4min Podcast (Deutsch)

Russische Narrative: Die Ukraine ist ein Teil Russlands

4min Episode 131

Die Spezial-Miniserie des Podcasts 4 Minuten zeigt, wie die Russische Föderation Worte als Waffen einsetzt. Im Fokus stehen Narrative – Erzählungen, die die Realität verzerren, die Gesellschaft spalten und das Vertrauen in demokratische Institutionen untergraben. Schritt für Schritt zeigen wir, wie diese Narrative entstehen, warum sie wirken und wie man sich dagegen wehren kann. Jede Folge dauert etwa vier Minuten und widmet sich einer konkreten Geschichte, Behauptung oder Manipulationsform. Diese Serie richtet sich an alle, die verstehen wollen, wie heutige Kriege mit Worten geführt werden – nicht mit Waffen. 

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Wir setzen unsere spezielle Miniserie Russische Narrative fort, in der wir beleuchten, wie historische Ereignisse, kulturelle Verweise und sprachliche Identitäten für politische Zwecke instrumentalisiert werden. Heute widmen wir uns einem der grundlegendsten russischen Narrative, das maßgeblich zur Invasion der Ukraine beigetragen hat und auch heute noch eine zentrale Säule der russischen Propaganda darstellt: Die Ukraine ist ein Teil Russlands. Dieses Narrativ stützt sich auf Parolen wie „ein Volk, eine Sprache, eine Geschichte“ und zielt darauf ab, die Existenz der Ukraine als souveränen Staat grundsätzlich infrage zu stellen.

Aus russischer Sicht wird die Ukraine nicht als eigenständige Nation betrachtet, sondern als abgetrennter Teil des historischen Russ, später des Zarenreichs und schließlich der Sowjetunion. Dieser Blickwinkel beruht nicht auf objektiven historischen Quellen, sondern auf deren gezielter Umdeutung, wobei die sprachlichen, kulturellen und politischen Unterschiede der Ukrainer bewusst ignoriert werden. Die ukrainische Sprache wird als „ländlicher Dialekt des Russischen“ abgewertet, die Geschichte Kiews wird als russisches Erbe vereinnahmt, und die ukrainische Unabhängigkeit wird als Produkt westlicher Manipulation dargestellt.

Die russische Führung behauptet immer wieder, dass zwischen Russland und der Ukraine keine grundlegenden Unterschiede bestehen, denn beide Völker seien Teil der sogenannten „russischen Welt“. Diese Idee dient als ideologisches Fundament für das Konzept des Russkij Mir – eine Ideologie, die die Vereinigung aller „Russen“ unabhängig von bestehenden Staatsgrenzen anstrebt und damit auch Eingriffe in die Angelegenheiten benachbarter Staaten rechtfertigen soll. Die ukrainische Identität wird in diesem Kontext als Illusion oder als Ergebnis ausländischer Propaganda abgetan.

Dieses Narrativ wurde besonders deutlich im Jahr 2014 mit der Annexion der Krim, als die russische Regierung erklärte, es handle sich um die Rückführung eines historisch russischen Territoriums. Auch die Unterstützung für Separatisten im Donbas und schließlich die Invasion im Jahr 2022 wurden mit ähnlichen Argumenten gerechtfertigt – als „Befreiung unserer Brüder“ von westlichem Einfluss und „Nazismus“. Aus dieser Perspektive wird die Ukraine nicht als eigenständiger Akteur wahrgenommen, sondern als Raum, über den Russland frei verfügen könne.

Die Geschichte wird in diesem Narrativ systematisch umgeschrieben und funktionalisiert. Zentrale Ereignisse wie die Kiewer Rus, das Wirken von Kyrill und Method oder die Kosakenzeit werden in eine Erzählung der „gemeinsamen russischen Geschichte“ eingewoben. Ukrainische Nationalhelden werden verschwiegen oder diskreditiert, während russische imperiale Herrscher als Einiger und Beschützer dargestellt werden. Selbst bedeutende Ereignisse des 20. Jahrhunderts, etwa die Hungersnot Holodomor, werden in der russischen Darstellung geleugnet oder relativiert, um das Bild einer einheitlichen Vergangenheit nicht zu stören.

Ein wesentlicher Bestandteil dieser Strategie ist die konsequente kulturelle und sprachliche Russifizierung der von Russland kontrollierten Gebiete. Das Bildungssystem wird an russische Lehrpläne angepasst, ukrainische Symbole werden verboten, Denkmäler entfernt und durch russische ersetzt. Der öffentliche Raum steht unter staatlicher Aufsicht, um sicherzustellen, dass die russische Version von Geschichte und Identität verbreitet wird. Auf diese Weise wird eine alternative Realität erschaffen, in der die Ukraine als eigenständige Nation nie existiert hat.

Ziel dieses Narrativs ist nicht nur die Rechtfertigung vergangener Handlungen, sondern vor allem die Vorbereitung künftiger Expansionen und geopolitischer Ambitionen. Wenn die Ukraine als nicht existent oder künstlich erschaffen dargestellt wird, lässt sich ihre Besetzung, die Russifizierung der Bevölkerung und die Auslöschung ihrer kulturellen Identität leichter rechtfertigen. Diese Sichtweise erlaubt es auch, den Widerstand der Bevölkerung herunterzuspielen und ihn als Ergebnis „westlicher Propaganda“ darzustellen.

Die russische Rhetorik vom „gemeinsamen Volk“ verschleiert oft das eigentliche Ziel: die Zentralisierung von Macht und Kontrolle über Gebiete, die Russland historisch als seine Einflusssphäre betrachtet. Dieses Narrativ ist daher nicht bloß eine alternative historische Interpretation, sondern ein aktives Instrument im Informationskrieg mit dem Ziel, die ukrainische Identität zu zerschlagen und ihre internationale Legitimität zu untergraben.

Vielen Dank, dass Sie eine weitere Folge der Miniserie Russische Narrative gehört haben. Wenn Sie besser verstehen möchten, wie diese Geschichten funktionieren und verbreitet werden, folgen Sie uns auch in den sozialen Netzwerken – auf TikTok, Instagram, Facebook und X.

Die nächste Folge erscheint am Freitag und widmet sich einem weiteren häufigen Motiv der russischen Propaganda: Der Westen als Aggressor und moralisch verfallene Welt. Wir freuen uns, wenn Sie wieder dabei sind!