Website der ÖFSE. Damit sind wir leider auch schon wieder am Ende dieser Sendung angelangt. Das C3-Radio gibt's dann am 1. September wieder. Bis dahin: Danke fürs Einschalten und wir hören uns!