Matthias Zehnders Wochenkommentar

Die fatale Rückkopplung zwischen Medien und Wirklichkeit

Matthias Zehnder Season 5 Episode 3

München, 5. September 1972. Es ist der zehnte Wettkampftag der olympischen Spiele von München. Am frühen Morgen dringen palästinensische Terroristen ins Olympiadorf ein, ermorden zwei israelische Sportler und nehmen neun weitere Israeli als Geiseln. Das Team des amerikanischen Fernsehsenders ABC berichtet live aus München – statt über Hochsprung und Sprint jetzt über die Geiselnahme. Der Film «September 5» des Schweizer Regisseurs Tim Fehlbaum inszeniert diese Situation als Kammerspiel im Regieraum von ABC. Im Zentrum steht die Frage, wie Medien über Terror berichten sollen. Ein Höhepunkt des Films ist, als das Fernsehteam live zeigt, wie Polizisten sich als Sportler tarnen, um die Geiselnehmer zu überwältigen. Bis den ABC-Journalisten bewusst wird, dass die Terroristen ihre Berichterstattung wohl mitverfolgen. «September 5» führt auf diese Weise drastisch die Rückkopplung zwischen Medien und Wirklichkeit vor Augen. Eine Rückkopplung, die es nicht in solchen Extremsituationen gibt: Medien sind nicht neutral und abgehoben, sie nehmen mit ihrer Berichterstattung immer auch Einfluss auf das, worüber sie berichten. Gerade heute. Wie können, wie sollen wir mit dieser Rückkopplung umgehen?

Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.
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